07. Die Gedenkfeier

Mit gemischten Gefühlen betrete ich das gemietete Gebäude im botanischen Garten von Brooklyn, der unweit des Friedhofs ist, wo die Beerdigung von Jonathan Birmingham stattgefunden hat. Die Beerdigung war ausschließlich für die engste Familie bestimmt, doch die Gedenkfeier, die jetzt stattfindet, ist für die Öffentlichkeit bestimmt. Angestellte, Freunde und Partner von ihm sind anwesend, um ihm die letzte Ehre zu erweisen. Es ist schön, dass die Gedenkfeier hier abgehalten wird. Jonathan Birmingham hat den botanischen Garten geliebt. Um seine Liebe für die Pflanzenwelt zu teilen, kauft er seinen Angestellten zu Weihnachten immer Jahreskarten für den botanischen Garten in Brooklyn.

Sobald ich das Foyer durchquert habe, erreiche ich einen riesigen Festsaal, der mit unzähligen bunten Rosen dekoriert ist. Es passt zu ihm, da er den Rosengarten favorisiert hat und selbst sein Büro immer mit Rosen geschmückt war. Auf dem Podest steht ein Mikrofon, sowie ein Foto von Jonathan Birmingham, wo er sympathisch lächelt. Im restlichen Raum sind etliche große, runde Tische zum Sitzen aufgebaut, sowie ein kleines Büffet.

Die Stimmung im Saal ist getrübt, ruhig und in sich gekehrt. Kleine Grüppchen, die sich leise und rücksichtsvoll unterhalten, werfen immer wieder kurze und wehleidige Blicke zu seinem Portrait. Familienmitglieder und enge Freunde, die mit Taschentüchern versuchen, die Tränen zu verbergen und sich ihre tiefe Trauer nicht anmerken lassen möchten. Personen, die mit Essen am Tisch sitzen und appetitlos darin herumstochern, weil sie keinen Bissen herunterbekommen. Vor dem Podest sind drei Personen vertreten, die ständig von Freunden und Angestellten aufgesucht werden. Issac, sein Bruder Zachary und eine wunderschöne Frau, die im Alter von Jonathan ist, deren Augen verquollen und nur noch ausdruckslos sind.

Mein Magen verknotet sich, während mir plötzlich speiübel wird. Zitternd lasse ich mich auf einen nahen Stuhl nieder, um meine zitternden Knie zu beruhigen. Für einen Moment habe ich nicht mehr diese drei gesehen, sondern meinen Vater, Meghan und mich auf der Beerdigung meiner Mutter.

Selbst wenn es etliche Jahre her ist, fühle ich mich plötzlich in diese dunkle Zeit zurückversetzt, in der ich meine geliebte Mutter verloren habe. Auch wenn ich mich schon lange an ihre Abwesenheit gewöhnt habe, bringen Beerdigungen Erinnerungen zurück. Aus diesem Grund weigere ich mich meistens, auf Beerdigungen und Gedenkfeiern zu gehen. Es dauert nicht lange, bis ich mich dann wieder in ein zwölfjähriges Mädchen verwandle, das mit den eigenen Dämonen zu kämpfen hat. Trotzdem wollte ich mir diese Gedenkfeier nicht entgehen lassen. Nicht, weil es zum Plan von Issac gehört, sondern weil ich Jonathan die letzte Ehre erweisen möchte.

Es war mir von Anfang an bewusst, dass es nicht einfach werden wird, jedoch hätte ich nicht damit gerechnet, dass es mich dermaßen mitnimmt. Mein schwarzes, knielanges Kleid klebt durch meinen Schweißausbruch an meinem Körper, während ich mich fiebrig fühle. Um wieder zu Atem zu kommen, schließe ich meine Augen und versuche meinen Herzschlag zu beruhigen. Ich erinnere mich an drei Dinge, die mich wirklich immer entspannen.

Bahamas.

Pina Colada.

Und heiße Surfer-Boys.

Letztes Argument lässt mich an meinen alljährlichen Urlaub auf den Bahamas zurückdenken, wo ich meinen Geist baumeln lasse, um mich vom stressigen Alltag zu erholen. Letztes Jahr fand zur gleichen Zeit ein Surfwettbewerb statt, sodass ich mich am Strand nicht nur bräunte, sondern mir auch einen Augenschmaus gegönnt hatte. Und oh, Paolo...mit seinem verführerischen... Sixpack. Nachdem ich erfahren habe, dass dieser Wettbewerb immer zur selben Zeit stattfindet, habe ich den Urlaub für dieses Jahr wieder auf dasselbe Datum verlegt.

