'I'm just so scared'
April, 2024
Kopflos irrte Jule durch Dortmund.
Er wusste nicht, wohin er sollte.
Er konnte unmöglich nach Hause; dort würden die Bilder aus dieser Nacht in seinem Kopf aufploppen.
Die Nacht, in der es passiert sein musste.
Sie waren so... in ihrem Element gewesen, dass sie das Kondom vollkommen vergessen hatten.
Jule war es nachher eingefallen, als Kai schon geschlafen hatte, aber er hatte sich nicht allzu große Gedanken gemacht; konnte er ja auch nicht wissen, dass Kai schwanger werden konnte.
Kai wusste es ja nicht einmal selbst.
Im Kopf des Blonden ging alles durcheinander; er war ganz voll und gleichzeitig ganz leer.
Die letzten Tage und vor allem die letzte halbe Stunde liefen in Turbogeschwindigkeit in seinem Kopf ab; immer und immer wieder und immer und immer schneller.
Wie der Arzt ihnen gesagt hatte, dass Kai durch einen Gendefekt schwanger war und sie ihr erstes Kind erwarteten.
Wie Kai da auf der Bettkante gesessen hatte, das Ultraschallbild in der zitternden Hand und mit hängenden Schultern.
Wie geschockt Jule war, als er hinter Kai stand und nicht wusste, was er fühlen, denken oder tun sollte.
Wie Kai ihn nicht mal angeguckt und ihm einfach nur leise gesagt hatte, dass er gehen sollte.
Immer und immer wieder; immer und immer schneller.
Wie er notgedrungen hatte gehen müssen, obwohl sich alles in ihm dagegen gesträubt hatte.
Wie er die darauffolgenden Tage kaum ausgehalten hatte und immer wenn sein Handy geklingelt hatte, darauf gehofft hatte, dass es Kai war; nur, dass es leider nie Kai war.
Wie er sich hingesetzt und Gedanken gemacht hatte und wie ihm langsam aber sicher klar geworden war, dass er sich eigentlich freute; dass es zwar unerwartet und ungeplant, aber dennoch wundervoll war.
Dass er sich auf das Baby freute.
Immer und immer wieder; immer und immer schneller.
Wie er sich ein Herz gefasst hatte und zur Wg gefahren war.
Wie er mit Timo gesprochen hatte und wie Timos Worte sein Herz hatten erschaudern lassen.
Wie er in Kais Zimmer gegangen war und ihm sofort kalt wurde, weil Kais Anblick ihn so schockte.
Wie Kai ihm gesagt hatte, dass er sich nicht sicher war, ob er das Kind überhaupt wollte, nachdem Jule ihm und dem Baby seine Liebe gestanden und versprochen hatte, für die beiden da zu sein.
Wie Kai ihm vorgeworfen hatte, sich aus der Verantwortung zu ziehen und ihn allein zu lassen, wenn es mal schwierig wurde.
Wie sehr Jule das verletzt hatte und wie er die Wohnung auf schnellstem Wege verlassen hatte.
Immer und immer wieder; immer und immer schneller.
Jules Atem ging unkontrolliert und auf einmal, ohne es wirklich bemerkt zu haben, stand er vor Marcos großem Haus.
Irgendwie wirkte es jetzt, wo Jule direkt davor stand, viel größer und mächtiger; es schien ihn fast zu erdrücken.
Dabei war er schon so oft dort gewesen und hatte schon so oft an genau diesem Punkt gestanden.
Er wusste nicht, wie er hierher gekommen war, aber jetzt war er hier und eigentlich war das auch gut.
Er brauchte dringend jemanden zum Reden.
Jemanden, der ihm dabei half, seine Gedanken zu ordnen und... keine Ahnung.
Kurz überlegte der Blonde, ob es überhaupt okay war, mit jemandem darüber zu reden, aber Kai hatte es ja auch getan; er hatte mit Timo geredet.
Warum sollte er dann nicht mit Marco reden dürfen?
