Kapitel 44 - Seven

„Jake, da ist Jake!", heulte ich und rannte auf mein Herrchen zu, das aus dem großen Gebäude kam, zu dem wir ihm gefolgt waren. Er war vollkommen außer sich.

„Seven!", rief er überrascht und nahm mich in den Arm. Ich sprang an ihm hoch und leckte ihm vor Freude das Gesicht. Er rubbelte mir den Kopf und drückte mich ganz fest an sich. Plötzlich fing er an zu schluchzen und zu zittern. Was war los mit ihm?

„Sam! Ich wollte ihm helfen, doch diese Mistkerle haben mich rausgeworfen", wimmerte er. Ich strampelte mich frei. Sam war da drin? Und er lebte? Das war klasse! Also hatte sich mein Verdacht doch bestätigt.

Da kam auf einmal ein Auto angerast und bremste mit quietschenden Reifen. Eine rassige Spanierin stieg aus und stakste an uns vorbei.

„Kann ich Ihnen helfen, Señora?", fragte Jake und beeilte sich, um hinter ihr herzukommen, denn die Frau stakste so zielstrebig auf das Gebäude zu, als würde sie schon jahrelang hier arbeiten. An ihrem süßen, angenehmen Duft erkannte man aber, dass es nicht so sein konnte.

„Nein, ich will nur meinen Hund wieder haben, das ist alles!", sagte sie, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Jake trug noch immer seine Arbeitskleidung und deshalb hatte sie ihn wohl für einen Mitarbeiter gehalten.

„Sie denken, ich bin einer von denen? Nein, ich wollte auch nur meinen Hund retten. Der schwarze mit den blauen Augen. Der, der mir das Leben gerettet hat. Sie waren damals meine Krankenschwester, wissen Sie noch? Ich bin Jake Carter, ich wurde von einem Hund aus einem brennenden Haus gerettet und hatte danach einen schwerwiegenden Gedächtnisverlust."

„Sie sind auch auf der Suche nach Ihrem Hund?"

„Ja, ja das bin ich."

„Dann kommen Sie mit, ich geh da jetzt rein und hole mir meine Nana zurück!"

„Warten sie, warten Sie! Sie können da nicht rein. Das Gelände ist Einbruchsicher!"

„Ach ja und hat Señor Carter vielleicht einen anderen Vorschlag?"

„Ich habe die Eintrittskarte!", er hob eine kleine Karte aus Plastik hoch und wedelte ihr damit vor der Nase herum. „Die bekommen nur Praktikanten und Mitarbeiter. Die Sicherheitsleute haben vergessen, mir die Karte abzunehmen. Ich war ja nur Praktikant. Tiermedizin, bevor sie fragen."

„Na schön, dann nehmen wir eben Ihre Karte und gehen da rein. Jetzt sofort!"

„Nein, wir müssen noch warten, jetzt sind gerade noch zu viele Leute hier, da werden wir auffallen, wie ein bunter Hund. Naja, ein bunter Hund ist da drin nicht wirklich etwas Besonderes. Nehmen sie's lieber metaphorisch."

Die Frau kicherte. „Sara Lopez", sagte sie und reichte Jake die Hand.

„Carter....Jake, also Jake ist der Vorname, der vor Carter", er nahm die Hand und kratzte sich dann verlegen am Hinterkopf. Sara grinste schelmisch. Unsichtbare Spannung knisterte zwischen den beiden, das spürte ich.

„Wir warten bis um 22.00 Uhr. Dann sind die meisten Sicherheitskräfte und Mitarbeiter weg. Nur noch ein paar Leute sind da und machen Versuche, die möglichst nicht an die Öffentlichkeit geraten sollten..."

„Heißt das, die machen illegale Sachen mit den Tieren?"

„Keine Ahnung. Das wird geheim gehalten. Nicht einmal ich durfte bis dahin hierbleiben, geschweige denn eine Akte eines solchen Versuches durchlesen."

„Interessiert Sie so etwas denn?", fragte Sara skeptisch. Jake schüttelte vehement mit dem Kopf.

„Eigentlich überhaupt nicht. Ich bin absoluter Tierversuchsgegner, zumindest jetzt nach diesem Praktikum. Aber ich brauchte eine Praktikumsstelle für mein Tiermedizinstudium und ich habe gedacht, das hier wäre nur halb so schlimm. Da habe ich mich wohl getäuscht. Also eins ist sicher, ich werde diese Typen hier melden. Was da drin abgeht ist echt unter der Gürtellinie!"

