First meet
October, 2023
Es war ein grauer Herbstmorgen. Ein dunkler, träger Schleier hatte sich über Dortmund gelegt, als Kai lustlos neben Timo herschlenderte.
An sich hatte er wirklich Lust auf den heutigen Tag, wenn er nicht bis tief in die Nacht an seiner verdammten Hausarbeit gearbeitet hätte.
Warum musste man auch so spät damit anfangen?
Selbst Timo, der nun wirklich nicht die Zuverlässigkeit in Person war, hatte schon vor drei Wochen damit angefangen, aber Kai war standhaft bei seiner Meinung geblieben, dass anderthalb Wochen völlig ausreichend waren. Tja, Pech gehabt.
Es ist ja nicht so, dass Kai schon mehrere Hausarbeiten hinter sich hatte und immer und immer wieder zu dem Schluss gekommen ist, dass er beim nächsten Mal früher anfangen muss, nur um beim besagten nächsten Mal dann doch nicht früher anzufangen.
Dementsprechend gerädert sah der Braunhaarige auch aus; Augenringe inklusive. Obwohl heute eigentlich ein cooler Tag war, denn ihr Kurs besuchte heute den Bvb, um sich einen Eindruck von der Geschäftsstelle und den Arbeiten und Abläufen dort machen zu können.
Ihr Dozent, Professor Lindner, ein recht freundlicher aber dennoch strenger älterer Mann, war nämlich mit Aki Watzke befreundet, welcher ihnen glücklicherweise die Möglichkeit eines Besuches bot.
An sich fand Kai das alles auch total interessant, aber heute hätte er sich am liebsten mit seinem Laptop und einer Tiefkühlpizza im warmen Bett verkrochen und hätte versucht, irgendwie auch nur annähernd diese verdammten fünfzehn Seiten zu füllen.
"Erde an Kai. Bist du noch da?"
Timos amüsierte Stimme riss Kai aus seinen Gedanken und er sah müde zu seinem Kommilitonen.
"Was willst du?", fragte Kai genervt, ehe er einen Schluck aus seiner Energydrink-Dose nahm, in der Hoffnung, dass diese seinen Körper wenigstens etwas mit Leben füllen könnte. Wobei er da wahrscheinlich eher eine ganze Palette gebraucht hätte. Aber Kai war froh, dass er wenigstens seine Augen halbwegs offen halten konnte; mehr konnte man heute nicht von ihm verlangen.
"Vielleicht hättest du wirklich-"
"Ich weiß, dass ich zu spät mit meiner Hausarbeit angefangen habe und du pünktlich", erwiderte Kai zerknirscht," Herzlichen Glückwunsch und jetzt tu mir den Gefallen und lass mich einfach in Ruhe, okay?"
Kichernd musterte Timo seinen Kumpel; schien der Bitte von Kai allerdings nicht nachkommen zu wollen, denn er sprach mit seiner euphorischen Stimme einfach weiter.
"Alter, freu dich doch jetzt mal, Kai. Wir besuchen heute den Bvb. B-V-B. Weißt du, was das heißt?"
"Natürlich weiß ich, was das heißt"; knurrte der Jüngere ungehalten. Warum konnte Timo nicht einfach einmal seine Fresse halten?
Kai wollte doch einfach nur seine fucking Ruhe haben und mehr nicht.
"Komm schon, Kai"; versuchte der Blonde es wieder und boxte Kai dabei freundschaftlich gegen den Oberarm," Wir können uns das alles anschauen. Unseren späteren Arbeitsplatz, meine ich. Und außerdem laufen hier bestimmt ganz viele heiße Männer rum."
Kai verdrehte die Augen. Timo hatte echt kein Feingefühl.
Kai machte kein Geheimnis daraus, dass er auf Männer stand; zumindest bei seinen Freunden nicht. Warum sollte er auch?
Aber Timo hatte es sich irgendwie zur Aufgabe gemacht, ihm einen, wie er immer sagte, heißen Typen zu beschaffen und schreckte dabei vor wenig zurück.
Nicht nur Fußballer, auch junge Dozenten an ihrer Uni mussten schon für seine wilden Vorschläge herhalten, die Kai für gewöhnlich nur mit einem Augenrollen abtat.
"Ich denke nicht, dass du hier mal arbeiten wirst, Timo.", murmelte der Lockenkopf missmutig, während sie durch das große Tor auf das Gelände gelassen wurden.
"Sagt derjenige, der der Meinung ist, es würde reichen zehn Tage vor Abgabe mit seiner Hausarbeit anzufangen?"
"Timo, ich hab es verstanden jetzt, okay", knurrte Kai nun ungehalten," Lass mich jetzt bitte einfach mal in Ruhe."
Beschwichtigend hob der Blonde die Hände. "Okay, okay. Chill mal, Kaichen."
Am liebsten würde Kai jetzt noch was erwidern und ihm sagen, dass er ihn nicht bei diesem bescheuerten Spitznamen nennen sollte, aber er beließ es dann doch dabei, als eine freundlich aussehende junge Dame auf sie zukam und sich als diejenige vorstellte, die sie über das Gelände führen würde.
Kai entschied sich dazu, jetzt endlich mal aufzupassen anstatt schlechte Laune zu schieben oder sich mit Timo zu streiten.
