Gespräch mit Pierre - Kevin

Kevins PoV

Nur wenige Minuten nach unserem Gespräch war Nico eingeschlafen. Sein Körper brauchte die Ruhe, um sich zu erholen und nun, wo er wirklich nur schlief und es nicht an den Medikamenten lag, war es für mich auch völlig in Ordnung. Es war ein komplett anderer Anblick, ob er mit Tubus und Schlafmittel dort lag oder friedlich schlafend lediglich mit der Nasenkanüle. Immer mal wieder huschte meine Blick zum Monitor, doch blieben die dort angezeigten Werte unverändert. 

Mit jeder Stunde, die verging und Nicos Zustand stabil blieb, begann ich mich weiter zu entspannen und verlor Stück für Stück die Angst um ihn. Es lag noch ein langer Weg vor ihm, doch Nico lebte und das war für den Moment am wichtigsten. Über all die noch folgenden Schritte konnten wir uns später noch immer Gedanken machen. 

Als Nico am späten Nachmittag erneut wach wurde, lächelte ich ihn sanft an und strich über seine Wange. Er brauchte länger als gewöhnlich, um richtig wach zu werden. 

Normalerweise konnte Nico morgens die Augen aufschlagen und sofort in den Tag starten. Eine Eigenschaft, die mich bei unseren gemeinsamen Nächten im Hotel bereits um einige Stunden Schlaf gebracht hatte, doch die auch durchaus ihre Vorteile hatte. Immerhin war ich dadurch bereits einige Male in den Genuss eines Frühstücks im Bett gekommen. 

 Noch immer verschlafen lächelte er mich leicht an.

Es klopfte an der Tür, die sich bereits im nächsten Moment öffnete. Ein Arzt, den ich bisher noch nicht kannte, der aber vermutlich aufgrund des Schichtwechseln nun die Verantwortung trug, betrat den Raum. Er stellte sich kurz vor, doch konnte ich mich nicht auf seinen Namen konzentrieren, da ich bereits ahnte, dass er nicht ohne Grund vorbeischaute. Für einen Moment widmete er sich dem Monitor und schien sich die Werte der letzten Stunden anzuschauen. 

  "Soweit scheint sich alles in die richtige Richtung zu entwickeln. Ich würde gleich gerne ein MRT durchführen, um mir die Verletzung des Rückenmarks genauer ansehen zu können. Anhand des Bildes können wir dann auch über die weitere Behandlung entscheiden", erklärte er knapp. Eine Krankenschwester betrat den Raum. "Wir sehen uns dann gleich wieder", verabschiedete der Arzt sich bereits wieder. Die Krankenschwester wandte sich mir zu. 

  "Das MRT wird einen Moment dauern. Sie können so lange gerne im Wartebereich oder in unserer Cafeteria warten. Ich würde Ihnen dann Bescheid sagen, wenn wir durch sind." Seufzend stand ich auf, wobei ich Nicos Hand nochmal drückte. 

  "Dann wohl bis gleich", verabschiedete ich mich für den Moment, ehe ich widerwillig den Raum verließ und mich tatsächlich auf den Weg zu Cafeteria machte. Ich hatte zwar überhaupt keinen Hunger, doch sagte mir meine Vernunft, dass ich dringend mal irgendwas essen sollte. Wenn ich schon nicht bei Nico bleiben durfte, konnte ich die Wartezeit zumindest sinnvoll nutzen. 

Als ich die Cafeteria betrat, entdeckte ich Pierre an einen der Tische. Er saß allein dort und schob in Gedanken versunken den Salzstreuer hin und her. Eigentlich hatten wir nicht viel miteinander zu tun, doch derzeit befanden wir uns in ähnlichen Situationen, weswegen ich an seinen Tisch trat. 

  "Ich wollte mir eine Kleinigkeit zu Essen holen. Hast du heute schon was gegessen?" Pierre schaute irritiert zu mir auf, was darauf hindeutete, dass ich ihn aus seinen Gedanken gerissen hatte. 

  "Ich hab keinen Hunger", teilte er mit, wodurch er indirekt meine Frage beantwortete. Ich entschloss ihm einfach etwas mit zu bestellen. Selbst wenn er nur ein paar Bissen essen würde, war es immer noch besser als nichts. 

Meine Wahl war auf zwei Sandwiche gefallen. Mit denen ich zum Tisch zurückkehrte, mich setzte und Pierre eins der Beiden zu schob. 

