Hilares dies natales Domini! / Part 2

»WAS DENKT IHR, was hier sein Unwesen treiben könnte?«, fragte ich die beiden Jungs, die gerade unsere Geräte einrichteten. »Ob es wirklich ein Poltergeist ist?«

»Richte deine Antennen doch mal aus, Lexi-Hexi«, machte Luke mal wieder seine Witze. »Ich gucke in der Zeit, was Momos Geräte dazu sagen. Einen Übertritt soll es in der Gegend ja nicht gegeben haben.«

Ben und ich warfen uns vielsagende Blicke zu. Spaßeshalber breitete ich wieder meine Arme aus. Dann jedoch versuchte ich, ernsthaft in mich zu gehen. Ich schloss die Augen und richtete mein Gesicht nach oben, Richtung Dachboden. »Wenn ihr mich so erwartungsvoll anglotzt, kann ich mich nicht konzentrieren«, ermahnte ich meine Kollegen, die sofort einen auf uninteressiert machten und sich wieder ihren Geräten zuwandten.

»Ich dachte, diese Esmeralda hat dir beigebracht, wie man das macht«, sagte Luke nach einer Weile und kratzte sich am Bauch.

»Sie hat mir ein wenig was darüber erzählt und mit Tipps gegeben, wie ich mich am besten auf die Wesen konzentrieren kann, die ich finden will«, erklärte ich ihm. »Aber mal im Ernst! Die Frau war noch schwerer zu verstehen, als dein Elmar Clausen. Doch immerhin weiß ich jetzt, dass Znüni ein zweites Frühstück und Zvieri ein Nachmittagssnack ist.«

»Das kannst du dann neben dem Jupdich in dein Sprachgebrauch aufnehmen«, kicherte Luke und schaltete die Ghostbox ein.

»So, ruhig jetzt«, rief der Boss uns zur Ordnung und lauschte dem eintönigen Rauschen der Box.

Ich schloss ebenfalls wieder die Augen und achtete auf irgendein Gefühl. So saßen wir nun minutenlang in diesem kleinen Raum und weder ich, noch unsere Geräte schlugen an. Vielleicht tobten sich auf dem Dachboden der Familie Mahler doch nur irgendwelche Tiere aus?

Dann passierte etwas! Ganz leise, kaum bemerkbar, senkte sich die Türklinke. Ich stupste Luke an, der wiederum Ben auf das Geschehen aufmerksam machte. Sofort checkten wir die Gerätschaften. Es wurden weiterhin keine übernatürlichen Aktivitäten aufgezeichnet. Dennoch bereiteten wir uns auf alles vor.

»Es ist nicht mal neun«, stellte Luke mit Blick auf die verblichene Uhr an der Wand gegenüber der Fenster fest. »Die Mahlers schlafen noch nicht. Was will das Vieh denn jetzt schon hier unten?«

Wir konnten nur abwarten, was geschehen würde. Die Klinke ging zunächst wieder nach oben. Dann hörten wir Schritte und eine kindliche Stimme. Genau, wie Frau Mahler den Spuk auf ihrem Dachboden beschrieben hatte. Ich fühlte nach wie vor keine Aura. Die Geräte blieben stumm. Dann prallte etwas gegen die Tür und ein spitzer Schrei ertönte, gefolgt von Meckern.

»Das hört sich nicht nur so an, das sind Kinderstimmen«, stellte Luke enttäuscht fest und schritt resolut zur Tür, um diese selbst zu öffnen. Ben und ich folgten ihm neugierig. Vor der Tür hockten die Töchter der Familie Mahler und blickten beschämt zu uns rauf.

»Wir wollten nur mal gucken«, sagte die Ältere der beiden, die ich auf etwa sieben Jahre schätzte, und tippte die Spitzen ihrer Zeigefinger verlegen gegeneinander.

»Nicht schimpfen«, bettelte die Kleinere, die ungefähr fünf sein musste, und kaute auf ihrer Unterlippe herum. »Seid ihr echt die Goostbasders

»Ja, die sind wir«, antwortete ich und beugte mich zu den Mädchen runter, die wirklich mehr als niedlich aussahen in ihren pastellfarbenen Frottee-Schlafanzügen mit Kommissar-Kugelblitz-Motiven drauf. »Und Detektive sind wir auch. Wie euer Kommissar Kugelblitz da. Aber wisst ihr was? Geister haben Angst vor Kindern. Deswegen können wir sie nicht finden, solange ihr noch wach seid. Also los, zurück in eure Betten!« Ich trieb die beiden Steppkes vor mir her. Dabei lachten sie und ihre dunkelblonden Zöpfe schwangen auf und ab.

