75. „Du denkst ich tu das um dich zu provozieren?"
J A M I E
Lächelnd verließ ich das Zimmer und bemerkte, dass ich Hunger hatte. Aber ich wollte nichts essen. Trotzdem lief ich in die Küche, wo ich Ryan traf, doch als er mich sah, vergrößerten sich seine Augen.
Verwirrt runzelte ich die Stirn und begrüsste ihn: „Hi."
„Hey", erwiderte er und kratze sich am Nacken. Für einen Augenblick sah er auf meinen Bauch und blickte dann zurück in mein Gesicht. Verdammt. Wusste er es? Aber wie? Er redete doch nicht mit Justin.
„Hast du Hunger?", fragte er fast schon nervös, doch ich schüttelte den Kopf.
„Du bist grad aufgestanden, du musst doch was essen", konterte er leicht verärgert und blickte in den Kühlschrank. Jetzt war er ja schon fast wie Justin. Ich wollte nichts essen. Warum konnten die beide das nicht akzeptieren?
„Nein, ich will nichts essen", machte ich deutlich und setzte mich auf den Stuhl.
„Jamie-"
„Verdammt, Ryan, ich habe nein gesagt", zischte ich und sah ihn wütend an. Überrascht hob er die Augenbrauen und kratzte sich am Nacken.
„Okay, tut mir leid", murmelte er und schluckte. Super, jetzt hatte ich Schuldgefühle.
„Nein, mir tut's leid", seufzte ich und sah ihn entschuldigend an.
„Wie viel Uhr haben wir?", wollte ich wissen.
„Elf Uhr."
Das war kein Schock für mich gewesen, ich wusste, dass die Schule schon längst begonnen hatte. Wäre es unhöflich zu fragen, wieso Ryan uns heute nicht geweckt hatte? Es war ja immerhin nicht wirklich seine Aufgabe. Er wollte bestimmt selber ausschlafen. Aber sonst hatte er uns auch immer geweckt.
„Ich habe euch schlafen lassen, weil ihr so süß aussaht", sagte Ryan plötzlich und machte so meine Überlegungen überflüssig.
„Weil wir so süß aussahen?", lachte ich und lächelte ihn breit an.
„Ja", erwiderte er schmunzelnd. „Ihr lagt so süß aufeinander."
Ich lachte erneut.
„Wer flirtet hier mit meiner Freundin?", rief Justin, der plötzlich in der Tür auftauchte. Ryan lachte und wand sich erneut dem Kühlschrank zu, um sich und Justin ein Bier heraus zu holen. Mir gab er keins. Anscheinend wusste er es wirklich. Und er hatte über Justins Witz gelacht. Hatten sie sich wieder vertragen? Hatte Justin es ihm erzählt?
Ich blickte zu Justin und formte mit meinen Lippen das Wort „Freundin". Justin lächelte nur und leckte sich über die Lippen.
„Ihr habt euch wieder vertragen?", fragte ich überrascht und sah Ryan und Justin abwechselnd an.
„Hm", machte Justin nur und setzte sich auf einen anderen Stuhl. Er öffnete das Bier an der Tischkante und nahm einen Schluck. Verdammt, war das fies. Ich wollte auch ein Bier. Dachten sie denn gar nicht an mich? Beleidigt wand ich den Blick ab und sah auf meine Hand, die auf dem Tisch lag.
„Was ist eigentlich mit Schule heute?", wollte Justin wissen.
„Ist doch sowieso schon zu spät", murmelte ich und stützte seufzend meinen Kopf in die Hände. In diesem Moment betrat Tryson die Küche.
„Morgen", sagte er und ging zum Kühlschrank.
„Morgen", kam es ihm Chor zurück.
„Wieso seid ihr nicht in der Schule?", fragte er forsch und öffnete den Kühlschrank. Er nahm sich ebenfalls ein Bier. Ich verdrehte die Augen.
„Habt ihr eigentlich noch nie was von Kaffee gehört?", zischte ich mürrisch und sah Tryson an. Überrascht hob er die Augen.
„Wir haben keine Kaffeemaschine", erklärte er irritiert. „Willst du auch ein Bier?"
Sofort sahen mich Ryan und Justin streng an, aber ja, ich wollte ein Bier. Sollte ich lügen oder was? Also antwortete ich mit: „Ja." Justin und Ryan sahen wütend aus. Verdammt.
Tryson reichte mir das Bier und verließ mit drei weiteren die Küche. Verdammt, ich hatte gehofft, er würde hier bleiben. Sofort entriss mir Justin die Flasche und funkelte mich böse an.
„Was soll das?", spuckte er.
