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April, 2024


Müde und von der durch das Fenster herein kommende Frühlingssonne schlug Jule die Augen auf, nur um sich gleich seinen Arm über die Augen zu legen, um sich vor dem matten Licht zu schützen.
Er hatte keine Ahnung, wie spät es war, aber für ihn war es definitiv noch zu früh zum Aufstehen; eigentlich war es ihm zu früh zum Aufwachen.
Leise seufzte der Blonde auf und wünschte sich, sofort wieder einzuschlafen.
Der gestrige Tag war einfach viel zu anstrengend gewesen.

Moment mal....
Gestern....

Gestern war... einfach krass gewesen; unbeschreiblich.

Jule hatte keine Worte dafür.

Kai hatte sich für ihr Baby entschieden.
Auch wenn Jule sich geschworen hatte, dass er Kai für seine Entscheidung nicht verurteilen und ihn für immer weiter lieben würde, war er gestern so verdammt erleichtert gewesen, als Kai da vor ihm stand und ihm seine, zugegebenermaßen sehr plötzliche und überraschende, Entscheidung mitgeteilt hatte.
Er konnte nicht anders, als Kai in eine feste Umarmung zu ziehen, ihn zu küssen und ihm zu sagen, wie sehr er Kai und ihr kleines Baby liebte.
Nach gefühlten zwanzig Minuten, in denen sie einfach nur im Wohnzimmer gestanden und sich in den Armen gelegen hatten, waren sie nach oben in Jules Schlafzimmer gegangen, um sich dort zusammen ins Bett zu legen und zu kuscheln.
Der Tag war so Kräfte zehrend gewesen, dass sie zu nichts anderem mehr in der Lage gewesen waren und wenn Jule ehrlich war, hatte er auch nichts anderes machen wollen.
Jule hatte seinen Kopf auf Kais warme und muskulöse Brust gelegt, um seinem schnellem und vertrautem Herzschlag zu lauschen, während Jule permanent über Kais Bauch gestrichen hatte.
Kais Bauch, in dem ihr gemeinsames Baby heranwuchs.
Dieses Gefühl war so magisch gewesen, dass die ganze Zeit tausende Schmetterlinge durch Jules aufgeregtem Körper geflogen waren.
Viel miteinander gesprochen hatte sie nicht, aber es war in dem Moment auch nicht nötig gewesen.
Klar, sie hatten noch viel zu klären und zu besprechen, aber gestern wollten sie nur den Moment genießen.
Die Zweisamkeit; oder die Dreisamkeit, wenn man es so wollte.

Mit einem seligen Lächeln im Gesicht drehte der Blonde seinen Kopf nach links, wo er den schlafenden Kai erblickte.
Inzwischen hatten sie ihre Position etwas verändert.
Kai lag neben Jule auf der Seite, etwas in sich zusammengerollt und hatte sein völlig entspanntes Gesicht in dem weichen Kissen vergraben.
Eine lockige Strähne hing ihm ins Gesicht, während er das Kissen fest umarmte.
Jules Lächeln wurde bei dem Anblick nur noch breiter und sein Herz schmolz innerhalb von Sekunden.
Das war so süß.
Wie ferngesteuert hob der Blonde seine Hand und strich Kais verirrte Haarsträhne zurück an ihren Platz, damit sie Kai nicht störte.
Kurz ließ er seine Hand auf Kais Hinterkopf, ehe er sie wieder löste, damit Kai nicht aufwachte.
Er sollte ruhig noch ein bisschen schlafen; er brauchte den Schlaf, denn davon hatte er in den letzten Wochen wahrscheinlich nicht wirklich viel bekommen.

Eigentlich müsste Jule jetzt aufstehen und sich fürs Training fertig machen; schließlich war es schon kurz nach neun; und Kai müsste sicherlich auch zur Uni bald, aber er wollte diesen tollen Moment nicht zerstören.
Irgendwie fühlte sich Jule auch nicht gut; er war viel zu glücklich, um sich die Laune jetzt von Edin und seinen blöden Sprintübungen versauen zu lassen.
Dann müsste er jetzt wohl leider zu Hause bleiben; wie ungünstig aber auch.

Seine Augen wieder schließend, legte Jule sich wieder hin und kuschelte sich an seinen Freund heran.
Tatsächlich schlief er auch nochmal ein und wachte erst wieder auf, als er merkte, wie Kai sich mit schnellen und hektischen Bewegungen aus seinen Armen kämpfte.
Irritiert verzog er das Gesicht und versuchte aus Reflex, Kai wieder an sich zu ziehen, doch als er merkte, dass Kai sich schnell wieder aus seinen Armen entzog, öffnete er die Augen und ließ zu, dass Kai sich aus ihrer Kuschelposition löste und aufstand.
Mit schnellen Schritten verließ Kai das von der Sonne sanft erleuchtete Schlafzimmer, während Jule ihm verwirrt hinterher sah.
Zumindest, bis Jule verstand, was gerade los war.