Frau Mahler hatte den Tumult bemerkt und eilte sogleich die Treppe herauf. »Es tut mir ausgesprochen leid, dass die beiden Ihnen Schwierigkeiten machen«, entschuldigte sie sich bei Ben und grinste ihn breit an.

»Kein Problem, Frau Mahler. Das ist ganz normal bei Kindern. Wann hat man schon mal Geisterjäger im Haus?« Ben überspielte die peinliche Situation mit britischem Charme, was es nicht unbedingt besser machte.

»Haben Sie alles? Soll ich Ihnen was hochbringen? Ein bisschen Tee? Den Stollen? Kekse?«, biederte sich Frau Mahler weiter an.

»Danke, Kekse wären toll!«, nahm Luke das Angebot unserer Gastgeberin dankend an. Diese nickte daraufhin nur stumm und stapfte wieder nach unten.

»Wenn das so weitergeht, wird das heute nichts mehr«, grummelte Ben vor sich hin und ging zurück in unser Zimmer. »Ich schätze, wir müssen abwarten, bis alle schlafen.«

»Und von dir träumen, Boss«, lachte Luke und schlug sich auf die Oberschenkel. »Die Alte ist doch genial, was?«

»Luke!«, warf ich ihm mahnende Blicke zu. »Die „Alte" ist höchstens Ende dreißig und unsere Auftraggeberin. Ein bisschen mehr Respekt, wenn ich bitten darf.«

»Sorry, Lex. Hast recht. Das war dumm von mir.« Als er sich umdrehte, konnte ich dennoch ein schiefes Grinsen in Lukes Gesicht erkennen.

Männer.

Wobei ich zugeben musste, dass es wirklich ein bisschen amüsant war, wie offensichtlich diese verheiratete Frau mit unserem Boss flirtete. Wenn das Saskia wüsste!

Saskia. Unweigerlich musste ich daran denken, was sowohl Luke als auch Momo über ihre Kollegin angedeutet hatten. War sie vielleicht nur deshalb plötzlich nett zu mir, damit ich Ben gegenüber kein schlechtes Wort über sie verlieren konnte? Was solls. In zwei Wochen würde ich Eichenstedt, sie und die Detektei ohnehin hinter mich lassen. Dann hatte sie freie Bahn bei ihm.

Freie Bahn? Als ob sie die derzeit nicht hätte, oder?

»Lex, alles okay bei dir? Fühlst du etwas?« Luke tippte mir auf die Schulter und sah mich mit großen Augen an.

»Fühlen! Was? Ähm, nein! Nein, nichts. Alles in Ordnung. Noch kein Geist in Sicht. Und bei dir? Irgendwelche Ausschläge?« Ich linste auf sein Infrarot-Thermometer, welches er Richtung Dachboden ausrichtete.

»Bis jetzt nicht. Lass uns bis Mitternacht warten, wenn alles ruhig ist, und dann gehen wir mal direkt nach oben gucken, was da los ist.« Diesem Vorschlag stimmten wir alle zu.

Dann tauchte auch schon Sonya Mahler in der Tür auf und stellte uns eine Dose voller selbst gebackener Kekse auf den Tisch. Diese knusperten wir und daddelten dabei auf unseren Handys herum. Ich fing ein paar Pokémon und besiegte einen Rocket Rüpel.

Die Uhr schlug 0 Uhr 15, als wir uns an den Aufstieg zum Dachboden machten. Wolfgang Mahler hatte nicht übertrieben, als er den Ordnungswahn seiner Frau erwähnte. Ich hatte noch nie eine derart aufgeräumte Dachstube gesehen. Kein Staub, keine Spinnweben, kein Chaos. Alles war in Schränken und Schubladen verstaut oder hatte zumindest auf dem Boden einen festen Platz. Kisten und Körbe stapelten sich bis an die Decke. Ja, es mag ordentlich gewesen sein. Die schiere Masse an Krimskrams ließ dennoch genug Raum für mögliche Verstecke.

