65. „Stirb, bitte."
J A M I E
Nach zwei Minuten kam er wieder und drückte mir stumm ein Handtuch in die Hand.
„Danke", sagte ich. Nickend ging er wieder weg.
Wieso blockte er bei diesem Thema immer ab? Wenn er so versessen darauf war, sich nicht behandeln zu lassen, sollte er auch die Eier haben und darüber reden können, verdammt! Er war uns allen eine Erklärung schuldig. Er hatte sich mit nur zwei Sätzen verteidigt: „Ich sehe einfach keinen Grund mich behandeln zu lassen. Wisst ihr, ich habe nichts mehr zu verlieren."
Das reichte mir aber nicht und den anderen wahrscheinlich genau so wenig. Wir alle erwarteten mehr von ihm, als nur diese mickrige Ausrede. Er hatte uns alle, die für ihn da waren. Waren wir ihm nichts wert? Er hatte mit den Jungs ein Leben aufgebaut. Es war nicht das Leben, das man sich wünschte, aber ich finde, er konnte sich glücklich schätzen mit diesen Menschen zusammen zu leben. Ich tat es auch. Ich mochte sie alle. Jeder hier war auf seine eigene Weise besonders. Wusste Ryan das nicht zu schätzen?
Nach dem Duschen fühlte ich mich schon viel sauberer und besser, war jedoch dennoch müde. Es war aber auch schon fast Mitternacht. Wir waren ja ziemlich lange im Krankenhaus geblieben und ich musste früh raus. Ich hatte meine Schulsachen auch mitgenommen. Zum Glück war Justins Zimmer von den Flammen fast verschont geblieben. Es war wie ein Wunder. Ich hatte nichts verloren, alles war heil geblieben. Aber von den Jungs war ziemlich viel beim Feuer drauf gegangen, deshalb teilten sich alle Justins und Jasons Anziehsachen. Es war komisch die Jungs in Sachen zu sehen, in denen ich Justin schon gesehen hatte.
Erst als ich im Bett lag, kam mir der Schwangerschaftstest wieder in den Sinn. Verdammt! Aber ich wollte jetzt nicht noch mal aufstehen. Ich musste schlafen, damit ich morgen pünktlich zur Schule kommen konnte. Hoffentlich fuhr mich Austin jetzt regelmäßig. Ich wollte immerhin die Schule schaffen. Ich hatte jetzt schon so oft geschwänzt. Das musste ich definitiv in den Griff kriegen. Ich wollte nicht wie Justin und die anderen enden. Das hörte sich wahrscheinlich total scheiße an, aber es war nun mal so. Ich wollte mein Geld auf rechtem Weg verdienen, auch wenn es ein cooler Gedanke war, so zu sein wie Justin, so mit Waffen und so. Aber das Menschen töten war nicht so wirklich das, was ich wollte. Immerhin hatten sie irgendwelche Jungs getötet, weil sie etwas von ihnen haben wollten. Das war herzlos, es war verdammt noch mal herzlos! Das war der Überfall im Red Ocean auch gewesen. Da hatten sie auch viele Menschen getötet, um an Geld zu kommen.
Das Klingeln meines Handyweckers riss mich aus einem tiefen Schlaf. Verdammt, ich wollte nicht aufstehen. Es war so verdammt früh. Wiederwillig stand ich nun doch auf und stellte den Wecker aus. Ich musste pünktlich sein. Austin sollte nicht auf mich warten müssen.
Fertig angezogen und mit gepackter Tasche, stand ich vor der Lagerhalle und wartete auf Austin. Auf die Sekunde pünktlich, traf er auch ein und hielt neben mir. Aus dem offenen Fenster sah er mich lässig lächelnd an. Seine karamellfarbige Haut strahlte mich an und übertraf selbst seine strahlendweißen Zähne. Dieser Junge sah nahezu perfekt aus, zu perfekt. Das mochte ich an ihm nicht. Und natürlich sein dreidimensionales Ego. Lächelnd lief ich um den Wagen und stieg auf der Beifahrerseite an.
