Kapitel 18

Sam

„Ich mag euch!", japste James, der gerade um uns herumschlawenzelte, um uns in näheren Augenschein zu nehmen, „Ihr seht vernünftig aus und ihr habt auf alle Fälle die Grundinstinkte, die man auf der Straße braucht. Das ist gut, denn in dieser Stadt darf man niemandem trauen, den man nicht kennt... außer uns natürlich."

„Warum?", fragte ich.

James drehte sich zu mir um und warf mir einen vielsagenden Blick zu: „Am besten kommt ihr erst mal mit rein, sonst stehen wir morgen noch hier! Außerdem blockiert ihr unseren Eingang, falls noch ein Notfall dazwischen kommt.

Schon jetzt war mir die kleine Streunerbande sehr ans Herz gewachsen. Miro und James waren sehr quirlig und redeten offenbar sehr gerne. Candy war eine kleine Diva, die schnell überreagierte, wenn man nicht aufpasste was man sagte. Buddy hinkte ein kleines Bisschen und kratzte sich ständig am Hals, wo seine Narben waren. Nur Pixie schien von allen einigermaßen normal zu sein. Immer bedacht, ihr Gesicht vor allen zu wahren.

„Wie seid ihr auf die Idee gekommen, anderen Tieren zu helfen?", fragte Charlie neugierig, als wir uns in einer bequemeren Ecke des Raumes niedergelassen hatten.

„Wir wollten Menschen davor beschützen, das zu durchleben, was unsere Pfleger durchgemacht haben. Und Tiere retten wir vor dem sinnlosen Tod. Außerdem liegt uns das Wohl aller Leute am Herzen. Wir hassen es, wenn Leute leiden müssen. Egal, ob Mensch oder ob Tier!", erklärte Buddy, der neben Candy saß, die gerade eine gründliche Katzenwäche vollzog und dabei von uns etwa so viel Notiz nahm, wie ein Reissack von einem Fahrrad.

„Ihr seid also eigentlich auf der Seite der Menschen, oder wie soll ich das verstehen?", warf Tomtom skeptisch ein.

„Sagen wir, nun ja, zur Hälfte!", erklärte Pixie uns, „Wir helfen Tieren und wir verändern das Denken der Menschen zu beider Seiten Vorteil."

Ich merkte, wie hinter meinem Rücken genervt geschnaubt wurde. Wie sollten es Hunde schaffen, das Denken der Menschen zu verändern? Wie wollten sie das anstellen?

„Das ist wirklich möglich!", japste Miro, „Wir können es euch auch beweisen! Es war eher ein Zufall, dass es so gekommen ist, aber die Wirkung war genial! Und zwar... Autsch!"

Miro zuckte zusammen, als James nach ihm schnappte.

„Was an: Halt-die-Klappe-das-ist-ein-Geheimnis, hast du nicht verstanden, du Vollidiot? Der Sinn von Geheimnissen ist eben, dass man sie nicht weitererzählt!"

„Komm runter, James! Der da kennt Johnson. Ich denke, er hat ein Recht darauf, es zu erfahren, da die beiden sozusagen: Alte Bekannte sind", maunzte Candy und wischte sich ein paar mal über ihr linkes Ohr. James knurrte ungehalten. Ich war mir sicher, dass sein Geheimnis eigentlich nicht preisgeben wollte, doch unter Pixies strengem Blick und Candys spitzer Zunge fügte er sich schließlich.

„Na schön!", zischte er, „Es funktioniert tatsächlich, gewisse Leute unschädlich zu machen, indem man ihr Umfeld verändert, sodass sie ihr Verhaltensmuster ändern müssen, damit sie keine Schwierigkeiten bekommen."

Stille. James blinzelte uns zu, wir blinzelten ihm zu. „Hä? Jetzt mal im Klartext!", sagte ich.

Pixie verdrehte die Augen. „James, du immer mit deinem Fachlatein!", seufzte sie und räkelte sich auf ihrer Decke, „Was er zu sagen versucht hat ist, dass Johnson wegen uns nun eine Frau kennen gelernt hat. Sie ist sozusagen das direkte Gegenteil zu ihm, ist freundlich, liebt Tiere, aber sie weiß, was sie will. Und da Gegensätze sich bekanntlich anziehen, hat es anscheinend bei ihm endlich klick gemacht... Das hatten wir zwar nicht bezwecken wollen, als wir von ihm davongerannt sind, aber gut. Glückliche Zufälle solls noch geben."