»Hey, Lex! Was ist denn auf einmal so witzig?«, Luke drehte sich perplex zu mir um, als ich aus dem Nichts heraus angefangen hatte, zu kichern.

»Ich weiß es nicht. Mir war plötzlich einfach danach«, antwortete ich wahrheitsgemäß. Tatsächlich überkam mich urstplötzlich ein regelrechter Lachflash. Es fühlte sich so an, als hätte ich gerade jemandem einen fiesen Streich gespielt und müsse nun über dessen Schaden lachen.

»Oh! Oh! Leute, Momos Dingens zeigt jetzt was an!«, sagte Luke mit gepresster Stimme. »Hier ist doch etwas drin.«

Wir duckten uns instinktiv. Ich hielt mir die Hand vor den Mund, um das Wesen nicht durch mein Gefeixe zu vertreiben. Dann traf mich etwas am Kopf.

»Au! Was war das?« Ich guckte auf den Boden und entdeckte zu meinen Füßen eine Osterhasenfigur. »Wo kam die denn jetzt her?«

»Shht!«, Ben brachte uns zum Schweigen und dann konnten wir ein leises Keckern hören.

»Treibt da jemand Schabernack mit uns?«, flüsterte Luke und zog die Stirn kraus. »Wenn das wieder diese zwei Gören sind!«

»No«, sagte Ben und ging den Geräuschen langsam entgegen. »Die Infrarotkamera registriert eine Bewegung. Hinter diesem Regal ist was. Etwas Kleines.«

Sosehr wir uns auch bemühten, außerhalb des Monitors der Kamera konnten wir nichts erkennen.

»Was denkst du, Boss?«, fragte Luke und drehte ein paar Knöpfe an der Nachtsichtbrille, die aber auch keine Antworten lieferte.

»Etwas, dass kein Geist ist und dennoch unsichtbar für das menschliche Auge bleiben kann.« Ben schaute uns auffordernd an, wie ein Lehrer, der das theoretische Wissen seiner Schüler am praktischen Beispiel abfragen will.

»Öhm, ja. Warte mal.« Luke kratzte sich erst im Gesicht, dann am Hinterkopf. »Ne! Echt jetzt?«, schien er schließlich eine Eingebung zu haben. »Lex, denk mal an das olle grüne Lederbuch, das ich dir mal ausgeliehen habe«, wandte er sich mir zu. »Das mit den Hausgeistern.«

Ich kramte in meinen grauen Zellen herum. Verdammt, was gab es denn da alles für Wesen? »Eine Art Kobold?«

»Nah dran!« Luke hatte die Hände zu Fäusten geballt und feuerte mich stumm an.

»Ach, komm! Doch kein Puk, oder?«, fiel mir die zwergwüchsige Sagengestalt ein, die vornehmlich auf Dachböden hauste und auf hoher See auch als Klabautermann bekannt war.

»So was von! Ein Real-life-Pumukl.« Luke biss sich auf den Knöchel seines rechten Zeigefingers, um nicht ebenfalls mit Lachen anzufangen.

»Dann können wir unsere Sachen packen«, meinte Ben und zuckte mit den Schultern. »Pucks gehören zu den wenigen Fabelwesen, die damals nicht in die Parallelwelt geschickt wurden.« Er sprach den Namen des Kerlchens englisch aus. »Sie sind uralte Begleiter der Menschheit. Meist verlassen sie das Haus, in dem sie wohnen nicht. Nur selten ziehen sie mit einer Familie um. Wilhelm meinte, dass Familie Mahler erst seit ein paar Monaten hier wohnt. Der Puck war vermutlich vorher schon da.«

»Aber wo ist da? Ich sehe ihn immer noch nicht.« Ich kniff die Augen zusammen, konnte aber keine Gestalt erkennen.

»Das liegt an der Tarnkappe«, half Luke meinen Erinnerungen auf die Sprünge. »Solange er diese trägt, ist es unsichtbar für uns.«

»Und was erzählen wir nun den Mahlers? Müssen wir ihn wirklich hierlassen, damit er weiter spukt?« Ich konnte nicht glauben, dass wir in diesem Fall keine Handlungsmöglichkeiten hatten.

»Wir erzählen ihnen, dass wir den Waschbären gefunden und vertrieben haben«, erklärte Ben und grinste geheimnisvoll.