„Hey", begrüßte ich ihn, während ich die Tür schloss.
„Hey, Babe", sagte er lässig. Okay, Jamie, du brauchst diese Mitfahrgelegenheit, also sei nett. Normalerweise war man ja Persönlich viel schüchterner, als persönlich, aber bei ihm war das anscheinend anders herum. Naja, am Telefon konnte er auch nicht mit seinem Aussehen angeben, oder seinem Wagen. Verdammt war der geil.
„Danke, dass du mich fährst", sagte ich freundlich und lächelte ihn schwach an.
„Kein Ding. Kannst deine Tasche auf den Rücksitz zu meiner legen", bat er mir an. Ich beugte mich zur Seite und schmiss meine Sachen nach hinten. Austin wendete und fuhr die Straße entlang.
Ich an seiner Stelle hätte mich über meinen derzeitigen Wohnort ausgefragt. Nicht jeder wohnte in einer großen Lagerhalle. Aber naja, konnte mir nur recht sein.
„Schöner Wagen", fing ich ein Gespräch an, da mich diese unangenehme Stille nervte.
„Nicht wahr? Sie ist mein ganzer Stolz", erwiderte Austin und sah mich kurz mit breitem Lächeln an.
„Sie?", fragte ich stirnrunzelnd nach.
„Ihr Name ist Emma", erklärte Austin.
„Okay?", lachte ich leise.
„Du hast ein schönes Lachen", schmeichelte Austin. Verdammt, er wusste ja nicht, dass ich einen Freund hatte. Aber das musste er auch nicht unbedingt erfahren, immerhin musste er mich nur zur Schule fahren.
„Danke", entgegnete ich monoton.
Mir fiel auf, dass er ständig in den Rückspiegel sah, als wollte er kontrollieren, wer hinter uns fuhr.
„Alles okay? Du guckst immer in den Rückspiegel", wollte ich wissen.
„Ich fahre. Ich muss in den Rückspiegel gucken", konterte Austin locker.
„Nein, das mein ich nicht. Du siehst so aus, als hättest du Angst, dass uns jemand verfolgt", ließ ich nicht locker. Ich war mir sicher, dass er viel zu oft in den Spiegel sah. Und sein Gesichtsausdruck sah dabei auch nicht aus, als würde er nur auf den Verkehr achten. Ich war nicht blöd.
„Du hast zu viele Filme gesehen. Ich achte auf den Verkehr. Das macht man beim Autofahren so", versuchte er sich weiter rauszureden. Das war doch scheiße. Er würde wahrscheinlich nicht nachgeben.
„Wenn du meinst", murrte ich und sah aus dem Fenster.
„Soll ich dich nach der Schule auch nach Hause fahren?", wollte Austin nach einer Weile wissen.
„Wenn es keine Umstände macht", erwiderte ich lächelnd, was Austin jedoch zum Lachen brachte.
„Wieso so förmlich?", grinste er. Ich zuckte die Schultern.
„Keine Ahnung. Wollte höflich sein", murmelte ich leicht grinsend.
„Es macht keine Umstände", lächelte er.
„Wenn du nicht so... unangenehm wärst, würdest du eigentlich ganz nett sein", stellte ich nachdenklich fest. Überrascht schossen seine Augenbrauen in die Höhe.
„Ich bin unangenehm?", fragte er leicht spöttisch nach und legte einen Arm hinter meine Lehne.
„Jetzt gerade nicht, aber sonst schon", erklärte ich schief grinsend.
„Oh, wow. Das tut echt weh", witzelte er. Ich lachte kurz ehe, es wieder still wurde.
„Kannst du mich morgen auch fahren?", bat ich ihn.
„Ähm... klar", lächelte er zögerlich.
An der Schule angekommen, nahm ich mir meine Tasche und stieg aus. Austin und ich liefen zusammen stumm zum Schuleingang und verabschiedeten uns, als sich unsere Wege trennten.
„Jamie", ertönte es hinter mir. Ich drehte mich um und sah Taylor nervös.
