Das, was du fürchtest
Schatten, geworfen vom Vollmond, welcher hoch am Himmel steht, tanzen über den Boden deines Zimmers. Draußen, vor dem vereisten Fenster, biegen sich die Bäume im Wind, welche bei jedem Windstoß ächzen, als würden sie im nächsten Moment brechen und das Dach des Hauses dabei zertrümmern.
Fürchtest du die Kräfte der Natur deshalb? Nein.
Die Dunkelheit kriecht langsam durch dein Zimmer und lässt dich blind werden. Kälte dringt durch deine Haut und lässt deine Knochen zu Eis erstarren, während du dich unter deiner Bettdecke zitternd zusammenkauerst. Die Blindheit macht dich wahnsinnig und raubt dir den Verstand.
Fürchtest du die Dunkelheit deshalb? Nein.
Stille beherrscht den Raum und breitet sich aus. Sie legt sich wie eine Decke aus Watte über dich und scheint jedes einzelne Geräusch zu schlucken, bis du nur noch deinen eigenen Herzschlag vernimmst. Deine Hände tasten blind nach Sicherheit und etwas, an dem du dich festhalten kannst, wenn Dunkelheit und Ruhe vollkommen sind.
Fürchtest du die Stille deshalb? Nein.
Ein Schlag und das Geräusch von berstenden Glas bricht die Stille und lichtet die Dunkelheit. Auf Zehenspitzen schleichst du aus deinem Zimmer, die kalte Eichenholztreppe hinunter, während deine Hände sich an das Geländer klammern. Du bist allein, niemand bei dir. Niemand, der dich beschützen könnte. Niemand.
Fürchtest du die Einsamkeit deshalb? Nein.
Du betrittst das Schlafzimmer deiner Mutter, aus welchem das Geräusch dringt. Licht erhellt den Raum und eine getigerte Katze springt vom Fensterbrett, über den Haufen von Scherben, welche einst Teil einer Vase waren, auf das Bett deiner Mutter. Diese schläft noch friedlich, mit weit geöffneten Augen und einem Messer in der Brust. Dunkelrote Flecken zieren ihr weißes Nachthemd.
Fürchtest du dich vor ihrem toten, leblosen Körper? Nein.
Zitternd wendest du dich ab und siehst in den Spiegel der an der Wand hängt. Dunkle Blutflecken zieren den Kleidung. Du lächelst. Das Leben deiner Mutter zu nehmen hatte Spaß gemacht. Sehr viel Spaß. Dein Blick wird ernst und blankes Entsetzen legt sich auf dein Gesicht.
Fürchtest du die Person im Spiegel? Ja.
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