Despair


November, 2023

Tief atmete Kai durch, als er die Tür hinter sich schloss. Seinen Kopf an die Haustür hinter ihm lehnend schloss er seine Augen und ließ den Abend Revue passieren.
Es war inzwischen kurz nach Mitternacht; acht Stunden war er mit Jule zusammen gewesen, aber es fühlte sich nicht so an. In Kais Empfinden war es viel kürzer gewesen; die Zeit war wie im Fluge vergangen.
Kai fühlte sich beflügelt und gleichzeitig auch irgendwie schwer.
Es war ein total schöner Abend gewesen mit Jule und Kai war heilfroh, zugestimmt zu haben, dass er mit ihm mitkam.
Aber auf der anderen Seite war Kai auch einfach nur verwirrt.
Immer, wenn er in der Nähe des Blonden war, fühlte er sich ganz anders. Eine Wärme, die er so vorher noch nie erlebt hatte, lullte ihn voll und ganz ein und ein Kribbeln breitete sich von seinem Bauch in seinen ganzen Körper aus.
Mit Julian zu sprechen, ließ sein Herz höher schlagen und wenn er ihm in seine blauen Augen sah, wurde Kai schlagartig schwindelig.
Und dafür gab es, so schwer Kai dieser Gedanke auch fiel, nur eine einzige Erklärung.
Er hatte sich doch nicht etwas verknallt? In Julian? Julian Brandt? Den Fußballer von Borussia Dortmund, der vielen weiblichen Fans nur mit seiner Erscheinung, den Kopf verdrehte?
Nein, das konnte nicht sein. Vor allem durfte das nicht sein.
Du hattest einen Auftrag, Kai; dich nicht verlieben und was machst du?
Kais Gedanken fuhren Karussell.
Vielleicht war er auch gar nicht in Jule verliebt und bildete sich das alles nur ein. Er hoffte es zumindest, aber tief in seinem Inneren kannte er die wahre Antwort schon.
Er hatte sich einfach unsterblich in den blonden Hottie verknallt; innerhalb weniger Wochen. Das war wirklich das Letzte, was er wollte. Nicht nur, dass das alles noch komplizierter machte; nein, Jule würde seine Liebe ganz bestimmt nicht erwidern. Wie sollte er?
Kai war sicherlich nicht der Traum eines Mannes, der wahrscheinlich jeden haben konnte, wenn er wollte.
"Bro, was ist los? Hast du nen Geist gesehen? Du bist ja ganz blass."
Erschrocken fuhr Kai hoch und öffnete seine Augen.
Erst jetzt spürte er die Träne, die ihm still und leise über die kühle Wange geflossen war.
Timo stand vor ihm; schon in seinen Schlafklamotten aber er sah nicht so aus, als hätte er schon geschlafen. Kein Wunder, sie hatten morgen ja auch keine Uni.
"Ich...", stotterte der Größere unbeholfen, bekam aber kein Wort raus. Zu gefangen war sein Kopf in seinen vorherigen Gedanken. Nein, nein, nein, er konnte und durfte sich verdammt nochmal nicht verknallt haben. Das war unmöglich.
"Geht's dir gut, Kai?"
Timos Stimme klang ernsthaft besorgt und wenn das schon der Fall war, musste Kai schon wirklich sehr schlimm aussehen.
"Ich... also...ja, mir geht es gut..."
"Aber?" Timos Stimme klang nicht mal neugierig, sondern wirklich nur sorgenvoll. Vielleicht war das der Grund, warum Kai sich dafür entscheid, es gar nicht erst versuchte, vor Timo zu verstecken. Oder vielleicht war ihm auch klar, dass Timo es früher oder später eh herausfinden würde oder vielleicht war es auch einfach aus seiner Verzweiflung unterbewusst aus ihm heraus gebrochen. Im Nachhinein wusste er das gar nicht mehr so genau.
"Ich glaube, ich habe mich in Jule verliebt."
Timos Gesicht erstarrte, dann musste er unweigerlich grinsen.
"Jule also? Soweit seid ihr schon?"
"Timo, bitte, das ist nicht lustig, ich darf mich nicht in ihn verlieben, ich... das ist alles viel zu früh und überhaupt, er liebt mich doch gar nicht und ich kann das alles nicht und-"
Kais Stimme war mehr als nur panisch und er hatte in seiner Rage das Atmen vollkommen vergessen.
