Harvy
November, 2023
"Was glaubst du, wer gewinnt?"
Interessiert sah Julian zu Kai, welcher seinen Kopf nun auch zu dem Blonden drehte.
Sein Blick blieb an dem seines Gegenübers hängen und kurz erstarrte Kai.
Ihre Blicke schienen sich für einen kurzen Augenblick ineinander zu verhaken. Um Kai herum wurde es ganz still und mit einem Mal wieder ganz laut. Er kehrte wieder zurück in die Realität.
"Ähm, also... ich würde sagen, es wird auf jeden Fall ein spannendes Spiel, aber eigentlich bin ich ein bisschen für die Bayern."
Ungläubig sah der Blonde Kai an.
"Für die Bayern auch noch? Du weißt aber schon, dass wir hier im Bonner Fanblock sitzen, oder?"
"Natürlich weiß ich das", erwiderte der Jüngere kopfschüttelnd; als wäre ihm das noch nicht aufgefallen," Und wenn du das noch ein bisschen lauter sagst, verprügeln die Fans mich gleich."
Rau lachte Jule auf, ehe er Kais tiefer Stimme wieder Gehör schenkte.
"Ehrlich gesagt bin ich von keinem Verein so richtig großer Fan, auch wenn ich Basketball sehr mag. Ich schau's mir einfach gerne an, aber wenn ich mich jetzt entscheiden müsste, würde ich Bayern nehmen. Aber wenn du Bonn-Fan bist, dann werde ich die heute auch mal ausnahmsweise unterstützen. Die können die Unterstützung ja auch gebrauchen."
Irgendwo zwischen überrascht un empört sah Jule den Größeren an, aber so auf die Schnelle fiel ihm keine passende, schlagfertige Antwort ein, weshalb er seinen Mund wohl oder übel wieder schließen musste.
"Aber mal im Ernst", begann Kai nun wieder mit einem aufrichtigem und ehrlichem Lächeln im Gesicht," Danke für die Einladung. Es ist echt schön, hier zu sein... und Zeit mit dir zu verbringen."
Den letzten Teil seines Satzes brachte er nur zögerlich hervor, aber er ließ die Region um Julians Herz warm werden und angenehm kribbeln und ein sanftes Lächeln auf seinen Lippen erscheinen.
"Ich muss mich bei dir bedanken, dafür, dass du mitgekommen bist. Alleine wäre ich nicht gegangen und mein Bruder liegt mit ner fetten Erkältung flach."
Kai lächelte nur und berührte kurz Jules Schulter. Dieser war sich nicht wirklich sicher, ob die Berührung absichtlich oder nur aus Versehen war, aber was er wusste, war, dass sie sich unheimlich gut anfühlte.
Als das Spiel begann, mussten sie ihre Aufmerksamkeit auf das Feld vor ihnen richten, auf dem jetzt Bonn gegen Bayern München spielte. Es war ein unglaublich schnelles und dynamisches Spiel, in dem sich keiner was schenkte und trotzdem waren die Bayern ein Stückchen besser und konnten sich schnell in eine konstante Führung bringen.
Alle wurden in den Bann des Spieles gezogen und sowohl Kai als auch Jule waren so fasziniert und damit beschäftigt, zu jubeln, dass sie gar nicht merkten, wie schnell die Zeit verging. Plötzlich war das erste Viertel vorbei, dann das zweite und das dritte und schließlich auch das letzte und der FC Bayern gewann das Spiel; wenn auch nur knapp mit fünf Punkten Unterschied.
Jule fand es spannend und auch mal sehr schön, das Spiel aus der Perspektive des Zuschauers zu erleben; so oft hatte er ja, leider oder zum Glück, nicht die Möglichkeit dazu.
Aber noch schöner machte es für ihn der Fakt, dass Kai auch da war. Er fühlte sich wohl bei und mit ihm.
"Und?", fragte Jule amüsiert, während sie nach dem Spiel wieder in Richtung Auto gingen," Zufrieden mit dem Sieg von deinen Bayern?"
"Was heißt denn hier meine Bayern?"; fragte Kai schmunzelnd," Du tust hier gerade so, als hätte ich dir verkündet, dass ich Vorsitzender vom FC Bayern München Fanclub bin."
"Entschuldigung, aber ich spiele beim Bvb und du erzählst mir, dass du die Bayern magst?"
"Erstens hab ich nur gesagt, dass ich eher für Bayern als für Bonn bin, wenn ich mich entscheiden muss und zweitens sprechen wir hier von Basketball und nicht von Fußball, okay? Das sind zwei ganz andere Welten und wenn es zu Fußball kommt, ist der einzige Verein, für den ich bin, natürlich der Bvb."
"Naww." Theatralisch fasste der Ältere sich ans Herz. "Das hast du aber schön gesagt. Da fühl ich mich gleich ein bisschen besser."
"Ach komm", schmunzelte der Braunhaarige belustigt und boxte seinem Gegenüber spielerisch in den Oberarm," Hör auf, so rumzuspinnen."
"Sagt der Richtige."
Es war schon spät in der Nacht, als sie nach Dortmund zurückkehrten, aber Jule fühlte sich kein bisschen müde; eher beflügelt.
