⛰️Das Fürstengrab von Leubingen⛰️
Wenn wir schon über den Vorfall mit dem Geister-Jungen in Leubingen reden, dann möchte ich ein paar Informationen über das dortige Fürstengrab natürlich nicht unerwähnt lassen. Denn, weder dieses, noch die Geschichte darüber habe ich mir ausgedacht, sondern meinem Buch als historische Würze beigefügt.
Das Fürstengrab von Leubingen ist das größte erhaltene frühbronzezeitliche Fürstengrab der Aunjetitzer Kultur.
Der Begriff Aunjetitzer Kultur leitet sich von einem archäologischen Fundort bei Únětice/Aunjetitz in Böhmen, nördlich von Prag ab. Es bezeichnet eine Kultur der Frühbronzezeit im Zeitraum von circa 2300 vor Christus bis etwa 1600/1500 vor Christus. Sie geht aus den Kulturen der Glockenbecher und Schnurkeramik hervor. Nach 1600 vor Christus wurde sie durch die Hügelgräberbronzezeit abgelöst. Einer der bekanntesten Funde dieser Kultur ist die Himmelsscheibe von Nebra. Und Letztere kennen einige von euch vielleicht aus einem anderen meiner Bücher.
Das Fürstengrab befindet sich bei Leubingen, einem Ortsteil von Sömmerda in Thüringen. Die Hügelgräber der Aunjetitzer Kultur heben sich von anderen Grabtypen deutlich ab. So waren diese Gräber durch gewaltige Großgrabhügel schon von Weitem her sichtbar. Ausgestattet waren sie mit reichhaltigen Beigaben, die in den normalen Bestattungen nicht vorkamen. Deshalb konnte man den ganzen Kulturkreis als Leubinger Gruppe bezeichnen.
Im 19. Jahrhundert wurden am Leubinger Hügel Ausgrabungen durchgeführt. Um den Grabhügel als monumentales Denkmal zu erhalten, wurde er nach Abschluss der Grabungen wieder aufgeschüttet.
Der Grabhügel hat eine Höhe von etwa 8,5 m, einen Durchmesser von ursprünglich rund 50 m (heute knapp 34 m) und einen Umfang von circa 145 m. Damit gehört er zu den größten Grabhügeln Mitteleuropas. Die hölzerne Grabkammer wurde auf den Zeitraum zwischen 1934 bis 1954 vor Christus datiert. Genauer wollten sich die Experten bei der Datierung nicht festlegen, da bei den bearbeiteten Holzstämmen die äußeren Jahresringe nicht mehr erhalten waren.
Soweit zum Hügel selbst. Aber was das eigentlich Interessante daran ist, ist das, was sich darin befand. Denn er heißt ja nicht umsonst Fürstengrabhügel.
Der Grabhügel wurde 1877 unter Leitung des Jenaer Universitätsprofessors Friedrich Klopfleisch ausgegraben. Dieser war so freundlich, alles, was er sah und vorfand, in seinem Tagebuch schriftlich festzuhalten. So kann die Beschaffenheit des Hügels, die Anordnung der einzelnen Gegenstände sowie der Zustand des Grabes gut rekonstruiert werden.
Demnach wurden im oberen Bereich des Hügels siebzig menschliche Skelette gefunden. Auf Bodenniveau wurde dann eine unversehrte, zeltförmige Totenhütte aus Eichenholz entdeckt.
Die Grabkammer barg laut Klopfleisch eine Doppelbestattung, wobei die Hauptbestattung ein älterer männlicher Erwachsener mit Altersgicht und abgenutzten Zähnen war. Ja, mit derlei Gebrechen plagte man sich auch damals schon herum. Der Mann lag mit ausgestreckten Beinen auf dem Rücken, den Kopf in Richtung Norden.
Als quer über den Hüften des Toten liegend wurde das Skelett eines etwa zehnjährigen Kindes beschrieben. (Bingo! Unser vermeintlicher Draugr-Junge.) Es waren nur zwei Röhrenknochen der Arme erhalten, bei denen das Alter bestimmt werden konnte; andere Knochen des Kinderskeletts wurden nicht gefunden.
Klar, dass man da als Geist unleidlich werden kann, wenn man nach dem Ableben zu einem Puzzle gemacht wurde.
Da Klopfleisch vermutete, die fehlenden Knochen seien mit der Zeit auf natürlichem Wege nach dem Begräbnis verrottet, zeichnete er sie in seiner Skizze mit ein. Zum Zeitpunkt der Graböffnung fand keine anthropologische Untersuchung statt. Somit konnte nicht geklärt werden, ob beide Toten zur gleichen Zeit gestorben sind, ober ob das Kind später dazu gelegt wurde.
Da aber nur die beiden Knochen gefunden wurden, ist anzuzweifeln, ob überhaupt ein Kind bestattet wurde – möglicherweise waren die Knochen nur als Beigabe mit im Grab. Der Rest des Körpers könnte sonst wo sein. Der kleine Poltergeist in meinem Buch wollte jedenfalls erst dann ruhen, wenn er all seine Knochen wieder beisammen hat. Ihm sei es zu wünschen.
Nachbildungen der Grabkammer befinden sich im Museum für Ur- und Frühgeschichte Thüringens in Weimar, im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle (Saale) und in der Leubinger Heimatstube.
Die weiteren Grabbeigaben lassen darauf schließen, dass der Tote Mitglied einer Elite war. Ein ganz feiner Pinkel also. Seine Position in der Gesellschaft konnte jedoch noch nicht endgültig geklärt werden. Der Ausgräber Friedrich Klopfleisch interpretierte ihn als den Herrscher des Gebietes. Er notierte in seinem Tagebuch die Beobachtung, dass die Steine der Grababdeckung aus einem Umkreis von bis zu 30 km um das Grab stammen. Dies stellte für ihn die Ausdehnung des Herrschaftsbereiches dar.
Aber hatte er damit das Recht, ein Kind als Grabbeigabe zu bekommen? Wir werden die ganze Wahrheit rund um das Leubinger Fürstengrab vermutlich nie erfahren. Aber wir können dafür sorgen, dass das Kind nicht in Vergessenheit gerät. Vielleicht hat es inzwischen seinen Frieden gefunden.
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