58| Pfeilschnell

Probleme können schnell von anderen überschattet werden. Unseres sollte sich ebenfalls verändern. Pfeilschnell.

~ Kalie

~~

KALIE

Da sich der Kampf mittlerweile in zwei Getümmel links und rechts des Hauses aufgeteilt hat, habe ich keine Probleme, Jeffreys Worte zu verstehen. Akustisch zumindest.

Der Verräter wurde enttarnt."

Der lichte Kiefernwald rast an mir vorbei. Meine Gedanken rasen mit. Wie als würde man zügig durch einen Film spulen, tauchen Bilder von all den Mitgliedern des McCartney Rudels vor meinem inneren Auge auf. Manche netter als andere; manche mir besser bekannt – jedoch kann ich mir bei keinem von ihnen vorstellen, dass er seine eigene Familie verraten hat.

Denn ein Rudel ist nichts anderes. Eine Gemeinschaft. Eine Heimat.

Selbst vor meinem Eintritt in diese Gruppe habe ich das bereits spüren können.

Meine Schritte hallen dumpf auf dem weichen Waldboden, während ich von meinem Onkel über die Lichtung gezogen werde. Vorbei am Haus, zwischen den immer dichter stehenden Kiefernstämmen in Richtung des zwielichtigen Tannendickichts, welches das Hauptquartier des Crescent Rudels einrahmt.

Allmählich tauchen mehrere Personen im Gewimmel der hohen, schmalen Baumstämme auf. Die hochgewachsene Gestalt von Bryan darunter zu erkennen, überrascht mich nicht. Als ich jedoch die Blackwood Geschwister Ethan und Sharon neben ihm stehen sehe, klappt mein Mund vor Verwirrung auf.

Die beiden männlichen Werwölfe haben das jüngere Mädchen zwischen sich eingekeilt und halten es mit starrer Miene fest, während sie sich laut zeternd zu befreien versucht.

Die Szene ist surreal. Besonders als der breite Stamm einer weiteren Kiefer zwei Werwölfe entblößt, von denen der eine mir erschreckend bekannt vorkommt.

„Nehmt eure dreckigen, verräterischen Pfoten gefälligst von ihr, ihr verdammten, räudigen Straßenköter!"

Jennie, das Mädchen aus dem Keller, windet sich in den Armen eines breit gebauten Hühnen mit kurzen, mausgrauen Haaren. „Ich schwöre, wenn ihr sie jetzt mitnehmt, werde ich euch folgen und jedem einzelnen-"

Ihre Stimme versagt in einem frustrierenden Laut, als der Werwolf in ihrem Rücken seinen Griff um den Bauch des braunhaarigen Mädchens verstärkt. Ihre vergleichsweise viel zu kurzen Beine rudern wild in der Luft herum.

„Sharon Blackwood."

Die Köpfe aller Anwesenden wirbeln herum, als Jeffrey zu ihnen tritt und ruhig seine Stimme erhebt. Der Alpha meines Rudels strahlt eine entspannte Bestimmtheit aus, die einen eigenartigen Kontrast zu dem grenzenlosen Zorn bietet, der ihn Minuten zuvor noch erfüllt hat.

„Ich habe keine Zweifel an dem, was mein Beta mir soeben in Gedankensprache vermittelt hat, aber ich möchte es dennoch aus deinem eigenen Mund hören."

Einzig und allein die Art, wie Jeffreys Hand sich leicht um meinen Arm verkrampft, lässt darauf schließen, dass dieses Gespräch ihn nicht vollkommen kaltlässt.

Sharons Lippen spannen sich nur widerwillig an. Sie schaut stur nach vorn, als hätte sie Angst, Jeffrey könne ihr mit seiner Erscheinung doch noch Worte entlocken. Der Blick des Alphas ruht eine Weile lang auf der zierlichen Schwester Ethans, dann hebt er ihn und für einen Herzschlag lang verhaken sich seine und Bryans Augen.