Auch wenn er locker noch ein oder zwei Stunden hätte liegen bleiben können, schwang er seinen müden Körper so schnell wie möglich aus dem Bett, um seinem Freund zu folgen, der, wie erwartet, ihm Badezimmer war.
Als Jule die angelehnte Tür vorsichtig öffnete, erblickte er Kai über der Toilette kniend und seinen Mageninhalt in die Toilette zu entleeren.

Zugegeben, das hätte Jule klar sein können...

Zuerst stand Jule etwas hilflos da; wusste nicht so genau, was er tun sollte, doch dann beschloss er, einfach auf sein Bauchgefühl zu hören und zu versuchen, für Kai da zu sein.
Schnell ging er auf Kai zu und kniete sich hinter ihn, um ihm sanft über den Rücken zu streichen.
Immer und immer wieder strichen Jules Hände über Kais Rücken, seine Taille, seine Oberarme oder seinem Bauch, während Jule ihm hin und wieder sanfte Küsse auf den Nacken drückte.

Irgendwann atmete Kai laut aus und lehnte sich erschöpft  an die Brust des Älteren.
"Ich hoffe, du weißt, worauf du dich hier eingelassen hast", nuschelte Kai müde, was den Blonden nur trocken auflachen ließ.
"Ich könnte mir nichts Schöneres vorstellen, als dir morgens beim Kotzen zuzuhören."
Spielerisch boxte Kai seinem Freund gegen die Brust.
"So lange du nicht derjenige bist, der kotzen muss."
Leise lachte Jule auf und strich Kai vorsichtig die Haare aus der Stirn.
"Aber jetzt mal im Ernst; wie fühlst du dich?"
"Es geht; ich kenn das ja schon mittlerweile. Aber schön ist es trotzdem nicht."
"Hast du das jeden Morgen?"
Träge nickte Kai.
"Am Anfang war es schlimmer. Da hab ich bis mittags gekotzt und konnte nichts essen, ohne dass ich es wieder ausgekotzt hab. Jetzt ist es eigentlich nur ein oder zweimal morgens und danach geht es eigentlich."
Verstehend nickte der Blonde.
"Es tut mir leid, dass ich nicht für dich da war und du das alles allein schaffen musstest."
"Ist schon okay. Es war ja auch irgendwie meine Schuld, weil ich dich so ausgeschlossen hab. Aber dafür kannst du ja jetzt da sein."
"Ich verspreche dir, dass ich alles für euch tun werde."
Lächelnd drehte Kai sich um und drückte seinem Freund einen kurzen Kuss auf die Stirn.
"Ich liebe dich, Jule."
"Und ich dich erst, Harvy."

Kurz verblieben sie noch in dieser Position; Kai schmiegte sich mit geschlossenen Augen an Jule, welcher seine Hände auf Kais Bauch legte.
Eigentlich wollte Jule sie gar nicht mehr von Kais Bauch lösen; es fühlte sich viel zu gut an.
Jule liebte es ja so schon, seinen Kai zu berühren, aber jetzt berührte er Kai nicht nur; er berührte auch irgendwie ihr Baby.

"Wollen wir mal aufstehen?", fragte Jule einfühlsam," Du willst doch sicher was trinken, oder?"
Schwach nickte Kai und ließ sich von dem Älteren sanft auf die Beine ziehen, die noch etwas wackelig und unsicher waren.
"Komm", murmelte Jule und legte seinen Arm um die Taille des Größeren, während sie gemeinsam in Jules geräumige Küche, welche durch die Sonne auch schon hell erleuchtet war.

"Willst du auch was essen?", fragte Jule seinen Freund, nachdem er ihm ein Glas Wasser und einen heißen Tee an den Esstisch gebracht hatte, aber der junge Student schüttelte nur leicht den Kopf.
"Später vielleicht."
"Okay", lächelte der Blonde, ehe er sich neben Kai setzte und liebevoll nach seiner kühlen Hand griff.
Eigentlich hatte Jule echt mächtig Hunger und hätte gegen sein tägliches Müsli nichts einzuwenden, aber er wollte nicht, dass Kai wieder schlecht wurde oder sonst was.
Er konnte auch später noch was essen; jetzt gab es eindeutig Wichtigeres.

