Einer der ersten übernatürlichen Aufträge, zu denen Alexis und ihre schrulligen Kollegen Luke und Momo gemeinsam geschickt wurden, war jener, der sie nach Leubingen in Thüringen führte. Dort sollte Gerüchten zufolge ein Wesen sein Unwesen treiben, welches sie zunächst für einen Draugr gehalten hatten. Auch, wenn es sich am Ende als die falsche Schlussfolgerung herausstellte, sollten wir uns den Draugar dennoch einmal annehmen. Man kann ja nie wissen, wann einem wirklich mal einer dieser üblen Gesellen über den Weg läuft.

Draugr – die Bezeichnung leitet sich vom altnordischen draugar und norwegischen Draug ab. Im skandinavischen Volksglauben ist ein Draugr ein Toter, der in seinem Grabhügel »weiterlebt«, ein Untoter also. Für die Menschen seiner Umgebung konnte er eine große Bedrohung darstellen. Draugar kamen oft in den isländischen Sagas vor, wo sie für allerhand Schauder sorgten.

Aber auch in die moderne Literatur haben es diese Unholde geschafft. Draugar werden zum Beispiel in Fantasy-Büchern, -Filmen und Spielen erwähnt. Besonders bekannt geworden sind die Draugar in den Spielen »The Elder Scrolls V: Skyrim und Valheim«. Die Tragikomödie »Der Draug« von Zeha Schröder spinnt den Mythos vom Draugr auf moderne, ironische Weise weiter. Das Stück wurde 2016 vom Theater Freuynde + Gaesdte uraufgeführt. Helge Salnikau wurde dabei die Ehre zuteil, die Rolle des „Draugs" Eduard Schwartz zu mimen. Im weitesten Sinne könnte man auch die Grabunholde aus J.R.R.Tolkiens »Der Herr der Ringe« als eine Art Draugr bezeichnen.

Zurück geht der Draugr-Glaube auf die sehr alte Vorstellung, wonach ein Toter in seinem Körper mit voller Lebenskraft weiterexistiert. Diese Vorstellung hat nichts mit dem Glauben an eine Seele zu tun, die, getrennt von ihrem Körper, als Geist herumspukt.

In der Sagaliteratur werden Draugar folgendermaßen beschrieben: Ihr Aussehen richtet sich nach der Art des Todes. So erscheinen Ertrunkene triefend nass oder im Kampf Gefallene blutverschmiert mit klaffenden Wunden. Sie haben übermenschliche Kräfte und magische Fähigkeiten. So wird behauptete, dass sie die Zukunft vorhersagen und sich in Tiere verwandeln können.

Nicht selten werden sie als Wächter der Grabbeigaben beschrieben. Man kann ihre Dienste sogar in Anspruch nehmen. Allerdings muss man dafür die richtige Beschwörungsformel kennen. Ihr Aktionsradius beschränkt sich jedoch auf ihren Grabhügel. Doch zu sehen sind sie mitunter auch weit davon entfernt. Denn Draugar können sich unter Umständen durch Erde und Fels fortbewegen, sodass sie anderswo in Erscheinung treten.

Aber es werden auch ganz andere Gerüchte laut und damit schlagen wir den Bogen zurück zu dem Auftrag, den Marlowes Detektei angenommen hat. So soll es Draugar geben, die in der Nacht ihren Grabhügel verlassen, um wütend auf den Firstbalken der Dächer herumzureiten und auf andere Weise Angst und Schrecken bei den Menschen zu verbreiten. Mit normalen Waffen, so wird behauptet, könne man sie nicht verwunden. Will man sie endgültig auslöschen, muss man ihnen angeblich den Kopf vom Rumpf trennen, ihn dann zum Gesäß legen und schließlich den ganzen Körper verbrennen.

Auch der Glauben, dass das Feuer einen Untoten unabänderlich vernichten könne, hat etwas mit den sehr alten Vorstellungen von Tod und Leben zu tun, welche den nordischen Volksglauben beeinflussten.

Aus alten Runeninschriften geht hervor, dass sich die mittelalterlichen Skandinavier offenbar sehr von diesen Draugar bedroht gefühlt haben. Für sie könnten Draugar so etwas gewesen sein, wie für andere Kulturen die Vampire. Mit Abwehrzaubern auf Amuletten wollten sie sich vor den Wiedergängern schützen. Auch wurden Inschriften auf Grabplatten entdeckt, die dem Verstorbenen befahlen, in seinem Grab zu bleiben. Die Inschrift war dabei dem Toten zugewandt, damit er sie auch lesen konnte. Ob er sich immer daran hielt? Tja, sonst würde es ja keine Draugar geben, nicht wahr?

Auch die Häufigkeit, mit der das Thema vor allem in isländischen Sagas aufgegriffen wurde, zeugt von der großen Bedeutung, die den Draugar beigemessen wurde.

Kein Wunder also, dass die Creatura Fabularis bei den gemeldeten Hinweisen von einem solchen in Leubingen ausging.