Und außerdem würde Marco schweigen wie ein Grab; das wusste Jule.
Er mochte manchmal ein bisschen unerwachsen wirken, aber wenn es drauf ankam, konnte man sich auf ihn verlassen.
Erschrocken sah der Blonde auf, als die Tür vor ihm aufging und plötzlich Scarlett vor ihm stand.
Er wusste nicht, wie lange er hier gestanden hatte ohne zu klingeln, weil die Gedanken in seinem Kopf nur so rasten.
"Oh Julian", erklang Scarletts glockenhelle Stimme, während die Frau von Jules bestem Freund ihn freundlich wie immer anlächelte," Willst du zu Marco?"
Jule antwortete nicht; kein einziges Wort kam über seine Lippen, die sich wie zugeklebt anfühlten.
Als hätte jemand sie mit Wachs versiegelt.
Stattdessen fingen Jules Augen verdächtig an zu brennen und heiße Tränen sammelten sich hinter seinen Lidern, während seine Unterlippe leicht zu zittern begann.
Er fühlte sich so schäbig; wie ein kleines Kind, das vor seiner Mutter stand und heulte, weil sein Lieblingsspielzeug kaputt war.
Aber er konnte nichts dagegen tun.
Er war gefangen in sich selbst; in seinen Gefühlen und Gedanken.
Und es war schier unmöglich, daraus zu finden.
Mit zusammengezogenen Augenbrauen und besorgter Miene musterte Scarlett den Blonden, bevor sie sanft ihre weichen Hände an Jules Oberarmen platzierte.
"Ist alles okay bei dir?"
Mit zusammengepressten Lippen schüttelte Jule den Kopf; mehr war gerade wirklich nicht drin.
"Schatz?", rief die hübsche Blondine dann in Richtung Haus zu ihrem Mann," Komm mal bitte her."
Kurze Zeit später erschien Marco in der Tür; sein Gesichtsausdruck wechselte von fragend zu überrascht und irritiert.
"Jule?", fragte er mit deutlich verwirrter Stimme.
Klar, Jule wäre auch verwirrt, wenn Marco so vor seiner Tür stünde; mehr als verwirrt.
Einen kurzen Augenblick sahen sie sich wortlos an; Marco musterte den Jüngeren eindringlich, während Jule nichts dagegen tun konnte, dass ihm einzelne Tränen über die erhitzten Wangen flossen.
Wortlos zog Marco den Blonden nach kurzer Zeit in die Arme.
Er wusste nicht, was mit Jule los war, aber er wusste, dass dieser gerade eine Umarmung brauchte.
Selten hatte er seinen besten Freund so aufgelöst gesehen und es tat ihm in der Seele weh.
"Komm erstmal rein", murmelte er leise und zog Jule vorsichtig ins Innere des Hauses, ohne sich von ihm zu lösen.
Scarlett hatte Jule schon eine Tasse Tee gemacht, welche sie Jule lächelnd in die Hand drückte, nachdem Marco sich und ihn auf die weiche Couch bugsiert hatte.
Obwohl Jule der Frau seines ehemaligen Kapitäns mehr als dankbar war, brachte er nicht mehr als ein schwaches Lächeln zustande.
Mehr konnte er gerade einfach nicht.
"Was ist los, Jule?", wollte Marco dann mit einfühlsamer Stimme wissen und entlockte dem Jüngeren damit ein leises Schluchzen.
In ihm war gerade alles so durcheinander.
Langsam und mit stockender Stimme erzählte Jule, was passiert war.
Von Anfang an.
Von Kais Unfall und der Schwangerschaft, von der sie vollkommen überraschend erfahren hatten.
Von Kais Reaktion, die Jule mehr als verletzt hatte und von seinem Besuch bei Kai in der Wg.
Immer wieder wurde Jule von seinen Schluchzern unterbrochen oder musste eine Pause machen, weil er sich sonst an seinem eigenen Speichel verschluckt hätte.
Marco hörte aufmerksam zu, nickte an den passenden Stellen und strich Jule vorsichtig über die Schulter.