„Ich war bei Amber. Im Krankenhaus. Willst du mir nicht endlich erzählen, was passiert ist?", fragte er verzweifelt, aber auch wütend.
„Ich... ich weiß es nicht, okay? Ich habe sie aus den Augen verloren und dann war sie weg", erklärte ich total verzweifelt, in der Hoffnung, er würde es mir abkaufen. Ich musste nur glaubwürdig klingen. Vielleicht auch ein paar Tränen rollen lassen.
„Wovon redest du?", wollte Taylor hellhörig wissen und kam auf mich zu.
„Auf der Boundsparty. Sie hat mit einem Jungen getanzt und ich habe sie nicht mehr gefunden. Sie war weg, einfach weg", flüsterte ich. Verdammt, ich war eine schlechte Freundin. Aber ich konnte ihm die Wahrheit nicht sagen.
„Wieso hast du das nicht schon viel eher gesagt?", wisperte Taylor und nahm mich in den Arm.
„Es ist meine Schuld. Es ist alles meine Schuld", hauchte ich und vergrub mein Gesicht in seiner Schulter. Ich war eine echt gute Schauspielerin. Er kaufte es mir wirklich ab. Halleluja.
„Es ist nicht deine Schuld", redete er mir ein. Natürlich war es nicht meine Schuld. Oder? Wenn ich nicht mit Justin mittgegangen wäre, hätte ich sofort bemerkt, dass Amber weg wäre und vielleicht noch etwas tun können.
„Lass uns nicht mehr darüber reden", bat ich ihn und löste mich von ihm.
„Wieso warst du so lang nicht mehr in der Schule?", wollte Taylor wissen, während wir zu unserem Raum liefen.
„Ich bin bei meiner Mutter ausgezogen, weil ich Stress mit ihr hatte und lebe jetzt bei meinem Freund. Leider ist es etwas schwer von da aus zur Schule zu kommen. Aber Austin fährt mich jetzt", erzählte ich. Ich wollte ihm einfach so viel von der Wahrheit erzählen wie möglich.
„1. Wie, du bist ausgezogen? Einfach so? 2. Du hast einen Freund? 3. Austin fährt dich? Austin Risher?", fragte Taylor drauf los.
„Ja, einfach so. Meine Mom ist mit einem neuen Lover angekommen, den ich nicht ausstehen konnte, also bin ich ausgezogen. Ja, ich habe einen Freund. Ja, Austin Risher. Er kann auch nett sein", beantwortete ich all seine Fragen.
„Scheiße, habe ich viel verpasst", murmelte Taylor verblüfft und blinzelte ein paar mal.
Nach der Schule fuhr mich Austin auch noch nach Hause und ich merkte, dass er wirklich ganz nett sein konnte. Vielleicht sollte ich wirklich mal mit ihm ausgehen. Ich könnte es versuchen zu einer freundschaftlichen Verabredung zu drehen. Direkt ausgehen wollte ich nicht. Er sollte sich keine Hoffnungen mit mir machen. Auch wenn ich nicht wusste, wie lange das mit Justin noch halten würde, konnte und wollte ich nicht ohne ihn leben.
Seufzend saß ich in der Küche und starrte vor mir her. Wie sollte ich mir die ganze Zeit hier vertreiben? Ohne Justin. Ich könnte vielleicht auf ein Stäbchen pinkeln, um zu erfahren, ob ich schwanger war. Gute Idee, nicht wahr? Verdammt, ich wollte das nicht machen. Ich wollte es wissen, aber ich hatte Angst davor. Ich hatte eine so verdammte Angst davor und wünschte, ich wäre nicht so allein damit. Ich wollte, dass Justin mit mir Angst vor dem Ergebnis hatte. Aber ich konnte es ihm nicht sagen, verdammt! Es ging einfach nicht. Ich durfte ihn nicht belasten. Er sollte einfach so schnell wie möglich wieder gesund werden, damit ich die Nächte hier nicht mehr allein verbringen musste, damit ich hier generell nicht allein war. Klar, ich hatte die Jungs hier, aber ich fühlte mich dennoch einsam. Am liebsten würde ich Justin heute wieder besuchen, aber es sah nicht danach aus, dass die Jungs vor hatten ins Krankenhaus zu fahren und ich wollte ihnen nicht auf die Nerven gehen. Ausserdem hatte ich mir heute ja sowieso vorgenommen ihn nicht zu besuchen. Aber was, wenn die Jungs gar nicht mehr ins Krankenhaus fuhren? Ich konnte ja nichtmal mit ihm reden, verdammt! Wie sollte ich ohne ihn auskommen? Aber vielleicht musste er ja auch nicht so lange im Krankenhaus bleiben. Vielleicht würde ich ihn ja schon bald wieder sehen.
