Answer
October, 2023
Unentschlossen lag Kai in seinem Bett. Den Laptop, auf dem er bis eben noch an seiner Hausarbeit geschrieben hatte, zur Seite gelegt. Stattdessen war sein Blick nun fest auf sein Handy geheftet.
Hey Kai,
wie läuft es mit deiner Hausarbeit? Wollen wir uns nächste Woche vielleicht mal treffen? Auf nen Kaffee oder so?
Ich würde dich als Freund gerne besser kennenlernen...
Das hatte Julian ihm vor knapp fünf Minuten geschrieben.
Natürlich hatte der junge Student sich total über die Nachricht gefreut, denn ihm ging es eigentlich ganz genauso. Er würde gerne auch mehr von Julian wissen und ihn näher kennenlernen. Aber er hätte sich wahrscheinlich nie getraut, ihn zu fragen.
Und jetzt wusste er nicht, was und wie er antworten sollte.
Natürlich wollte er, aber wie schrieb man das jetzt am besten?
Leise seufzend tippte er nach oben links, auf Jules Profilbild.
Es war schwarz weiß. Julian saß auf einem Hocker vor neutralem Hintergrund und hatte sein rechtes Bein auf sein linkes gelegt. Er trug einen hellen Pullover, eine dunkle ziemlich ausgewaschen aussehende Jeans und helle Sneaker.
Seinen Oberkörper hatte er leicht nach vorne gebeugt und die Hände auf seinem rechten Schienbein abgelegt und leicht miteinander verschränkt, während er mit leicht zusammengekniffenen Augen und einem durchdringenden Blick direkt in die Kamera sah.
Seine blonden Haare lagen nahezu perfekt auf seinem Kopf und sein leichter Bart ließ ihn nur noch erwachsener und reifer wirken.
Kais Augen flogen über das schlichte Bild und schienen jeden Quadratzentimeter förmlich aufzusaugen.
Er betrachtete den Blonden ganz genau bis ihm bewusst wurde, was er hier eigentlich tat.
Er starrte das Bild von Julian Brandt an. Dem Fußballer, der ihn nach einem Treffen gefragt hatte. Schnell löste Kai sich von dem Foto, schloss es und legte sein Handy dann schon fast fluchtartig zur Seite.
Das Einzige, das ihn gerade erleichterte, war die Tatsache, dass er nicht zu sabbern begonnen hatte; wenigstens etwas.
Tief atmete Kai durch und versuchte mit einem imaginären Kopfschütteln das Bild von Julian, das sich soeben erfolgreich in seinem Kopf festgesetzt hatte, loszuwerden, aber es klappte nicht.
Dieser Blick blieb.
Verzweifelt stützte Kai den Kopf in seine Hände.
Was tat er hier gerade?
Er konnte doch nicht einfach so ein Bild von Julian fucking Brandt anschmachten.
Man konnte ja schon fast- nein, so schlimm war es dann auch wieder nicht. Hoffte Kai zumindest.
Wieder nahm er sein Handy in die Hand und änderte seinen Status zum gefühlt hundertsten Mal von gelesen auf schreibt.
Eigentlich schämte Kai sich ein bisschen für dieses hin und her. Julian musste jetzt sonst was von ihm denken und genau deshalb entschied er sich jetzt, endlich was zu schreiben. Egal was; hauptsache irgendwas.
Hey, ja ganz gut. Ich würde gerne mal was mit dir trinken.
Wann passt es dir denn?
Kurz überlegte der Lockenkopf, ob er noch diesen einen lachenden Emoji hinzufügen sollte oder ob das doch zu albern war, aber er entschied sich dann doch dafür.
Und dann schickte er die Nachricht einfach ab, ohne nochmal zu überlegen. Sonst würde er es sich womöglich doch noch anders überlegen und sie wieder löschen.
Danach stellte er sein Handy aus und legte es auf seinen Nachttisch, ehe er sich wieder seiner Hausarbeit widmete.
irgendwie musste die ja auch mal fertig werden; wobei man sagen muss, dass Kai schon beachtlich aufgeholt hatte. Noch zwei, drei Nächte durchmachen und er wäre fast fertig.
Und dieses Mal schrieb er sich eine innere Notiz, beim nächsten Mal ganz wirklich pünktlich anzufangen, damit das Ganze nicht wieder in so einem Desaster endete.
Doch so wirklich konzentrieren konnte Kai sich nicht.
Immer wenn er gerade ein paar Wörter geschrieben hatte, begann dieser Blick in seinem Kopf herumzuspuken.
Dieser durchdringender und irgendwie schelmischer Blick, der ihn direkt und doch irgendwie nicht direkt angesehen hatte.
