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•Nanamis Sicht•

Gedankenverloren spazierte ich den Weg von der Fukurodani zurück nach Hause. Es war ein langer Tag gewesen.

Die Sonne war gerade dabei unterzugehen und färbte den Himmel in ein wunderschönes helles orange.

Obwohl ich den ganzen Tag versuchte mich davon abzulenken, tauchte immer wieder Kuroos verletzter Gesichtsausdruck vor meinem inneren Auge auf.

Jedes mal, wenn es mir nicht gelang den gestrigen Abend zu verdrängen, füllten sich meine Augen mit Tränen und ich musste hochschauen, damit ich nicht  losheulte.

"Verdammter Mist", fluchte ich, da es erneut so weit war.

Da ich mich im Moment in einem kleinen Park in der Nähe der Uni und meiner Wohnung aufhielt, hätte ich theoretisch ruhig weinen können. Mich würde ja sowieso niemand sehen.

Doch ich hielt die Tränen trotzdem zurück, weil ich mich so fühlte, als hätte ich nicht das Recht dazu.

"Nanami!"

Ich blieb abrupt stehen, als ich meinen Namen hörte aus einiger Entfernung hören konnte und löste den Blick zaghaft vom Himmel, weil ich kurz glaubte, dass ich halluzinierte.

Als ich allerdings tatsächlich Kuroo erblickte, der geradewegs auf mich zugelaufen kam, verlor ich den Kampf gegen die Tränen schlussendlich.

Mein Herz machte förmlich Luftsprünge, als er mir in die Arme lief und mich an seinen starken Körper drückte.

"Kuroo...", wimmerte ich und griff nach dem Stoff seiner roten Trainingsjacke.

Wie sehr ich ihn vermisst hatte. Seinen Geruch, sein Lachen, seine Wärme. Einfach alles.

Sein Brustkorb hob und sank noch immer beschleunigt und ich konnte vernehmen wie schnell sein Herz schlug.

"Es tut mir leid", hauchte er nach einer kurzen Weile, in der wir die Anwesenheit des anderen genossen hatten.

"Mir auch...", schniefte ich, doch daraufhin löste sich der Riese von mir, nahm mein Gesicht sanft in seine Hände  und beugte sich vor, sodass wir auf Augenhöhe waren.

"Dir muss überhaupt nichts leid tun, Nanami. Psscht, unterbrich mich nicht."

Sofort schloss ich den Mund wieder, da ich ihm widersprechen wollte.

Seine katzenähnlichen, braunen Augen durchbohrten mich beinahe, so intensiv lag sein Blick auf mir. Ich schürzte die Lippen überrumpelt.

"Dein Exfreund... er hat dich betrogen, nicht wahr?" Es war keine Frage seinerseits, eher eine Feststellung.

Ich riss meine Augen geschockt auf und spürte, wie es meinem Herz einen schmerzhaften Stich versetzte.

Rückblick
Ein Jahr zuvor

Vielleicht hatte ich vorhin überreagiert, als ich ich Raiden nach unserem Streit rausgeworfen hatte.

Manchmal tendierte ich eben dazu mir zu viele Sorgen zu machen. Vor allem, wenn es um Kojika ging.

Es war nicht meine Absicht gewesen ihn wie eine krankhaft Eifersüchtige anzubrüllen.

Ein weiteres Mal schluckte ich meine Wut und meine Würde herunter, damit diese Beziehung weiterhin funktionierte.

Ich hatte versucht Raiden anzurufen, doch er musste sein Handy ausgeschaltet haben, weshalb ich mich selbst auf den Weg zu Bar machte.

Sie war nicht weit weg, doch es war stockfinster draußen, weshalb ich eine gesunde Portion Respekt besaß und mich grundsätzlich von verdächtigen Gestalten fernhielt.

Da es Ende September war, wurde es gegen Abend ziemlich frisch. Ich hatte mir in der Eile bloß einen Hoodie übergezogen.

Als ich fast angekommen war, schrieb ich Ryozo eine Nachricht, dass ich ebenfalls zur Bar kommen würde.

Ich musste nur noch die Straße überqueren und wurde in der Zwischenzeit von Ryozo angerufen.

"Ich bin gleich da", ließ ich ihn wissen, als ich ranging.

Ich konnte sehen wie aus der Eingangstür der Schwarzhaarige herrauskam. Sein suchender Blick traf mich und kurz darauf wunk er mir schon zu.

Grinsend erwiderte ich sein winken, doch als mir ein wild knutschendes Pärchen ins Auge stach, dass an der Straßenseite stand, erstarb das Lächeln in meinem Gesicht und mein Handy fiel mir aus der Hand.