Eigentlich hatten meine Gedanken, mit dem Thema 'Schwangerschaftstest' begonnen. Lenkte ich mich mit Absicht ab? Ich wollte so unbedingt Gewissheit haben und jetzt drückte ich mich davor den Test zu machen? Das war doch scheiße. Ich sollte es einfach durchziehen.
Mit zittrigen Beinen stand ich auf und lief zu meinem Zimmer. Jetzt würde ich es also erfahren. Ich wünschte mir so sehr nicht schwanger zu sein. So verdammt sehr. Das würde alles so viel leichter machen.
Als ich in meinem Zimmer angekommen war, nahm ich mir den Test und lief anschließend ins Badezimmer. Mein Atem beschleunigte sich und mein Herz pochte doppelt so schnell, wie sonst.
Nachdem ich auf das Stäbchen gepinkelt hatte, saß ich auf dem Toilettendeckel und starrte starr zur Decke. Wie lange musste man warten? Drei Minuten? Verdammt, ich hätte die Verpackung lesen sollen. Egal, ich wartete einfach fünf Minuten. Aber am besten nicht hier, oder? Sonst dachten die Jungs noch, ich hätte eine Sitzung.
Ich stand auf und lief mit dem Test in mein Zimmer, wo ich mich im Schneidersitz auf's Bett setzte und den Test vor mich legte. Erneut starrte ich zur Decke. Wenn ich es nun wusste, hatte ich keine Ausrede mehr, warum ich es Justin noch nicht sagen sollte. Also, falls ich schwanger war. Wenn nicht, würde er hiervon nichts erfahren. Ich musste ihn nur unauffällig davon überzeugen, ein Kondom zu benutzen. Oder vielleicht sollte ich mir die Pille verschreiben lassen. Aber dann musste mich jemand zum Frauenarzt fahren. Das wollte ich nicht. Verdammt, ich brauchte einen Führerschein. Mein Vater hatte mir früher schon ein wenig Fahren beigebracht, also brauchte ich wirklich nur einen Führerschein. Fahren konnte ich ja. Naja, mehr oder weniger.
Waren jetzt fünf Minuten vorbei? Ja, oder? Sollte ich nachgucken? Zur Hölle, ja! Ich atmete tief durch, ehe ich meinen Blick senkte und auf das Stäbchen sah. Bei dem Anblick blieb mein Herz stehen und mir wurde schlagartig heiß. Schwanger.
„Nein, nein, nein, nein", flüsterte ich fassungslos und vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Der Gedanke, dass genau jetzt ein Lebewesen in meinem Bauch heran wuchs, ließ mich erschaudern und machte mich gleichzeitig unglaublich wütend.
„Ich hasse dich! Stirb, du Missgeburt!", zischte ich, während ich unkontrolliert in meinen Bauch boxte und mir Tränen in die Augen stiegen.
„Stirb, bitte", flüsterte ich verzweifelt hinterher und stoppte in meinen Bewegungen, da ich nun vollkommen in Tränen ausbrach.
