54. „Wir haben dich vermisst."

J A M I E

Als ein lautes Lachen ertönte, schrak ich etwas zusammen und schlug anschließend die Augen auf. Ich erblickte Justins nackte Brust und atmete erleichtert auf. Ich hatte diese Nacht durchgeschlafen und keinen Alptraum gehabt.

„Könnt ihr mal die Klappe halten?", rief Justin plötzlich wütend. Sofort verstummte das Lachen vor der Tür und man hörte mehrere Leute die Treppe hinunter gehen.

Ich lachte leise an Justins Brust, was ihn dazu brachte seinen Hals zu recken, damit er mich ansehen konnte.

„Du bist wach?", fragte er verwundert mit einem leichten Grinsen auf den Lippen. Ich nickte und biss mir auf die Lippen. Verschlafen sah er so süß aus.

„Irgendwelche Alpträume?", wollte er wissen. Lächelnd schüttelte ich den Kopf.

„Bist du noch müde?", fragte er weiter. Ich schüttelte erneut den Kopf.

„Gut, es ist nämlich schon drei Uhr", ließ er mich wissen. Ich hob meine Augenbrauen und weitete meine Augen. Schon drei? Hatte ich wirklich so lange geschlafen?

„Wieso bist du noch nicht aufgestanden?", fragte ich irritiert.

„Ich wollte dich nicht wecken", lächelte Justin ausgelassen und ließ seinen Kopf wieder ins Kissen fallen. Mein Lächeln wurde breiter und ich seufzte zufrieden.

„Lass uns zusammen duschen gehen", schlug Justin aus heiterem Himmel vor. Ich musste unwillkürlich grinsen, schüttelte jedoch den Kopf.

„Komm schon, Babe", bettelte er.

„Nein, ich möchte ehrlich gesagt lieber allein duschen", gab ich zu. Justin seufzte enttäuscht und richtete sich auf.

Ich hob meinen Kopf an und sah ihm dabei zu, wie er aufstand und sich seine Boxershorts überzog. Währenddessen biss ich mir auf die Lippen. Er hatte einen echt tollen Hintern. Wortlos lief er aus dem Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Ich seufzte und dachte an die letzte Nacht zurück.

Fast unbewusst zierte ein Lächeln mein Gesicht und ich war mir sicher, dass ich momentan das glücklichste Mädchen auf der Welt war und daran war nur Justin Bieber Schuld. Selbst wenn ich nur in groben Zügen an den vergangenen Abend dachte, machte mein Herz einen riesengroßen Hüpfer und ich würde am liebsten jedes kleinste Detail erneut erleben. Egal wie schmerzhaft es am Anfang war, ich fand es perfekt.

Doch plötzlich wurde ich blass im Gesicht, als mich eine Erkenntnis traf; wir hatten nicht verhütet. Ich nahm weder die Pille, noch hatte er ein Kondom benutzt.

Wie konnten wir das nur vergessen? Wieso hatte er nicht dran gedacht? Legte er es drauf an, jemanden zu schwängern? War ihm das Kind mit Chelsea nicht genug, verdammt? Ich wollte kein Kind. Nicht jetzt und auch sonst nie. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, irgendwann Mutter zu sein und wollte es auch nicht. Was hatte er sich nur damit gedacht?

Verzweifelt setzte ich mich auf und fuhr mir durchs Gesicht. Ich musste mir unbedingt einen Schwangerschaftstest holen. Ich konnte mich heute einfach mit Liam treffen und einen mit ihm kaufen. Justin sollte davon erst mal nichts erfahren. Ich wollte ihm keine hoffentlich unnötigen Sorgen bereiten.

Plötzlich öffnete sich die Zimmertür und Justin kam nackt hinein. Ich sah ihn nicht an, wollte nicht, dass er sah, dass es Probleme gab, und sammelte meine Anziehsachen auf. Die Bettdecke hatte ich fest um meinen Körper geschlungen.

„Die kannst du mir geben. Ich tu sie in die Wäsche", sagte Justin und nahm sie mir aus der Hand. Ich lächelte ihn kurz an, ehe ich mir neue Sachen aus meiner Tasche nahm.

