Ich stieß einen tiefen Seufzer aus und rief dann nach Sarah, nur um kurz darauf über mich selbst die Augen zu verdrehen, denn im Gegensatz zu River konnte ich Sarah nicht einfach herpfeifen. Mein Flauschepony blickte mich zwar erwartungsvoll an, bewegte sich aber keinen Millimeter, also griff ich Sofias Arm und wollte mit ihr rüber zu Sarah. "Au! Pack mich nicht an!" fauchte sie und ich hatte echt Mühe, ein erneutes Augenrollen zu unterdrücken. Stattdessem zuckte ich die Schultern. "Gut, wenn du trotz Schwindel lieber ohne Hilfe rumlaufen willst, deine Sache." Ich sah wie sich ärgerlich auf die Lippe biss und sich dann mit der unverletzten Hand an mir abstützte. Das "Geht doch." konnte ich gerade noch zurückhalten. Bei Sarah blieben wir stehen und eine Weile lang tat keine von uns irgendetwas. "Was ist jetzt? Warum stehen wir hier so rum?" meckerte Sofia, als es ihr irgendwann reichte. "Ich warte nur darauf, dass du aufsteigst." entgegnete ich verständnisslos, aber da ging das Gemecker erst richtig los: "Ich? Auf dem Moppelpony? Never! Und überhaupt: wie soll ich denn bitte mit einer verstauchten Hand reiten?! Noch dazu auf so einem komisch ausgebildeten Westerteil!" Langsam reichte es mir. "Erstens ist Sarah nicht moppelig, dass ist der normale Körperbau von solchen Ponys. Zweitens ist Westernreiten nicht 'komisch' sondern nur ein anderer Reistil. Und drittens bin ich ja auch nicht blöd. Die läuft auch so hinter mir her, du brauchst nur dich und die Zügel festhalten, den Rest mach ich. Also was ist jetzt? Steigst du endlich auf oder willst du lieber nach Hause laufen?!" Sofia glozte zunächst wie ein Schaf, dann bemerkte ich, wie sie mühsam ihre Zickigkeit runterschluckte und schließlich einen Fuß in den Steigbügel setzte, kurz darauf saß sie oben. "Halt mal kurz." sagte ich und drückte ihr die Zügel in die gesunde Hand, obwohl sie sie daraufhin anstarrte, als wüsste sie nicht, was sie damit machen sollte. "Sowas nennt man offene Zügel und auch wenn du es dir nur schwer vorstellen kannst: ja, damit kann man ordentlich reiten."

"Komm Sarah!" rief ich und joggte los, Flauschi hinter mir her. Ich muss zugeben, Sarah und Sofia gaben echt ein ungleiches Duo ab, das flauschige Pony mit Westernausrüstung und die angepisste, aufgetakelte aber schlammige Dressurtussi - zu witzig! "Was kicherst du denn so?!" "Nichts, nichts..."
Aber leider gab es noch mehr, dass ich zugeben musste: Sofias Sitz und Haltung waren echt gut, vor allem wenn man bedenkt, dass sie die Sattelart und das Stockmaß nicht gewöhnt war...

Etwa ein Viertelstunde später (die mir jedoch wie 2 Stunden vorkam, in der wir nur sanft getrabt waren, da ich sonst zu Fuß nicht mithalten könnte und in der Sofia kaum den Mund aufgemacht hatte, höchstens für einen bissigen Kommentar) kam uns zum Glück jemand entgegen, der aussah, als könnte er von Cavallio kommen. Springreiter vermutete ich, dem Sitz und der Handhaltung nach zu urteilen. Dazu sah er auch noch - von den affigen Klammoten mal abgesehen - gar nicht so schlecht aus. Groß, dunkle Haare, leuchtende Augen, toller Körper (was Stallarbeit so alles bringt...) und sein Pferd erst! Es war Liebe auf den ersten Blick - ich meine das Pferd! Allerdings benahm es sich komisch, wahrscheinlich irgendwas psychisches, mit dem sie falsch umgegangen waren, sodass es sich zu einem Problem entwickelt hatte. Ich seufzte. Wenn ich mal mit dem arbeiten dürfte... - ich meine das Pferd!

"Finn!" rief Sofia aus und schwang sich sofort von Sarahs Rücken. Der Typ, offenbar Finn, guckte ziemlich verwirrt und began auch direkt, fragen zu stellen: "Sofia! Was ist denn mit dir passiert? Wieso bist du so schlammig? Und wo ist d'Armour? Überhaupt, wer ist das?" Sofia war sofort zu ihm rüber gelaufen und er stieg nun auch ab. "Sie ist mir vor die Füße gefallen." erklärte ich "Ihre Hand ist anscheinend verstaucht und sie sagte ihr wäre schwindelig. Ich konnte sie ja schlecht alleine zu Fuß gehen lassen, sie hätte auf dem Weg wegkippen können und wäre viel zu spät gefunden worden. Ihr Pferd ist abgehauen, schreckhaftes Ding und dann" - "D'Armour ist kein Ding!" Unterbrach Sofia mich, aber Finn und ich ignorierten ihren Zwischenruf beide - langsam wird der Typ mir sympathisch. "Danke auf jeden Fall, dass du meiner Schwester geholfen hast! Ich weiß, sie wirkt nicht sehr dankbar," er warf ihr einen vorwurfsvollen Blick zu "aber sie hätte ohne dich echt ein Problem gehabt. Sie tut sich manchmal etwas schwer in Höflichkeit." Noch ein Seitenblick. "Vielleicht war sie auch einfach ein bisschen zickig, weil du ein Cowgirl bist." Sofia selbst sah ihren Bruder inzwischen mit einem Wie-kannst-du-mir-in-den-Rücken-fallen-Blick an und es schien als wollte sie testen, ob Blicke vielleicht doch töten können. "Sheepgirl." Verbesserte ich Finn, ohne auf Sofias Dolchblicke einzugehen und stieg wieder auf. Wegen Finns verständnisslosem Blick fügte ich noch an: "Mit Pferden kann man nicht nur Rinderherden hüten." und grinste. "Nimmst du sie jetzt mit?" fragte ich und zeigte mit dem Kopf auf Sofia. Finn nickte. "Komm Schwesterherz, steig auf, Pico kriegt das schon hin mit zwei Leuten." Sofia starrte daraufhin entsetzt das Pferd an und Finn verdrehte die Augen. "Jetzt kein Kommentar über mein beklopptes Pferd, ich hab ihn im Griff, okay?" Während die beiden noch mit aufsteigen beschäftigt waren, drehte ich um und trabte los Richtung Ranch. Irgendwas rief Finn noch, aber ich konnte es nicht mehr verstehen.

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by HeartOfScars