Mein Verstand versuchte mir einzureden, dass ich mich irrte. Das es nicht wahr war. Doch diese zwei würde ich immer wiedererkennen.

Kojikas schwarzes Haar mit den neonpinken Strähnen und die Tattoos an ihren Armen, sowie ihrem Hals und Dekolleté.

Diese Frau stand eng umschlungen mit meinem Freund zusammen. Mein Herz zersprang in einer einzigen Sekunde in tausend Teile.

"Oh mein Gott!", hörte ich Ryozo aus der kurzen Distanz keuchen, als er meinen Augen gefolgt war und die Beiden ebenfalls entdeckte.

Ihre Gesichter trennten sich in diesem Augenblick und sie sahen zu meinem Kindheitsfreund herauf.

"Hast du sie noch alle?!", brüllte dieser, raste auf ihn zu und packte ihm schließlich unsanft am Kragen seines weißen T-shirts.

"Fass mich nicht an, Verräter!" Raiden schubste seinen Bandkollegen grob von sich weg.

"Hast du etwa vergessen, dass du eine Freundin hast?", keifte Ryozo wütend.

"Krieg dich wieder ein, Akimura." Kojika verdrehte nur genervt ihre Augen.

"Spiel dich doch nicht so auf, man! Kümmer dich um deine eigenen Angelegenheit-" Weiter kam er nicht, da Ryozo ihm seine Faust ins Gesicht rammte.

"Nanami ist wie eine Schwester für mich und das weißt du ganz genau, also werde ich mich einmischen soviel ich will!"

"Du dreckige Schwuchtel!", zischte Raiden fuchsteufelswild und schlug auf Ryozo ein.

Ich wollte mich rühren, etwas unternehmen, aber ich war wie gelähmt.  Nicht einmal weinen konnte ich vor Schock.

Wieso hatte ich die ganze Zeit so einen Menschen geliebt?

Satoshi, ihr Gitarrist und Bandleader kam ebenfalls aus der Bar und versuchte die zwei zu trennen, als er gehört hatte, was los war.

Doch sie hörten einfach nicht auf, sondern gingen weiterhin aufeinander los.

Erst als ich sah wie Ryozo Blut aus der Nase lief, gewann ich die Kontrolle über meinen Körper zurück und griff ein.

"Aufhören!", schrie ich aus tiefster Seele, sodass es mir in der Kehle schmerzte.

Sofort hielten die beiden jungen Männer inne.

"Nanami?", Als Raidens Augen sich mit meinen trafen, spürte ich wie sich anfingen Tränen in meinen Augen zu sammeln.

In seinem Gesicht lag etwas wie Entsetzen, jedoch kein einziger Funken Reue.

Mir wurde in diesem Moment bewusst, wie sehr ich mich in ihm getäuscht hatte. Wie viel Zeit ich mit dem Versuch verschwendet hatte ihn von seiner kaputten Seele zu befreien, doch es war zu spät.

Nun hatte er auch mich zerstört.

Meine Beine reagierten wie von selbst. Mit dem einzigen Ziel mich selbst vor ihm zu retten.

'Flieh!', hörte ich förmlich in mir rufen und genau das tat ich.

Rückblick beendet

"W-woher..?", stammelte ich, während Kuroo meine Wangen mit den Ärmeln seiner Trainingsjacke trocknete.

"Nanami, ich bin nicht er", sagte er liebevoll. "Das würde ich dir niemals antun."

Kuroo lehnte seine Stirn und schloss seine Augen, sein heißer Atem kitzelte meine Lippen.

"Verlieren gehört zum Leben dazu. Das weiß ich. Sogar sehr gut, immerhin bin ich Sportler."

Er ließ mein Gesicht los und fuhr mit seinen Händen zärtlich runter zu meinem Hals.

"Aber wenn es um dich geht will ich nicht verlieren. Vor allem, möchte ich dich nicht verlieren."

Ich presste die Augen zusammen, als ich das hörte und wusste nicht mehr, ob ich weinte, weil ich traurig war oder weil ich glücklich war.

"Ich werde jede Erinnerung an ihn ausradieren", versprach er. "Weil ich dich liebe, Nanami."

Mehr musste ich nicht von ihm hören.

Ohne eine weitere wertvolle Sekunde zu verlieren, stellte ich mich auf die Zehenspitzen und küsste ihn.

Meine Handflächen fanden an seiner trainierten Brust platz, während seine Finger sich in meinen braunen Locken vergruben.

Es fühlte sich an als würde ich schweben und ich wusste ganz genau, dass es sich für ihn auch so anfühlte, als ich sein Lächeln an meinen Lippen spüren konnte.

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