60. „Jemand ist hier."
J A M I E
Ein ersticktes Quieken entwich meiner Kehle.
„Du solltest lieber tun, was ich dir sage, sonst werde ich nicht mehr so nett sein", presste er nun aggressiv zwischen seinen Zähnen hervor.
Verängstigt öffnete ich zögerlich meinen Mund und streckte die Zunge heraus. Mein ganzer Körper zitterte wie wild vor Angst und ich wollte einfach nur schreien, doch die Angst, dass er die Flasche über mich schütten würde, war größer als dieses Verlangen.
„Braves Mädchen", lobte er mich und streichelte mir durchs Haar, nachdem er meinen Hals losgelassen hatte.
„Und jetzt mach schön deinen Mund auf und streck die Zunge raus", flüsterte er. Ich presste meine Augen zusammen und tat wie mir befohlen. Was hatte ich auch für eine andere Wahl?
„Gut so", lobte er.
„Jetzt wird es weh tun, aber untersteh dich auch nur einen Mucks zu machen", zischte er mir zu. Wieso tat er das? Wieso war er so versessen darauf, mir weh zu tun? Was lief denn mit ihm falsch?
Als nichts passierte, öffnete ich die Augen wieder, doch genau in diesem Moment berührten zwei Tropfen des Wassers meine Zunge. Ich riss die Augen auf und gab Geräusche von mir, von denen ich nicht mal wusste, dass ich sie erzeugen konnte. Diese kleinen mickrigen Tropfen ließen mir einen Schmerz spüren, der nicht auszuhalten war.
Ich rieb meine Zunge an meinem Gaumen und versuchte den Schmerz zu stoppen, doch nichts half. Tränen traten mir in die Augen und ich schrie lauthals los. Ich konnte nicht anders.
So schnell ich konnte schubste ich Matt weg und schaffte es, mich von ihm zu befreien. Ich rannte einfach irgendwo lang, weg von ihm und stieß dabei ständig gegen Wände. Doch plötzlich wurde ich erneut festgehalten und erneut spürte ich eine Hand auf meinem Mund. Nein, nein, nein.
Ununterbrochen liefen mir Tränen über die Wangen und ich sackte in mich zusammen. Matt hielt mich fest und schliff mich hinter sich her.
„Du dumme Schlampe, ich habe dir gesagt, du sollst die Klappe halten! Das wird Konsequenzen geben", knurrte er mir ins Ohr und lief immer noch rückwärts. Plötzlich hörte ich Schritte in unsere Richtung kommen. Endlich. Das musste einer der Jungs sein. Bitte, lass endlich jemanden kommen. Auf einmal wurde ich in einen Raum geschubst und Matt verschloss die Tür von innen.
„Die Flasche habe ich zwar nicht mehr, aber ich hab immer noch meine Handflächen", grinste er frech. Ich schluckte.
„Bitte", hauchte ich verängstigt.
„Du bettelst mich an? Das finde ich ziemlich unhöflich", sagte Matt gespielt verärgert und schüttelte den Kopf. Mit diesem Typen stimmte so einiges nicht. Er war doch total krank im Kopf. Unauffällig rückte ich weg von ihm, indem ich nach hinten kroch.
„Aber ich vergebe dir", lächelte er breit und kam auf mich zu. Ich wimmerte und rückte nun weiter und schneller nach hinten, doch dieser Raum war nicht besonders groß, weshalb ich sehr schnell an der Wand angekommen war.
„Hilfe!", brüllte ich so laut ich konnte. Sofort rannte Matt auf mich zu und gab mir eine harte Backpfeife, die mich zum Schweigen brachte.
„Schnauze", knurrte er und zog mich an den Haaren hoch. Erneut wimmerte ich und sah ihm ängstlich in die Augen. Er stand nun genau vor mir. Ich war wie gelähmt vor Angst.