Der kaum merkliche Ausdruck, der daraufhin über die Züge des Betas huscht, ist zu flüchtig um ihn zu deuten. Dennoch bemerke ich, dass die Schultern des schwarzhaarigen Mannes nicht mehr so angespannt sind wie vor Jeffreys Ankunft.

„Kommt bloß her ihr feigen Schoßhündchen – stellt euch eurem Problem direkt, anstatt sie alleine zu bestrafen!" Jennie schimpft sich geradezu in Rage, während sie wie ein hilfloses Häschen in den Armen des Typen hängt, der wohl ihr eigenes Rudelmitglied sein muss. „Lass mich los, Gory, ich muss Sha-"

„Sharon Blackwood wird mit uns kommen", unterbricht mein Onkel sie mit derselben gelassenen Bestimmtheit, mit der er schon so manche Diskussion beendet hat, bevor Jennie ihre Absichten zu Ende äußern kann. „Dies ist eine Angelegenheit, die das McCartney Rudel unter sich zu regeln hat."

Er wendet den Kopf zu Bryan, der mit einem leichten Senken seines Kinnes bedeutet, verstanden zu haben, und Anstalten macht, sich zusammen mit Ethan umzudrehen, da ertönt ein empörter Schrei, gefolgt von einem triumphierenden Laut.

Der grauhaarige Werwolf hält sich mit weit aufgerissenen Augen den Arm und starrt Jennie entgeistert hinteher, die sich flink wie ein Wiesel aus seiner Umklammerung befreit hat, um auf Ethan, Sharon und Bryan zuzuhetzen.

„Jennie Levster!"

Plötzlich erstarrt die kleine Werwölfin mitten in der Bewegung, genauso wie ich, als sich eine nur zu gut bekannte Stimme aus dem Wald in unser Gespräch einklinkt. Bereits in der nächsten Sekunde spüre ich, wie jemand hinter mich tritt und mein Herz einen Schlag aussetzen lässt.

„Komm sofort da weg." Seine Schulter streift meine, als Liam sich an mir und Jeffrey vorbeischiebt, einen undefinierbaren Ausdruck ins Gesicht gemeißelt.

„Und geh mit Gregory zur Ostseite des Hauses", befielt er seinem Rudelmitglied in gedämpfterem Ton. „Dort müsstet ihr Dylan irgendwo finden - vermutlich bis auf die Knochen mit neuen Wunden gespickt. Sagt ihm, dass wir uns sammeln."

Er taxiert die restlichen Anwesenden mit einem kühlen Blick. „Der Rest hier ist nicht unser Problem."

Angespannt sehe ich zwischen ihm, Sharon und Jennie hin und her. Letztere rümpft gerade missbilligend die Nase. Sie mustert Liam mit leicht hochgezogenen Schultern, wobei sie ein bisschen so wirkt wie ein Hund, der die Befehle seines Herrchens bewusst missachtet.

Was in der nächsten Sekunde auch tatsächlich passiert. Schwer schluckend richtet Jennie ihre Augen erst auf Liam, dann auf Sharon, nur um in einer geschmeidigen Bewegung herumzuwirbeln und weiterzurennen. Sie flitzt über den Waldboden direkt auf Bryan zu, der das schwarzhaarige Mädchen grob zurückgestoßen hat. Ethans Schwester schreit auf, Liam schnellt vor und auch Jeffrey verschwindet auf einmal von meiner Seite.

Was in den folgenden Sekunden passiert, kann ich kaum beschreiben. Und noch schlechter könnte ich Schlüsse darüber fassen, wer hier im Begriff ist, wen aufzuhalten.

Für den Bruchteil einer Sekunde ist die Welt um mich herum nichts weiter als ein Chaos aus verschiedensten Personen, Bewegungen und Absichten. Ein Chaos, durch das mit einem Mal ein anderer, fremdartiger Ton schneidet.

Ein kaum wahrnehmbares Sirren erreicht meine Ohren, kurz nachdem ein verschwommener Gegenstand pfeilschnell an meinem Gesicht vorbeizischt und mich zusammenzucken lässt.