Konnten sich Menschen denn ändern? Konnten Menschen wie der Schwarze Mann sich ändern? Das bezweifelte ich doch aber sehr: „Also meint ihr, er hat sich in sie ver...?"

„Verliebt! Ganz genau! Er hat sich verliebt! Und das sieht man auch", grinste Buddy, „Du hast nicht gesehen, wie er sie löwenherzig davor gerettet hat, von einem Auto überfahren zu werden, oder? Du hast nicht gesehen, wie sie ihn im Krankenhaus besucht hat, weil er sich dabei das Bein aufgerissen hat? Da bahnt sich was großes an, denke ich."

„Ja, bis sie herausfindet, wer er wirklich ist", murmelte ich bei mir.

„Wer genau ist es denn, die ihm den Kopf so dermaßen verdreht hat?", fragte Tomtom. Völlig berechtigt, wie ich fand. Jetzt sahen sich die R.O.F.L.'s doch etwas unsicher an, als ob sie nicht wüssten, wie sie es uns sagen könnten.

„Na ja... witzige Sache, denn eigentlich ist sie ein Cop und die Schwester des leitenden Decectives in Johnsons Fall... welch Ironie!"

Ich versuchte cool zu bleiben, doch ich platzte beinahe vor lachen. Seven neben mir zuckte, weil er ebenfalls ein Lachen unterdrückte und als wir uns dann in die Augen sahen prusteten wir los und alle stimmten mit ein.

„Ah, das passt ja! Der Verbrecher verknallt sich in eine Polizistin. Oh man und da fragt man sich, ob es noch solche komischen Begebenheiten gibt! Manoman!", jaulte Seven vor Lachen. Pixie, James, Miro und Buddy lachten ebenfalls, nur Candy bewahrte ihr Pokerface bei.

„Hey! Das ist nur praktisch. Baut er Mist, dann sorgt Inspector Matthiews höchstpersölich dafür, dass Johnson eine lange Gefängnisstrafe bekommt! Und wenn nicht, so soll es uns auch recht sein. Wir haben uns also nur einen Vorteil verschafft."

Plötzlich knurrte Charlies Magen und Pixie sah alarmiert auf.

„Ihr habt Hunger, oder? Ach wie dumm von mir, ich hätte euch was anbieten sollen!"

„Gegen was zu futtern hätte ich nichts einzuwenden", gestand Bailey ein, die schon wieder ganz nah bei Charlie blieb, als wären sie ein Pärchen. Charlie wedelte zustimmend mit dem Schwanz und hechelte.

„Vielleicht sollten wir euch auch mal die Umgebung zeigen, damit ihr hier nicht immerzu festsitzt. Wir können euch hier ja nicht einsperren", seufzte Pixie und führte uns am anderen Ende des Raumes durch einen Tunnel nach unten. Plötzlich standen wir auf ein paar in der Dunkelheit schimmernden Gleisen und ich sprang sofort zur Seite.

„Keine Panik! Die Strecke wird seit Jahren nicht mehr befahren. Hier ist nix mehr los!", beruhigte mich Miro, der elegant an mir vorbei trabte und sich mit James, Candy und Buddy zur Führung gesellte. Pxie bildete das Schlusslicht und sorgte dafür, dass niemand verloren ging. Klar, sie war ein Border Collie, das war ihre Arbeit.

Wir kamen aus dem alten U-Bahn-Tunnel heraus und standen direkt schon wieder auf Gleisen, aber dieses Mal auf schwach beleuchteten. Buddy beschleunigte den Schritt und es brauchte keinen Hinweis mehr, dass hier tatsächlich noch Züge fuhren. Wir hielten uns ganz dicht an die Seiten des Tunnels, auf der ein kleiner Steg war, auf dem man gehen konnte. Eine U-Bahn rauschte vorbei und zwar so schnell, dass der Wind, den sich verursachte an meinem Fell riss und zerrte. Ich krallte mich im Boden fest und duckte mich, weil mich der Wind sonst fortgerissen hätte. Als die Bahn weg war drückte ich meinen Rücken winselnd gegen die Wand und schämte mich, sah dann aber, dass es den anderen genau so ging.