Ich zog mir Unterwäsche an und huschte damit aus dem Zimmer. Sofort verschwand ich im Bad, damit mich niemand so sah. Ich duschte mich ab und merkte ein Ziehen im Unterleib, was aber nicht weiter schlimm war. Mein erstes Mal und schon musste ich mir Sorgen machen, schwanger zu sein. Das Universum meinte es wirklich nicht gut mit mir.

Als ich die Badezimmertür frischangezogen und mit nassen Haaren öffnete, stand Justin davor und schien grade klopfen zu wollen. Ich erschreckte mich kurz und sah ihn dann abwartend an.

„Ich muss weg", sagte er nur. Ich kaute auf meiner Unterlippe herum und nickte. Justin seufzte.

„Tut mir leid", murmelte er und wollte mich küssen, doch ich wich aus.

„Ist schon okay", wimmelte ich ab und quetschte mich an ihm vorbei. Ich hatte keine Ahnung, was mit mir los war, aber ich war echt sauer. Oder eher enttäuscht. Wir hatten eine so schöne Nacht und jetzt wollte er schon wieder gehen. Naja, ich konnte mich ja jetzt mit Liam treffen, er hatte ja Zeit für mich.

„Bist du jetzt sauer?", fragte Justin fassungslos, während er mir in sein Zimmer folgte. Ich fuhr herum und sah ihn traurig an.

„Nein", seufzte ich und senkte den Blick.

„Tut mir leid", murmelte ich hinterher.

„Ja ja."

Justin schüttelte den Kopf und lief zu seiner Kommode. Seine Haare waren bereits trocken. Wahrscheinlich hatte er sie geföhnt. Auf jeden Fall fing er gerade an sie zu stylen und ignorierte mich quasi, als ich leise fragte: „Bist du jetzt sauer?"

Enttäuscht schüttelte ich den Kopf und überlegte, wo ich mein Handy hingetan hatte. Es war bestimmt... nein, ich hatte keine Ahnung.

Verzweifelt sah ich mich in Justins Zimmer um und endschied mich Justin zu fragen: „Hast du mein Handy gesehen?"

„Das war in deiner Hosentasche. Ich hab's auf deine Tasche gelegt", antwortete er. Und boom, war das Rätsel gelöst.

Ich lief zu meiner Tasche und fand es dort. Fluchend suchte ich in meiner Tasche nach meinem Ladekabel, nachdem ich bemerkte, dass mein Handy leer war, und fand es am Boden meiner Tasche. War ja klar. Seufzend suchte ich nach einer Steckdose und fand eine neben der Kommode. Wortlos verließ Justin sein Zimmer und ließ mich allein.

Was sollte dieser ganze Scheiß eigentlich? Wieso war er jetzt schon wieder sauer auf mich? Weil ich es scheiße fand, dass er mich schon wieder allein ließ? In seinem Haus? Letztes mal war er um halb zwölf nach Hause gekommen. Ich war hier einfach nicht gern allein. Ich hatte keine Ahnung, was ich machen sollte.

Frustriert lief ich die Treppe hinunter und steuerte auf die Küche zu. Hier waren Justin, Tryson und Jason. Genau die Beiden „Nightmares", die ich gerade nicht sehen wollte.

„Hattet ihr nicht mal 'ne Kaffe Maschine?", fragte ich beiläufig und lehnte mich gegen die Wand, als ich über die Türschwelle trat.

„Joa, die hat Jason geschrotet", murmelte Tryson vorwurfsvoll. Jason schnaubte.

„Ich kann nichts dafür, wenn dieses Schrottding den Geist aufgibt", verteidigte er sich und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Sorry, ich wollte nicht gleich einen Zickenkrieg auslösen", murmelte ich kopfschüttelnd. Ich hatte echt keine Ahnung, was mich geritten hatte, dies zu sagen, aber ich hatte heute nicht wirklich Angst irgendetwas falsch zu machen, da mir ja sowieso alles übel genommen wurde.

