Please go
March, 2024
Kai war gerade fertig mit Frühstücken; viel hatte er nicht gegessen, aber immerhin etwas; als es an der Tür klopfte.
Ein Arzt betrat das Zimmer. Kai war sich nicht sicher, aber er vermutete, dass es der Arzt war, der schon mit ihm im Behandlungsraum gewesen war, als er kurz wach war.
Zumindest sah er ihm verdammt ähnlich.
Ein höfliches Lächeln legte sich auf seine Lippen, als er auf die beiden zukam.
"Guten Morgen."
"Morgen", gaben Kai und Jule synchron zurück.
"Wie geht es Ihnen?"
"Besser", berichtete Kai," Mein Kopf brummt noch ein bisschen, aber es ist schon besser."
"Das ist schön zu hören", lächelte der Arzt freundlich und zeigte auf einen Stuhl, der noch frei war," Darf ich mich kurz setzen?"
Irritiert nickte Kai.
Irgendwie verunsicherte ihn das alles.
War doch etwas Schlimmeres passiert, als nur eine Gehirnerschütterung?
"Ich.. ich würde gerne nochmal mit Ihnen reden", begann er verhalten; er schien nicht zu wissen, wie er anfangen sollte und spätestens jetzt war Jule auch verunsichert.
Kritisch musterte Jule den Arzt, dann Kai und dann wieder den Arzt.
"Ist... es doch schlimmer, als die Gehirnerschütterung?", wollte Kai zögerlich wissen, doch der Arzt schüttelte den Kopf, während er auf seine Unterlagen, die in seinem Schoß lagen, sah.
"Also zumindest nicht direkt."
Verwirrt zog Jule die Augenbrauen zusammen.
Was denn nun? Schlecht oder gut?
Der Arzt, der den Blick des Blonden und wohl auch den von Kai bemerkt hatte, fuhr fort.
"Also, ich weiß nicht, wie Sie das sehen werden; ob Sie das als gut oder schlecht betrachten."
Wieder machte er eine kurze Pause.
"Wir haben Ihnen gestern Blut abgenommen, um Aufschluss über den Schwindel zu erhalten, der Ihren Sturz ja anscheinend ausgelöst hat."
"Und?", wollte Jule eindringlich wissen.
Er konnte die Ungewissheit nicht aushalten.
Was, wenn Kai ernsthaft krank war und der Schwindel daher rührte?
Aber dann würde der Arzt ja kaum von einer Ansichtssache sprechen, oder?
"Bei der Blutuntersuchung ist uns ein Wert besonders aufgefallen, der sehr erhöht war und daraufhin haben wir noch ein Ultraschall gemacht, um sicherzugehen."
Wieder legte er eine Pause ein.
Kai war sich nicht sicher, ob er das machte, damit sie die neuen Informationen verarbeiten konnten oder weil er selbst nicht wusste, wie er fortfahren sollte.
"Also... Sowohl das Ergebnis der Ultraschalluntersuchung als auch die Blutuntersuchung sind eindeutig..."
Die Blicke von Kai und Jule lagen voller Spannung und gleichzeitig auch voller Angst auf dem Arzt.
Was würde er ihnen jetzt sagen?
"In den letzten Jahren ist es immer wieder mal vorgekommen, dass bei Männern ein Gendefekt festgestellt werden konnte. Die Forschung ist sich über die Gründe für diesen Gendefekt noch nicht ganz einig, aber genau den konnten wir bei Ihnen auch feststellen, Herr Havertz."
"Und was heißt das?"
"Der Gendefekt ermöglicht es, dass auch Männer schwanger werden können", erklärte er ruhig und beobachtete währenddessen ganz genau die Reaktionen bei Kai und Jule, denen wiederum alles aus dem Gesicht fiel.
Aus einem Gesichtsausdruck voller Spannung und Angst wurde einer voller Unglaube und Perplexität.
Bitte was?
"Sie sind schwanger, Herr Havertz", wiederholte der Arzt seine Aussage nochmal etwas direkter," Ich schätze mal, so in der fünften oder sechsten Woche."
Dann war es still; völlig still.
Kai hörte das Blut in seinen Ohren rauschen; so still war es.
Aber in seinem Kopf war es ganz laut; unerträglich laut und Kai war sich nicht sicher, ob das an der Gehirnerschütterung oder an den neu verkündeten Nachrichten lag, oder an beidem.
Schwanger?
Er?
Nein; nein das konnte unmöglich sein.
Er ist ein Mann; ein Typ.
Er konnte nicht schwanger werden; das war schlicht und ergreifend unmöglich.
Es musste ein Irrtum sein.
Aber... hatte der Arzt nicht gesagt, es war eindeutig?
Sehr eindeutig?
Er musste es doch wissen, oder?
Aber er ist ein Mann; er konnte nicht schwanger werden; das ging einfach nicht.
Unmöglich, ausgeschlossen, undenkbar... unnormal?
Vorsichtig hielt der Arzt ihm seine Hand hin; zwischen seinem Zeige- und seinem Mittelfinger war ein Bild geklemmt.
Kurz zögerte Kai; er wusste nicht, ob er es sehen wollte, was auch immer es war.
Doch dann nahm er es doch.
Vielleicht stand auf dem Bild ja die Auflösung; dass das alles nur ein schlechter Scherz war, doch dem war nicht so.
Das Bild war schwarz und dann weiß und in der Mitte des weißen ein kleiner schwarzer Punkt.
Ein Ultraschallbild.