Manchmal fiel es ihm schwer, den Jüngeren zu verstehen, weil er so undeutlich sprach, aber das Wichtigste hatte er dennoch verstehen können.
"Und... willst du das Kind?", fragte Marco vorsichtig.
Bis jetzt hatte Jule ihm nur erzählt, dass Kai sich nicht sicher war, ob er das Kind behalten wollte.
Jule musste nicht mal überlegen, was er antworten sollte.
In den letzten Stunden war sein Entschluss nur noch klarer und stärker geworden.
Er sah Marco in die Augen; seine Augen noch immer gerötet und seine Sicht noch etwas verschwommen; sein Entschluss dafür umso klarer.
"Ja."
Das war das Einzige, was er sagte.
Ja, er wollte dieses Kind; er wollte es wirklich.
Er hätte das selbst nie gedacht; eigentlich war für ihn klar gewesen, dass er auch gut ohne Kinder leben konnte und es als Fußballer sowieso schwierig war, wenn man so viel unterwegs war.
Und als der Arzt ihnen die Schwangerschaft offenbart hatte, war er total geschockt gewesen.
Es war nicht geplant gewesen; wie sollte es auch?
Weder er noch Kai selbst wussten von dem Gendefekt.
Für einen kurzen Moment hatte es sich für ihn angefühlt, als wäre die Welt zu Ende gewesen.
Er und Kai waren erst so kurz zusammen und dann bekamen sie direkt ein Kind.
Wie sollten sie das alles schaffen?
Aber dann, nachdem Kai ihn so rausgeschmissen hatte, hatte er Zeit zum Nachdenken gehabt und je länger er darüber nachgedacht hatte, desto klarer wurde ihm, dass er dieses Kind jetzt schon irgendwie .... liebte.
Er liebte Kai und obwohl sie sich noch nicht lange kannten, wusste er, dass er sich noch nie so zu jemandem hingezogen hatte wie zu dem süßen Lockenkopf, der seine Welt einmal auf den Kopf gestellt hatte.
Auch wenn es kitschig klang, war Jule sich ischer, sein Leben mit dem Jüngeren verbringen zu wollen und der Gedanke, dass sie bald zu dritt sein könnten.... irgendwie ließ dieser Gedanke sein Herz höher schlagen.
Ja.
Ja, er wollte dieses Kind; mit Kai.
Ein Lächeln, das sich irgendwie zwischen Mitleid und Freude befand, sah Marco den Jüngeren an.
"Ich weiß einfach nicht, was ich machen soll.", platzte es auf einmal aus Jule heraus; seine verzweifelte Stimme zitterte und er hörte sich an wie ein Teenager im Stimmbruch," Kai stößt mich die ganze Zeit von sich weg und lässt nicht mit sich reden. Er ist wie in seiner eigenen Welt; dabei geht mich das doch genauso was an wie ihn. Und dann wirft er mir auch noch vor, so ein Arschloch zu sein. Müsste er nicht wissen, dass ich niemals einfach so abhauen würde?"
Verstehend nickte Marco.
Irgendwie konnte er beide Seiten verstehen.
Kai hatte Angst und das war für Marco, und wahrscheinlich auch für Jule, mehr als verständlich.
Er wusste nicht, dass er schwanger werden konnte und jetzt war er es.
Das musste ganz schön beängstigend sein.
Innerhalb von wenigen Minuten waren Kais gesamte Zukunftspläne hin.
Aber Jules auch und Marco musste zugeben, dass es nicht ganz fair von Kai war, Jule so anzugehen und ihm vorzuwerfen, abzuhauen, wenn es ihm zu viel mit dem Kind wurde.
Jule war ein sehr erwachsener und verantwortungsvoller Mensch und wahrscheinlich der Letzte, der Kai in dieser Situation allein lassen würde.
Aber vielleicht war es die Verzweifelung und Angst, die aus Kai gesprochen hatte, als er das gesagt hatte.