Kurz erhaschte ich einen verstohlenen Blick auf Justin, der mich breit angrinste. Achso, wenn ich mich also mit seinen Freunden anlegte, war alles wieder okay? Ich schüttelte leicht den Kopf und sah weg.

„Hüte deine Zunge, Püppchen", riet mir Jason locker und sah mich eindringlich an.

„Wie auch immer. Habt ihr etwas zu trinken, außer Kranwasser?", wollte ich wissen und sah alle drei einmal an.

„Nope", erwiderte Tryson und verließ den Raum, jedoch nicht ohne mir einen finsteren Blick zu zuwerfen, doch das ließ mich kalt.

Da es nichts zu Trinken gab, hielt mich nichts mehr in der Küche und ich lief die Treppe wieder hoch. Gelangweilt setzte ich mich auf Justins Bett und starrte die Wand vor mir an. Sie war weiß, nichts besonderes, doch je länger ich sie ansah, desto mehr bunte, runde Kreise tanzten an ihr herum. Das hörte sich vielleicht an, als wäre ich verrückt, aber ihr könnt es ausprobieren. Starrt eine Wand eine Weile an und sie verändert sich. Vielleicht lag es aber auch nur an mir.

Nach einer Weile griff ich nach meinem Handy und entsperrte es. Der Akku war zwar nicht ganz voll, doch ich konnte mit leben. Kurzer Hand rief ich Liam an, doch nur seine Mailbox ging ran.

„Hey, Liam. Ich dachte, wir treffen uns mal wieder, weil du ja übermorgen wieder abreist. Ähm...ruf mich zurück", ließ ich ihm drauf und legte wieder auf.

Ich steckte mein Handy wieder ans Ladekabel und hatte erneut keine Ahnung, was ich tun sollte, doch genau in diesem Moment kam Justin zur Tür rein und stellte sich vor mich. Gelangweilt blickte ich zu ihm hoch. Selbst wenn wir grundlosen Streit hatten, vermisste ich ihn und wollte ihm nah sein. Ich verzehrte mich nach seinen Küssen, als wären sie eine Droge. Ich war verrückt nach seinen Berührungen und konnte mir nicht ausmalen, wie ich einen ganzen Tag ohne ihn auskommen würde. Konnte man so verrückt nach einem Menschen sein? War ich nun an dem Punkt angekommen, an dem ich mir sicher sein konnte, dass ich ihn liebte? Aber liebte er mich auch? Bedeutete ich ihm so viel, wie er mir?

„Wir gehen jetzt", teilte er mir mit und leckte sich über die Lippen. Ich nickte knapp, stand auf, schlang meine Arme um ihn und presste mein Lippen auf seine. Überrumpelt erwiderte er den Kuss leidenschaftlich und legte seine Hände an meine Taille, oberhalb der Blutergüsse.

„Ich werde nicht lang wegbleiben", hauchte er mir ins Ohr, nachdem wir uns gelöst hatten, und verschwand.

Ungefähr eine halbe Stunde nachdem die Jungs weg waren, klingelte es an der Tür. Ich wusste, dass ich sie nicht öffnen sollte, aber ich konnte ja wenigstens gucken wer es war. Also lief ich so leise wie möglich die Treppe runter und spähte durch den Spion der Tür. Zu meinem Glück erblickte ich Chelsea. Ich wollte natürlich wissen, was sie wollte, also öffnete ich die Tür und ließ sie rein.

„Justin ist nicht da, was willst du", kam es sofort von mir, jedoch mehr als Aussage, als Frage.

Wortlos drückte sie mir etwas in die Hand und verschränkte die Arme vor der Brust. Angeekelt sah ich auf den Schwangerschaftstest und verzog das Gesicht. Ich hatte etwas in der Hand, auf das sie drauf gepinkelt hatte. Ich hatte ihren Schwangerschaftstest in der Hand. Ihren positiven Schwangerschaftstest.

„Was soll ich jetzt damit?", wollte ich verständnislos wissen und gab ihn ihr zurück.

