October, 2023

"Ey Kaiii, wo warst du denn so lange?"
Timos schreiende Stimme kam Kai an der Tür entgegen, als dieser von dem Treffen mit Julian nach Hause kam. 
Laute Basstöne sprangen ihm entgegen und das Licht war nur dämmerig, während die Luft in der Wohnung viel stickiger geworden war.
Innerlich verdrehte Kai schon die Augen. War ja klar, dass Timo direkt wieder übertreiben musste mit seiner Party. Anscheinend hatte er mal wieder vergessen, dass sie beide morgen pünktlich um acht im Hörsaal sitzen mussten; Abgabe hin oder her. 
Ohne seinem Kumpel eine Antwort zu geben legte Kai seine Jacke ab.
"Du weißt schon, dass wir morgen wieder Uni haben, oder?"
Genervt ließ der Blonde seine Augen nach hinten rollen. 
"Sei mal nicht so spießig, Kai. Erzähl mir lieber, wie es mit deinem blonden Hottie war."
Nun war es Kai, der seine grünen Augen verdrehte. 
Wann verstand Timo eigentlich endlich, dass Julian und Kai sich nicht auf die Art trafen, wie Timo es vermutete. Wie konnte man so zweideutig denken?
Sie kannten sich ja gerade mal ein paar Tage und auch wenn sie sich gut verstanden, hieß das noch lange nicht mehr. Sie waren Bekannte und würden, so hoffte Kai zumindest,  mal Freunde werden. Nicht mehr und nicht weniger. 
"Da gibt's nichts zu erzählen", murmelte der Lockenkopf schulterzuckend, während er ins Innere der Wg ging. Die Musik, die aus Timos großen Boxen kam, war hier im Wohnbereich noch lauter und Paula, Timos Freundin, saß am Esstisch vor ihrem noch geschlossenen Pizzakarton. 
Kai mochte Paula. Sie war, ganz im Gegensatz zu Timo, jemand, mit dem man auch mal ernsthaft reden konnte. 
Manchmal musste sie ihren Freund auch ein bisschen bremsen, wenn er mal wieder komische Ideen hatte oder Kai, so wie jetzt, einfach nur auf die Nerven ging.
"Komm schon, Kaiii", bettelte der Blonde, der Kai gefolgt war nun aufdringlich," Du kannst mir nicht erzählen, dass ihr über zwei Stunden nur da gesessen, euren Kaffee getrunken und die Wand angestarrt habt. Ihr müsst doch über irgendwas geredet haben."
Wie vorhin schon ließ Kai seine Augen nach hinten rollen, während er genervt die Luft aus seinen Lungen entweichen ließ und dann wieder stickige Luft einatmete. 
Ihm war eigentlich nicht mal wirklich nach Feiern, wenn er ehrlich war. Natürlich war es schön, diese Hausarbeit jetzt endlich hinter sich zu haben und jetzt noch ein bisschen entspannte Zeit vor sich zu haben, bevor die Klausurenphase wieder anfing, von der Kai schon jetzt ziemlich und genau wusste, dass sie ihn wieder in den Stress seines Lebens versetzen würde. 
Aber heute wollte er eigentlich nur noch ins Bett. Der Tag hatte ihn vollkommen ausgelaugt. Der lange  Tag in der Uni, die Abgabe der Arbeit, bei der ihm eine tonnenschwere Last von den Schultern gefallen war und dann das Treffen mit Julian. Das war schön gewesen, keine Frage und auch auf gar keinen Fall zu vergleichen mit dem was vorher war. Aber anstrengend war es trotzdem irgendwie gewesen; könnte daran liegen, dass Kai vorher ziemlich aufgeregt war. Was sollte man auch anderes sein, wenn man sich mit einem Profi vom Bvb privat traf?
"Wir haben uns Kaffee bestellt und geredet, okay? Reicht dir das?" Kais Stimme war patzig und ungeduldig, während sein Blick auf den Tisch fiel, wo zwei weitere Pizzakartons standen. Es duftete herrlich. Seine Lieblingspizza in seinem Bett war gerade genau das, was er brauchte. Aber mittlerweile war auch Kai klar geworden, dass das wohl nur ein Traum war; zumindest zum Teil. 
"Ja, aber worüber habt ihr denn gesprochen? Und wie ist er so? Und trefft ihr euch wieder?"
"Weiß ich nicht."
Kais genervter Blick traf nun auf Timos begeisterten, neugierigen.
Und nun wurde selbst Timo klar, dass es jetzt besser an der Zeit war, die Klappe zu halten und das mag schon was heißen. 
Ohne weitere Worte setzte Kai sich hin und klappte seinen Karton auf. 
Sofort, als er seine Funghi Pizza erblickte, lief ihm das Wasser im Mund zusammen. Bis auf den trockenen Apfelkuchen, den er heute zusammen mit Julian gegessen hatte, hatte er heute fast noch nicht zu sich genommen. Er hatte heute einfach keine Zeit dazu gehabt; umso größer war sein Hunger jetzt. 
Diese Pizza hatten sie sich auch mehr als verdient. 
Das Essen an sich verlief schweigend und Timo hielt sich glücklicherweise zurück, was nicht zuletzt an seinem Todesblick und an Paula lag. 
Kai war dankbar für diese Stille, denn sie ermöglichte es ihm, den Tag nochmal ganz in Ruhe Revue passieren zu lassen. 
Er war so heilfroh, diese Arbeit jetzt vom Tisch zu haben und vor allem war er froh, sich mit Julian getroffen zu haben, denn am Anfang hatte er leise Zweifel gehegt, ob es eine gute Idee wäre, sich mit dem Älteren zu treffen, doch nun wusste Kai, dass er sich nicht solche Gedanken hätte machen brauchen. 
Jule war wirklich nett und wenn er es nicht besser gewusst hätte, hätte er ihn für einen ganz normalen Menschen gehalten. Wenn man ihn da so in diesem kleinen, gemütlichen Kaffee sah, würde man nicht direkt davon ausgehen, dass dieser Man Profifußballer war und Millionär noch dazu. 
Kai konnte seiner ruhigen Stimme zuhören, ohne dass es langweilig wurde. Sie hatten nicht wirklich über spannende oder außergewöhnliche Dinge gesprochen; eher normale und übliche Sachen, wie man es halt immer tat, wenn man jemanden gerade neu kennen lernte und doch war es anders gewesen. Aus Julians Mund hatte sich für Kai alles interessant angehört. Selbst als dieser erzählt hatte, dass er heute Mittag Nudeln gegessen hatte. Wie sie darauf gekommen waren, wusste Kai im Nachhinein gar nicht mehr, aber es war ihn auch egal. Der Nachmittag war super schön gewesen und die Zeit dafür wie im Fluge vergangen; viel zu schnell eigentlich. 
Während er von seiner Pizza abbiss und genüsslich darauf herum kaute, beschloss Kai, Julian später noch eine Nachricht zu schreiben und sich für den schönen Nachmittag zu bedanken. Vielleicht könnte er ja im gleichen Zug noch ein bisschen mehr mit ihm schreiben und mehr über ihn erfahren.
Aber jetzt war vielleict doch erstmal ein bisschen Party angesagt; Timo würde sich eh nicht davon abbringen lassen und verdient hatten sie es sich ja auch...