28. „Du spielst mit Feuer."

J A M I E

Justin?", fragte ich nach einer Weile der Stille.

„Hm", antwortete er und drehte seinen Kopf zu mir.

„Ich will dich wirklich nicht nerven, aber was ist mit Amber? Ihr habt doch jetzt die richtige Adresse. Könnt ihr sie nicht endlich da rausholen?", jammerte ich vorsichtig.

„Das ist nicht so einfach. James ist... er ist gefährlich für uns alle. Wir müssen alles genau planen, aber in den letzten Tagen kam immer etwas dazwischen", erklärte er ruhig. Ich nickte. Ich hatte natürlich immer noch total Angst um sie. Justin hatte schon wieder erwähnt wie gefährlich James war. Das machte es nicht leichter. Ich wollte sie einfach zurück haben.

„Du solltest jetzt vielleicht gehen", meinte Justin auf einmal. Ich sah ihn überrumpelt an.

„Was?", fragte ich verwirrt.

„Ich mein das ernst. Geh bitte", sagte er streng. Was sollte das denn? Er fragte mich, ob ich die Nacht über bei ihm bleibe und jetzt schmiss er mich raus?

„Du weißt ja, wo der Bus hält", fügte er hinzu. Ich wusste, dass sein Verhalten nicht lange so anhalten konnte.

Verärgert stand ich auf und stürmte aus dem Raum. Ich wusste nicht, dass ich so schnell enttäuscht werden würde.

J U S T I N

Wie konnte ich sie nur so nah an mich ran lassen? Ich durfte niemandem diese Seite von mir zeigen. Ich musste diese Seite verdrängen. Sie stand mir nur im Weg, genau wie Jamie. Sie hätte heute auch nicht dabei sein dürfen. Sie hatte damit nichts zu tun. Sie war eine Behinderung für mich. Ich musste sie loswerden. Langsam stand ich auf und lief die Treppe runter.

„Versammlung!", rief ich laut und setzte mich auf den Sessel.

Nach ein paar Minuten waren alle da und ich fing an zu reden: „Wir können das mit James nicht so lange vor uns hinschieben. Er könnte wieder woanders hingehen oder Jamies Freundin töten. Ich lass nicht zu, dass er noch irgendjemanden tötet. Wir müssen anfangen zu planen."

Alle starrten mich entsetzt an. Verwirrt sah ich alle einmal an, bis mir einfiel, wieso sie mich anstarrten. Es waren die gleichen Blicke wie früher. Er hatte es schon wieder geschafft. Ich senkte meinen Blick. Scheiße. Ryan räusperte sich.

„Dann lass uns anfangen. Was glaubt ihr wie viele es sein werden?", fragte er in die Runde, doch die Blicke der anderen klebten an meinem entstellten Gesicht.

Ich presste meinen Kiefer zusammen und ballte meine Hände zu Fäusten. Ryan bemerkte das und wurde unruhig. Er versuchte Augenkontakt mit den anderen aufzunehmen, scheiterte jedoch.

„Wenn ihr mich noch eine Sekunde länger so anguckt, werdet ihr bald auch so aussehen", knurrte ich und presste meine Zähne wieder zusammen. Augenblicklich wandten alle ihre Blicke von mir ab, außer Jason.

„Du legst es drauf an, hm?", zischte ich.

„Hat Jeremy das getan?", fragte er scharf. Ich starrte ihn stumm an. Das war Jason Antwort genug.

„Fuck", hauchte er und fuhr sich frustriert durch die Haare.

Ich ließ mich von so einer Niederlage nicht runter ziehen. Ich hatte seit mindestens drei Jahren keine Niederlagen mehr. Ausgerechnet Jeremy. Wieso verlor ich gegen ihn? Ich war stärker als er. Ich war zu stark für ihn.

„Justin, das wird dieser Bastard bereuen", zischte Jason.