Ich wollte das alles nicht. Ich wollte kein Kind. Ich konnte kein Kind bekommen. Ich konnte es nicht. Sollte ich es abtreiben lassen? Ich wusste, wie so eine Abtreibung funktionierte. Es war grausam für das Baby. Auch wenn ich meins mehr als alles andere hasste, wollte ich das nicht. Mein Baby... Ich würde Mutter werden, wenn ich nicht abtrieb. Also musste ich doch abtreiben. Es ging nicht anders. Aber meine Mom musste dabei sein, da ich noch nicht achtzehn war. Vielleicht schaffte ich es, es abtreiben zu lassen, bevor Justin es merkte. Oder vielleicht sollte ich es einfach bekommen. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Vielleicht sollte ich es aber auch verhungern lassen, bevor es richtig etwas fühlen konnte. Am besten, ich aß einfach nichts mehr, dann konnte es nicht überleben. Ich hasste es, so etwas zu tun, aber es ging nicht anders. Es ging einfach nicht.
Ich versteckte den Test bei meinen Tampons, zog mich um und legte mich in mein Bett, indem ich den Rest des Tages liegen blieb. Ich wollte einfach nichts anderes tun. Es gab nur eins, was ich wollte. Nicht schwanger zu sein. Das war mein einziger Wunsch im Moment.
Am nächsten Tag war es nicht anders. Ich ging zur Schule, redete dort mit niemandem und lag den Rest des Tages im Bett. Den Tag darauf tat ich es genauso, bis Ryan nach der Schule zu mir kam.
„Hey, Jamie. Alles okay?", fragte er ruhig. Ich drehte mich auf den Rücken und nickte zaghaft.
„Bist du vielleicht krank?", hakte er nach. Gleichgültig zuckte ich die Schultern. Plötzlich knurrte mein Magen laut. Ryan hörte das natürlich und setzte sich zu mir ans Bett.
„Soll ich dir was zu essen bringen?", kümmerte er sich weiter. Es war echt süß, dass er sich Sorgen machte, aber ich wollte allein sein, also schüttelte ich den Kopf.
„Ich habe dich schon lang nichts mehr essen sehen", bemerkte er besorgt und legte seine Hand an meine Stirn.
„Du fühlst dich ganz normal an", murmelte er nachdenklich.
„Jamie, was ist los?", wollte er verzweifelt wissen. Sollte ich es ihm sagen? Dann wäre ich nicht mehr so allein damit und könnte mit jemandem drüber reden.
Niedergeschlagen setzte ich mich auf und sah Ryan unschlüssig an. Ich hatte wirklich vorgehabt, es ihm zu erzählen, doch mein Mund bewegte sich nicht. Ich brachte kein Wort heraus. Das war vielleicht ein Zeichen dafür, dass ich es für mich behalten sollte.
„Sollen wir heute Justin besuchen? Ich war gestern schon bei ihm und er hat nach dir gefragt", lächelte Ryan. Justin hatte nach mir gefragt? Vermisste er mich, so wie ich ihn vermisste? Sollte ich ihn heute besuchen? Ich wollte ihn sehen. Aber ich hatte Angst, dass er merkte, dass etwas nicht mit mir stimmte. Ich hatte einfach Angst vor seiner Reaktion. Vielleicht sollte ich es ihm erst sagen, wenn er aus dem Krankenhaus ist.
„Ja", entschloss ich schwach lächelnd.
Nach einer Stunde waren wir auch schon im Krankenhaus und liefen zu Justins Zimmer.
„Möchtest du zuerst allein mit ihm reden?", wollte er wissen.
„Oder andere Sachen machen", murmelte er hinterher. Ich lachte leise und schüttelte leicht den Kopf.
„Nein, komm ruhig mit rein", lächelte ich.
„Du siehst jetzt viel besser aus, als die letzten Tage. Vielleicht hast du ihn ja einfach nur vermisst", überlegte Ryan schmunzelnd. Sofort verschwand mein Lächeln, als ich wieder an das Baby in meinem Bauch dachte. Fast hätte ich mit meiner Hand darüber gestrichen, konnte es jedoch gerade noch verhindern.
Laut klopfte Ryan an Justins Tür, ehe er sie öffnete und hinein trat.
„Hey, Ryan", hörte ich Justin sagen. Mein Herz machte einen Sprung und mein Magen begann zu kribbeln. Ich hatte ihn so verdammt vermisst.