„Du bist so hübsch", flüsterte er plötzlich und vergrub seinen Kopf in meiner Halsbeuge. Ekel kam in mir auf. Er sollte weg von mir. Er hatte nicht das Recht, mir das alles anzutun.
Auf einmal spürte ich seine Hände meinen Körper hoch fahren, bis sie an meinen Brüsten stoppten. Fest presste ich die Augen zusammen und verkrampfte meine Hände. Er sollte verdammt nochmal die Hände von mir nehmen!
Fest knetete er meinen Busen, was mich wimmern ließ. Was sollte ich denn tun, verdammt nochmal? Obwohl... so schwer konnte das nicht sein. Ich musste einfach hier raus. Ich musste nur diesen Raum verlassen und ihm entkommen.
Ruckartig stand ich auf. Da es so plötzlich kam, konnte ich seine Hände wegschlagen und lief zur Tür. Ich öffnete sie, doch in der nächsten Sekunde wurde sie wieder zu geschlagen und ich dagegen geschubst. An den Haaren wurde ich herumgerissen und landete in seinen Armen, aus denen ich mich jedoch sofort wieder befreite.
„Jetzt hör auf dich zu wehren, du verdammte Hure!", rief er wütend und schubste mich gegen die Wand. Ich schlug mit meinem Kopf auf und stöhnte vor Schmerz.
„Siehst du, wozu du mich getrieben hast?", flüsterte er und stellte sich dicht hinter mich. Plötzlich presste er seinen Körper gegen meinen und küsste erneut meinen Hals. Ich hörte auf, mich zu wehren und versuchte alles auszublenden. Ich versuchte, an etwas anderes zu denken, doch da hatte ich eine Idee. Er würde mich doch nicht vergewaltigen, wenn ich bewusstlos war.
Ich schloss die Augen und versuchte mich fallen zu lassen, doch Matt's Körpergewicht ließ das nicht zu, jedoch schien er es zu bemerken. Er ließ von mir ab, weshalb ich auf den Boden fiel. Es tat weh, doch es musste glaubhaft rüberkommen.
„Hey", sagte er und klopfte mir auf die Wange. Es war schwer, sich überhaupt nicht zu bewegen, doch es gelang mir.
„Wach auf!", zischte Matt und tritt mir in den Bauch. Ich kämpfte gegen den Drang an, mich zu krümmen und blieb einfach liegen.
„Scheiße", fluchte Matt wütend und lief hin und her, was ich an seinen Schritten hörte. Kurz darauf war die Tür zu hören und ich war allein. Sofort, als die Tür wieder ins Schloss fiel, krümmte ich mich und stöhnte schmerzvoll auf. Sein Tritt war verdammt fest gewesen.
Als ich aufstand, spürte ich Schmerz in meinem ganzen Bauch- und Brustraum. Ich torkelte zur Tür und öffnete sie. Ich verließ die kleine Hütte und hielt mir den Bauch.
„Jungs?", brüllte ich und verfestigte den Griff um meinen Bauch, da es noch mehr schmerzte, wenn ich schrie. Ich wusste, dass mich Matt nun auch gehört haben könnte, aber das war mir schon fast egal. Ich wollte endlich einen der Jungs bei mir haben. Mit ihnen fühlte ich mich sicher.
Schnelle Schritte, die in meine Richtung kamen, ließen mein Herz schneller schlagen. Ich wusste nicht, in welche Richtung Matt gegangen war, also konnte auch er es sein, doch ich bewegte mich trotzdem nicht von der Stelle. Ich blieb einfach stehen und betete, dass es endlich einer von den Jungs war.
Als die Schritte ganz nah waren, hielt ich die Luft an und starrte in den Gang ein. Eine Sekunde danach war eine männliche Gestalt zu erkennen, doch durch die Dunkelheit wusste ich nicht, wer es war.
„Jamie, verdammt, was schreist du denn so?", meckerte Jason. Ich atmete die Luft hörbar aus und rannte auf ihn zu. Ohne zu überlegen schmiss ich mich ihm in die Arme.