„Justin wollte, dass ich einen Schwangerschaftstest mache, weil er mir nicht geglaubt hat, dass ich wirklich schwanger bin. Und hier ist er", erwiderte sie zickig und trat unerlaubt ein. Ich schluckte meinen Ärger herunter und lief ihr hinterher.

„Komm doch rein", presste ich zwischen zusammen gepressten Zähnen hervor.

„Dir macht es sicher nichts aus, wenn ich hier auf Justin warte", vermutete Chelsea frech und ließ sich auf die Couch fallen.

„Eigentlich schon", konterte ich und setzte mich ihr gegenüber.

„Wohnst du jetzt hier, oder so?", fragte sie angewidert und verzog das Gesicht.

„Yep", entgegnete ich.

„Genieß den Sex mit Justin, du wirst ihn nicht mehr lange haben." Ein Grinsen zierte Chelseas Lippen, während sie dieses Aussprach.

„Du glaubst, Justin wird dich durch das Baby mehr mögen als jetzt?", spottete ich ungläubig und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Muss er wohl", behauptete Chelsea.

Ich schüttelte den Kopf, doch plötzlich hörte ich sowas wie zersplittertes Glas von oben. War jemand im Haus? Mein Atem beschleunigte sich und ich stand langsam auf.

„Was ist?", fragte Chelsea verwirrt und stand ebenfalls auf. Ich drehte meinen Kopf zu ihr und legte meinen Zeigefinger an meine Lippen.

„Ich glaub, es ist jemand im Haus", flüsterte ich und lauschte.

Nur noch Chelseas und mein Atem waren zu hören, sonst war alles Still, bis plötzlich ein Ziegelstein durch's Wohnzimmerfenster geworfen wurde. Extrem laut krachte er auf den Boden und das Geräusch des zersprungenen Fensters, ließ Chelsea und mich aufschrecken. Verdammte Scheiße, was war hier los?

„Scheiße!", schrie Chelsea und rannte in den Flur. Mit angehaltenem Atem und weit aufgerissenen Augen rannte ich ihr hinterher und hörte, dass an der Tür gerüttelt wurde. Das Knirschen des Glases unter den Schuhsohlen eines Menschen, der nicht hier sein sollte, bekam meine Aufmerksamkeit und ließ mich nach Luft schnappen. Wohin? Wohin verdammt sollten wir gehen?

Plötzlich rannte Chelsea die Treppe hoch und ließ mich allein stehen. Im Keller gäbe es Waffen, doch dort könnten sie mich kriegen. Von dort aus gab es keinen Ausweg, also musste ich Chelsea hinter her.

Da Justins Zimmertür offen war, konnte ich sehen, dass sein Zimmer ebenfalls kaputt war. Ich schluckte. Wir saßen in der Falle. Ich hatte keine Ahnung, was wir machen sollten.

Mein Handy! Schnell rannte ich in Justins Zimmer und griff nach meinem Handy, doch ich hatte keine Zeit irgendjemanden anzurufen, denn es kam jemand die Treppe hoch, ein Schuss fiel und Chelseas Schrei hallte durch die Wohnung. Sofort rannte ich auf sie zu und sah, dass ihr Bauch stark blutete.

Ich zog sie am Arm hinter mir her und lief ins letzte Zimmer der oberen Etage. Chelsea schubste ich hinein, schlug die Tür zu und verschloss sie. Schnell schob ich das Bett davor und stellte es auf die Seite. Das Adrenalin gab mir die nötige Kraft.

„Scheiße, ich glaube, ich verrecke", wimmerte Chelsea, als ihr Blut aus dem Mund lief. Ich schluckte. Ich hasste sie zwar aus tiefstem Herzen, aber sterben sollte sie dennoch nicht.

„Halt die Klappe und drück auf die Wunde. Du stirbst nicht", zischte ich und lehnte mich gegen das Bett. Doch plötzlich wurde durch die Tür geschossen. Erschrocken warf ich mich zu Boden und versteckte mich anschließend mit Chelsea hinter der Wand, sodass man uns nicht treffen konnte.

„Ich bin nicht schwanger", flüsterte Chelsea plötzlich. Ich sah sie mit großen Augen an und in mir drin loderte die Wut. Sie hatte das also nur erfunden? Um mich und Justin auseinander zu bringen? Um ihn für sich zu haben?