Als ich ebenfalls eintrat, sah ich, dass er nur in Boxershorts neben seinem Bett stand und von der jungen Krankenschwester von hinten mit dem Stethoskop abgehört wurde. Sein Oberkörper war immer noch fast komplett verbunden. Nur die obere Hälfte seiner Brust und der Teil unter seinem Bauchnabel guckte heraus.
Ich blieb in der Tür stehen und sah ihn sehnsüchtig an. Sein Blick war zu Boden gerichtet und er hatte mich noch nicht gesehen. Ich atmete kurz durch, ehe ich mich mit den Worten „Hey, Justin" bemerkbar machte. Augenblicklich sah er auf und blickte mich überrascht an, doch in der nächsten Sekunde bildete sich ein Lächeln auf seinen Lippen.
„Hey", erwiderte er.
„In einer Stunde bring ich Ihnen Abendessen. Bis später, Mister Bieber", verabschiedete sich die Schwester und lief an mir vorbei durch die Tür. Langsam trat ich weiter in das Zimmer und ließ meine Augen nicht von Justins.
„Hey", erwiderte er erneut und kam schnell auf mich zu. Fest umarmte er mich und vergrub sein Gesicht in meiner Halsbeuge. Lächelnd legte ich meine Arme um seine Hüfte und lehnte meine Wange gegen seine Brust.
„Ich dachte, du kommst gar nicht mehr", flüsterte er und löste sich leicht von mir. Ich tat es ihm gleich, sodass wir uns in die Augen sehen konnten und schon in der nächsten Sekunde lagen seine Lippen auf meinen. Mit geschlossenen Augen erwiderte ich den Kuss und vergrub meine Hände in seinen Haaren.
„Das habe ich vermisst", grinste er, nachdem er sich von mir gelöst hatte. Ich sah ihn etwas gekränkt an. Er hatte das vermisst. Nicht mich. Außerdem hatte ich erwartet, dass er sich entschuldigen würde.
„Ihr geht's nicht gut, Justin. Sei ein bisschen für sie da. Ich gehe mir ein Kaffee holen", ließ uns Ryan wissen und verschwand. Verdammt. Wieso musste er etwas sagen?
„Wieso geht's dir nicht gut? Was ist los?", fragte Justin besorgt, nahm mein Gesicht sanft in seine Hände und inspizierte es.
„Er übertreibt. Mir geht's gut", lächelte ich schwach und sah weg.
„Nein, das stimmt nicht. Du siehst nicht gut aus. Bist du krank?", fragte nun auch er. Nein, ich war nicht krank, verdammt. Ich war schwanger! Konnte man das auch als Krankheit sehen? Aber eigentlich wäre es die perfekte Ausrede, wieso ich mich so benahm. Ich konnte einfach sagen, dass ich krank war.
„Keine Ahnung", murmelte ich und lehnte mein Gesicht an seine Brust. Fürsorglich strich er mir über den Rücken und küsste mich auf den Kopf. Genau jetzt in diesem Moment hatte ich das Verlangen, ihm zu sagen, wie sehr ich ihn liebte, aber ich wusste, dass es besser war, es für mich zu behalten.
„Wie geht es dir denn eigentlich?", wollte nun ich wissen und sah zu ihm auf.
„Gut", behauptete er. Es konnte ihm doch höchstens besser gehen, aber noch nicht gut, oder? Er war gerade mal vier Tage hier. Bleiben also noch zehn.
„Feierst du eigentlich mit uns oder mit deiner Mom Weihnachten?", fing er ein neues Gespräch an und lief mit mir zu seinem Bett, auf welchem wir uns nieder ließen. Stimmt, es war bald Weihnachten.
„Ihr feiert Weihnachten?", stellte ich überrascht die Gegenfrage.