  "Essen", forderte ich ihn auf. Zwar seufzte er auf, doch kam dann der Aufforderung nach und biss, nachdem er die Folie entfernt hatte, ins Sandwich. "Wie geht es Esteban?", erkundigte ich mich nach seinem Teamkollegen, während ich mich selbst ebenfalls zum Essen zwang. 

  "Er schläft viel und wenn er wach ist, wirkt er trotzdem total erschöpft. Aber sein Herz schlägt gleichmäßig, er atmet allein und die Ärzte scheinen mit den Werten den Umständen entsprechend zufrieden zu sein." 

  "Und wieso sitzt du hier herum und bist nicht bei ihm oder im Hotel?" 

  "Lance und Mike sind schon seit heute morgen da und seine Eltern sind vor zwei Stunden dazugekommen." Abwartend sah ich den Jüngeren an, da meine Frage noch immer unbeantwortet war. "Ich würde einfach gerne ein paar Minuten allein mit Esteban reden, aber jedes Mal, wenn wir mit unserem Gespräch zum wichtigen Teil kommen, werden wir gestört. Entweder eine Krankenschwester kommt, um mich raus zu werden, oder irgend Jemand kommt zu Besuch. Ich will doch nur endlich wissen, wo wir stehen und was wir sind." Verzweifelt fuhr Pierre sich durch die Haare. 

  "Ihr habt was am Laufen?", hakte ich überrascht nach, da ich davon bisher noch nichts mitbekommen hatte. 

  "Ja, schon, aber eben nicht das, was ich gerne hätte. Es war eigentlich nur was lockeres, bis ich mich verliebt habe. Ich habe mich nie getraut es ihm zu sagen. Beim Unfall ... ich hatte so eine Angst ihn für immer zu verlieren. Das brennende Auto aus dem sie ihn erst nicht rausbekommen haben und dann der Herzstillstand mit der Reanimation. Ich war kurz bei ihm im Rettungswagen. Er war nicht bei Bewusstsein. Ich habe ihm gesagt, dass ich ihn liebe, weiß aber bis jetzt immer noch nicht, ob er es gehört hat und wie seine Gefühle für mich sind. Wir sind inzwischen soweit gekommen, dass ich weiß, dass er meine Stimme gehört hat, sich aber nicht sicher ist, ob ich auch die Worte gesagt habe, an die er sich erinnern kann. Und dann ist da noch Lance. Yuki hatte die Vermutung, dass zwischen ihm und Este was läuft. Er bekommt Informationen von den Ärzten, hat Kontakt mit Estebans Eltern und hat ein echt mieses Timing. Heute morgen lag dann plötzlich noch Lando bei Esteban im Bett." 

  "Klingt nach einer miesen Situation", stellte ich fest, wofür Pierre mir einen genervten Blick zuwarf. 

  "Danke, das habe ich auch schon festgestellt." 

  "Ich hätte eine scheinbar sehr rachsüchtige Fast-Ex-Frau, die herum erzählt, ihr Mann wäre gestorben obwohl er noch lebt und die wahrscheinlich komplett durchdrehen wird, wenn sie rausfindet, dass keine andere Frau sondern ich der Grund der Trennung bin, im Angebot. Möchtest du tauschen?" Der genervte Blick wechselte zu überrascht. 

  "Moment, du und Nico?" 

  "Wir sind beziehungsweise waren beide verheiratet und haben Kinder, trotzdem haben wir es hinbekommen. Dann wirst du wohl mit Lance klarkommen. Und ich denke nicht, dass du dir um Lando, der noch immer Carlos liebt, Sorgen machen musst." 

  "Du und Nico?", hakte Pierre noch einmal ungläubig nach, weswegen ich die Augen verdrehte, jedoch auch schmunzeln musste. 

  "Ja, ich und Nico", bestätigte ich, wodurch Pierre der erste Fahrer war, der von uns erfuhr. "Wenn ihr ständig gestört werdet, dann hört doch einfach mal auf, drumherum zu reden und sagt endlich, was Sache ist. Entweder erwidert er deine Gefühle oder nicht. Wie du ihm von deinen Gefühlen erzählst, spielt dabei überhaupt keine Rolle, da es nichts am Ergebnis ändern wird." 

  "Das sagt sich so leicht", seufzte Pierre. 

  "Mr. Magnussen", wurde ich von der Krankenschwester gerufen, weswegen ich aufstand. 

  "Ich muss zurück zu Nico. Iss dein Sandwich auf und dann redest du mit Esteban", forderte ich Pierre auf und verließ, ehe er widersprechen konnte, die Cafeteria. 

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