"Musst du nicht zum Training?", erkundigte Kai sich fragend und nahm einen Schluck von seinem Tee, der den ekelig bitteren Geschmack schnell aus seinem Mund vertrieb; zum Glück.
"Theoretisch ja, praktisch hab ich mich heute dazu entschieden, den ganzen Spaß zu schwänzen heute. Edin kann mich heute mal."
Leise lachte Kai auf, aber eigentlich war er wirklich froh, dass Jule hier war und nicht beim Training.
Er wollte jetzt wirklich nicht gerne allein sein.
"Und du? Müsstest du nicht eigentlich zur Uni?"
"Heute lohnt sich eh nicht. Hab nur eine Vorlesung und die ist echt unnötig und langweilig", erzählte der Jüngere und nippte wieder an seinem Tee," Aber du hast schon recht; ich müsste bald mal wieder zur Uni gehen; sonst kennen die mich alle nicht mehr und ich werde nicht zu den Prüfungen zugelassen."
Belustigt schmunzelte der Blonde, während er seinen sanften Blick auf seinem Freund ruhen ließ.
Wie froh war er doch, dass Kai hier mit ihm saß.

"Das ist jetzt aber ein bisschen übertrieben, findest du nicht?"
"Ein bisschen vielleicht", antwortete Kai, dem ebenfalls ein kleines Schmunzeln über die trockenen Lippen huschte.
Dann lenkte er seinen Blick wieder nach unten und das Lächeln verschwand für einen kurzen Augenblick wieder.
"Aber ich denke, es gibt gerade auch Wichtigeres als die Uni, oder?"
Seinen Blick wieder hebend, sah Kai Jule unsicher an, welcher wiederum leicht nickte.
"Wir müssen Einiges besprechen, mh?"

Kai antwortete nicht; er wusste nicht, was.
Wie sollte er auch? Man ist ja nicht jeden Tag in so einer Situation. 
Ehrlich gesagt hoffte Kai, nie wieder in so eine schwierige und verworrene Situation zu kommen und damit meinte er nicht nur heute sondern generell die letzten Wochen.

In einer schnellen Bewegung rutschte Jule mit seinem Stuhl näher an Kai heran und legte seine Hand sanft an dessen Rücken.
"Du... du bereust es aber nicht, oder? Also, dass du dich für das Kind entschieden hast?"
Jule traute sich gar nicht richtig, das auszusprechen und noch mehr Angst hatte er vor Kais Antwort, aber es musste ausgesprochen werden.
Aber Kai schüttelte zum Glück sofort den Kopf und von Jule fiel bei dieser Bewegung eine ganze Tonne an Last von den Schultern.

"Gut", sagte Jule leise," Das ist... gut." Jule machte eine kurze Pause, ehe er mit unsicherer Stimme fortfuhr. Er wusste absolut nicht, ob er das jetzt wirklich sagen sollte, aber er musste einfach.
Er musste, musste, musste.

"Ich... ich weiß, ich hab dir gesagt, dass ich dich immer lieben und unterstützen werde, egal wofür du dich entscheidest, aber... aber als du mir gestern gesagt hast, dass du... dass du das Baby auch willst, da... ich... ich kann dir gar nicht sagen, wie erleichtert ich war. Die Vorstellung von uns als Familie war einfach so... unbeschreiblich und als du mir gestern gesagt hast, dass du das auch willst, ich konnte erst nicht glauben, dass ich richtig gehört hab."
Jules Stimme brach ab; stattdessen sammelten sich Tränen in seinen Augen.
Tränen vor Freude und Erleichterung.

Kai schluckte. Ihm war nicht bewusst gewesen, was er Jule angetan hätte, wenn er sich gegen das Baby entschieden hätte; wahrscheinlich hätte er sich damit gleichzeitig gegen Jule entschieden.
Liebevoll legte er seine linke Hand an die Wange des Älteren und strich ihm eine einsame Träne weg.
"Ich liebe dich, Jule", hauchte er leise," Und ich liebe unser Baby."
"Ich liebe euch auch."
Jule entfernte seine Hand von Kais Rücken und legte sie stattdessen auf seinen Bauch, dem man eine Schwangerschaft noch nicht anmerkte; zumindest nicht, wenn man es nicht wusste.
Glücklich lächelte der junge Student; er war so froh, dass Jule sich so herzzereißend um ihn kümmerte und für ihn da war.
Wobei; eigentlich hätte er von ihm auch nichts anderes erwartet. 
Jule war halt Jule.
Und zum Glück war Jule sein Jule.

"Ich schätze, wir müssen trotzdem über Einiges reden", wechselte Kai nun zu einem ernsterem Thema; ein Thema, das dennoch unbedingt angesprochen werden musste, weil es unausweichlich war.
"Wie das jetzt alles weitergehen soll."
Verstehend nickte Jule, dachte kurz nach und ergriff dann wieder das Wort.
"Also ich weiß ja nicht, wie du das siehst, aber ich denke es wäre das einfachste und beste, wenn du hierher ziehen würdest... ich meine, ich würde es lieben, dich den ganzen Tag um mich zu haben und für dich da sein zu können und dich begleiten zu können; damit wir das zusammen schaffen. Und außerdem müssten wir spätestens wenn das Baby da ist eh zusammenziehen. Oder?"

