Prima nocte / Part 2

»SAG EINFACH KEIN WORT«, knurrte einer der beiden Kerle, der als Stephen Kings Horrorclown Pennywise verkleidet war und lässig am Treppengeländer lehnte.

Ich machte eine unbeeindruckte Geste und zuckte kurz mit den Schultern, um dann wortlos weiter meines Weges zu gehen.

»Hey, schön hiergeblieben!«, rief mir der zweite düstere Kerl nach, welcher in einem blauen Overall á la Mike Myers gewandet war und die entsprechende Maske in der linken Hand hielt.

»Nö, ich möchte lieber weiterfeiern. War nett, euch kennenzulernen.« Und schon mussten meine Schauspielkenntnisse mich erneut vor fiesen Typen schützen. Denn mit nett hatten diese beiden Klappsmänner so viel zu tun, wie ein Spulwurm mit den Pyramiden von Gizeh.

»Wir möchten auch feiern!«, tönte der Clown und breitete seine Arme einladend aus. »Ich verspreche dir, unsere Party ist viel besser als der Kinderkram da drin.«

Okay, Alexis. Schön ruhig bleiben. Informationen sammeln.

»Ihr feiert eine eigene Party? So so. Wo denn?« Ich gab mich interessiert und trat wieder einen Schritt auf die Kerle heran. Dabei spürte ich erneut diese finstere Aura, um es mal so zu nennen.

»Verraten wir nicht. Da musst du schon mitkommen.« Der Horrorclown grinste mich auffordernd an.

»Muss ich das? Und ihr meint, bei euch ist mehr los als hier?« Ich warf einen Blick zu Dominik, der mit etwas Abstand hinter mir stand und nur stumm nickte.

»Der kommt auch mit. Wird grandios, das sage ich dir. Vor allem die Getränke.« Mike Myers bleckte die Zähne.

»Gut, dann zeigt mir eure extra-gruselige Halloween-Party. Ich hole nur noch schnell meinen Mantel und die Perücke. Sonst sehe ich gar nicht nach Halloween aus.«

»Brauchst du nicht. Das passt schon so«, versuchte der Clown mich, von meinem Vorhaben abzuhalten.

»Ne, dann kann ich mich nicht richtig auf die Sache einlassen, wenn alle verkleidet sind und ich nicht.«

»Hör mal zu, Schätzchen«, Pennywise packte mich am rechten Arm. »Wir sagen, wie gefeiert wird, also komm jetzt mit oder lass es bleiben.«

Der Zwiebelgeruch in seinem Atem und meine wachsende Panik machten es mir nicht einfach, weiterhin die Ahnungslose zu spielen.

»Bleib mal ganz flockig, Meister. Ihr wolltet doch unbedingt, dass ich mitkomme. Also lasst ihr mich mal fein den Mantel holen oder lasst es bleiben.«

»Ganz schön frech, die Kleine«, kommentierte Myers meine Vorstellung. »So eine wie dich können wir brauchen. Also gut, hol deine Klamotten«, sprach er weiter und trat bis auf wenige Zentimeter an mich heran. Dabei starrte er mir auf eine Art und Weise in die Augen, die mir einen Schauer über den Rücken laufen ließ. »Du nimmst deinen Mantel und deine Perücke. Dann kommst du unverzüglich zu uns zurück. Du sprichst auf dem Weg mit keinem und vor allem, sagst du niemandem auch nur ein Sterbenswörtchen darüber, dass wir dich mitnehmen. Keine Anrufe, keine Kurznachrichten. Verstanden?«

»Verstanden.« Ich nickte und lief dann zielgerichtet zurück, zu den Garderoben.

Dort atmete ich erst einmal tief durch und versuchte, zu verstehen, was das da gerade gewesen war. Während der Kerl mir eintrichterte, was ich tun sollte, haben sich seine Pupillen so seltsam vergrößert. Offenbar wollte er, dass ich ihm genauso stur in die Augen sah, wie er mir. Sollte das eine Gehirnwäsche werden? Zauberei? Hypnose? Dachte er wirklich, dass ich jetzt genau das tun würde, was er von mir verlangte?

»Soll er doch in diesem Glauben bleiben«, murmelte ich vor mich hin und zog mein Smartphone aus meiner Manteltasche und öffnete sehr wohl einen Messengerdienst.