„Natürlich", sagte Justin irritiert und sah mich verwundert an. Das hätte ich nicht erwartet. Ich hätte generell nicht erwartet, dass sie irgendetwas feierten. Sollte ich mit ihnen feiern? Ich hatte nicht wirklich das Bedürfnis an Weihnachten bei meiner Mom zu sein. Bei Justin und den anderen Jungs wäre ich lieber.
„Ich würde lieber mit euch feiern", murmelte ich nachdenklich. Justin lächelte mich breit an und gab mir einen Kuss auf die Wange. War er heute besonders gut drauf?
„Feiert ihr Weihnachten wie... normale Menschen?", wollte ich schmunzelnd wissen.
„Normale Menschen?", fragte er irritiert nach. „Sind wir nicht normal, oder was?" Er schien nicht verärgert zu sein. Er war heute wirklich gut drauf.
„Doch, also nein, aber eigentlich doch...", stotterte ich, was Justin mit einen amüsierten Grinsen quittierte.
„Ich weiß nicht, wie ich das sagen soll", gab ich auf und ließ die Schultern hängen.
„Ist egal. Ich weiß, wie du das meinst. Wir feiern Weihnachten eigentlich einfach nur, indem wir uns ein paar Geschenke machen. Also ohne Weihnachtsbaum und so", erklärte er leicht lächelnd. „Ausser du willst einen. Dann kann ich natürlich einen besorgen."
Ich biss mir lächelnd auf die Lippen, beugte mich vor und gab ihn einen keuschen Kuss auf die Lippen.
„Wieso bist du heute so gut drauf?", wollte ich amüsiert wissen.
„Keine Ahnung", lächelte er. „Habe vielleicht einfach n guten Tag."
Das sollte er öfters haben. Wenn er einen guten Tag hatte, würde seine Reaktion vielleicht ein bisschen besser ausfallen, wenn ich ihm sagen würde, dass ich schwanger war. Andererseits wollte ich ihm seinen guten Tag nicht kaputt machen. Also sollte ich es ihm am besten nicht sagen. Nicht jetzt.
„Was machen wir jetzt?", fragte er verführerisch und begann meinen Hals zu küssen. Sofort versteifte sich mein ganzer Körper und der Ekel stieg, als ich daran dachte, dass wir vielleicht hier unser Kind gezeugt hatten.
„N-nicht. Ryan kommt gleich wieder", stoppte ich ihn und rutschte etwas weg. Nervös spielte ich mit meinen Händen, die in meinem Schoß lagen und vermied es, ihn anzusehen.
„Habe ich was falsch gemacht?", wollte Justin fast schon unsicher wissen. Verdammt, war er heute süß. Und ich wies ihn ab. Aber ich hatte einfach nicht das Bedürfnis, ihn so richtig zu küssen.
„Nein, ich... keine Ahnung", murmelte ich und senkte den Kopf noch ein wenig tiefer. Scheiße, gleich fange ich an zu weinen, dachte ich mir. Nein, ich durfte nicht weinen.
„Hey", hauchte Justin, nahm mein Kinn zwischen Zeigefinger und Daumen und drehte mein Gesicht in seine Richtung.
„Was ist los?", wollte er leicht verzweifelt wissen.
„Kannst du mich in den Arm nehmen?", flüsterte ich, während ich krampfhaft versuchte, die Tränen zu unterdrücken.
Wortlos legte er seine Arme um mich und zog mich zu sich. Schnell schlang ich meine Arme um seinen Bauch und vergrub mein Gesicht in seiner Brust. Er platzierte seinen Kopf auf meinem und strich mir zärtlich über den Rücken. Er hatte keine Ahnung, was los war und war trotzdem für mich da. Ich brauchte ihn jetzt so verdammt sehr. Ich war am Ende, hatte einfach keine Ahnung, was ich tun sollte. Sollte ich abtreiben, es bekommen, es Justin erzählen, oder es für mich behalten? Ich wusste es nicht. Ich wusste nur, dass ich Justin in diesem Moment brauchte.
Stumm liefen mir Tränen die Wange runter und verteilten sich auf Justins Brust. Ich sollte nicht vor ihm weinen, wenn ich nicht vorhatte zu erzählen, wieso.
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