Eine Hand legt sich auf meine Schulter. »Will ich wissen, wieso dein Gesicht errötet ist und du dreckig grinst?«, höre ich Liv fragen, weshalb ich meine Augen öffne und in ihr neugieriges, jedoch amüsiertes Gesicht blicke. Ihre Augenbraue hebt sich. »Dir ist schon bewusst, dass wir uns auf einer Beerdigung befinden, oder?«

Sie holt mich aus meinen Gedanken zurück, sowie sorgt in Sekundenschnelle für ein schlechtes Gewissen. »Ohje, ich habe nicht mitbekommen, dass ich so abgedriftet bin. Ich habe nur versucht mich ein bisschen abzulenken«, teile ich ihr mit und seufze. »Du weißt schon... Beerdigungen und so«, gestehe ich ihr niedergeschlagen.

Sie versucht ein Lächeln zu unterdrücken. »Und da denkst du ausgerechnet jetzt an Sex?«, will sie wissen.

Ich hebe abwehrend meinen Finger in die Luft. »Das war definitiv nicht der Plan. Ich habe an die Bahamas gedacht, den Strand, die Palmen, die Wärme. Dann an die Cocktails am Pool oder beim Abendessen. Dann ist mir der Surfwettbewerb eingefallen und... dann konnte ich meine Gedankengänge nicht mehr aufhalten.«

Liv nickt. »Und jetzt geht's dir wieder besser?«, erkundigt sie sich, da sie sich vermutlich Sorgen um mich macht. Es ist ihr bewusst, wie es gerade um mich steht. Sie ist meine beste Freundin, ich habe eigentlich keine Geheimnisse vor ihr. Ausgenommen meine Abmachung mit Issac, da ich bereits ihr enttäuschtes Gesicht vor mir sehe, wenn ich sie einweihen sollte. Liv würde so etwas nie machen, sie ist zu lieb, nett und manchmal etwas zu naiv. Sie sieht nie das Schlechte im Menschen, vertraut viel zu schnell und wird dadurch oft enttäuscht. Vor allem von den Männern. Ich war früher genauso, doch meine Entscheidungen haben mich geprägt, mich stärker gemacht und mir eine harte Schale verpasst.

»Ja-«, weiter komme ich nicht.

Jemand tippt aufs Mikrofon, bevor er probehalber reinspricht. »Hallo?«, sagt er, um die Aufmerksamkeit der Gäste zu erhalten. Zachary steht auf der Bühne, während sich sein Bruder und seine Mutter an den vordersten Tisch gesetzt haben. Liv tut es ihnen gleich und setzt sich neben mich hin.

Er zwingt sich offensichtlich zu einem Lächeln, versucht stark zu sein und seine wahren Gefühle nicht durchblicken zu lassen. »Ich wollte mich rechtherzlich im Namen meiner Familie bedanken. Die letzten zwei Wochen waren für meine Mutter, meinen Bruder und mich nicht gerade einfach...«, fängt er an und zeigt auf die beiden. »... deshalb will ich mich für die Unterstützung und die aufbauenden Worte bedanken.«

Mein Blick fällt auf seine Mutter, die den Blick gesenkt hat. Sie hat die gleichen dunkelblonden Haare wie Zachary, die sie sich hochgesteckt hat. Nachdem ich von Issac erfahren habe, dass die beiden Halbgeschwister sind, habe ich ein paar Nachforschungen angestellt. Es hat ein wenig gedauert, bis ich die alten Schlagzeilen gefunden habe, doch es hat sich ausgezahlt. Es war vor über zwanzig Jahren ein riesiger Skandal in London.

Obwohl Zachary der älteste Sohn ist, war sein Vater zuerst mit der Mutter von Issac verheiratet. Jonathan hatte eine jahrelange Affäre mit Lilian, der Mutter von Zachary. Nachdem sein ältester Sohn geboren wurde, hat er sich zu Lilian bekannt und hat Rose, seine Ehefrau, verlassen. Es wurde erst danach bekannt, dass Rose kurz vor der Geburt von Zachary schwanger wurde. Die beiden Brüder trennen nur sechs Monate voneinander. Rose ist durchgedreht, nachdem sie von der Scheidung erfahren hat und wollte sich und dem Baby etwas antun. Sie wurde danach in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen. Wenige Monate nach der Geburt von Issac, der in der Obhut von seinem Vater und seiner neuen Verlobten aufwuchs, hat sie sich das Leben genommen. Es hat mich zugegebenziemlich überrascht, da ich Jonathan dieses Verhalten nicht zugetraut habe.Doch es ändert meine Einstellung ihm gegenüber nicht, da dieser Skandal bereitsetliche Jahre her ist. Es wäre ziemlich gemein und unfair einen toten Mann plötzlichals schlecht abzustempeln, obwohl man die ganze Geschichte und Hintergründenicht kennt.