„Was soll was? Ich will einfach ein verdammtes Bier!", zischte ich und wollte es mir zurück nehmen, doch Justin hielt es augenblicklich hinter seinem Rücken. Genervt verdrehte ich die Augen.
„Du darfst aber keinen Alkohol!", rief Justin und sah mich nun vollkommen wütend an. Das wusste ich, aber wenn ich so weiter machen würde, würde er heraus posaunen, dass ich schwanger war und dann würde ich sehen, ob Ryan es wirklich wusste.
„Wieso?", knurrte ich nun provozierend und beachtete Ryan mit Absicht nicht.
„Was soll die Scheiße eigentlich? Du isst nichts, du willst trinken- setzt du es eigentlich drauf an unser Kind zu töten?", fuhr er mich an und warf die Arme in die Luft. Ich biss mir wütend auf die Lippen und versuchte nicht auszurasten.
Mit halb geschlossenen Augen, drehte ich meinen Kopf langsam zu Ryan und dann zurück zu Justin, um ihn mit hochgezogenen Augenbrauen anzusehen. Er weitete seine Augen, als er merkte, was er gesagt hatte und sah mich entschuldigend an, doch Ryan schien nicht so überrascht zu sein. Er wusste es schon vorher.
Verärgert stand ich auf und wollte einfach weg von ihm, doch er war schneller und hielt mich am Arm fest, als ich gerade aus der Tür war. Seufzend blieb ich stehen und drehte mich zu ihm um.
„Es tut mir leid", murmelte er, während er auf den Boden blickte.
„Was tut dir leid? Dass du mir unterstellt hast, unser Kind töten zu wollen, dass du dies laut gesagt hast, während Ryan im Raum war, oder, dass du es ihm schon eher gesagt hast?", fragte ich wütend und sah ihn starr an, bis er seinen Blick hob und mir in die Augen sah. Doch ich hatte ihn sprachlos gemacht. Er wusste nicht, was er sagen sollte.
„Ich... äh, ich glaube... alles", stammelte er unbeholfen und sah mich überfordert an.
„Gute Antwort", wisperte ich und presste meinen Kiefer zusammen.
„Es tut mir wirklich leid. Ich... ich habe nicht nachgedacht. Ich hätte dir nicht unterstellen sollen, dass du..., aber es kommt manchmal wirklich so rüber. Oder, als würdest du mich provozieren wollen und das können wir uns bei unseren vielen Streitigkeiten nicht leisten", erklärte er vorsichtig und ließ meinen Arm los.
„Provozieren? Weil ich keinen Hunger habe oder ein verdammtes Bier will? Du denkst, das mach ich um dich zu provozieren?", rief ich aufgebracht.
„Du kannst nicht keinen Hunger haben und ich bin mir sicher, dass du das Bier angenommen hast, weil du mich provozieren wolltest", sagte Justin und war sich wirklich ziemlich sicher.
„Gut, dabei hast du Recht. Ich esse aber nicht so viel, weil ich mich gegen die ganzen Nebenwirkungen der Schwangerschaft sträube. Ich werde weder nur am Fressen sein, noch werde ich ständig kotzen. Ich will das einfach nicht, okay?", meckerte ich und verengte die Augen. „Und ja, ich wollte dich provozieren! Weil ich verdammt noch mal angepisst auf dich bin! Wie konntest du es Ryan sagen, ohne mit mir in irgendeinster Weise darüber gesprochen zu haben?" Da ich wirklich laut wurde, sah Justin in die Küche. Ryan saß ja noch da. Ich war mir sicher, dass er alles gehört hatte.
„Lass uns woanders weiter reden", murmelte Justin, doch ich blieb einfach stehen.
„Wieso? Du erzählst ihm doch sowieso alles!", schrie ich aufgebracht.
„Was ist eigentlich dein Problem?", brüllte Justin und kam mir gefährlich nah. Mein Herz klopfte bis zum Hals und ich war verdammt wütend auf ihn.
„Hast du ein Problem damit, dass ich mit meinem besten Freund über meine Probleme rede?", schrie er verdammt laut. Er war ebenfalls sehr wütend, was ich daran sah, dass seine Adern am Hals und an der Stirn hervortraten.
„Ja, verdammt, auch mich macht diese ganze Scheiße fertig, was soll ich denn machen?", brüllte er.
„Mein Problem ist, dass du es mir nicht gesagt hast", sagte ich nun wieder leise, da ich ihn verstand.
„Ich habe kein Problem damit, dass Ryan es weiß, sondern damit, dass du es ihm gesagt hast", murmelte ich und senkte meinen Blick. Er legte seine Hand an mein Kinn und hob es hoch, sodass ich ihn ansehen musste. Aber er lächelte. Wieso?