Vielleicht brauchten die beiden wirklich nur ein weiteres, ruhiges Gespräch ohne Vorwürfe und ganz in Ruhe.
"Ich versteh dich, Jule, ehrlich. Aber meinst du nicht, dass Kai vielleicht noch ein bisschen Zeit braucht? Um nachzudenken und eine Entscheidung zu fällen?"
Ratlos zuckte der Jüngere mit den Schultern; den Blick auf irgendeinen Punkt auf den Boden gesenkt.
"Ich will ihn nicht damit allein lassen", nuschelte er leise; er hatte mit eigenen Augen gesehen, was das mit Kai angestellt hatte. Er hatte gesehen, wie schlecht es ihm ging und er wollte ihm helfen.
Egal wie; er wollte ihm helfen und für ihn da sein.
Irgendwie.
Er wollte es zumindest probieren.
"Und ich hab Angst, dass er für sich allein eine Entscheidung trifft und.... und dann das Baby einfach wegmachen lässt... und ich kann nichts dagegen tun."
Leicht seufzte Marco auf, während er Jules Blick suchte und fixierte.
Was er ihm jetzt sagen würde, würde Jule vielleicht verletzen, aber es war die Wahrheit und Jule sollte das wissen; er musste es wissen.
"Ich weiß es hört ich hart an, aber wenn Kai sich gegen das Baby entscheidet, dann ist es seine Entscheidung. Es ist sein Körper und wenn er euer Baby.... wegmachen lassen möchte, warum auch immer, wirst du das akzeptieren müssen."
Schwer lagen die Worte im Raum; sie legten sich um Jule und zogen sich immer weiter zu.
Wie ein Schal, den man zu fest zuzog.
Jule hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen.
Er wusste, dass Marco recht hatte.
Er hätte das Recht, mit Kai über das Baby zu reden, ihm vielleicht auch Argumente zu liefern, aber die endgültige Entscheidung lag bei Kai.
Wenn Kai sich für eine Abtreibung entschied, könnte Jule nichts machen.
Diese Erkenntnis tat weh; sehr weh.
Aber es war vielleicht auch genau das, was er hatte hören müssen.
Seinen Blick wieder senkend seufzte Jule auf, während er nervös mit seinen schwitzigen Händen spielte.
"Ich...", begann er unbeholfen; musste erstmal seine Worte sortieren," Ich will ihn ja auch zu nichts zwingen, sondern... ich will einfach nur in Ruhe mit ihm reden. Wie zwei normale Menschen, aber das ist mit ihm im Moment nicht möglich."
"Ich weiß, es hört sich blöd an für dich, aber vielleicht wartest du noch ein paar Tage und schreibst ihm vorher; vielleicht hat er sich auch einfach überrumpelt gefühlt."
Zustimmend nickte der Blonde; er war sich zwar nicht ganz sicher, ob es etwas brachte, noch ein paar Tage zu warten, aber etwas anderes konnte er nicht machen.
Kai drückte ihn von sich weg; vielleicht brauchte er wirklich seinen Freiraum.
Vielleicht musste der nächste Schritt von Kai kommen und vielleicht musste Jule wirklich warten, bis Kai bereit war.
Oh Gott, warten....
Wie sehr er dieses Wort doch hasste.
Warten, warten, warten....
Gab es etwas Schlimmeres als warten?
~~
Kai konnte sich nicht bewegen; es war als wäre er aus Stein.
Das einzige, was er konnte, war weinen.
Er weinte und hatte dabei jegliche Kontrolle über seinen Körper verloren, der nur so vor sich hin zitterte.
Es war alles so viel.
Dieses Baby in seinem Bauch, von dem er nicht sicher war, ob er es liebte oder hasste; ob er es wollte oder nicht.
Jule, der ihn so überrumpelt und, wenn auch unbewusst, unter Druck gesetzt hatte mit seinem Entschluss, das Baby zu wollen.
Er hatte einfach nicht gewusst, wie er reagieren sollte.