„Jason", wimmerte ich und spürte, wie mir eine Träne die Wange runter lief.
„Was ist denn los?", wollte er verwirrt wissen und legte zögerlich die Arme um mich.
„Hier ist jemand", wisperte ich.
„Was?", erwiderte Jason entsetzt.
„Jemand ist hier in der Lagerhalle", wiederholte ich und ließ ihn los. Jason hatte fassungslos die Augen geweitet und fuhr sich durch die Haare.
„Ich gebe dir eine Waffe und dann gehst du in dein Zimmer. Wir kümmern uns um alles", bestimmte er streng. Ich nickte zaghaft und lief ihm hinterher, als er sich umdrehte.
Endlich war einer der Jungs da. Jason und die anderen würden ihn finden, während ich mich einfach verstecken konnte. Es war endlich vorbei. Matt war total krank im Kopf. Er brauchte einen Arzt und sollte nicht frei rumlaufen. Aber wer war er und was wollte er hier?
„Jason, hast du eine Idee wer er ist?", fragte ich vorsichtig.
„Jup", erwiderte er und bog um eine Ecke. Ich runzelte die Stirn. Ich hasste es abgrundtief, wenn Justin und die Jungs etwas vor mir verheimlichten. Vor allem wenn ich hier bei das Opfer war. Matt hatte mich angegriffen, nicht ihn oder einen der anderen. Ich hatte ein Recht auf Informationen. Wie oft hatte ich mir das schon gedacht? Das erste mal, als ich Justin getroffen hatte, hatte ich das schon gedacht. Da hatte er mir schon nichts erzählt. Aber wenn ich ihn jetzt fragen würde, würde er bestimmt antworten, aber dafür müsste ich ihn davon erzählen und das wollte ich nicht. Er sollte sich ausruhen und sich keine Sorgen machen. Wahrscheinlich würde er aus dem Krankenhaus abhauen und hierher kommen. Ich musste lächeln. Er war so süß. Ich wünschte, er wäre hier.
„Okay, bleib hier", sagte Jason und öffnete die Tür meines Zimmers. „Ich bin gleich wieder da."
Ich nickte und ging ins Zimmer. Jetzt war ich wieder allein, aber Matt würde mich hier sowieso nicht finden. Und wenn doch?
Okay, bleib ruhig. Alles ist okay. Ich musste mich nur beruhigen. Zitternd ließ ich mich auf das Bett fallen und vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Ich wollte Justin anrufen und mit ihm reden.
Blitzartig tastete ich mich ab und fand mein Handy in meiner Hosentasche, aus der ich es rausholte. Fünf verpasste Anrufe von meiner Mom und sieben von Liam. Sie wollten wegen dem Sturm sicher wissen, ob es mir gut ging. Aber ich wollte jetzt nicht mit ihnen reden. Ich wollte mit Justin reden.
Ich schreckte leicht zusammen, als die Tür aufging und Jason hinein kam.
„Benutz sie, wenn es nötig ist", befahl er mir, legte die Waffe auf mein Bett und verschwand sofort wieder. Ich sah die Waffe aus dem Augenwinkel an und widmete mich wieder meinem Handy.
Sollte ich Justin wirklich anrufen? Vielleicht nervte ich ihn ja. Vielleicht wollte er gar nicht mit mir reden. Oder er schlief. Oder er würde sich Sorgen machen, wenn ich anrief. Vielleicht hatte er sein Handy ja auch gar nicht. Vielleicht war es ja kaputt gegangen. Ich hatte die Nummer vom Krankenhaus nicht. Aber ich konnte es doch einfach mal versuchen, oder?
Noch immer nicht ganz entschlossen rief ich Justin an. Bitte, lass ihn sein Handy haben und dran gehen. Während es tutete lauschte ich, hörte jedoch nichts. Hatten die Jungs Matt schon geschnappt oder war er vielleicht gar nicht mehr hier? Was würde mir denn lieber sein? Dass die Jungs ihn schnappen würden oder, dass er schon weg war?