Nachdem Zachary eine kleine Rede zu Ehren seines Vaters gehalten und der Vorstand seines Unternehmens eine zusammengestellte Diashow gezeigt hat, entschuldige ich mich kurz bei Liv, um auf die Toilette zu gehen. Nachdem ich zurück im Saal bin, haben sich alle ein wenig vermischt und niemand ist mehr am herkömmlichen Platz. Zachary hat sich zu den Stehtischen verzogen und hat ein Glas Whiskey in seiner Hand. Er lauscht sichtlich angespannt, da sich nun zwei Vorstandsmitglieder zu ihm gesellt haben. Mein Blick sucht den von Issac, der noch immer am Tisch sitzt. Er nickt und macht eine vorsichtige, für andere undurchschaubare Kopfbewegung in die Richtung von Zachary. Seine Aufforderung ist deutlich, er möchte, dass ich seinen Plan nun endlich in die Tat umsetze.

Während ich mich den Stehtischen nähere, suche ich nach einem freien Platz in der näheren Umgebung von Zachary, sodass ich ihn belauschen kann. Die meisten Tische sind voll belegt, doch gerade entfernt sich ein Pärchen vom Nachbarstisch. Genau gegenüber von Zachary, sodass ich ihn nicht nur belauschen, sondern auch beobachten könnte. »Entschuldigung, ist hier noch frei?«, frage ich den jungen rotblonden Mann, der gerade allein am Tisch ein Glas Sekt in der Hand hält. Er schaut mich verwundert an und seine Kinnlade fällt zu Boden, da er es anscheinend nicht glauben kann, dass ich ihn angesprochen habe. IT-Abteilung, hundertpro. Er schluckt mehrmals, bevor er sich aus seiner Starre befreien kann.

»Redest du gerade mit mir

Ich hebe eine Augenbraue. »Ne, mit der unsichtbaren Frau hinter deinem Rücken, die dir gerade einen Vogel zeigt.«

Er dreht sich erschrocken um, da er wirklich davon ausgeht, dass hinter ihm eine Frau steht und ihn verkackeiert.

Oh, du meine Güte.

»Natürlich habe ich mit dir gesprochen.«

Er kratzt sich verunsichert am Kinn. »Oh, ähm, ja, natürlich«, säuselt er eingeschüchtert, da ihm die ganze Situation unangenehm und peinlich ist. »Ich bin der Mike, Software-Engineer bei Birmingham Records. Du bist doch auch angestellt, richtig? Ich habe dich bereits mehrmals beim Betreten des Gebäudes beobachtet«, sagt er, bevor er errötet. »Also nein, nicht beobachtet, gesehen, ja gesehen. Ich beobachte nicht, bin ja kein Stalker. Ich habe dich zufällig gesehen, ja.«

Der Junge ist wahrscheinlich ein wahres Genie, jedoch besitzt er keinerlei Kommunikationsfähigkeiten.

Ich reiche ihm meine Hand. »Juliet.«

Mike nimmt einen kräftigen Schluck und leert sein Glas, weshalb ich ihn mit gehobener Augenbraue beobachte. »Juliet... schöner Name. Sind deine Eltern etwa Shakespeare-Fanatiker? Haha«, lacht er über seinen eigenen Witz, bevor er hektisch abbricht, da ich es nicht amüsant finde. »Nun gut, gibt es einen Romeo zu dieser Juliet, hm?«, erkundigt er sich interessiert, bevor er realisiert, dass er mich das gerade wirklich gefragt hat. Noch bevor ich etwas auf seine Frage antworten kann, schiebt er seinen Teller mit schokoladenüberzogenen Erdbeeren herüber, um schnell das Thema zu wechseln. »Erdbeere gefällig?«

Mein Kopfschütteln sollte als Antwort reichen, während ich meine Aufmerksamkeit auf den Nachbartisch richte, um den Gesprächen von Zachary zu folgen. Ich blende gekonnt die Stimme von Mike aus und konzentriere mich ausschließlich auf ihn. Issac hatte Recht behalten, unzählige Geschäftsmänner suchen Zachary auf, um sich einen persönlichen Vorteil zu verschaffen. Zuerst folgen die Lobeshymnen auf seinen Vater, bevor sie die eigene Leistung ins Gespräch bringen.