Für Jule war das die einfachste Frage mit der einfachsten Antwort, denn abgesehen von dem Fakt, der er es lieben würde, mit seinem Kai zusammenzuwohnen und die Schwangerschaft vollkommen mit ihm zusammen zu erleben, war es auch das praktischte und einfachste.
Kai würde seine Miete sparen und sich optimal auf die Zeit zu dritt vorbereiten.
Für Jule war das zumindest so; aber was, wenn Kai anders dachte?
Wenn es ihm zu viel war, dauerhaft mit Jule zusammenzuwohnen?
Was, wenn Jule ihn jetzt unabsichtlich unter Druck gesetzt hatte?

Aber Kai nickte; er nickte tatsächlich.
Jules Herz machte sofort einen kleinen Sprung.
Kai nickte.
Sein Blick war zwar noch etwas nachdenklich, aber er nickte.
"Das ist wohl das beste", murmelte er dann, was Jule wieder etwas verunsicherte.
Was hatte das zu bedeuten?
Kais Gesichtsausdruck und die unsicherer Stimme.
"Kai... du musst schon ehrlich zu mir sein. Wenn dir das zu viel ist... wir finden eine andere Lösung."
Der Jüngere antwortete mit einem Kopfschütteln.
"Alles gut; du hast recht. Es ist nur... ich hab mir darüber noch keine wirklichen Gedanken gemacht. Aber ich... ich würde es auch lieben, dich um mich zu haben, die ganze Zeit."
"Ehrlich?"
Kai konnte nichts tun; er musste einfach lachen.
Jule, wenn er so aufgeregt war und sich so freute, war viel zu süß, um nicht zu lachen.
"Ehrlich."

Überschwänglich fiel Jule seinem Freund in die Arme.
Das war ein großer Schritt, aber er war ganz sicher in die richtige Richtung.
Ganz, ganz sicher.
"Danke, Harvy."
"Ich muss mich bei dir bedanken", lachte der Braunhaarige leise," Dafür, dass du mich hier einziehen lässt."
"Das ist doch selbstverständlich. Du trägst immerhin unser Kind in dir."
Wieder fand Jules fand ihren Weg zu Kais Bauch und Kai fragte sich, ob sich das die nächsten Monate ändern würde.
Aber wenn er ehrlich war, wollte er das eigentlich gar nicht.
Jules Hand auf seinem Bauch fühlte sich so... magisch an.

"Ich denke, ich werde mich morgen mal erkundigen, wie es jetzt mit der Uni weitergehen soll.", meinte Kai irgendwann," Da gibt es bestimmt irgendwelche Regelungen oder so."
Zustimmend nickte Jule; das war ein guter Plan.
"Mach das. Wir kriegen das schon hin."
Leise seufzte Kai und spielte am Henkel seiner Teetasse, welche inzwischen leer war.
"Ich denke, wir sollten dann auch nochmal zum Arzt, oder? Ich... ich war nicht mehr beim Arzt, seit wir... von dem Baby erfahren haben."
Irgendwie schämte Kai sich dafür; es war schon so lange her, dass jemand nach ihrem Baby gesehen hatte. Was, wenn etwas passiert war und niemand hatte es mitbekommen, weil Kai so mit sich selbst beschäftigt gewesen war, dass er das Baby ganz außen vor gelassen hatte.

Wieder nickte Jule.
"Das ist gut. Soll ich mal nach Ärzten recherchieren?"
"Ne, ist schon gut. Der Arzt hat mir im Krankenhaus zwei oder drei aufgeschrieben, die sich spezialisiert haben. Ich suche das mal, wenn ich wieder in der Wg bin."
"Darf ich... darf ich dann mitkommen?", wollte Jule unsicher wissen; er würde so gerne mal ihr Baby sehen und ihm nahe sein. 
Aber er hatte irgendwie auch Angst, dass Kai das nicht wollte; warum auch immer.
Irrtiert sah Kai den Älteren an.
"Du bist der Papa. Natürlich darfst du. Ws ist das für eine Frage."
"Ich.. ich dachte nur-"
Kai stoppte seinen Freund, indem er seine Lippen schnell auf die von Jule presste.
"Hör auf zu denken und küss mich lieber", grinste er zwischen zwei Küssen.
"Alles, was du willst, Harvy, schmunzelte Jule zurück und legte seine Lippen erneut auf die seines Freundes," Alles, was du willst, Sonnenschein."

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