„Wir können im Auto warten", schlug Sara vor, dann sah sie auf und entdeckte die vielen Hunde.

„Sind das alles Ihre Hunde?", fragte sie mit weit aufgerissenen Augen. Jake drehte sich um und ihm entfuhr ein Schrei des Schreckens, als ihn ein Dutzend Hundeaugen anblickten.

„Eigentlich gehört mir nur der hier", sagte er verwirrt und zeigte auf mich, „Woher der Rest kommt, weiß ich nun wirklich nicht!"

Plötzlich kam Charlie aus der Menge geschossen: „Jake!", jaulte er und sprang ihm aus dem Stand in die Arme.

„Charlie?", fragte der verwundert und kraulte den kleinen Golden Retriever hinter den Ohren. Ich konnte es nicht fassen. Jake kannte Charlie?

„Du armes Kerlchen, das mit Emily hat dich schwer mitgenommen, was? Du musst seit dem Unfall draußen herumstreunen."

„Ist Ihrer Geliebten etwas zugestoßen?", fragte Sara.

„Emily ist- war meine Schwester. Autounfall. Aber das ist eine andere Geschichte. Ja, wenn es dir...ich darf doch du sagen, oder?", Sara nickte und Jake fuhr fort: „Wenn es dir nichts ausmacht würde ich gerne mit im Auto warten."

Ich war reichlich verwirrt. Was war mit Emily geschehen? Jakes Schwester kam früher oft zu Besuch und hatte immer etwas Leckeres für mich dabei gehabt. Sie war ein Engel auf Erden gewesen. Ich hoffte, dass ihr nichts zugestoßen war. Jake und Sara stiegen ins Auto. Charlie durfte auch mit, aber ich wollte lieber draußen bleiben. Draußen bei Stella.

„Na Stella, was machst du so?"

„Ich sitze hier und warte und atme!", brummte sie, dann wandte sie mir den Kopf zu und fragte: „Meinst du, dass Tomtom da drin ist?"

Ich seufzte. Was hatte er, was ich nicht hatte? Blöde Frage, denn im Moment hatte er Sam an seiner Seite. Niedergeschlagen ließ ich mich neben Stella fallen und winselte meinen Schmerz gen Nachthimmel.

„Seven?"

„Ja!", knurrte ich genervt.

„Glaubst du ernsthaft, mir ist nicht aufgefallen, dass du immer, wenn ich von Tomtom rede abschaltest? Was ist los?"

Ich spürte, wie mir das Blut in den Kopf schoss und drehte mich weg. Stella wackelte vergnügt mit den Ohren. Es brauchte eine Weile, bis ich mich wieder so weit zusammen hatte, dass ich ein paar Wuffs herausbekam.

„Ich... ich glaube... ich denke... ich bin...", wuffte ich leise und beschämt zugleich, „Ich mag dich wirklich sehr, Stella."

Stellas Augen weiteten sich, doch ich konnte sie einfach nicht ansehen, weil ich Angst hatte, mich zu blamieren. Doch die liebenswerte Hündin mit den goldgelben Augen lächelte nur sanft und wissend.

„Stella, ich... ich dachte, du magst mich nicht. Zumindest nicht so, wie ich dich mag."

„Ach, Seven", lächelte Stella. Ihre Augen funkelten, „Auf diesen Moment habe ich so lange warten müssen, denn ich habe mich auch nie getraut, dich anzusprechen, weil du so abwesend warst, wenn wir geredet haben."

„War es denn so?", fragte ich erschrocken. Stella lächelte amüsiert.

„Ja, Seven. Ich habe dich wirklich unglaublich gerne und ich möchte, dass du weißt, dass es niemanden gibt, der mir mehr bedeutet, als du. Außer Sam vielleicht, aber der ist mein Bruder. Das zählt nicht", sie gab mir einen sanften Kuss auf die Wange.

Mir fehlten die Worte. Äußerlich mochte ich in diesem Moment zwar unglaublich cool wirken, innerlich aber tanzte ein Freudenfeuerwerk. Für diese Nacht war die Welt für mich fast perfekt und nicht einmal die gestreifte Knalltüte Tomtom konnte daran etwas ändern.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top