13. „Du hast mir nichts zu sagen."
J A M I E
Ich gähnte. Trotz der zwei Dosen Red Bull war ich total müde, genau wie Justin.
„Ich gehe eben fragen, ob jemand mir hilft die Matratze runter zu tragen", ließ ich Justin wissen.
„Brauchst du nicht. Ich geh runter und passe auf, dass niemand mehr kommt", murmelte er.
„Es kommt niemand. Du solltest schlafen", drängte ich ihn.
„Jamie, du willst doch nicht, dass das, was heute Nacht passiert ist, nochmal passiert", versuchte er es weiter. Als ob James wieder kommen würde.
„Die Jungs sind doch unten", sagte ich.
„Na und? Die werden es nicht merken. Hast du nicht gesehen, wie müde die waren?", fuhr mich Justin gereizt an. Warum musste er immer so aggressiv sein? Konnte er keine Diskusionen führen, ohne so zu reagieren?
„Dann mach doch was du willst! Du kannst mich Mal", rief ich wütend.
„Rede nicht in so einem Ton mit mir", wisperte Justin. Wollte er jetzt meinen Vater spielen?
„Du hast mir nichts zu sagen", spuckte ich.
„Ach ja?", zischte Justin.
„Ja", bestätigte ich mit verengten Augen. „Es ist mein Haus. Ich kann dich auch rauswerfen."
„Ja, das hättest du schon eher machen müssen. Damit James dich jetzt auch mit nimmt, oder sogar tötet", knurrte Justin und weitete seine Augen kurz bei dem Wort „sogar". Er erinnerte mich in irgendeiner Weise an einen Psychopaten. Das machte mir extrem Angst.
Wie konnte das denn hier nur so eskalieren? Dabei hatte diese Unterhaltung doch nett angefangen. Ich war ehrlich gesagt zu müde um mich noch weiterhin mit ihm zu streiten. Das war sowieso total sinnlos.
„Mir ist echt scheiß egal, was du jetzt machst, aber ich gehe jetzt schlafen", ließ ich ihn wissen. Er sah mich nur wütend an und erwiderte nichts. Mir auch egal.
Ich sah kurz zu meinem Bett, das immer noch verschoben war. Die kaputte Tür lag auch noch auf dem Boden und die Nachttischlampe war ebenfalls kaputt, genau wie diverse Dinge, die ich von meinem Nachttisch geschoben hatte. Darunter ein Wecker und ein Foto von mir und meinem Dad. Es lag in mitten von Scherben. Das Glas war zerbrochen. Prima.
Ich lief zu dem Bild und hockte mich hin. Vorsichtig hob ich das Bild hoch. Auf dem Bild war ich vierzehn. Es war an meinem Geburtstag. Er hielt mich im Arm und wir lächelten beide in die Kamera. Es war ein ehrliches und glückliches Lächeln. Sofort bildete sich auch ein Lächeln auf meinen Lippen. Natürlich war der Fakt, dass ich meinen Dad für immer verloren hatte, das schlimmste, was mir je passiert ist, aber es machte mich einfach glücklich ihn so zu sehen. Zu wissen, dass dieser tolle Mensch mein Dad war. Mein Dad ist. Zwar trennte uns eine Menge von einander, doch für mich war er immer noch da. Vielleicht unerreichbar, doch dass er noch irgendwo in meiner Nähe war, war genug. Natürlich nicht so toll, wie als wenn er wieder zurück käme und ich ihn endlich wieder in den Armen halten könnte, doch es heiterte mich auf.
„Wer ist das?", ertönte plötzlich Justins warme Stimme hinter mir, was mich aufschrecken ließ.
„Mein Dad", hauchte ich. Jeder Hass auf Justin war verflogen.
„Wohnt er nicht hier?", wollte er vorsichtig wissen.
„Er ist tot", flüsterte ich.
„Das tut mir leid", murmelte Justin warm.
Ich richtete mich wieder auf und schenkte Justin ein kleines Lächeln. Dann ging ich zu meinem Bett und kletterte darüber, um an die Wandseite zu gelangen. Dort kuschelte ich mich unter die Decke. Justin schien zu überlegen, was er machen sollte, doch dann zog er sich sein T-Shirt aus und ließ kurz danach auch seine Hose runter, sodass er nur in Boxershorts da stand. Wir konnte man nur so einen tollen Körper haben?
Ich wandte meinen Blick schnell ab, damit Justin es nicht merkte. Er lief zum Lichtschalter und schaltete das Licht aus. Dann kam er zurück zum Bett und blieb davor stehen.
„Ich darf doch, oder?", versicherte er sich.
„Natürlich", entgegnete ich müde. Ich hätte echt keinen Bock jetzt noch einen Matratze vom Dachboden zu schleppen. Ich glaube Justin und die Jungs genau so wenig.
Justin kuschelte sich auch in die Decke ein und drehte sich dann zu mir. Es war komisch so nah neben ihm zu liegen. Außerdem teilten wir uns eine Decke. Ich spürte schon leicht seinen Atem an meiner Haut.
Plötzlich ertönte von unten ein lautes Poltern. Es hörte sich an, als würde Glas zerschmettern. Justin und ich setzten uns sofort auf.
„Was war das?", fragte ich ohne ihn anzusehen.
„Sehe ich so aus, als würde ich es wissen?", stellte er die Gegenfrage. Ich ignorierte es.
„Ich gehe nachsehen", ließ mich Justin wissen. Ich nickte.
J U S T I N
Ich stand auf und verließ langsam das Zimmer. Ich hatte keine Ahnung von wo das Geräusch kam. Von oben oder unten. Es hörte sich wie kaputtes Glas an.