„Ich glaub nicht, dass das der richtige Zeitpunkt für Geständnisse ist", sagte ich ruhig.

Ich wollte sie töten. Ich wollte mir die Knarre von dem Typen vor der Tür nehmen und ihr ins Gesicht halten, sodass sie vor Angst nicht mehr sprechen konnte. Und abdrücken. Doch sie war nicht mein Feind. Da draußen war der Feind. Wir mussten zusammen halten, um zu überleben. Das war wichtiger als alles andere im Moment. Ich wollte nicht sterben und sie genauso wenig.

Immer wieder krachte die Tür, weil sich jemand da gegen warf, doch sie blieb verschlossen. Als ich mich umsah bemerkte ich, dass das hier Max' Zimmer sein musste. Scheiße, Tryson würde ausrasten.

„Es tut mir leid, aber es ist einfach schwer, immer wieder abgewiesen zu werden. Weißt du, Jamie... Ich liebe ihn", sprach Chelsea leise und schmerzvoll und plötzlich verstand ich sie. Sie liebte ihn. Ich wusste nicht, ob es stimmte, ob sie mich nur verarschte oder ob sie es sich nur einredete. Aber ich hatte Mitleid mit ihr. Trotzdem war das jetzt nicht die richtige Zeit dafür.

„Chelsea, sei einfach leise", seufzte ich. Was war denn überhaupt mit ihr los? Wieso erzählte sie mir das? Weil sie dachte, dass sie stirbt?

Nach ein paar Stunden, in denen Chelsea geschlafen hatte - vielleicht war sie ja auch tot -, hörten die Typen vor der Tür auf, gegen sie zu stoßen und zogen ab. Ich hatte Justin in der Zeit mit Absicht nicht angerufen. Ich hatte alles unter Kontrolle. Wir waren am leben. Ich wusste ehrlich gesagt nicht, wieso ich ihn nicht angerufen hatte. Ich wusste aber, dass ich es hätte tun müssen. Immerhin war es seine Wohnung, die verwüstet war. Aber ich nahm es ihm irgendwie übel, dass er nicht da gewesen war.

Nach was weiß ich wie vielen Stunden, wurde erneut gegen die Tür gehauen. Ich war wohl eingeschlafen, aber Chelsea war wach.

„Oh Gott, ich dachte schon du wärst tot", atmete sie erschöpft aus.

„Gleichfalls", erwiderte ich und stand auf.

„Verdammte Scheiße, öffne die Tür!", brüllte nun eine panische Stimme. Justin.

Erleichtert atmete ich aus. Er war da. Er war nun endlich da und die Typen waren weg. Wir waren in Sicherheit. Aber es war bereits dunkel draußen. Schon wieder. Er hatte doch gesagt, dass er nicht lange wegbleiben würde. Lügner.

Schwer schnaufend schob ich das Bett zur Seite und ließ es umkippen, sodass es wieder mit allen vier Beinen auf dem Boden stand. Ich drehte den Schlüssel im Schloss und öffnete anschließend die Tür. Sofort erblickte ich Justin, der mich mit großen Augen anstarrte.

„Was zur Hölle ist passiert?", rief er und umschlang mich mit seinen Armen. Fest drückte er mich an sich und atmete in meine Halsbeuge.

„Wonach sieht's denn aus?", stellte ich monoton die Gegenfrage. Wieso war ich so sauer auf ihn, verdammt?

Justin nahm seine Arme wieder weg und sah mich geknickt an.

„Es war jemand hier, keine Ahnung", murmelte ich und lehnte mich gegen ihn. Zögernd umarmte er mich erneut. Schlagartig löste ich mich aber wieder, als mir Chelsea in den Sinn kam.

„Chelsea ist...", murmelte ich und deutete auf Max' Zimmer. Justin runzelte die Stirn und lief an mir vorbei.

„Heilige Scheiße!", hörte ich ihn rufen, was zur Folge hatte, dass ihm die anderen Jungs folgten. Ich wollte da nicht schon wieder rein. Ich hatte einfach keinen Bock mehr.