Sein Ultraschallbild, das verriet Kai sein Name, der oben rechts in der Ecke stand.
Kai Havertz.
Ohne Zweifel; das war er.
"Das ist ihr Baby", erklärte der Mediziner leise; auch er schien nicht richtig zu wissen, wie er mit dieser ungewöhnlichen Situation umzugehen hatte," Damit lassen sich auch ihre Beschwerden in den letzten Tagen erklären; der Schwindel und die Übelkeit."
Kai konnte seinen Blick nicht von dem Ultraschallbild lösen.
Das war das Baby? Sein Baby?
Und das sollte in seinem Bauch sein?
Nein.
Nein, nein, nein, nein.
Schlagartig sah Kai hoch; seine Augen brannten hinter seinen Lidern, aber er wollte nicht weinen.
Er wusste gerade gar nicht, was er wollte.
Er fühlte sich leer; einfach nur leer.
Was sollte er tun?
Weinen, lachen, schreien? Gar nichts; alles zusammen?
Was erwarteten die anderen von ihm?
Was fühlte Jule?
Freute er sich?
Kai traute sich nicht, zu Jule zu blicken.
"Ich denke, ich lasse Sie jetzt erstmal allein", ergriff der junge Arzt wieder das Wort. Er schien zu sehen, dass Kai gerade zu nichts in der Lage war und Zeit brauchte. "Ich komme heute Abend zur Entlassung nochmal vorbei. Da können wir dann auch das weitere Vorgehen besprechen."
Kai antwortete nicht.
Jule antwortete nicht.
Sie beide waren still; mussten die Neuigkeiten erstmal verarbeiten.
Kai merkte nicht mal wirklich, dass der Arzt den Raum verlassen hatte; sein Blick war wieder wie gebannt auf dieses Bild geheftet.
Er war schwanger.
Langsam, ganz langsam, drang diese Erkenntnis in sein Bewusstsein und hinterließ dort eine unerträgliche Leere.
In ihm drin war ein Baby.
Sein und Jules Baby.
Und wieder drehte sich sein Hirn um hundertachtzig Grad und versicherte ihm, dass das alles nur ein Scherz sei; nicht wahr.
Denn es war nicht möglich.
Er war ein Mann; er konnte keine Kinder bekommen, zumindest nicht so.
Er konnte nicht schwanger werden.
Aber dieses Bild...?
Kai zuckte zusammen; ein Gewicht lag plötzlich auf seiner hängenden Schulter. Jules kühle Hand.
"Kai..."
Seine Stimme war leise und brüchig, aber dennoch so liebevoll, dass es Kai normalerweise weh getan hätte.
Aber gerade konnte er das nicht sehen; er konnte es nicht merken und auch nicht schätzen.
Sein Kopf war gerade so voll und so leer gleichzeitig.
"Kai, ich..."
Jule wollte etwas sagen, aber fand nicht die richtigen Worte. Er wusste nicht, was er tun oder sagen sollte.
"Bitte geh", hauchte Kai leise aber bestimmt.
"Was?"
Perplex sah Jule seinen Freund an; dieser hatte seinen Blick aber starr gerade aus gerichtet.
Der Blonde konnte seinen Gesichtsausdruck nicht wirklich sehen, aber er war sich sicher, dass dieser weinte oder; oder kurz davor war.
"Bitte geh", wiederholte Kai eine Spur lauter," Bitte, Jule."
"Du kannst mich hier nicht so einfach rausschmeißen, Kai", regte Jule sich auf; inzwischen war er aufgestanden und musterte den Jüngeren voller Irritation," Das geht auch mich was an."
"Geh Julian", forderte Kai seinen Freund ein weiteres Mal mit lauter Stimme," Lass mich allein."
"Aber Kai... ich-"
"Bitte Jule", hauchte Kai flehend.
In Jules Brust stach es; es tat so fucking weh.
Kai so verzweifelt zu sehen und ihm nicht helfen zu können; weil Kai ihn nicht ließ.
Jule wollte für ihn da sein; das mit ihm zusammen durchstehen, aber Kai stieß ihn von sich weg und wollte allein sein.
Was blieb Jule da anderes übrig als zu gehen?
Kai bedrängen? Ihn anschreien? Ihm Vorwürfe machen?
Nein, das wäre alles kontraproduktiv.
Er würde warten müssen und das tun, was Kai von ihm verlangte.
Gehen.
Auch wenn es ihm schwer fiel.
Ergeben seufzte Jule.
Kai sah ihn immer noch nicht an und Jule hatte ein schlechtes Gewissen, ihn jetzt allein zu lassen, aber er musste; weil Kai es so wollte.
"Ich liebe dich", wisperte er leise in den Raum hinein; er wollte, dass Kai das wusste.
Aber eine Antwort bekam er nicht zurück.
Es verletzte Jule, aber er wollte auch nicht sauer auf ihn sein.
Er sprach gerade nicht mit Kai; nicht mit seinem Kai.
Mit einem anderen Kai, der von dem Schock übermannt wurde und seinen Kai verdeckte.
Jule schluckte seine Enttäuschung runter und verließ mit schweren Schritten das Zimmer.
Als er die Türklinke heruntergedrückt, aber die Tür noch nicht geöffnet hatte, sah er nochmal zu Kai zurück, welcher noch unverändert da saß.
Jule schluckte, während er krampfhaft versuchte, nicht zu weinen, jedoch jetzt schon wusste, dass er kläglich scheitern wird.
Dann öffnete er die Tür, verließ das Zimmer und schloss die Tür schweren Herzens wieder hinter sich.
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