„Was glaubst du eigentlich, was passiert ist? Ich bin nicht der einzige, der was abbekommen hat", spuckte ich wütend.

„Wieso willst du nicht, dass man dir hilft?", bellte Ryan verständnislos.

„Weil ich keine Hilfe brauche!", keifte ich zurück. Ryan lachte humorlos.

„Hast du mal in den Spiegel geguckt?", spottete er. Er verspottete mich. Ryan Hastings verspottet mich, Justin Bieber. Ich verengte meine Augen.

„Du spielst mit dem Feuer, Bro", wies ich ihn scharf und mit zusammen gebissenen Zähnen zurecht. Er wusste, dass er mich lieber nicht reizen sollte. Er wusste das zu gut.

„Feuer? Vielleicht eine kleine Flamme, die sich vergeblich versucht aufrecht zu halten und weiter zu brennen, selbst wenn sie mit einem Glas Wasser überschüttet wird", spottete Ryan weiter. Hatte er mich gerade mit einer kleinen Flamme verglichen? Wollte er mich testen? Wollte er wissen, wie weit er noch gehen kann? Oder versuchte er mich vor den anderen zu blamieren, in dem er mich verspottete?

Neben mir auf dem Boden lag eine leere Bierflasche. Ich schnappt sie mir ruckartig und warf sie zu Ryan. Seine Augen vergrößerten sich und er wich im letzten Moment noch aus. Hinter ihm an der Wand zersprang die Flasche in tausend Teile. Ich sah ihn emotionslos an.

„Justin, verdammte Scheiße! Reiß dich zusammen, es geht hier um wichtigeres", rief Tryson verärgert. Ich sah ihn kalt an.

„Es geht um ein Menschenleben, das wir nicht wegen euren albernen Zickereien auf's Spiel setzen können. Reißt euch beide verdammt nochmal zusammen", maulte er weiter. Ich verdrehte die Augen. Aber es stimmte. Ich wollte auch nicht das Amber stirbt. Das könnte ich mir nie verzeihen. Jamie würde mir die Schuld geben. Und es würde meine Schuld sein. Ich sollte mehr für Amber tun, stattdessen schob ich nur alles vor mir hin. Scheiße.

Jetzt bereute ich, Jamie weggeschickt zu haben. Ich hatte sie nicht mal nach hause gefahren. Warum hatte sie auch kein verdammtes Auto oder wenigstens ein Führerschein? Ich hatte im Moment das Gefühl den Verstand zu verlieren. Warum passierte im Moment so viel? Was war denn los? Mein Unfall in der Lagerhalle, das Red Ocean, Mein Unfall nach dem Überfall, Jack, James, Mein Vater und jetzt auch noch Jamie. Mit ihr war es komisch. Ich fühlte mich zu ihr hingezogen, obwohl ich am liebsten vor ihr flüchten würde. Sie war nicht gut für mich und ich war nicht gut für sie. Ich fuhr mir völlig verzweifelt durch die Haare.

„Ich muss kurz raus", ließ ich die anderen beiläufig wissen. Ich hatte das Gefühl an meinen Gedanken zu ersticken.

Mit schnellem Schritt lief ich aus der Tür raus. Ich versuchte verzweifelt nach Luft zu schnappen, doch alles fing nur an sich um mich herum zu drehen. Ich fühlte mich wie in einem Traum. Ich fühlte keine Realität mehr und befürchtete in der nächsten Sekunde in meinem Bett auf zu wachen. Ich durfte jetzt nicht Schwach werden.