"Kai, beruhig dich", schritt der Blonde ein und legte eine Hand auf Kais bebende Schulter," Du hyperventilierst ja gleich."
"Aber ich-"
"Kai, es ist alles gut."
"Nein man"; rief Kai nun ungehalten aus," Verstehst du es denn nicht? ich hab mich in Julian Brandt verknallt."
"Ja und? Das ist doch schön? Was machst du denn für einen Stress?"
"Timo, es ist Julian Brandt, okay? Julian Brandt. Was glaubst du denn? Dass der meine Liebe erwidert? Der wird mich auslachen, wenn ich ihm das erzähle oder noch viel schlimmer. Er wird mich hassen und... fuck Timo, warum er?"
Einen kurzen Moment sah Timo Kai einfach nur an. Sein Blick lag irgendwo zwischen ruhig und irritiert aber gleichzeitig auch irgendwie verstehend. So ganz konnte Kai das nicht deuten.
Kais Atem beruhigte sich langsam und er konnte wieder klarer denken.
Dieser Abend mit Jule hatte ihm so einiges klar gemacht. Er hatte sich verliebt; in Jule.
Das war mal so gar nicht sein Plan gewesen und jetzt bereute er auch do langsam, sich jemals auf den Blonden eingelassen zu haben. Hätte ihm nicht klar sein müssen, dass sowas passieren konnte? Kai wusste es nicht, aber was er wusste war, dass er es Jule auf gar keinen Fall sagen konnte.
Der würde wahrscheinlich sofort den Kontakt abbrechen und Kai nie wieder sehen wollen und genau das wollte Kai nicht. Auch wenn er sich damit vielleicht selbst weh tat, wollte er den Kontakt zu Jule nicht abbrechen. Viel zu sehr genoss der Braunhaarige die Zeit, die er mit dem Mittelfeldspieler verbrachte.
"Okay", ergriff Timo nun wieder in einer ungewohnt analytischen und erwachsenen Stimme das Wort," Dann gehe ich mal davon aus, dass du es ihm nicht sagen möchtest."
"Nein?", rief Kai schon fast panisch aus," Natürlich nicht."
"Ich weiß zwar immer noch nicht so ganz genau, was denn Problem ist, aber wenn du es ihm wirklich nicht sagen willst, dann helfe ich dir natürlich bei der Mission 'Kais Gefühle für Jule vor Jule verstecken."
Das Jule betonte Timo dabei so komisch, dass Kai glatt die Augen verdreht hätte, hätte er die Nerven dafür gehabt.
Trotz des kleinen Seitenhiebs von Timo, atmete Kai erleichtert aus.
"Danke Timo."
Kai wusste, dass Timo es ernst meinte, denn auch wenn er manchmal ganz schön kindisch war, konnte man sich in solchen Dingen auf ihn verlassen. Er war eben doch ein echt guter Freund.
"Da ist noch was Timo."
Kais Stimme war leise und brüchig, was Timo wieder besorgt werden ließ.
"Er hat mich gefragt, ob wir zum Spiel gegen Hoffenheim mit ins Stadion kommen wollen. Er würde uns Karten besorgen."
Das Gesicht des Blonden erhellte sich schlagartig wieder.
"Und deshalb machst du so ein Gesicht? Ist doch super, freu dich doch."
"Du verstehst auch gar nichts, oder? Man, wie soll ich ihm denn noch unter die Augen treten ohne dass er was merkt? Ich... ich würde ja gern, aber ich weiß einfach nicht, ob..."
Kai brach ab. Er wusste nicht, was er sagen sollte.
"Ich... Vielleicht hast du recht."
"Was meinst du?"
"Naja", zögerlich sprach der Jüngere weiter, während er weiterhin den Blickkontakt zu Timo vermied.
Zu groß war seine Angst, sonst gleich in Tränen auszubrechen.
"Wenn ich auf Abstand zu ihm gehe, dann merkt er es ja erst recht und das will ich nicht... vielleicht schaffe ich es ja doch und... meine Gefühle werden weniger oder was weiß ich. Ich will ihn auf jeden Fall nicht nicht mehr sehen."
Entschlossen nickte Timo und zog Kai daraufhin kurz in seine Arme; er hatte das Gefühl, dass dieser das jetzt brauchte. 
"Das wird schon alles, Kai, okay? Wir kriegen das alles hin."
Sachte nickte Kai; inzwischen hatte er wieder etwas Mut gefasst und freute sich mittlerweile auch wieder ein bisschen, Jule im Stadion wiederzusehen. 

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