Wieso musste das alles ständig passieren? Dieser ganze Stress ging mir gehörig auf die Eier. Wieso gab es keinen Aus-Schalter, der alles beendete? Ich wollte einfach, dass das alles hier aufhörte.

Schnell lief ich die Treppe runter. Ich musste hier raus. Es schien, als würden die Wände näher kommen, mich einschließen und zerdrücken.

Hastig rannte ich aus dem Haus und schnappte nach Luft. Ich fühlte mich zwar besser, dennoch nicht gut. Ich war an dem Punkt angekommen, an dem mir einfach alles zu viel wurde.

Kurze Zeit später kam jemand aus dem Haus und stellte sich hinter mich. Ich drehte mich nicht um, wusste jedoch trotzdem wer es war. Ich kannte seinen Geruch, selbst die Art, wie er atmete und dennoch wusste ich kaum etwas über ihn. Plötzlich spürte ich eine Hand auf meiner Schulter, die mich langsam in seine Richtung drehte, bis ich sein besorgtes Gesicht erblickte.

„Geht's dir gut?", fragte Justin sanft. Ich nickte knapp und seufzte.

„Ist mit Chelsea alles okay?", erkundigte ich mich. Ich mochte sie immer noch nicht, das war klar, aber ich konnte mich ja erkundigen, ob sie noch lebte.

„Ob mit ihr alles okay ist?", lachte Justin leicht und schüttelte den Kopf. „Sie wurde angeschossen."

Ich verdrehte leicht grinsend die Augen.

„Das meinte ich nicht, du Idiot", erwiderte ich. Justin formte seinen Mund gespielt entsetzt zu einem O.

„Idiot?", spottete Justin. Ich nickte und biss mir auf die Lippen. Er könnte jetzt ganz klischeehaft „Dein Idiot" erwidern. Aber das tat er zum Glück nicht. Ich wollte nicht so tun, als wären wir wie alle anderen, denn das waren wir nicht und das wussten wir beide.

„Aber sie lebt noch, richtig?", murmelte ich und blickte auf seine Brust. Ich wusste, dass er irritiert war, weil ich nach Chelsea fragte, aber das war mir eigentlich egal.

„Ja, aber ich hoffe, dass die Kugel „Unser Kind" weggeblasen hat", zischte er plötzlich hasserfüllt. Ich wollte es ihm eigentlich später sagen, aber jetzt war wohl der richtige Zeitpunkt.

„Sie ist nicht schwanger", sagte ich gerade heraus und sah ihn nun wieder an. Er zog seine Augenbrauen zusammen und sah mich irritiert an.

„Was?", fragte er dümmlich nach, doch ich wiederholte den Satz nur.

„Ich werde ihr-", brüllte Justin, doch ich stoppte ihn.

„Justin!", zischte ich warnend. „Ich bin auch angepisst, okay? Aber sie ist verletzt, verdammt!"

Justin schnaubte uns sah zur Seite.

„Dann bist du jetzt also auf ihrer Seite?", fuhr er mich vorwurfsvoll an. Bitte was?

„Was? Nein! Ich bin auf gar keiner scheiß Seite!", rief ich wütend.

„Anscheinend ja schon, immerhin verteidigst du sie", spuckte er und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Ich tue was?", zischte ich mit bebenden Nasenflügeln.

„Weißt du was? Ist mir egal. Es ist mir scheiß egal, also halt einfach deine Klappe und lass mich in Ruhe", giftete ich und ging zurück ins Haus.

„Hast du deine Tage, oder so? Du bist den ganzen Tag schon echt scheiße", hörte ich Justin hinter mir verärgert rufen. Abrupt blieb ich stehen und fuhr herum.

„Bitte was?", zischte ich wütend. Ich wusste, dass ich heute etwas mürrisch oder was auch immer war, aber diesen Streit hatte er verursacht! Oder?

„Babe", jammerte Justin und ließ die Arme hängen. „Wir wollten doch nicht mehr streiten." Er hatte recht, aber ich wollte mir von ihm doch nichts vorwerfen lassen!