»Marlowe, es gibt ein Problem. Hier sind ein paar Typen, die dieselbe Aura wie der Kerl mit dem Tattoo haben. Sie wollten mich Gedankenmanipulieren, glaube ich. Ich darf mein Handy nicht benutzen, schalte mein GPS-Sender ein.«

Mehr Zeit für Erklärungen hatte ich nicht, wenn ich sie in dem Glauben lassen wollte, dass sie mir meine freien Entscheidungen abnahmen. Ich wendete Fräulein Strupps Atemübungen an und bereitete mich auf meine neue Rolle vor. Von nun an war ich Peggy, äh, Peggy Schneider. Gutgläubige und Kontaktfreundliche Partygängerin.

»Können wir dann?«, rief ich den drei Gruseltypen zu und drehte mich im Kreis, um sie endlich von meinem Kostüm zu überzeugen.

»Dafür die ganze Warterei?«, musterte mich der Horrorclown und rümpfte die Nase. »Handy her!«, sagte er dann und streckte fordernd die Hand aus.

Ich händigte ihm mein Smartphone aus, welches er gutgläubig einsteckte, ohne zu überprüfen, ob ich nicht vielleicht doch jemanden benachrichtigt hatte. Dank dem von der CF eigens programmierten Messengerdienst, der als Foto-Bearbeitungs-App getarnt war und alle Nachrichten sofort nach Versandt automatisch löschte, würden diese Spatzenhirne ohnehin nichts finden. Falls ich mein Handy nicht wiederbekäme, würde die CF sogar eine Deinstallation in die Wege leiten. Doch bis es so weit war, musste ich hoffen, dass Marlowe meine Mitteilung lesen und mich aus den Fängen dieser Kerle retten würde. Es war bereits 1:26 Uhr und mein Boss möglicherweise längst im Lummerland.

Zunächst hatte ich aber andere Sorgen und mit diesen war ich auf mich allein gestellt. Wo wollten die drei Wüstlinge mit mir hin? Wann würde Tuyet mein Verschwinden bemerken? Es war nicht meine Art, ohne ein Wort abzuhauen. Hoffentlich machte sie sich nicht zu viele Sorgen.

»Los, da lang!« Pennywise schubste mich unsanft zu einer kleinen Seitenstraße, in der ein größeres dunkles Auto parkte. Gar nicht verdächtig.

»Ihr wisst aber schon, dass euer Verhalten stark nach einer Entführung anmutet?«, gab ich mich weiterhin neugierig. »Drei kräftige Burschen stecken ein fremdes Mädchen einfach in ihr Auto. Vielleicht noch in den Kofferraum, was?« Mensch, Alexis! Bring diese Typen nicht noch auf Ideen!

»Ich dachte, du stehst auf so was«, griente Myers und setzte seine legendäre Maske auf. »Das ist alles Teil unserer Halloween-Party.«

»Genau und ab jetzt hältst du bitte einfach deinen hübschen kleinen Mund und machst dir keine Sorgen. Kapiert?« Der Clown starrte mir abermals in die Augen, deren Pupillen sich dabei wieder so komisch weiteten.

Ich nickte wortlos, um ihn weiter glauben zu lassen, dass ich ihm gehorche. Pennywise lächelte daraufhin triumphierend und machte mit Myers so eine Art Ghettofaust.

»Gut aufgepasst, Kleiner?«, knurrte er dann in Richtung Dominik. Dieser war so mucksmäuschenstill, dass ich beinahe vergessen hatte, dass er noch bei uns war. Er sagte nichts dazu, sonders stieg auf die Rückbank des dunklen Autos ein, dessen Heck derart verdreckt war, dass ich weder die Marke noch das Nummernschild erkennen konnte.

»Hier. Umbinden!« Pennywise warf mir einen schwarzen Schal auf den Schoß, nachdem auch ich auf dem Rücksitz Platz genommen hatte. »Und nicht schummeln. Soll ja eine Überraschung sein.« Ein lüsternes Lachen kroch seinen stinkenden Schlund empor.

Ich hatte wirklich Angst. Mehr als damals im Supermarkt und mehr als vor dem vermeintlichen Draugr. Sogar der echte Mothman hätte wohl nicht schlimmer sein können als diese Situation. Dennoch musste ich weiterhin so tun, als ob mich das alles kalt ließ. Ich band mir also den Schal vor die Augen und hörte im selben Moment, wie der Motor gestartet wurde.