»Ähm, ja. Toll. Dann treibt der Puk doch aber immer noch sein Unwesen hier oben.« Wie auf Kommando flog erneut ein Gegenstand durch die Luft, gefolgt von einem Kichern und einem undeutlichen Gebrabbel in einer Sprache, die vermutlich nur Elmar Clausen verstehen konnte.

»Die Kinder werden das zu verhindern wissen«, schmunzelte Ben und verließ den Dachboden.

Luke und ich blieben zurück und schauten uns ratlos an. Leises Trapsen verriet uns, dass der Puk aus seinem Versteck kam und sich hinter einem anderen Schrank positionierte, um erneut etwas zu werfen. Wir wollten gerade ebenfalls den Rückweg antreten, als wir Schritte auf der Treppe hörten. Lisa und Vivi, die Töchter der Mahlers, streckten schüchtern ihre Köpfe durch die Tür. Die Ältere der beiden trug die Keksdose ihrer Mutter, die Jüngere hatte ein Glas Milch dabei.

»Und das müssen wir jeden Tag machen?«, fragte die Größere, als sie die Dose hinter einer der Plastik-Kisten mit Geburtstagsgirlanden platzierte. Ihre Schwester stellte das Milchglas daneben.

»Richtig«, bestätigte sie Ben und hockte sich neben die Mädchen. »Wenn ihr dem freundlichen Gespenst jeden Abend etwas zu essen und zu trinken gebt, dann hört es auf, solch einen Lärm zu machen. Es hat dann keine Angst mehr vor euch. Das macht ihr doch, oder? Ihr seid doch schon große Mädchen. Aber verratet euren Eltern nichts davon.« Ben legte seinen Zeigefinger auf seinen Mund und zwinkerte den Kindern zu.

»Wir sagen nichts!«, riefen beide Schwestern gleichzeitig und schlugen sich dann die Hände vor den Mund und hüpften aufgeregt auf der Stelle auf und ab.

»Bin stolz auf euch! Aus euch werden bestimmt mal großartige Geisterjägerinnen. Nun aber rasch wieder zurück in eure Zimmer und schnell schlafen, damit das Gespenst ungestört essen kann.« Die Kinder hörten ohne Widerspruch auf unseren Boss und tippelten sofort die Treppe runter.

»Ich wusste nicht, dass der Boss so gut mir Kindern kann«, murmelte Luke vor sich hin und schüttelte ungläubig den Kopf.

»Case solved!«, triumphierte Ben und kam auf uns zu. »Wenn man den Puck regelmäßig mit Speisen und Getränken versorgt, wird er sich um das Wohlergehen der Bewohner kümmern. Vielleicht macht er sie sogar reich. Er wird auf jeden Fall keinen Schaden mehr anrichten.«

»Krass. Dann können wir ja wieder nach Hause fahren, was?« Luke schaute sich noch einmal auf dem Dachboden um. Wie zum Abschied flog ihm noch ein kleiner roter Schaumstoffball um die Ohren. »Bin schon weg! Mach's gut, Puk! Pass fein auf deine Familie auf.«

»Packen wir unsere Sachen und hauen ab«, kommandierte uns Ben und eilte die Treppe runter. »Den Mahlers hinterlassen wir einen Zettel und wünsche noch frohe Weihnachten. Die Rechnung schicke ich ihnen per Post«, klärte er schließlich noch die geschäftlichen Fragen.

»Frau Mahler hätte sicher nichts dagegen, wenn du noch mal kurz ins Schlafzimmer kommst, um dich persönlich von ihr zu verabschieden, Boss.« Luke rieb sich belustigt die Hände.

Ben verdrehte die Augen und ließ die Bemerkung unkommentiert. Dann packten wir zusammen und machten uns auf den Heimweg. Luke setzte mich freundlicherweise direkt bei mir zu Hause ab. Gut, dass Tuyet das nicht mitbekam. Sonst würde sie wieder auf komische Gedanken kommen.

»Also dann, meine Herren. Es war mir eine Ehre«, verabschiedete ich mich beim Aussteigen aus Lukes neuer Errungenschaft von meinen Kollegen.

»Lex, bleibt dein Angebot bestehen? Silvester? Villa am Osthang?« Ben hatte die Scheibe heruntergekurbelt und hob abwartend die Augenbrauen.

»Ich bin dabei! Lass uns das Jahr mit einem letzten Einsatz beenden.«

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