Immerhin konnte es ja sein, dass ihr Professor hinterher auf die Idee kam, Präsentationen oder Essays dazu zu verlangen und außerdem war es ja doch ganz spannend.
Sie gingen durch die Geschäftsräume und einige andere Räume, während die blonde Frau ihnen haarklein alles wichtige erklärte, ehe sie irgendwann ein paar Treppen runter gingen. Dort ging es dann schon eher zum sportliche Teil.
Sie besichtigten die Medizin- und Physioräume, einen riesigen Besprechungsraum, in der ein Whiteboard und ein paar Taktiktafeln standen und schließlich gingen sie zum Kraftraum.
"Und als Letztes gehen wir jetzt nach draußen"; verkündete sie schließlich nach fast zweieinhalb Stunden ausgiebiger und detaillierter Führung, in der sich auch Watzke vorgestellt hatte und ihnen ebenfalls ein paar Sachen erklärt hatte," Dann können Sie sich die Trainingsplätze anschauen. Die Profis haben dort auch gerade Training. Sie können sich also gleich einen Eindruck von ihrer Arbeit und ihrem Training machen."
Timo, der bis jetzt zu Kais Glück ruhig geblieben und ihn nicht weiter genervt hatte, knuffte ihm nun wieder grinsend in die Seite; Kai konnte sich schon denken, was jetzt kam.
"Augen aufhalten, Kaichen"; wisperte Timo amüsiert," Fußballer sind immer gut. Dann musst du dir keine Sorgen mehr ums Geld machen."
Empört sah der Jüngere seinen Kumpel an. Als würde es Kai nur ums Geld gehen.
Mit einem Kichern kommentierte Timo Kais entgeisterten Blick und klopfte ihm nur auf die Schulter.
"Ich liebe es, wenn du so guckst, man."
Genervt verdrehte Kai die Augen. Manchmal würde er Timo gerne gegen die Wand klatschen.
Die Jungs auf dem Platz schienen sie nicht ml zu bemerken, als sie auf der Tribüne ankamen.
Sie machten gerade Sprintübungen, die, wie Kai fand, ziemlich anstrengend aussahen.
Er war den Profis noch nie so nahe gewesen wie jetzt. Klar, er war auch schon öfter im Stadion gewesen, aber jetzt sah er sie richtig nahe in Aktion.
Sein Blick glitt über die Spieler.
Marco Reus, Mats Hummels, Emre Can, Nico Schlotterbeck, Julian Brandt.
Konzentriert gingen sie alle ihren Aufgaben nach. Sie waren schon verschwitzt und sahen zugegebenermaßen alle schon ziemlich fertig aus.
Eine Weile durften sie noch zusehen, bis Edin Terzic das Training schließlich beendete und die Spieler den Platz verließen.
DieDame verabschiedete sich daraufhin und bedankte sich noch einmal höflich für die Aufmerksamkeit, ehe sie die Gruppe mit einem letzten Lächeln verließ.
Professor Lindner, der sich zuvor noch ausgiebig und für Kais Geschmack etwas zu überschwänglich für die Möglichkeit des Besuches bedankt hatte, rief die Gruppe nun dazu auf, zusammen das Gelände wieder zu verlassen, aber nicht ohne ihnen einen zweiseitigen Essay über die Erfahrung und den Besuch aufzubrummen.
Innerlich verdrehte Kai schon die Augen; er hatte ja nicht schon genug zu tun. Aber gut, er war ja selbst schuld daran.
Während sie durch die weiß gestrichenen Gänge zurück liefen, klingelte plötzlich Kais Handy in seiner Tasche.
Als er den Namen seines Bruders auf dem Display war, wusste er, dass er jetzt rangehen musste, denn Jan erreichte man nie. Er rief nur an, aber rangehen, tat er so gut wie nie; warum auch immer. Manche Sachen verstand selbst Kai nicht.
"Ich komm gleich nach", wisperte er schnell zu Timo, ehe er auf den grünen Hörer drückte und seinen Bruder begrüßte.
Entnervt verdrehte Kai die Augen. Am liebsten hätte er Jan den Hals umgedreht.
Der rief ihn ehrlich an, um ihn zu fragen, ob er seinem Date ein weißes oder ein blaues Hemd anziehen soll. Hätte er ihm das nicht auch schreiben können?
Fahrig ließ Kai seine Finger durch seine Haare gleiten.
Wo waren die anderen jetzt plötzlich hin?
Das konnte doch nicht wahr sein.
Er hatte vielleicht drei Minuten telefoniert und jetzt waren sie auf einmal über alle Berge.
Schnell tippte Kai auf seinem Handy rum, aber Timo las seine Nachrichten nicht. Es stallte sich im Moment auch alles gegen ihn.
Der Lockenkopf verschnellerte seinen Gang, in der Hoffnung die anderen noch irgendwo zu finden. Wie peinlich wäre es, wenn er als Student verloren gehen würde?
Plötzlich wurde Kai ausgebremst, als er in etwas... oder jemanden hinein lief.
Verwirrt wich er zurück und sah dann irritiert auf, nur um gleich wieder beschämt wegzusehen.
Konnte dieser verdammte Tag noch schlimmer werden.
Vor ihm stand niemand geringeres als Julian Brandt, der ihn mit seinem typischen schiefen und verschmitzten Grinsen anlächelte.
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