Ich hielt mich am Türrahmen fest und sammelte mich. Nach ein paar Minuten ging es mir wieder besser und ich strich mir durchs Gesicht. Ein paar Schweißperlen, die ich wegwischte, hatten sich auf meiner Stirn gebildet. Was war das gerade? War das ein Schwächeanfall? Wurde mir das wirklich alles zu viel? Oder hatte ich mein Körperliches Limit wirklich, wie alle sagten, erreicht? Es stimmte schon, dass mein Körper in den letzten Tagen leiden musste, doch ich konnte diese Schmerzen immer verdrängen. Doch auf einmal fiel es mir verdammt schwer auch nur irgendetwas, was mich schwächte, zu verdrängen. Irgendetwas stimmte mit mir nicht und ich hatte das Gefühl, dass es nichts mit meinem Körper zu tun hatte. Ich musste Jamie auf Abstand halten. Sie schwächte mich.

J A M I E

Ich saß in einem halb leeren Bus und war immer noch vollkommen verwirrt.

Wieso hatte mich Justin, naja, raus geschmissen? Weil ich ihn wegen Amber gedrängt hatte? Weil ich sein „Ich will dich so sehr" nicht erwidert hatte? Ich wollte ihn, wirklich, aber jetzt noch nicht. Nicht nachdem ich gesehen hatte, wie er mit Chelsea umging. Er hatte nur Kontakt mit ihr wegen Sex. Oder vielleicht wollte er sich nur kurz bei mir bedanken, dass ich heute dabei war und mag mich eigentlich gar nicht. Oder er denkt, dass ich einsam bin und ich tat ihm leid. Es erschien mir total dumm über so etwas nachzudenken.

Was waren das denn überhaupt für absurde Vermutungen? Wieso machte ich mich runter? Wo war mein Selbstbewusst sein? Was stellte Justin nur mit mir an? Ich vermisste ihn bereits. Ich war erst seit einer halben Stunde von ihm getrennt. Wie geht es ihm wohl? Ob er jetzt ein schlechtes Gewissen hatte? Vielleicht hatte es ja auch ein Grund, der mir niemals einfallen wird. Oder er will dich einfach nicht, Jamie! Guck ihn dir doch mal an! Er kann jede haben. Er ist bezaubernd. Ich schluckte. Er war bezaubernd. Ich hatte mich offiziell in Justin Bieber verliebt. Das war absolut Scheiße.

An der Endhaltestelle, wo ich wohnte, stieg ich aus. Wieso musste er auch so weit weg wohnen. Es dauerte eine Stunde zu ihm. Ich hatte mich gar nicht von Ryan verabschiedet. Ich war wütend. Aber auch traurig, was die Sache noch schwerer machte.

Ich lief nach hause und öffnete leise die Tür. Liam müsste noch schlafen. Oder auch nicht. Ich entdeckte ihn auf der Couch, wie er sich... nichts? ansah. Der Fernseher war aus. Wieso?

„Liam? Was machst du da?", lachte ich verwirrt. Liam drehte seinen Kopf erschrocken zu mir. Als er mich sah, wurde sein Blick weicher.

„Du hast mich erschreckt", grinste er.

„Hab ich gemerkt. Also was machst du da?", kam es amüsiert von mir.

„Fernsehen?", antwortete er langsam und erkannte die Fälsche in diesem Wort.

„Ach ja? Was läuft denn schönes?", spottete ich und setzte mich neben ihn.

„Sollen wir nicht irgendwas machen?", schlug Liam gelangweilt vor.

„Woran denkst du?", fragte ich.

„Ist hier nicht ein Vergnügungspark?", wollte Liam schelmisch grinsend wissen. Wirklich? Ein Vergnügungspark? Wieso nicht.

„Ist das dein Ernst?", lachte ich. Liam nickte überzeugt.

„Dann lass uns in den Vergnügungspark gehen", grinste ich. Es war so schön mit Liam zusammen zu sein. Er strahlte so viel Wärme aus. Er war so liebevoll und unkompliziert. Ganz anders als Justin. Aber ich sollte einfach aufhören an ihn zu denken.

Nach dem Tag im Vergnügungspark kehrten Liam und ich erschöpft zurück und verschwanden direkt ins Bett. Es war ein wirklich schöner und lustiger Tag gewesen. Und ich musste trotzdem immer wieder an ihn denken.