Er wusste einfach noch nicht, was er wollte und Jule hatte ihm das erdrückende Gefühl gegeben, es jetzt schon wissen zu müssen.
Auch wenn es ihm weh getan hatte; er hatte keinen anderen Weg gesehen, als Jule von sich zu stoßen, indem er ihm Vorwürfe machte.
ihm war klar, dass es ungerecht war, ihm vor die Füße zu werfen, dass er abhauen würde, sobald es ihm zu viel würde, aber Kai hatte sich keinen besseren Rat gewusst.
Er kannte Jule schon so weit, als dass er wusste, dass Jule nicht locker lassen würde.
Etwas, das er eigentlich an dem Blonden liebte, aber jetzt verfluchte er diese Eigenschaft einfach nur.
Und wenn er ehrlich war, war es wirklich eine Sorge, die Kai hegte.
Was, wenn Jule merkte, dass er sich zwischen Kind und Fußball entscheiden müsste und sich für den Fußball entschied?
Was, wenn Kai sein Studium schmeißen müsste und dann nicht wieder reinfinden würde?
Was, wenn ihre Liebe doch nicht so stark war?
Nicht stark genug?
Was, wenn....
Kai konnte seinen Gedanken nicht zu Ende führen, denn zwei kräftige Arme schlangen sich plötzlich um ihn und ihn endlich aus seiner Position lösten.
ohne weiter nachzudenken, wer ihn da gerade in die Arme gezogen hatte, ließ Kai sich einfach fallen; er hatte einfach keine Kraft mehr.
Laut schluchzend legte er sein Kopf auf den breiten Schultern ab und legte seine zitternden Hände an die muskulöse Brust seines Gegenüber.
Kai weinte und weinte; es war als wäre er in seiner eigenen Welt gefangen.
Sein Gegenüber hielt in fest und wiegte ihn sanft hin und her; wartete geduldig bis Kai sich langsam beruhigte.
Bis sich sein Atem normalisierte und die salzigen Tränen versiegten.
Als Kai wieder in der Realität ankam, nahm er den Geruch seines Gegenüber wieder wahr; das Parfum gehört definitiv zu Timo; klar, zu wem auch sonst?
Vorsichtig löste Kai sich von Timo; hielt sich aber dennoch an dessen Unterarmen fest, aus Angst, dass der Schwindel und die Kopfschmerzen, die ihn gerade fest im Griff hatten, seine Balance ausknocken würden.
Wortlos musterte Timo seinen besten Freund, während er ihm durch die ungeordneten Locken strich.
Ein unangenehmes Ziehen machte sich in ihm breit.
Nicht mal, als er Timo von der Schwangerschaft erzählt hatte, war er so aufgelöst gewesen.
Was war also zwischen Kai und Jule passiert, dass Kai jetzt so vor ihm stand?
Die Wände in der Wg waren dünn, aber mit aufgesetzten Kopfhörern hatte Timo nicht viel gehört; eigentlich gar nichts.
Das war auch genau sein Ziel; er wollte immerhin nicht lauschen oder so.
Das war eine Sache zwischen Kai und Jule und nur die beiden sollten das klären.
Wenn Kai ihn brauchte, was er da, aber er wollte sich nicht einmischen.
Das war nicht sein Recht.
"Shh Kai", wisperte er leise," Alles ist gut, beruhig dich."
Ein weiterer, leiser Schluchzer verließ den trockenen Mund des Jüngeren.
"Was ist passiert zwischen euch beiden? Hattet ihr Streit?"
Ratlos zuckte Kai mit den Schultern.
"Ich weiß es nicht", hauchte er leise.
Und dann brach alles aus ihm heraus; alles was passiert war.
Er redete und redete und Timo hörte ihm zu.
Er war einfach nur da und als Kai fertig erzählt hatte, zog er ihn einfach wieder in seine Arme.
Gerade wusste Timo selbst nicht, was er sagen sollte; all das, was Kai ihm gerade erzählt hatte, musste seinen Weg erstmal in Timos Gehirn finden.