Doch ich habe nicht die Zeit, über die Bedeutung dieses Geräusches nachzudenken, denn innerhalb des nächsten Augenblicks lässt ein schmerzvolles Stöhnen alle Anwesenden innehalten.

Gesichter schnellen herum, Augen scannen verwirrt ihre Umgebung ab.

Dann, nach Sekunden, die mir wie Jahre vorkommen, löst sich wankend ein Körper aus der Menge der Erstarrten und sinkt auf die Knie. Jeffreys Mund ist leicht geöffnet. Seine Augen weit aufgerissen und nach unten gerichtet. Auf den glänzenden, metallenen Pfeil, dessen federbesetztes Ende aus seiner linken Brusthälfte ragt.

Er hustet leicht, was eine dünne Blutspur aus seinem Mundwinkel sein Kinn hinabrinnen lässt. Dann sackt er in sich zusammen.

~~

„Wie geht es ihm?", hauche ich mit rauer Stimme, nachdem Loral die wuchtige Tür hinter sich zugezogen hat.

„Um ehrlich zu sein..." Die alte Geschichtenerzählerin stellt den schmalen Kerzenhalter samt Kerze auf einem eleganten Beistelltisch im Flur ab, sodass die funzelige Flamme aufhört, Schatten in ihrem faltigen Gesicht tanzen zu lassen. Erdrückende Dunkelheit umhüllt uns und gibt mir das Gefühl, langsam zu ersticken.

„Schlecht." Elias tritt wortlos neben mich, sodass mein Schulterblatt seine Brust streift. Seine Anwesenheit ist das einzige, das mich momentan vorm Durchdrehen bewahrt.

„Der Pfeil hat sein Herz zwar knapp verfehlt", fährt die Hüterin des McCartney Rudels in gedämpftem Ton fort, „aber dennoch ein großes Loch in seinen Lungenflügel gerissen. Das hochkonzentrierte Sonnenserum darin ist kaum aufzuhalten."

„Sonnenserum?" Ich kann spüren, wie der Körper meines Freundes sich anspannt. „Das heißt, jemand hat die Spitze des Pfeils mit dem Saft von Sonnenhut getränkt?" Er schluckt hörbar und verschränkt erschaudernd die Arme vor der Brust, als fürchte er, Jeffreys Schicksal jeden Augenblick teilen zu können.

„Nicht nur getränkt." Ein tiefer Schatten liegt sich über die erschöpfte Mimik der alten Frau, während sie sich abwendet und nach dem Lichtschalter neben der Tür tastet, die in Jeffreys privates Zimmer führt. Schummeriges, gelbes Licht hüllt uns und den spärlich eingerichteten Flur des oberen Stockwerkes ein.

„Der gesamte Pfeilkopf ist hohl und von innen mit der Flüssigkeit gefüllt worden, damit es die entstandene Wunde verätzt." Mit jedem ihrer Worte bohrt sich ein weiterer, eisiger Splitter der Furcht in meine Brust. „Wie der Giftstachel einer Biene wird so immer mehr..." Doch Loral kommt nicht mehr dazu, weiterzusprechen, da eine tiefe Stimme ihr unwirsch das Wort abschneidet.

„Können wir zu ihm?"

Unwillkürlich zucke ich zusammen. Dass Bryan Blackwood sich im Laufe des Gespräches zu uns gesellt hat, muss mein Gehirn neben all den angsterfüllten Gedanken wohl verdrängt haben.

Nun steht der Beta des McCartney Rudels direkt neben Elias, die Hände in den Taschen vergraben, während seine Augen immer wieder unruhig zu dem geschwungenen Schlüsselloch der dunkelbraunen Tür zucken, hinter dem sich nichts als Schwärze abzeichnet. Seit heute Nachmittag hat sich eine ungesunde Blässe auf sein normalerweise recht ausdrucksloses Gesicht gestohlen.