Ein leiseres Geräusch erklang, was definitiv von unten kam. Also joggte ich die Treppe herunter. Als ich unten war, fielen mir fast die Augen aus dem Kopf. Ryan sah mich an und weitete seine Augen.
„Was habt ihr getan?", schrie ich im Flüsterton zischend.
„Der Bastard hat versucht hier einzubrechen", verteidigte sich Dan.
„Und da schmeißt ihr einen Tisch auf ihn?", brüllte ich so, dass man es oben nicht verstehen konnte.
Ein Typ um die 25 lag in einer Blutlache auf dem Boden. Mit einem Messer in der Brust und daneben lag der kaputte Glastisch, den sie offensichtlich auf den Typen geworfen hatten. Wenn Jamie das sehen würde, würde sie ein Trauma bekommen.
„Macht das weg! Macht das sofort weg!", zischte ich.
„Und Ryan, pass auf, dass Jamie nicht runter kommt. Sie soll das nicht sehen", befahl ich ihn. Dieser nickte.
Sean zog das Messer aus der Brust des Typen und ließ es neben ihn fallen.
„Wo sollen wir ihn hintun?", fragte er mich. Ich kaute nachdenklich auf meiner Lippe herum.
„Gibt es hier in der Nähe einen See?", fragte ich. Alle zuckten unwissend mit den Schultern. Auf einmal hörte ich leise Schritte, die von oben kamen.
„Ryan. Ich habe gesagt, du sollst aufpassen, dass Jamie nicht runter kommt", zischte ich ihm zu. Ryan rannte schnell die Treppe hinauf und man hörte ihn sprechen.
„Fuck", fluchte ich leise und überfordert und strich mir durch's Gesicht. Diese Nacht war definitiv zu viel für mich.
„Also, wohin mit der Leiche?", drängte mich Dan.
„Ich habe keine Ahnung", knurrte ich.
„Vielleicht sollten wir ihn zuerst etwas zerteilen und dann in einen Müllsack stecken", schlug Jason vor. Ich überlegte es mir kurz und nickte dann.
„Okay, aber wir brauchen ein schärferes und größeres Messer", sagte ich bestimmend.
Dan stand auf und lief in die Küche, aus der er kurz ein großes Messer mitnahm. Er hielt es mir hin. War ja klar, dass ich die Drecksarbeit wieder machen sollte und ihn zerstückeln sollte. Meinetwegen. Ich verdrehte die Augen und nahm es ihm aus der Hand. Dann setzte ich mich vor die Leiche und zog sie etwas zu mir.
J A M I E
„Okay, jetzt reicht's mir", entfuhr es mir und ich stand ruckartig auf.
„Jamie!", rief Ryan, doch ich ignorierte ihn und lief stur die Treppe hinunter. Als ich meine Augen auf das Wohnzimmer richtete, weil man von der Treppe aus darein sehen konnte, sah ich eine rote Flüssigkeit auf dem Boden. Es könnte Blut sein, aber nein, bestimmt nicht.
Als ich dann das Zimmer betrat stockte mir der Atem. Justin saß gerade vor der Leiche eines Mannes und zerschnitt seinen Körper. Er haute teilweise mit dem Messer auf die Knochen.
Ich hielt mir eine Hand vor den Mund, um nicht zu kotzen. Schnell drehte ich mich weg, um mich kurz zu fangen. Dann drehte ich mich wieder um und blickte Justin, der mit dem Rücken zu mir saß, gehässig an.
„Jamie!", rief Ryan und fasste mich an der Schulter. Jetzt waren alle Augen, die geschockt aufgerissen wurden, auf mich gerichtet.
„Ryan!", rief Justin wütend. Ich starrte ihn mit geweiteten Augen an und war nicht im Stande etwas zu sagen. Um die Leiche herum floss Blut und mein Glastisch war zerbrochen.
„Was... Was habt ihr getan?", flüsterte ich, als ich meine Stimme wiederfand.
Justin ließ das Messer fallen und stand auf. Sein T-Shirt war voller Blut und das war noch untertrieben. Die Blutspritzer gingen bis zu seinem Hals und manche sogar noch höher. Ich sah zwangshaft in seine Augen.
„Er wollte einbrechen", meldete sich Ryan zu Wort. Ich sah zu Ryan, dann zu Justin und dann wieder zur Leiche. Ich wollte sie anschreien, sie alle, doch ich konnte nicht. Sie wollten mir ja nur helfen.
„Soll ich... soll ich euch helfen?", wisperte ich angestrengt und schluckte.
„Du willst uns helfen?", fragte Ryan erstaunt. Ich nickte.
„Ich kann helfen aufzuräumen", bat ich an.
„Nein, wir machen das schon", mischte sich Justin ein.
„Geh wieder hoch!", befahl er. Ich schüttelte den Kopf, lief im großen Bogen um Justin herum und fing an die Splitter von Boden aufzuheben. Die Jungs sahen mich alle sehr erstaunt an, doch ich ignorierte seine Blicke. Ehrlich gesagt war ich selber erstaunt über mich.
Als die Jungs fertig waren, mich anzuschauen, machten alle weiter, auch Justin. Ich sah vorsichtig zu ihm. Er schnitt gerade das zweite Bein des Toten ab. Es war ein richtig ekelhafter Anblick.
Als er am Knochen angelangte, haute er wieder mit voller Kraft darauf, um sie zu brechen. Es sah richtig professionell aus. Anscheinend machte er das öfter.
Während ich Justin dabei anstarrte, wie er einen Menschen zerstückelte, sammelte ich weiter Scherben auf, wodurch ich - wie konnte es auch anders sein - in die Hand schnitt. Ich zuckte kurz, blieb jedoch still, damit die Jungs das nicht mitbekamen. Neben ihnen fühlte ich mich wirklich schwächlich. Ich fühlte mich wie eine Witzfigur.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top