Thinking
March, 2024
Tief atmete Jule durch, nachdem er die Haustür hinter sich geschlossen hatte.
Schwanger.
Kai war schwanger.
Er würde Vater werden.^
Das hörte sich so unfassbar surreal an und Jule hätte im Leben nicht damit gerechnet.
Als er das Ultraschallbild in Kais zitternden Händen gesehen hatte, war er überzeugt von der Annahme, dass es sich nur um einen Scherz handeln konnte und nichts anderes.
Aber mit jeder Minute, in der der Arzt bei ihnen war und ihnen etwas dazu erklärt hatte, sickerte die Neuigkeit weiter in sein vernebeltes Gehirn.
Kai war schwanger.
Das war kein Scherz und er hatte sich auch nicht irgendwie verhört; es war die Realität.
Und vor allen Dingen war es ein riesiger Schock.
Ein Schock, der ihn fast erschlagen hatte und es auch immer noch tut.
Er würde Vater werden; mit Kai zusammen.
So hatte er sich das alles nicht vorgestellt; er war ja nicht mal ein halbes Jahr mit Kai zusammen.
Ohne Zweifel, er liebte Kai und er wollte auch sein Leben mit hm verbringen; davon war Jule mehr als überzeugt.
Aber Kinder?
Nicht nur, dass sie darüber noch nie gesprochen hatten- warum sollten sie auch; ihre Beziehung war ja auch noch relativ frisch- Jule hatte für sich auch noch nie so wirklich über das Thema Kinder nachgedacht.
Wollte er Kinder?
Sah er sich selbst als Vater?
Jule mochte Kinder; keine Frage, aber es war auch etwas anderes, wenn man einen sich Nachmittag mal mit der kleinen Tochter seiner Cousine beschäftigte oder wenn er ein eigenes Kind hatte, für das er die volle Verantwortung trug und das er großziehen musste.
Eigentlich war er in seinem bisherigen Leben gut ohne Kinder klar gekommen; auch wenn das fies klang. Es war so.
Aber jetzt hatte sich die Situation um hundertachtzig Grad gedreht; innerhalb weniger Augenblicke und völlig unerwartet.
Seufzend öffnete Jule seine Augen wieder.
Es fiel ihm schwer, seine Gedanken zu ordnen; in seinem Kopf herrschte viel zu viel durcheinander.
Nicht nur, dass er vor nicht mal einer Stunde erfahren hatte, dass er Vater werden würde; Kai hatte ihn auch einfach rausgeschmissen; vollkommen emotionslos.
Vertraute Kai ihm so wenig, dass er nicht mit ihm darüber reden konnte?
Hatte er Angst vor Jules Reaktion?
Sollte Kai nicht eigentlich wissen, dass Jule ihm niemals die Schuld daran geben würde?
Zu einem Baby gehörten immer zwei und wenn Kai Schuld war, war Jule es mindestens genauso sehr.
Warum hatte Kai ihn einfach so mir nichts dir nichts rausgeschmissen?
Es verletzte Jule; es verletzte ihn wirklich und er war auch sauer auf Kai gewesen.
Auf dem Weg von Kais Zimmer zu seinem Auto waren Jule alle möglichen Beleidigungen und Schimpftiraden durch den Kopf gegangen; Kai hätte er die eh nicht an den Kopf geworfen, aber er hatte sie gedacht.
Aber dann war Kai wieder vor seinem geistigen Auge aufgetaucht.
Wie er auf dem Bett gesessen hatte; sein Körper vollkommen in sich eingesackt und dieses kleine Ultraschallbild in den Händen.
Die Finger so fest zusammengepresst, dass die Haut sich schon weiß färbte und die Knöchel deutlich hervortraten.
Der Blick starr an die Wand gerichtet und die Stimme leise und zitternd; wenn auch irgendwie emotionslos.
Jule erschauderte, als er daran zurückdachte.
Wie musste Kai sich gefühlt haben, als sie das erfahren hatten?
Für Jule war es ja schon ein echter Schock gewesen, aber für Kai?
Er war derjenige, der erfahren hatte, dass er einen Gendefekt hatte.
Er war derjenige, der schwanger war und das Kind austragen würde.
Wenn Jule so darüber nachdachte, konnte er einfach nicht mehr sauer sein; auch wenn er noch immer etwas verletzt war.
Er würde das herunterschlucken; das nahm er sich vor.
Er würde seine Verletztheit herunterschlucken und für Kai da sein.
Denn er liebte Kai und er wollte es mit ihm zusammen schaffen.
Es war schon schwer genug; warum sollten sie dann noch gegeneinander ankämpfen?