Wie Elias und ich wünscht er sich sicherlich nichts lieber, als diese verdammte Tür aufzustoßen und einen verschmitzt lächelnden, lebenden Jeffrey dahinter vorzufinden. Ohnehin eine reine Wunschvorstellung, die unter Lorals entschiedenem Kopfschütteln in ihre Einzelteile zersplittert.

„Solange sein Zustand noch instabil ist, wäre es besser, wenn er vorerst keinen Besuch bekommt." Mein Mund wird trocken und ich kann nicht anders, als dem Blick des schwarzhaarigen Betas zu folgen. Der Ausschnitt des Raumes hinter dem Schlüsselloch ist ruhig. Dunkel und leblos.

Neben mir ertönt ein Schnauben. „Warum nicht? Wir werden ja wohl kaum seine prositive Heilungsaura beschädigen, oder?"

Elias und ich verfolgen mit großen Augen, wie Bryan sich einfach an uns vorbeischiebt, die Hand auf die Klinke legt und sie hinunterdrücken will, ehe Loral ihn blitzschnell daran hindert. Wieder einmal beweist die Hüterin, dass sie für ihr Alter noch erstaunlich flink ist.

„Du, mein Lieber", richtet sie das Wort mütterlich an den gereizt aussehenden Beta, „solltest dich vorerst auch ausruhen und versuchen zu schlafen." Ihr Blick lastet einige Herzschläge lang auf den fast schon violetten Augenringen, welche sich tief in die Haut des schwarzhaarigen Werwolfes gegraben haben.

„Das Rudel braucht jetzt einen starken, ausgeglichenen Beta. Nicht den ängstlichen Jungen, der seinen besten Freund zu verlieren droht. Du musst lernen, auch an andere zu denken, wenn du-"

„Wenn ich was?!" Mit einem Mal kehrt das Feuer in seinen Augen zurück. Bryan durchbohrt Loral geradezu mit seinem Blick, den sie jedoch nur wissend erwidert. Dann löst er seine Hand ruckartig von der Klinke, als hätte er sich an ihr verbrannt.

„Es gibt keinen Grund, sich über so etwas Gedanken zu machen", belehrt er die alte Frau knurrend. „Jeffrey wird aufwachen. Und bis das passiert, findet ihr mich im Wohnzimmer. Falls jemand in der Zwischenzeit ein Problem oder eine Frage haben sollte, kann er damit meinetwegen zu mir kommen."

Mit diesen Worten macht Bryan Anstalten zu gehen, hält jedoch im letzten Moment inne und schenkt Elias einen scharfen Blick. „Das gilt nicht für Jamie und seine kreativen Einfälle – sag ihm das."

Und damit dampft er ab, so unerwartet wie er aufgetaucht ist.

Mit dem Verschwinden des Betas sinkt bleierne Stille über uns herab. Nachdenklich lasse ich meinen Blick auf der Stelle verharren, an der die steinerne Treppe des Hauses einen Bogen beschreibt und in der Tiefe verschwindet. Eine Lampe auf dem von karamellfarbenem Teppich überzogenen Treppenabsatz flackert. Genau wie mein Herz in der Hoffnung, das alles hier würde nur ein langer, böser Traum sein.

„Mein Rat gilt übrigens auch für euch zwei", beendet Loral unser Schweigen in bedächtigem Tonfall. „Versucht zu schlafen. Morgen sieht die Welt sicher schon wieder anders aus."

Allein schon der Gedanke, dieser Tür den Rücken zuzukehren und in mein weiches, warmes Bett zu schlüpfen als wäre nichts passiert, lässt ein unwilliges Prickeln durch meine Glieder wandern.

Ich sehe zu Loral, die gerade dabei ist, leise murmelnd kleine Kräuterdöschen aus den vielen Taschen ihrer tannengrünen Strickjacke zu fischen.

„Wir können doch nicht einfach so gehen! Was wenn-"

Die alte Dame hält inne, streckt ihren Arm aus und berührt meinen Handrücken in einer ermutigenden Geste. Dass ich die ganze Zeit über dabei war, die Haut an meinen Nägeln wund zu pulen, merke ich erst, als sie meinen Griff vorsichtig löst, sodass mein Daumen vom geröteten Nagelbett meines Mittelfingers ablässt. Ein brennender, vergleichsweise jedoch geringer Schmerz bleibt zurück.