J U S T I N

Wir planten bis drei Uhr morgens, wie wir Amber retten und James vernichten konnten. Wir hatten einen todsicheren Plan und mussten ihn nur noch ausführen. Dann würde James bluten. Der Gedanke daran war so befriedigend, dass sich ein breites Grinsen auf meine Lippen legte.

Die anderen waren schon in ihren Zimmern, nur ich nicht. Ich saß im Wohnzimmer und starrte meine Hände an. Was wäre, wenn ich jetzt zu Chelsea fahren würde? Ich brauchte Ablenkung. Ich hätte heute so gern mit Jamie geschlafen. Ich wollte sie so sehr. Zu sehr. Aus diesem Grund wollte ich zu Chelsea. Ich wollte sie nicht und das wusste sie auch. Wir hatten beide unser Vergnügen bei der Sache. Nur Vergnügen, keine Gefühle. Das machte es so einfach. Aber Chelsea würde bestimmt schon schlafen. Es war immerhin schon nach drei. Ich sollte vielleicht auch schlafen gehen. Aber eigentlich hatte ich keinen Grund. Ich war weder müde, noch musste ich morgen früh aufstehen.

Spontan lief ich ins Badezimmer und sah mich entsetzt im Spiegel an. Es war wie früher. Nur heute konnte ich damit umgehen und zurück schlagen. Leicht strich ich über meine Wunden im Gesicht. An meiner Schläfe war eine Blutspur und meine Lippen waren aufgeplatzte. Mein rechtes Auge war durch die Schwellung nur noch halb offen und ich hatte Blutergüsse an meinen Wangen.

Wütend zerschlug ich den Spiegel und stützte mich am Waschbecken ab. Wie konnte ich das zulassen? Warum konnte ich das nicht verhindern? Es war eine dumme Idee gewesen, zu Jeremy zu fahren. Ich war blind vor Rache. Blind vor Wut. Wie es alle immer sagten. Doch was ich zu Ryan gesagt hatte stimmte. Ich brauchte keine Hilfe. Ich war stark genug. Ich hatte in meiner Kindheit unzählige Schläge kassiert, hatte ein halbes Jahr auf der Straße gelebt und war nun ein Mitglied der Nightmares, nein, ich führte uns an. Ich war ein Anführer und das ließ ich mir nicht nehmen.

Plötzlich hörte ich schnelle Schritte in meine Richtung kommen. Scheiße. Schnell schloss ich die Tür ab und hörte direkt danach wie jemand dagegen hämmerte.

„Justin, ist alles okay?", rief Ryan besorgt. Es war ja klar, dass es Ryan war. Er machte sich immer viel zu viele Sorgen um mich.

„Alles bestens", knurrte ich durch die Tür.

„Was war das Geräusch?", wollte er wissen.

„Der Spiegel", verriet ich ihm.

„Warst du das?", hakte er nach. Ich verdrehte die Augen.

„Nein, er ist von allein kaputt gegangen", meinte ich sarkastisch.

Als Ryan ruhig war, öffnete ich die Tür und lief wortlos an ihm vorbei.

„Justin, was ist los?", fragte Ryan sanft, als er sich neben mich auf die Couch setzte.

„Was meinst du?", murmelte ich ohne ihn anzusehen.

„Du bist komisch", stellte er fest.

„Was?", fragte ich verwirrt und zog meine Augenbrauen zusammen.

„Ist egal", seufzte Ryan. „Du denkst vielleicht, dass du stärker, als alle anderen bist, aber jeder stolpert mal." Mit diesen Worten stand er auf und ging aus dem Raum. Ich verdrehte die Augen und lehnte mich zurück.

Turner! Ich hatte Turner vergessen! Darum mussten wir uns morgen definitiv kümmern. Jetzt hatte ich einen Grund schlafen zu gehen.

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