Der GPS-Sender, den jeder aus der Detektei stets bei sich trug, steckte unter meiner Perücke. Blieb zu wünschen, dass er dortblieb, funktionierte und von Marlowe schnell geortet werden würde.

Marlowe – eigentlich sollte ich keinen Einsatz mehr ohne ihn machen und dann hatte ich einmal frei und wollte nur Spaß haben und schon war wieder alles am Eskalieren. Ich dachte an unseren Auftrag im Schloss Henriette und daran, wie er mir dort erklärt hatte, wie ich die positiven Gefühle in mir wach zu rufen konnte, die ich beim Rasselbock gespürt hatte. Es funktionierte! Ich merkte, wie mein Puls sich verlangsamte und meine Atmung ruhiger wurde. Das war gut. Denn so wurde die Show, die ich hier spielte umso glaubwürdiger.

Meine potenziellen Entführer hatten echt Nerven. Sie drehten die Musik lauter und grölten mit. Bei Scooter! How much is the fish! Ich hätte lieber schalldichte Kopfhörer als die Augenbinde gehabt. Dominik neben mir verhielt sich weiterhin still. Er hatte auch keine Aura. Weder eine Positive noch eine Düstere. Er schien aus freien Stücken mit diesen Typen abzuhängen. Aber warum? Ging es wirklich ums Blut trinken, wie er angedeutet hatte? Diese Kerle waren doch nicht wahrhaftig Vampire? Ich hatte in einem von Lukes Büchern etwas über Vampire gelesen, den Artikel aber nicht näher beachtet und mich auf die Fabeltiere konzentriert. Ich war nicht der Meinung, dass diese Blutsauger von uns gerettet werden müssten und wenn doch, dann hätte ich sie mir ganz anders vorgestellt. Eher wie große Fledermäuse oder so, die nur die Bezeichnung Vampir trugen, mit der allgemeinen Vorstellung davon aber nichts weiter zu tun hatten. Diese Burschen sahen aus, wie ganz normale Menschen. Von der Pupille mal abgesehen.

Nachdem ewig keine Kurve mehr gefahren worden war, konnte ich mir denken, dass wir die Stadt verlassen und eine Landesstraße oder sogar Autobahn befuhren. Scooter wurde irgendwann von irgendwelchen mir unbekannten Rappern ersetzt, bei denen dann auch Dominik mit dem Fuß zu wippen begann, wenn ich mich nicht irrte.

Hoffentlich hatten wir das Ziel bald erreicht. Je weiter wir uns entfernten, desto schwieriger wurde es, uns schnell ausfindig zu machen. Scheiße, Marlowe. Beeilen Sie sich.

»Ey, wasn das jetzt?« Ein Handyklingeln schreckte Mike Myers auf. Es war mein Handy. »Eine gewisse Tu- ähm, Tuget oder so, will was von dir.« Er schmiss mir mein Telefon hinter. »Geh ran und sag ihr, dass du jemanden getroffen hast, den du kennst und mit ihm mitgefahren bist. Ihr seht euch dann morgen und quatscht darüber. Los.«

Ich nickte und versuchte blind, den Anruf entgegenzunehmen, was mir erst nach drei Versuchen gelingen wollte. »Tu-Tu, hey!«

»Lex, verflucht! Wo steckst du? Ich hab dich ewig nicht mehr gesehen hier.« Ihre Stimme klang hallig und es war keine Musik zu hören. Sie war vermutlich auf der Toilette. »Bist du nach Hause gegangen?«

»Alles in Ordnung!«, verkündete ich fröhlich. »Ich habe jemanden getroffen, den ich von früher kenne. Wir sind auf nem Drink zu ihm gegangen. Ich erzähle dir morgen alles.«

»Du meinst heute? Es ist schon nach 2 Uhr durch. Ich wollte jetzt so langsam losgehen.«

»Dann mach das. Warte nicht auf mich. Ich lade ich zum Abendessen ein und dann quatschen wir.«

»Wenn du meinst. Dann bis heute Abend.«

»Tschüssi!«

»Braves Mädchen. Jetzt gib mir das Telefon wieder.« Myers verstaute mein Handy offenbar und drehte die Musik wieder lauter.

Ich hoffte, dass sie es ehrlich meinten, dass ich Tu-Tu am Abend sehen könne. Nach wie vor hatte ich keinen Schimmer, was diese Widerlinge mit mir vorhatten.

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