„Ich weiß, aber dann solltest du aufhören, ständig Streit zu verursachen." Ich sah ihn eindringlich an und verschränkte die Arme vor der Brust. Justin presste die Lippen aufeinander, um sich ein Kommentar zu unterdrücken.

Ich sah, wie wütend er war, doch es machte mir nichts aus. Es war mir fast schon egal. Nein, ich versuchte ihn sogar sauer zu machen. Ich provozierte ihn mit Absicht. Aber wieso? Hatte ich vielleicht wirklich meine Tage? Nein, das hätte ich gemerkt. Aber wieso benahm ich mich dann so...komisch?

Mir wurde schlagartig heiß, als mir wieder in den Sinn kam, dass wir nicht verhütete hatten. Ich hätte fast gelacht; das war doch Schwachsinn! Es war gerade mal eine Nacht her. Das könnte gar nicht der Grund sein und außerdem hatte doch jeder mal einen schlechten Tag, nicht wahr? Es gab also keinen Grund, mich mit diesem Scheiß kaputt zu machen. Das war doch lächerlich. Und plötzlich wollte ich Justin nicht mehr provozieren, sondern einfach bei mir haben. Ich würde ihm am liebsten von meinen Sorgen erzählen, aber ich wollte nicht, dass er sich damit auch noch rumschlagen musste.

Ich lief seufzend ins Wohnzimmer und ließ mich auf die Couch fallen. Erwartend sah ich zur Tür und wartete, dass Justin das Wohnzimmer betrat, doch das tat er nicht.

Stirnrunzelnd lehnte ich mich zurück. Als er mir wirklich nicht hinterher kam, schloss ich die Augen. War er jetzt sauer?

„Hey, Jamie", hörte ich plötzlich eine bekannte Stimme sagen. Augenblicklich öffnete ich meine Augen wieder und sah Ryan gegenüber von mir sitzen.

„Ryan", strahlte ich. Plötzlich füllte sich das Wohnzimmer und alle saßen hier. Einschließlich Sean.

Justin saß dicht neben mir und neben ihm saß Dan. Auf der Couch gegenüber saßen Tryson, Ryan und Sean. Und auf dem Sessel saß Jason. Es waren nun alle wieder zusammen.

Vorsichtig sah ich zu Justin auf, welcher vor sich hin lächelte. Es war schön ihn so zu sehen.

„Ist was?", fragte er plötzlich und drehte seinen Kopf zu mir.

Ich biss mir lächelnd auf die Lippen und blickte auf seine. Justin verstand sofort und beugte sich grinsend zu mir runter. Unsere Zungen kamen sofort ins Spiel, doch wir wurden ebenso schnell wieder unterbrochen.

„Ich bitte euch", stöhnte Tryson genervt und angewidert. Justin lachte leicht und sah zu ihm.

„Ryan", begann Dan lächelnd. „Wir haben dich vermisst."

Ryan lächelte und zeigte damit seine weißen Zähne.

„Ich habe euch auch vermisst, Jungs. Was habe ich alles so verpasst?", fragte er grinsend.

„So einiges, Mann", erwiderte Tryson. „Aber zuerst, sag uns, wieso du hier bist." Das wollte ich auch gerne wissen.

Ryan wandte seinen Blick ab und spielte nervös mit seinen Händen. Schließlich seufzte er und sah alle einmal ernst an. So langsam bekam ich wirklich Angst.

„Ich werde mich nicht behandeln lassen."

Wir alle rissen die Augen auf. Er wollte sich nicht behandeln lassen? Wieso? Was dachte er sich dabei? Aber vor allem: „Heißt das, du willst sterben?", sprach Justin das aus, was wir uns alle fragten. Wollte er wirklich sterben?

„Ich sehe einfach keinen Grund mich behandeln zu lassen. Wisst ihr, ich habe nichts mehr zu verlieren", sprach Ryan ruhig und unbekümmert.

„Könnt ihr uns kurz allein lassen?", fragte Justin mit angespanntem Kiefer ohne den Blick von Ryan zu nehmen.

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