Kai wusste nicht, woher es auf einmal kam, aber er war diesem Bild vollkommen verfallen.
Fuck, wie konnte das sein?
Sie hatten sich einmal gesehen und ein paar Worte inklusive Nummern ausgetauscht. Mehr nicht.
Warum reagierte Kais Körper so stark auf ein verdammtes Bild?
Ein Bild?!
Das konnte nur Einbildung sein, dachte Kai sich, so schlimm war das mit Sicherheit nicht.
Kai fühlte sich vielleicht einfach nur komisch, weil Julian nicht irgendwer war, sondern Fußballer, Promi und er ihn sozusagen durch Zufall kennengelernt hatte.
Das hatte nichts damit zu tun, dass Kai ihn mochte.
Natürlich mochte er ihn; er war Kai total sympathisch, aber er mochte ihn halt nicht mehr und das würde er auch in Zukunft nicht tun. Und selbst wenn, dann wäre es wohl sehr einseitig, denn Julian würde bestimmt nichts mit einem stinknormalen, langweiligen Studenten anfangen wollen.
Kräftig schüttelte Kai seinen Kopf, wobei ihm einige Locken in die Stirn fielen, um diese komischen Gedanken endlich mal loszuwerden.
Er musste sich jetzt auf seine Hausarbeit konzentrieren. Julian musste sich dabei wohl oder übel hinten anstellen. Kai musste dieses blöde Ding jetzt langsam mal fertig kriegen und konnte sich keine Ablenkungen leisten. Weder von Julian noch von sonst wem.
"Willst du noch wohin?"
Verwundert sah Timo seinen Kumpel an, der sich gerade die Jacke überzog und sich dann ein letztes Mal im Spiegel begutachtete. Er hatte sich für eine dunkelgrüne Cargohose und einen schwarzen Pullover von Adidas entschieden. Eine Weile hatte er überlegt, aber seine Wahl war dann eben doch auf dieses legere und entspannte Outfit gefallen. Am Ende des Tages würde er eh das Gefühl haben, das Falsche angezogen zu haben; egal für was er sich entschied.
Wortlos nickte Kai, während er sich nochmal durch seine braunen Locken fuhr und sie perfektionierte.
"Ich dachte, wir feiern heute Abend noch ein bisschen unsere Hausarbeit."
In Timos Stimme schwang Enttäuschung mit. Er hatte den Abend wahrscheinlich schon seit Tagen geplant. Heute hatten sie ihre Hausarbeiten abgeben müssen, und wer hätte er gedacht, Kai hatte es noch rechtzeitig geschafft und seiner Meinung nach eine ganz passable Arbeit geschrieben.
"Keine Sorge, Timo, ich komme nicht so spät wieder. Wir können heute Abend noch ein bisschen feiern"; erwiderte Kai schmunzelnd. Auch er hätte nichts dagegen den Stress der letzten Wochen mit ein bisschen Bier oder Sekt hinter sich zu lassen, aber vorher hatte er noch was vor, auf das er sich schon die ganze letzte Woche freute.
"Wo gehst du denn noch hin?"
Timos interessierter und wissbegieriger Blick lag auf ihm. Typisch Timo, dachte Kai augenrollend.
"Mit Julian nen Kaffee trinken", gab er möglichst lässig zurück, wobei im Inneren sein Körper vor Aufregung kribbelte.
Timo entwich ein leiser Schrei, ehe er auf Kai zustürmte.
"Nein, oder? Du verarscht mich?"
"Nehein."
Kai war genervt. Er war sowieso schon spät dran und jetzt würde Timo ihn auch noch mit unangenehmen Fragen löchern.
"Du gehst mit dem heißen Fußballer aus, von dem du mir immer erzählst, dass du nichts von ihm willst? Wie geil, Kaichen."
"Erstens, nenn mich nicht Kaichen. Zweitens, Julian ist nicht heiß. Drittens, wir gehen nicht aus. Wir gehen nur einen Kaffee trinken. Und viertens will ich nichts von ihm und er nicht von mir, verstanden?"
Mit hochgezogenen Augenbrauen nickte Timo.
"Alles klar. Dann viel Spaß euch beiden süßen."
Wieder verdrehte der Jüngere die Augenbrauen.
Konnte Timo seine anzüglichen Bemerkungen nicht einfach mal lassen?
Mit einem gemurmelten 'Bis später' schnappte er sich seine Wohnungsschlüssel und verließ dann die Wg und ließ damit einen sich freuenden Timo zurück, der die beiden wahrscheinlich schon vor dem Traualtar sah.
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