Es war gerade einfach ziemlich viel für Timo.
Wie musste es dann Kai gehen?
"Ach Kai", nuschelte Timo leise; einen mitleidigen Blick im Gesicht, den er einfach nicht verhindern konnte," Ich versteh dich doch, aber... aber glaubst du wirklich, dass es der richtige Weg ist, Julian von dir wegzustoßen."
Kai zuckte die Achseln; er wusste es ja selbst nicht, aber in dem Moment hatte er einfach nicht gewusst, was er tun sollte.
Geräuschvoll atmete der Ältere ein, bevor er fortfuhr.
"Weißt du Kai, ich verstehe, dass das alles echt schwer für dich ist und ich bin der Letzte, der dich unter Druck setzt, aber du musst das nicht allein durchstehen.
Julian ist der Papa von deinem Kind und deshalb geht ihn das Ganze genauso etwas an wie dich."
Kai wusste, dass Timo rational gesehen recht hatte.
Aber er konnte nicht mit Jule sprechen.
Nicht, solange er nicht wusste, ob er das Kind wollte.
"Ich weiß, aber....", schluchzte er leise," Jule will das Kind und ich.... ich..."
"Du weißt es noch nicht", vollendete der Ältere mit sanfter Stimme den Satz seines besten Freundes.
Hastig nickte Kai; vor seine grünen Augen legte sich wieder ein Schleier, der alles verschwimmen ließ.
"Es ist okay, Harvy", fuhr Timo weiter fort," Du musst das noch nicht heute entscheiden und am Ende ist es auch nur deine Entscheidung; egal, was Jule will. Aber ihr solltet wirklich miteinander reden. Das heißt nicht, dass du dich sofort entscheiden musst, aber vielleicht hilft es euch beiden, eure Gedanken und Gefühle zu teilen. Glaub mir, Julian geht es auch nicht gut."
"Aber er kann gehen, wenn es ihm zu viel wird; ich nicht. Ich bin schwanger; ich muss kotzen ohne Ende, ich werde fest und kann mich nicht mehr bewegen und ich muss dieses Kind auf die Welt bringen. Ich bin für das Kind verantwortlich; jede Entscheidung, die ich treffe, betrifft auch mein Kind. Jule kann so weitermachen wie vorher. Er kann Fußball spielen und Party machen und was weiß ich, ohne dass er ein Kind berücksichtigen muss."
"Dir macht es Angst, dass das Baby in deinem Bauch ist und jetzt alles was dich betrifft, auch das Baby betrifft, oder?", hakte Timo leise nach," Und du hast deshalb Angst, etwas falsch zu machen, weil du dich in der alleinigen Verantwortung siehst?"
Zögerlich nickte Kai; so hatte er das noch nicht gesehen, aber eigentlich trafen Timos Worte den Nagel ziemlich und genau auf den Kopf.
Es würde sich so viel verändern; vor allem für Kai.
Angefangen bei seinem Körper, der sich mit der Schwangerschaft verändern würde und das ja auch schon tat. Und nach der Geburt würde er sich weiter verändern; wird nie wieder so werden, wie er vor der Schwangerschaft war und das machte Kai Angst.
Er war jetzt nicht mehr nur für sich verantwortlich; alles, was er tat, hatte nicht nur einen Einfluss auf ihn sondern auch auf das kleine Wesen in seinem Bauch, das sich nicht wehren konnte.
Was, wenn Kai es versehentlich verletzte oder ihm schadete?
Was würde Jule dann machen?
Was würde er tun, wenn dem Baby irgendwas passierte?
Würde er Kai dafür verantwortlich machen?
Diese Angst erdrückte Kai; nahm ihm jegliche Luft zum Atmen und ließ ihn schier verzweifeln.
Außerdem; Kais Leben würde sich ändern; komplett ändern.
Um hundertachtzig Grad drehen.
Und er wusste nicht, ob er das wollte.
Sein Leben war so schon schwierig.