„Man gewöhnt sich dran", lächelte Pixie mir zu, der ich schwer atmend und mit klopfendem Herzen noch immer paralysiert dastand und auf die Gleise starrte. Stumm nickte ich und ging weiter, bevor noch eine Bahn vorbeisauste, dieses Mal jedoch auf der anderen Seite des Tunnels. Der Wirbel, den sie verursachte, war sogar noch stärker, als der vorige und riss mich beinahe von dem Vorsprung. Wir beeilten uns also weiter zu kommen, bevor noch jemand abstürzte.

In einiger Entfernung konnten wir Licht sehen und einen großen Raum. Eine U-Bahn Station. Ein Treppchen führte zu einer kleinen Wegsperre, über die Buddy mit Leichtigkeit hinwegflog. Die beiden Spaniel schlüften unten hindurch. Als ich sprang, konnte ich nicht die richtige Höhe erreichen und knallte mit voller Wucht gegen das Metallgestell. Mit den Vorderbeinen klammerte ich mich fest und zog mich dann Stück für Stück darüber hinweg. Die anderen schlüpften lieber unten durch, anstatt den gleichen, schmerzhaft misslungenen Zirkustrick meinerseits zu wiederholen.

Die Tierbande drängte uns zum Weitergehen und führte uns aus der Station heraus in einen belebten Stadtteil. Autos fuhren hier ohne Ende und Lichtreklamen säumten den Straßenrand. Überall waren Menschen und auch Hunde, die aber meistens in kleinen Handtaschen herumgetragen wurden. Jedenfalls sah das hier zuerst aus, wie ein Paradies, doch wenn man genauer hinsah, entdeckte man auch Schattenseiten. Ein kleiner Junge lief hinter einer Gruppe Touristen her und schlitzte ihnen die Rucksäcke auf, um an das Geld zu kommen. Eine Bettlerin saß am Wegesrand, als wir durch die Stadt geführt wurden.

„So, Leute! Das ist erst einmal Downtown, ein winziger Teil L.A.'s", erklärte Candy, „Es wäre aber besser, wenn wir hier nicht zu zehnt durch einen der belebtesten Teile der Stadt gurken würden, also tauchen wir jetzt mal wieder unter!"

Wir teilten uns in kleinere Grüppchen auf und bogen in eine Seitenstraße ab. Ich verstand, warum sie uns weg von den Menschen führten. Ein so großes Rudel Hunde fiel sicherlich mordsmäßig auf und wenn dann mal einer einen Tierfänger angagierte, waren wir geliefert. Es schien also doch eine gute Entscheidung gewesen zu sein, dass wir bei ihnen blieben. Sie hatten tatsächlich Erfahrung und kannten sich gut aus.

Man brachte uns zu einem Restaurant, hinter dem es jede Menge Müll zu durchwühlen gab. Wir alle wurden satt. Ein Küchenjunge spähte einmal nach draußen und erblickte uns, lächelte aber nur und brachte uns nach einiger Zeit verstohlen blickend ein bisschen gutes Brot und auch etwas Fleisch. Dann streichelte er jeden von uns nochmal, bevor er dann wieder nach drinnen verschwand.

„Fred ist so ein netter Bursche!", seufzte Candy und leckte sich durchs Fell, „Ich könnte auch mal wieder eine ordentliche Fellpflege gebrauchen. Ich glaub ich komme morgen Mittag nochmal her."

„Pflegt er euch?", fragte Tomtom. Candy nickte.

„Manchmal... aber meistens kümmern wir uns um uns selbst. Wir setzen uns nicht an Menschen fest. Aber Fred haben wir von der Straße geholt und hierher gebracht, weil hier eine Aushilfe gesucht wurde und dafür ist er uns ewig dankbar."

Ich hatte sie tatsächlich unterschätzt. Sie halfen also nicht nur Tieren, sondern auch Menschen. Sie brachen dabei zwar den uralten Schwur, den die Tiere seit Anbeginn der Zeit einhielten: Dass niemals ein Mensch erfuhr, wie viel sie wirklich verstanden, dennoch taten sie es nur zum guten Zwecke. Ich begann eine tiefe Sympathie für diese verrückte Streunerbande zu entwickeln und vielleicht, ja, vielleicht waren sie in diesem Großstadtdschungel ja tatsächlich unsere Rettung. 

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