„Abgesehen davon, dass das was du gerade gesagt hast, überhaupt keinen Sinn macht, verstehe ich was du meinst... und es tut mir auch ehrlich leid", erklärte er und zog mich plötzlich in eine Umarmung.
„Das ist das erste Mal, dass wir einen Streit wirklich klären. Sonst hauen wir vor der Versöhnung immer ab", bemerkte ich und umarmte ihn zurück.
„Na, wieder vertragen?", fragte plötzlich jemand und ging an uns vorbei in die Küche. Als ich zurück blickte, sah ich, dass es Jason war.
„Halt die Klappe", knurrte Justin, nahm meine Hand und lief mit mir zu unserem Zimmer.
„Lass uns deine Sachen abholen und dann irgendwo hin gehen", schlug er vor und nahm sein Portemonnaie und sein Handy. Ich griff mir ebenfalls mein Handy und mein Oberteil. Hm, das hatte ich schon ziemlich oft angehabt, aber was anderes hatte ich ja nicht.
„Okay", lächelte ich und lief auf ihn zu. Grinsend legte er seine Hände an meine Hüfte und blickte mir in die Augen.
„Wie geht es eigentlich dem Bluterguss, den ich dir zugefügt habe?", fragte er leise und hob sanft eine Seite meines Oberteiles an.
„Nichts mehr zu sehen", flüsterte er und strich mir über die nackte Haut. Sofort bekam ich eine Gänsehaut und presste meine Lippen auf die seinen. Knurrend drückte er mich noch näher an ihn ran und strich mir weiterhin über die Hüfte.
„Lass uns lieber aufhören, sonst artet das noch aus", flüsterte Justin grinsend und löste sich von mir. Lächelnd biss ich mir auf die Lippen und nickte.
„Also, zuerst zu Taylor", sagte Justin, nachdem er den Wagen gestartet hatte.
„Jep", erwiderte ich lächelnd und leckte mir über die Lippen.
„Du warst ja schon mal da, aber woher kanntest du eigentlich den Weg?", wollte ich neugierig wissen.
„Ich, äh, also, ich bin euch, naja, gefolgt", gab er zu.
„Gefolgt? Aber ich war schon eine Stunde bei Taylor, bevor wir zum Frauenarzt wollten", konterte ich und sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an.
„Hm", machte er ohne mich anzusehen.
„Hast du eine Stunde gewartet?", fragte ich entsetzt und weitete meine Augen.
„Vielleicht", entgegnete er grinsend. Lächelnd biss ich mir auf die Lippen.
„Ne Idee, wo wir hinfahren sollen, wenn wir meine Sachen geholt haben?", wollte ich neugierig wissen.
„Nein, nicht wirklich, aber alles ist besser, als immer nur Zuhause zu sitzen", erwiderte er.
„Stimmt", pflichtete ich ihm bei.
-
Ich umarmte Taylor zum Abschied und lief dann zum Wagen. Justin hatte im Auto gewartet. Ich stieg ein und ich nahm meine Tasche auf den Schoß.
„Wohin geht's?", wollte Justin wissen, sah mich lächelnd an und fuhr los. Ich liebte es, dass er neuerdings so oft lächelte. Er hatte ein wunderschönes Lächeln. Das musste er zeigen.
„Ich weiß nicht", murmelte ich und beobachtete weiterhin, wie sich seine Gesichtszüge veränderten.
„Was ist?", fragte er nun noch breiter lächelnd und sah mich kurz an, ehe er seinen Blick wieder auf die Straße heftete. Gott, wie ich es liebte, ihn Auto fahren zu sehen.
„Nichts, ich liebe es nur, dein Lächeln zu sehen", sagte ich lächelnd, doch gleichdarauf zogen sich seine Mundwinkel wieder hinunter. Enttäuscht seufzte ich. Wieso tat er das? Er war glücklich, na und? Was war daran so schlimm? Wieso musste er das verstecken?
„Wieso versteckst du dein Lächeln immer?", fragte ich leise und vorwurfsvoll.
„Tu ich nicht", erwiderte er abweisend, ohne mich anzusehen.
„Doch, tust du", blieb ich hartnäckig.
„Nein, tu ich nicht."
„Doch, tust du."
„Tu ich nicht!", rief er plötzlich und sah mich warnend an, als wollte er mir mit seinen Augen sagen, dass ich ja die Klappe halten sollte. Und schon wieder machten wir unnötiger Weise unsere schönen Momente kaputt.
„Können wir nicht einfach wieder normal miteinander reden?", motzte ich genervt.
„Gerne", erwiderte er monoton.
Ich wollte weiter nachhaken, aber unsere Unterhaltung sollte nicht noch mehr ausarten. Ich sollte es einfach auf sich beruhen lassen und irgendwann anders noch mal mit diesem Thema anfangen.