"Es war wirklich ein schöner Abend", lächelte er leicht, während er seinen Wagen geschickt durch die leeren Straßen lenkte," Danke, Kai."
"Ich fands auch schön, Julian.", seufzte Kai leise und lehnte sich in seinem Sitz zurück.
"Oh bitte, nenn mich nicht Julian. Dann komm ich mir so komisch vor. So nennt mich keiner außer meiner Mutter. Nenn mich bitte einfach Jule, okay?"
Kais Mund wurde trocken. Nie hätte er damit gerechnet, dass Julian... Jule ihm seinen Spitznamen anbieten würde; zumindest nicht so schnell. Aber er freute sich natürlich darüber.
Aus dem Augenwinkel beobachtete Jule nervös Kais Reaktion.
"Also, wenn du lieber bei Julian bleiben willst, dann... dann kannst du das auch. Ich dachte nur..."
Leicht lächelnd winkte der Jüngere ab.
"Ist schon gut. Sorry, ich war einfach nur ein bisschen überrascht. Ich freue mich sehr darüber, Jule."
Auch der Blonde musste nun beruhigt lächeln. "Okay... dann brauchen wir jetzt nur noch einen Spitznamen für dich."
"Für drei Buchstaben willst du noch nen Spitznamen? Kürzer geht es doch wohl nicht, oder?"
Zweifelnd sah Kai zu Jule, welcher seinen Blick mittlerweile wieder auf die Straße gerichtet hatte. Alles andere wäre auch ungesund gewesen.
Innerlich hoffte Kai inständig, dass Jule nicht, wie Timo, auf Kaichen kommen würde, denn es gab nichts, was er mehr hasste als diesen Spitznamen.
"Kürzer geht es wirklich nicht", meinte Jule nachdenklich und machte eine kurze Pause," Was machen wir denn da, Harvy?"
Es dauerte einen Moment bis Kai verstanden, was Jule gerade gesagt hatte. Harvy.
Von seinem Nachnamen. Nie wäre es auf diesen Spitznamen gekommen, aber Jule sprach ihn so aus, als wäre es ganz normal und schon immer da gewesen.
Wer weiß, wann er sich diesen Namen überlegt hatte; vielleicht schon, als Kai ihm seinen Nachnamen mal so ganz nebenbei bei ihrem ersten Treffen gesagt hatte.
Aber es war auch egal, denn irgendwie gefiel Kai dieser Spitzname sehr. Er war etwas anderes; etwas, das nur zwischen Kai und Jule existierte; zumindest vorerst. Und dieser Gedanke gefiel dem Lockenkopf und löste ein leichtes Kribbeln in ihm aus.
"Also, wenn dir der Spitzname nicht gefällt, dann bleiben wir bei Kai, ich...-"
Jules Stimme klang leicht panisch, doch Kai schüttelte nur leicht lächelnd seinen Kopf.
"Es ist alles gut, Jule. Der Name gefällt mir."
Nun war es der Blonde, der lächeln musste.
"Dann ist ja gut, Harvy."
Harvy.
Aus Jules Mund klang das irgendwie so besonders; so anders.
Aber Kai liebte es und er musste sich zurückhalten, nicht die ganze Zeit wie ein Bescheuerter vor sich hin zu grinsen.
"Sag mal, hast du am Wochenende eigentlich schon was vor?"
Verwundert sah Kai zu Jule.
"Eigentlich nicht. Wieso?"
"Naja, ich dachte, vielleicht willst du mit Timo mal zu meinem Spiel kommen. Wir spielen gegen Hoffenheim und ich könnte euch noch Karten besorgen. Also nur wenn ihr wollt."
Kais Augen begannen förmlich zu leuchten und dann wurden sie wieder matt.
"Das ist lieb, aber ich glaube als Studenten wäre das nicht so gesund für unser Portmonnaie uns noch so kurzfristig Karten zu besorgen."
"Quatsch. Ich lade euch ein", meinte Jule schulterzuckend, doch Kai schüttelte den Kopf.
"Das können wir nicht annehmen."
"Natürlich könnt ihr das. Ich mache das gerne. Sonst hätte ich es nicht vorgeschlagen und außerdem hätte ich euch wirklich gerne im Stadion."
Wieder war da dieses Kribbeln in Kais Magen.
"O-okay", stotterte er leise," Aber wirklich nur, wenn es in Ordnung für dich ist."
"Natürlich ist es das", beharrte der Ältere, nachdem er den Motor auf dem Parkplatz vor Kais Wohnung ausgestellt hatte," Ich schreibe dir dann nochmal okay?"
"Okay."
Lächelnd beugte Jule sich über die Mittelkonsole und zog Kai vorsichtig in seine Arme.
"Bis dann und danke für heute Abend."
"Bis dann. Und danke... für alles."
Und dann öffnete Kai die Tür und verabschiedete sich mit einem letzten Lächeln und winken, ehe er in der kühlen Abendluft verschwand.
Ihr könnt euch jetzt auch mittwochs auf ein Kapitel von Kai und Jule freuen^^
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top