Es ist wirklich abartig, wie die Beerdigung seines Vaters ausgenutzt wird.

Es fällt mir schwer die Unterhaltung am Nachbartisch weiter mitzuverfolgen, da mich Mike ununterbrochen vollquatscht und mich nicht zu Frieden lässt. Ich habe das Gefühl, desto desinteressierter ich wirke, desto lauter und eindringlicher redet er plötzlich. »- und so wurde ich befördert. Meine Mutter ist unglaublich stolz auf mich, hat sie mir erst heute früh am Frühstückstisch erzählt. Sie lebt noch bei mir, weißt du? Es hat sich noch keine Gelegenheit ergeben auszuziehen, doch wenn ich eine feste Freundin-«

Mir platzt der Kragen.

»Shhhhh«, verdonnere ich ihn, nehme eine Erdbeere und stopfe sie ihm in den Mund.

Nachdem Mike, alias das Muttersöhnchen, mich mit geweiteten und schockierten Augen angeschaut hat und endlich verstummt ist, kann ich mich voll und ganz auf Zachary konzentrieren. Sein gezwungenes Lächeln lässt vermuten, dass seine Geduld langsam verpufft. Ein Vorstandsmitglied bahnt sich seinen Weg zu Zachary, um ihm zu kondolieren. »Mein Name ist Wyatt Rochers, ich arbeite seit fast zehn Jahren an der Seite deines Vaters – nun, habe es. Dein Verlust tut mir wahnsinnig leid. Jonathan war ein wahrhaft großartiger Mensch, er wurde viel zu früh von uns genommen.«

Für einen Moment habe ich gedacht, dass er keine Hintergedanken hat, doch werde schnell vom Gegenteil belehrt. »Es ist vielleicht der falsche Zeitpunkt, das anzusprechen, doch ich wollte meine Chance nutzen, mit dir zu sprechen. Ich habe gehört, dass du die Vorstandsleitung gründlich prüfen willst. Eine großartige Idee, wirklich«, fängt er an, weshalb Zachary mit der Stirn runzelt. »... jedoch funktioniert der Vorstand derzeit einwandfrei. Es würde die leitenden Vorstandsmitglieder vor den Kopf stoßen, das könnte wohlmöglich negative Folgen mit sich bringen«, warnt er ihn vorsichtig.

Unglaublich.

Selbst wenn ich Zachary nicht ausstehen kann, hat er dieses Verhalten am heutigen Tage, der Beerdigung seines Vaters, nicht verdient. Die Wut, da ich dieses unangebrachte und unangemessene Verhalten bereits selbst am eigenen Körper erleben musste, übermannt mich. Bevor ich gründlich über mein Handeln nachdenken kann, stolziere ich aufgebracht zu den beiden hinüber. »Schämen Sie sich eigentlich überhaupt nicht?«, fahre ich ihn wütend an. »Es ist die verfluchte Gedenkfeier seines verstorbenen Vaters! Meine Güte! Schon einmal was von Taktgefühl gehört?«

Das Gesicht des Mannes entgleitet ihm, weil er sich ertappt fühlt. »Ich... ähm...« Ihm fehlen die Worte.

Selbst wenn mir Issac das Einmischen vorgeschrieben hat, mache ich es gerade, weil ich es wirklich möchte. Ich empfinde nicht nur ein wenig Mitleid mit Zachary, sondern möchte diesem Vorstandsmitglied einen Arschtritt verpassen. »Es ist nichts Verwerfliches dabei, seinen Hintern retten zu wollen, doch das auf der Gedenkfeier zu machen, ist einfach unglaublich ekelhaft! Sie sollten sich wirklich schämen! Machen Sie einen Abgang, aber ganz schnell, sonst verpasse ich Ihnen eine Abreibung.«

Nachdem der Mann schnell das Weite gesucht hat, wendet sich Zachary streng an mich. »Was sollte das?«, möchte er unzufrieden wissen.