„Was in dieser Nacht mit deinem Onkel geschieht, Kalie, kann nur die Mondgöttin selbst entscheiden", vertraut Loral mir an. Ihre gebräunten, von zahlreichen Muttermalen und Altersflecken gezierten Hände legen sich behutsam um meine und lassen eine tröstliche Wärme in meine Brust fließen. Für eine Sekunde verstummt das nervöse Zittern meines Herzens.

„Es liegt ganz allein an Luna. An Luna und an mir, die ihr Bestes geben wird, um den Entschluss unserer Göttin in die richtige Richtung zu lenken." Ein aufmunterndes Zwinkern lässt meine Mundwinkel in einem halbherzigen Lächeln zucken.

„Wenn ihr beide mich nun also entschuldigen würdet..." Meine Hände werden losgelassen und sofort spüre ich wieder die eisigen Striemen der Angst, die sich eng um meinen Brustkorb schnüren.

„Na klar...", murmele ich benommen, während ich versuche, alle bösen Gedanken tief in meinem Geist wegzusperren. Jemand legt von hinten einen Arm um mich und streicht mir mit dem Daumen über die Schulter.

„Komm", raunt Elias mir ins Ohr, wobei er mich langsam Richtung Treppe schiebt. „Es ist spät. Lass uns runter gehen."

~~

Schweres, stickiges Dämmerlicht füllt die verlassenen Flure der Villa, während wir schweigend das Stockwerk wechseln. Der Widerhall unserer Schritte ist beinahe das einzige Geräusch, welches die fast schon andächtige Stille im Hauptquartier des McCartney Rudels durchbricht. Es ist als würde jedes Lebewesen, jeder Gegenstand hier den Atem anhalten.

„Ich kann das immer noch nicht glauben." Den schalen Geschmack in meinem Mund herunterschluckend sehe ich zu Elias, der direkt neben mir die Treppe herunter trottet. „Welcher Werwolf schießt mit Pfeilen, die giftig für seine Artgenossen sind, mitten in einen solchen Tumult? Das Risiko, ein eigenes Rudelmitglied zu treffen, wäre doch viel zu hoch gewesen..."

Kopfschüttelnd starre ich auf die blank polierten Marmorstufen. „Was wenn er anstelle von Jeffrey seinen eigenen Alpha mit dem Pfeil durchbohrt hätte?"

Der Gedanke an Liam, wie er mit demselben Ausdruck von Schmerz und Ungläubigkeit blutend zu Boden sinkt, bewirkt, dass mein Herz sich ruckartig zusammenzieht. Einen eigenartigen Moment lang empfinde ich fast schon so etwas wie Erleichterung darüber, dass der Schütze den dunkelhaarigen Werwolf verfehlt hat. Augenblicklicht wallt eine Welle von schlechtem Gewissen in mir auf.

„Es hätte jeden von ihnen treffen können...", murmele ich erschaudernd. „Also warum..."

Hilfesuchend heften meine Augen sich auf das Profil meines Freundes. Der finstere Ausdruck aus seinem Gesicht, welcher von den tiefen Schatten der Halbdunkelheit nur noch verstärkt wird, lässt einen dicken Kloß in meinem Hals wachsen.

„Elias...?", flüstere ich, darum bemüht, das in mir aufkeimende Unwohlsein zu unterdrücken. „Warum sagst du nichts?"

„Ich..." Der blonde Junge zieht die Stirn in Falten, ehe er den Kopf zu mir dreht und tief Luft holt. „Ich habe keine Lust, unnötige Befürchtungen zu streuen, aber..." Seine Schritte verlangsamen sich; seine Hand umfasst das glatte Holzgeländer ein wenig fester.

„Aber was?" Gegen meinen Willen kriechen böse Vorahnungen an meinen Beinen hinauf. Unruhig überspringe ich die letzte Stufe, sodass meine Füße mit einem gedämpften Rums auf dem Boden des zweiten Stockwerkes auftreffen.