Als Student über die Runden kommen war nicht einfach.
Die Klausuren, die Noten, das ganze Lernen.
Wo sollte er da noch Zeit für ein Baby finden?
Er müsste das Studium pausieren keine Ahnung, wie lange.
Was, wenn er dann nicht mehr ins Studium rein findet?
Und was würden die Leute zu ihm sagen?
Seine Kommilitonen, die Öffentlichkeit, mit der er wohl oder über auch konfrontiert werden würde?
Würde er weiter an der Dortmunder Uni studieren?
Was, wenn?
Was, wenn?
Was, wenn?
Hunderte, nein Tausende Fragen schwirrten ohne Ordnung in seinem Kopf herum; waren nicht zu stoppen, sondern wurden, im Gegenteil, immer und immer schneller und immer und immer lauter.
Sie hämmerten unangenehm gegen seinen Schädel und verursachten übele Kopfschmerzen.
Sie waren da und gingen nicht mehr weg, egal, wie viel und wie lange Kai über sie nachdachte.
"Aber weißt du, du musst nicht alles allein entscheiden, weil du nicht allein bist."
Timos Worte klangen so einfach und eigentlich waren sie das auch, aber für Kai war es gerade trotzdem schwer, sie zu verstehen.
"Jule ist bei dir und so wie ich ihn bis jetzt kennengelernt habe, ist er doch ein sehr reifer und verantwortungsbewusster Mensch, oder?"
Leicht nickte Kai; das konnte und wollte er auch nicht leugnen.
"Er unterstützt dich und das würde er auch tun, wenn du dich für das Baby entscheidest. Und ich und Paula werden das auch tun und deine anderen Freunde und deine Familie auch. Da bin ich mir sicher."
Timo machte eine kurze Pause; sah Kai eindringlich an.
"Ich will dich nicht überreden, dich für oder gegen das Baby zu entscheiden; das ist allein deine Entscheidung. Weder meine noch Jules. Aber ich möchte dich doch dazu überreden, nochmal mit Jule zu reden, bevor du dich endgültig entscheidest und dir wirklich darüber bewusst zu sein, dass es kein zurück mehr gibt, wenn du dich... für eine Abtreibung entscheidest und sie durchführen lässt."
Timo hatte Schwierigkeiten, den letzten Satz auszusprechen.
Abtreibung.
Das war ein scheiß Wort.
Aber so hieß es nun mal; und vielleicht war es genau das, was Kai hören musste , um sich darüber bewusst zu werden, dass diese Entscheidung eine große Tragweite hatte.
Das war wohl die schwerste Entscheidung, die Kai treffen musste, alles was danach kam, würde nicht halb so schwer werden.
Aber das war tatsächlich die einzige Entscheidung, die Kai letztlich allein treffen musste.
Weil es sein Körper war.
Die schwerste Entscheidung und gleichzeitig die einzige Entscheidung, die Kai allein treffen musste.
Wie paradox war das bitte?
Es war genau das, wovor Kai solche Angst hatte.
Weil Kai verdammte Angst hatte, ich falsch zu entscheiden.
"Ich hab einfach nur solche Angst, Timo", hauchte Kai leise und mit brüchiger Stimme, während er seinen Kopf wieder auf die Schulter des älteren senkte und zuließ, dass dieser seine Arme um seinen Torso legte," So eine scheiß Angst."
Okay, okay that was emotional....
Das war übrigens das letzte Kapitel aus meinen Entwürfen und weil ich im Moment mitten in der Klausurenphase stecke und kommende Woche meine Leistungskurse schreibe, weiß ich noch nicht genau, ob und wie ich zum Schreiben komme...
Ich kann euch also nicht versprechen, dass nächsten Sonntag pünktlich ein Kapitel kommt. Ich gebe mir auf jeden Fall Mühe, aber bitte verzeiht mir, wenn ich es nächste Woche nicht zur rechten Zeit schaffe.
Hab euch alle sehr sehr lieb:))))
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