„Kannst du mir das Schießen beibringen?", fragte ich entschlossen und sah ihn von der Seite an.
„Was?", fragte er entsetzt und blickte mich ebenfalls für einen Augenblick an.
„Ich will mich verteidigen können", erklärte ich und hoffte, dass er mich verstand.
„Du brauchst nicht schießen zu können. Ich schieß für dich", murmelte er und lenkte in eine andere Straße. Wohin er wohl fuhr. Einfach um den Block?
„Du wirst aber nicht immer an meiner Seite sein können", konterte ich leise und sah aus dem Fenster.
„Doch, kann ich", behauptete er und bog erneut ab. Musste er mir die ganze Zeit widersprechen?
„Kannst du nicht und das weißt du auch", fuhr ich ihn nun an und wurde echt sauer.
„Ich bring dir das Schießen nicht bei", sagte er ruhig und sah mich weiterhin nicht an.
„Wieso? Ich habe schon geschossen und habe dich damit gerettet! Aber das war Zufall. Ich kann mich nicht darauf verlassen, dass das noch mal passiert", erklärte ich frustriert.
Ich sah aus dem Fenster und bemerkte, dass wir auf einem Highway waren, der auf einem kleinen Berg lag. Hier fuhr niemand außer uns. Also der Anfang aus einem Horrorfilm. Man konnte auf die andere Straße runter schauen. Der Hügel war nicht hoch, aber steil und mit Gras übersät.
„Hörst du das?", fragte Justin plötzlich fast schon panisch und drehte sich zu mir. Verwirrt lauschte ich und hörte es auch. Es war wie ein Ticken oder ein Piepen.
„Fuck", hauchte Justin. Ich blickte ihn an und sah, dass alle Farbe sein Gesicht verlassen hatte.
Mein Herz setzte für einen Schlag aus, da ich wusste, dass das Ticken etwas Schlimmes zu bedeuten hatte. Ich erhaschte einen Blick auf die Autouhr, auf die Justin gestarrt hatte.
12...11...10
„Fuck, baby, wir müssen hier raus!", brüllte Justin und schnallte sich ab. Mit großen Augen sah ich ihn an.
„W-was?", stammelte ich. Blitzschnell schnallte er auch mich ab und öffnete meine Tür.
„Was- N-nein", stotterte ich panisch und krallte mich an der Tasche fest. Ich wollte nicht schon wieder aus einem Auto springen. Nicht hier.
„Wir haben noch fünf Sekunden, spring jetzt!", brüllte er, riss mir meine Tasche aus der Hand, öffnete seine Tür und warf sie aus dem fahrenden Auto. „Spring!"
Panisch blickte ich nach draußen und atmete tief durch.
„Zwei Sekunden, spring!", brüllte er und in der Sekunde sprang ich. Mit einem dumpfen Knall kam ich auf und hatte das Gefühl, als würden alle meine Knochen brechen. Mit einem lauten Knall sah ich im Augenwinkel, wie das Auto in die Luft ging. Der ganze Boden erschütterte.
Ehe ich den Schmerz auch nur realisieren konnte, rollte ich plötzlich den Berg hinunter. Keuchend versuchte ich mich irgendwo abzustützen, doch ich schaffte es nicht. Brüllend stieß ich brutal mit dem Bauch gegen den Pfosten eines Straßenschildes und spuckte augenblicklich Blut. Mir blieb der Atem weg, da dieser Schmerz so schlimm war und ich rollte mich von dem Pfosten weg. Keuchend versuchte ich auf die Beine zu kommen, doch ich schaffte es nur auf die Knie. Schwer atmend hielt ich mir den Bauch und unterdrückte einen Schrei. Ich versuchte nach Justin zu rufen, doch meine Kehle war zugeschnürt. Naja, nicht ganz. Denn plötzlich musste ich stark husten. Erneut spuckte ich Blut und spürte den Schmerz in meinem Bauch und anderen Knochen.
Wo war Justin? Ging es ihm auch so schlecht? Würde er bald kommen? Oder war er sogar schwerer verletzt, als ich?
Da mich meine Arme nicht mehr halten konnten, ließ ich mich wieder fallen. Ich hörte weder Schritte, noch ein Auto. Nur den Wind, der mir eine Gänsehaut bereitete. Mit schmerzverzerrtem Gesicht, kniff ich die Augen zusammen und fühlte mich jede Sekunde benebelter.
A/N: Mieses Ende, nh? :D Ich bedanke mich wieder für eure ganzen lieben Kommentare! Sie geben mir immer mehr Motivation zum Schreiben und ich hoffe natürlich, dass es nicht aufhört :) Ich wünsche euch noch einen schönen Abend und hoffe, dass euch das Kapitel gefallen hat <3
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