„Ich denke nicht, dass es ein Werwolf war, der den Giftpfeil auf Jeffrey geschossen hat. Und ich bin sicher, Bryan und Loral ahnen das ebenfalls."

Ich erstarre. Schaue in Elias freundliche, nussbraune Augen, die mich nahezu entschuldigend mustern. „Was willst du damit sagen?", hake ich mit belegter Stimme nach. „Außer dem Crescent und dem McCartney Rudel war doch niemand weiter auf der Lichtung."

Wie ein dunkles, engmaschiges Fischernetz beginnt die dunkle Vorahnung über meine Haut zu kriechen. Mich mit jeder weiteren Sekunde, in der Elias nicht antwortet, weiter einzuhüllen und gefangenzunehmen.

„...Oder?"

Der Mund meines Freundes verzieht sich zu einer unglücklichen Miene, während er sich vom Treppengeländer löst und auf mich zu kommt. „Werwölfe kämpfen nicht mit Schusswaffen. Wir haben unsere Tiergestalt, unsere Hände und manchmal auch noch Stabwaffen, aber nichts, das aus der Distanz Schaden anrichten könnte."

Seine Hand zuckt in meine Richtung, doch er zögert, mich zu berühren und fährt stattdessen beklommen am ausgeleierten Kragen seines blau melierten T-Shirts entlang.

„Nachdem Loral ihn entfernt hat, habe ich den Pfeil gesehen. Es war eine Maßanfertigung. Eine Maßanfertigung, die mit großer Wahrscheinlichkeit von einer hochleistungsfähigen Armbrust abgefeuert wurde."

„Und?" In einem verzweifelten Versuch, die unheilschwangere Stimmung wegzupusten, gebe ich ein nervöses Lachen von mir. „Dann hat ein Werwolf halt sein Glück im Schießen versucht – was ist daran merkwürdig?"

Elias Finger verkrampfen sich um den dunklen Stoff und ein bitterer Laut entweicht seiner Kehle. „Keiner meiner Art würde eine solche Waffe freiwillig anfassen, glaub mir."

Wieder ist da dieser düstere Schleier über seinen Augen, als er sich an mir vorbeischiebt, um im Gang zu verschwinden. Mit einem kaum merklichen Nicken bedeutet er mit stumm, ihm zu folgen. Ins Bett zu gehen und endlich Ruhe zu finden.

„Hey!" Flink mache ich mehrere Schritte, bis ich wieder an seiner Seite bin. Wie soll ich mich bitte ausruhen, wenn seine merkwürdigen Aussagen tausende Fragen in meinem Kopf umherkreisen lassen?

„Warum nicht? Habt ihr irgendwelche Gesetze, die euch das Schießen verbieten, oder wie?"

Falls Elias die Anspielung auf die Gesetzte der Werwölfe verstanden haben sollte, reagiert er bewusst nicht auf die Erwähnung der Regeln, dank denen ich beinahe getötet oder gebissen worden wäre.

„Armbrüste sind neben der Mondfinsternis das so ziemlich schlechteste Omen für uns Wolfswandler", bringt er schließlich hervor, den Blick starr auf den Teppich unter unseren Füßen gerichtet. Seine Lippen sind nichts weiter als ein schmaler, blutleerer Strich.

Und als er sie wieder öffnet, ist seine Stimme nichts weiter als ein todernstes Flüstern.

„Denn...die Armbrust ist die traditionelle Waffe eines Werwolfjägers." 

~~

A/N:

Das kann man wohl eine schlechte Neuigkeit nennen. :'D

Ob die Werwölfe von New Plymouth tatsächlich von einer neuen Bedrohung heimgesucht werden, oder sich einfach nur jemand einen dummen Scherz erlaubt hat? :o

Und wie wird sich die Attacke wohl auf die beiden Rudel auswirken...? >:D

Wir werden es bald herausfinden. :P

Einen schönen Abend euch noch!

LG Loony ♡

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