Am liebsten würde er jetzt sofort zu Kai fahren, ihn in den Arm nehmen und ihm erzählen, wie sehr er ihn liebte und dass sie das alles zusammen hinbekommen würden; irgendwie.
Aber er sah auch ein, dass Kai jetzt Ruhe brauchte und wollte und das hatte Jule zu respektieren; auch wenn es ihm schwer fiel.
Sich durch die langen blonden Haare fahrend schlurfte Jule in die Küche und schenkte sich ein kühles Glas Wasser ein- sein Hals war mindestens so trocken wie die Sahara- und leerte es in einem Zug, um sich gleich ein neues einzuschenken und sich dann rücklings an die Küchenzeile zu lehnen.
Sein Blick glitt in die Ferne; raus aus dem großen Panoramafenster in seinen Garten; während seine Gedanken zu Kai und dem Baby schwebten; seinem Baby.
Es fühlte sich so komisch an, aber es stimmte.
Es war sein Baby; sein Fleisch und Blut.
Und das von Kai.
Es würde sie für immer auf eine Art und Weise verbinden; egal, was passierte.
Jule hatte keine Ahnung, warum; hatte ihm vor etwa einer Stunde der Gedanke daran, dass Kai schwanger war, Angst gemacht; aber er konnte nicht anders, als zu lächeln, wenn er daran dachte.
Er konnte nichts dagegen tun; das Lächeln war einfach da; selig und unendlich verträumt.
Der pure Gedanke an Kai und ein Baby und ihn; sie drei als Familie, löste in ihm Behagen aus; Fröhlichkeit, ein Kribbeln.
Es fühlte sich komisch an, aber gleichzeitig so unbeschreiblich schön.
Jule fühlte sich zurückversetzt an den Tag, an dem er dieses komische Kribbeln zum ersten Mal so richtig verspürt hatte; der Tag, an dem er sich selbst endlich mal eingestanden hatte, dass er sich Hals über Kopf in Kai verknallt hatte.
War das ein Zeichen?
Hatte er sich gerade genauso in das kleine Baby, das in Kai heranwuchs, verliebt, wie er es damals, vor nicht mal einem halben Jahr bei Kai getan hatte?
Auf einmal; der Blonde wusste nicht, woher es kam; fand er die Vorstellung von sich als Papa gar nicht mehr so abwegig.
Viel mehr fand er sie schön.
Er fand sie so schön, dass es ihm schon fast weh tat.
War es richtig, sich so sehr über die Schwangerschaft zu freuen, wenn Kai es anscheinend nicht getan hatte?
Aber wie konnte etwas falsch sein, das sich so unfassbar gut und richtig anfühlte?
Vielleicht brauchte Kai auch einfach Zeit und Ruhe.
Für ihn war das heute mit Sicherheit ein noch größerer Schock als für Jule.
Vielleicht musste er auch erstmal bei sich zu Hause zur Ruhe kommen, alles sacken lassen und ganz in Ruhe über alles nachdenken.
Jule hoffte es zumindest sehr.
Er ärgerte sich, nicht Timos Nummer zu haben.
Dann könnte er wenigstens ihn anschreiben und ihn fragen, wie es Kai ging.
Jule wusste ja nicht mal, ob und wie Kai nach Hause kommen würde; mit ihm ganz bestimmt nicht, auch wenn er es gerne hätte.
Timo könnte ihm vielleicht Auskunft über Kais Zustand geben, wenn dieser zu Hause ankommt, aber ohne seine Nummer könnte das schwierig werden.
Das müsste Jule unbedingt nachholen.
Innerlich verfasste er eine Notiz, Timo bei der nächsten Gelegenheit nach seiner Nummer zu fragen; für den Fall der Fälle. Es konnte ja nie schaden.
Die Ungewissheit, wie es Kai gerade ging, was er machte und was er dachte, machte Jule fertig; absolut fertig.
Aber es gab gerade nichts, was er tun konnte.
Außer abwarten.
Wie sehr er das hasste, aber es blieb ihm jetzt nicht anderes übrig.
Er musste Kai Zeit geben; alles andere wäre kontraproduktiv.
Aber Jule war sich in diesem Moment sicher:
Er wollte dieses Kind.
Er wollte alle Verantwortung übernehmen und sowohl für das Kind als auch für Kai da sein.
Er wollte eine Familie mit Kai und dem Baby werden.
Er konnte nur hoffen, dass Kai das genauso wollte...
Okay, okay, sehr viel Monolog, ich weiß...
Nächste Woche wird's besser, versprochen.
Was denkt ihr?
Wird Kai genauso denken wie Jule mittlerweile?
Und werden sie das Baby behalten?
See u next week^^
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