„Jamie", hörte ich eine Stimme, die definitiv nicht Justin war, sagen. Jack. Wieso hatte er sein Handy? „Ich dachte mir schon, dass du anrufen würdest."
Ich schluckte.
„Was machen Sie mit Justins Handy?", wollte ich verärgert wissen.
„Ich war zufällig in der Gegend und hab den Leichnam eures Hauses durchforscht. Ziemlich viel Blut. Wer ist gestorben?", sprach er wissend. Er hatte definitiv etwas damit zu tun!
„Sie waren das, oder nicht?", zischte ich und setzte mich auf.
„Ich weiß nicht wovon du redest, Süße", redete er sich aus.
„Doch, das tun Sie. Sie haben das Haus angezündet", stellte ich fest.
„Nein, nein, Schätzchen, das war ich nicht. Ich weiß, aber, wer es war", verriet er mir.
„Ich schätze, Sie verlangen etwas im Gegenzug, damit Sie es mir sagen", vermutete ich.
„Exakt", erwiderte er.
„Und was?"
„Ein Treffen."
Ich runzelte die Stirn. Ich konnte doch kein Treffen vereinbaren, ohne mit den Jungs gesprochen zu haben.
„Ich melde mich später wieder", sagte ich schnell, bevor ich auflegte.
Ich wartete eine Stunde, in der ich weder Schüsse, noch andere laute Geräusche hörte. Hatten sie ihn denn jetzt endlich geschnappt? Wieso dauerte das solange? Endlich öffnete sich meine Tür und Ryan kam hinein.
„Hey", sagte er.
„Hey", erwiderte ich leise und sah zu ihm auf, da ich immer noch auf dem Bett saß.
„Ist alles okay?", wollte er besorgt wissen und setzte sich zu mir.
„Mhm", machte ich ohne ihn anzusehen.
„Gut", seufzte er. Wollte er mich verarschen? War es nicht klar, dass ich auf eine Antwort wartete?
„Habt ihr ihn gefunden?", fragte ich ungeduldig und drehte meinen Oberkörper in seine Richtung. Er sah bedrückt auf seine Hände und schüttelte leicht den Kopf.
„Das heißt, er ist noch hier?", rief ich fassungslos.
„Ja, nein... wissen wir nicht", stammelte er und sah mich entschuldigend an.
„Ich schätze, du musst heute Nacht bei mir auf dem Boden schlafen", lächelte ich gespielt. Ryan ließ die Schultern hängen und seufzte.
„Okay. Ich hole aber noch meine Matratze", bestimmte er und wollte schon aufstehen, doch ich stoppte ihn.
„Warte", rief ich leise. Er ließ sich wieder auf's Bett fallen und sah mich abwartend an.
„Ich muss dir was erzählen", murmelte ich.
„Schieß los", meinte er locker.
„Aber du erzählst den anderen nichts davon. Also nicht heute. Morgen ist okay. Ich bin müde und will schlafen. Okay?", flehte ich. Ich hatte echt kein Bock jetzt noch irgendetwas zu besprechen. Ich wollte eigentlich nur schlafen und das am Besten mit Justin an meiner Seite, aber das konnte ich wohl die nächste Zeit vergessen. Wie sollte ich das durchhalten? Ich vermisste ihn jetzt schon. Seinen Duft, seinen Körper, seine Wärme, seine Berührungen, das Gefühl, wenn er in mir drin war. Ja, ich vermisste Sex mit ihm. Ich war eben auch nur ein Teenager.
„Ich habe versucht Justin anzurufen, aber er ist nicht dran gegangen", fing ich an und machte eine kurze Pause. „Jack ist dran gegangen."
Ryan weitete seine Augen kaum merklich.
„Er sagt, er weiß, wer euer Haus in Brand gesetzt hat, aber er will sich mit uns treffen", fuhr ich fort.
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