Meine Kinnlade öffnet sich ein wenig, da ich sein Verhalten gerade nicht nachvollziehen kann. Ist er wirklich sauer, weil ich mich für ihn eingesetzt habe? Echt jetzt? »Wie? Was sollte das? Ist es nicht offensichtlich, dass er dir gerade in den Arsch gekrochen ist, um sich einen persönlichen Vorteil zu verschaffen? Nicht zu vergessen, dass im letzten Teil seiner Aussage eine Drohung mitgeschwungen ist...«, verteidige ich mich.

Zachary verdreht seine Augen. »Denkst du nicht, dass ich schon längst dahintergekommen bin? Bereits seit über zwei Stunden stürzen sich alle wie Aasgeier auf mich«, erklärt er mir deutlich genervt, was jedoch nicht auf mich zurückzuführen ist. Die letzten Stunden haben ihn sichtlich mitgenommen. »Meine Frage ist jedoch, was du gerade bezweckst.«

»Wie bitte?«, frage ich irritiert.

Seine Augen formen sich zu spitzen Dolchen. »Du hast mich schon verstanden, Juliet, du musst jetzt nicht die Unschuldige spielen. Du bist mir sicherlich nicht ohne Grund zur Hilfe gekommen. Was versprichst du dir? Nicht gefeuert zu werden? Dass ich dir dankbar bin?«, fragt er bissig nach, da er davon ausgeht, dass ich Hintergedanken habe. »Du bist nicht besser als die anderen Blutegel, die sich an meine Fersen heften. Du bist eine Intrigantin, du solltest dich schämen!«

Vor wenigen Sekunden war ich noch auf den anderen Mann sauer, jetzt hat Zachary meine ganze Wut beansprucht. Selbst wenn vielleicht am Anfang ein Fünkchen Wahrheit in seinen Worten steckt, bin ich ihm am Ende nur zu Hilfe bekommen, da ich wirklich Mitleid empfunden und das Verhalten des Vorstandsmitgliedes verteufelt habe. Wie dumm ich doch bin.

Ich zeige anklagend mit einem Finger auf ihn. »Einfach unglaublich«, blaffe ich aufgebracht. »Ich habe mich nicht eingemischt, um dir den Hintern zu küssen. Ich kann dich noch immer nicht leiden und glaube nicht, dass du deinem Vater je gerecht werden kannst!«, gebe ich zickig wieder, um meinen Standpunkt zu vertreten. »Ich bin dir zu Hilfe gekommen, da ich das alles...«, sage ich und zeige mit meinen Händen im Saal herum. »... bereits erlebt habe und weiß, wie es sich anfühlt.«

Sein Gesicht spannt sich an, da er angestrengt über meine Worte nachdenkt. »Was meinst du damit?«

Ich verschränke meine Hände vor meinem Oberkörper. »Meine Mutter war eine ausgezeichnete Pianistin, sie hat fast jeden Abend im Konzerthaus von Little Rock, Arkansas vor einem ausverkauften Publikum gespielt«, erkläre ich und seufze. »Nachdem sie vor vielen Jahren gestorben ist, haben sich die Musikanten um ihre Anstellung gerissen. Sie sind zur Beerdigung gekommen, um sich beim Veranstalter des Konzerthauses einzuschleimen, der an der Beerdigung teilgenommen hat, weil er meine Mutter wirklich wertgeschätzt hat. Über die Hälfte der Anwesenden waren also nicht wegen meiner Mutter an der Beerdigung beteiligt und haben das Andenken meiner Mutter mit Gier, Egoismus und Narzissmus beschmutzt«, teile ich ihm aufgewühlt mit.

Er zögert. »Ich-«

Noch bevor er zu Ende reden kann, unterbreche ich ihn. »Wie du siehst, habe ich mich nicht eingemischt, um dir in den Hintern zu kriechen, sondern weil ich solch ein Verhalten verabscheue, da ich es bereits am eigenen Leib miterleben musste.«

Sein Gesicht wird von einem schlechten Gewissen geplagt. »Juliet, ich hatte keine Ahnung, dass-«

Erneut lasse ich ihn seinen Satz nicht beenden, da ich gerade nichts aus seinem Mund hören möchte. »Spare es dir, Zachary. Vielleicht habe ich in diesem Unternehmen doch nichts mehr zu suchen und es wäre besser, wenn ich mir eine neue Anstellung suche.« Mit diesen Worten, die tief aus meiner Seele stammen, lasse ich ihn stehen und renne schnell davon, um ihm meine Tränen, die durch meine Vergangenheit entstanden sind, nicht sehen zu lassen.

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