T w o | The detention
》But you're not really crying over me, are you?《
„Hat Alexander dich belästigt?", fragte Fray mit gesenkter Stimme, legte einen Arm um ihre Schultern und sah ihr tief in die Augen. Angewidert und mit spitzen Fingern entfernte Giselle seinen Arm und trat ein paar Schritte von ihm weg. Sie lehnte sich an die Wand hinter sich und versuchte, so wenig wie möglich durch die Nase zu atmen. Er stank schrecklich nach Schweiß.
„Nein, Fray, er hat mich nicht belästigt", sagte sie genervt. Kann man ja von dir und deinem Gestank nicht behaupten.
„Gut. Ich will ja nicht, dass dir jemand wehtut, wenn du verstehst, was ich meine." Fray setzte eine widerwärtige, mitfühlende Miene auf und Giselle stieß sich augenverdrehend von der Wand ab. Es war doch keine so gute Idee gewesen, zu Fray zu kommen.
Unauffällig linste sie hinüber zu ihrem Stammtisch, sicher saß Alec noch dort und starrte sie mit seinen hypnotisiernden grünen Augen an. Doch der Tisch war leer, Alexander war gegangen.
„Nun, es war nett, mal wieder mit dir geplaudert zu haben", sagte Giselle, nicht ganz ehrlich.
Frays Miene hellte sich auf. „Heißt das, du willst dich öfter mal mit mir treffen? Du könntest mal zu mir kommen, dann zeige ich meine Sticker-Sammlung!"
„Ich könnte mir nichts Schöneres vorstellen", grummelte Giselle und begann, von ihm Weg zu laufen. Er folgte ihr.
„Ich hab richtig viele Sticker, einer davon ist sogar richtig wertvoll!"
Giselle überlegte genervt, wie sie ihn loswerden könnte, ohne zu grob zu sein. Ihn in die nächste Mülltonne zu werfen, würde sie nicht tun; Sie hatte schließlich kein Herz aus Stein. Meistens.
„Und ich habe auch eine Kristall-Sammlung!"
Giselle horchte auf. „Kristalle? Also sowas wie Diamantan?"
„Ne, was viel cooleres!" Giselle zog abwartend die Augenbrauen hoch. „Salzkristalle und kristallisierten Zucker und so. Und ich hab auch einen Kristall den ich mal beim Wandern auf dem Boden gefunden habe!"
Giselle hörte nicht weiter zu, wie er ihr aufzählte, welche Kristalle er hatte. Ihr Blick war auf die Tür zur Mädchentoilette gefallen.
„Und einen ganz großen, den kann man- Hey, wo gehst du hin?!"
„Klo", rief Giselle noch und schloss die rettende Tür hinter sich. Erleichtert aufatmend lehnte sie sich an die kühle Marmorwand und schloss die Augen. Wie konnte man nur so anstrengend sein? Wieso waren solche Leute nur an ihr interessiert?!
„Alles in Ordnung bei dir?" Die Frage mochte lieb gemeint sein, doch Giselle erkannte bereits an der Stimme, dass die Besitzerin alles andere als lieb war. Sie schlug die Augen auf und sah Anastasia direkt ins sommersprossige Gesicht.
Wie immer war alles an ihr perfekt. Ihre Nase war nicht schief und hatte genau die perfekte Portion Sommersprossen, sodass sie nicht wie ein Streuselkuchen aus sah. Natürlich hatte sie auch keine Pickel oder Narben auf der Haut. Nicht eines ihrer glänzenden, rostroten Haare hing ihr in den Augen.
„Alles bestens, danke." Giselles Stimme war eisig. Für gefälschte Freundlichkeit hatte sie gerade keine Zeit. Anastasia hob eine ihrer perfekt geformten Augenbrauen.
„Wenn du meinst."
Und sie stolzierte aus dem Raum, natürlich nicht, ohne sich vorher im Spiegel anzusehen. Wieder atmete Giselle erleichtert aus. Anastasia Durell war ihre Feindin, seit sie Giselle im Kindergarten von der Rutsche geschubst hatte. Es waren zwölf Stiche nötig gewesen, um die dadurch enstandene Wunde zu nähen.
Damals war Giselle selbst ein unschuldiges, braves Kind gewesen, und hatte zugelassen, dass Anastasia sie immer weiter schikanierte, bis Giselle irgendwann der Kragen platzte und sie ihr im Kunstunterricht die Haare bis unter die Ohren schnitt. Sehr unordentlich noch dazu. Ihre Kämpfe zogen sich weiter und weiter, einige Finger brachen, einige Wunden entstanden, einigen Puppen wurde der Kopf abgerissen und Hausaufgaben sabotiert.
Aufgehört hatten diese Kriege erst, nachdem Anastasia die Schule wechselte und sie sich aus den Augen verloren. Das nächste Mal gesehen hatten sie sich dann in der Ballett-Schule, wo sie sich etwas friedlicher weiter bekriegten. Jedenfalls waren sie jetzt beide hier auf der selben Schule, und obwohl sie sich keine Haare mehr abschnitten oder vor Autos schubsten, war noch ein Teil ihrer alten Rivalität geblieben.
„Alles okay mit dir?"
Frustriert stöhnte Giselle auf. Diese Stimme war noch unerwünschter als die ihrer Kindheit-Tyrannin.
„Fray, verdammt noch mal, das ist ein MÄDCHENKLO. Geh deine Team-Kollegen bequatschen!"
Bedröppelt zog Fray seinen Kopf zurück und schloss die Tür. Giselle klatschte sich die flache Hand ins Gesicht und verwarf den Gedanken, der ihr gerade gekommen war. Sie würde unmöglich den ganzen Tag hier verbringen können, bei ihrem Glück würde sie hier drin auch noch Chelsea, Ms Happlehop und Alexan-
„Du siehst nicht sehr gut aus." Wütend wirbelte Giselle herum und stierte zur Tür, durch die eben Alexander getreten war. Er schloss sie hinter sich und sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen und einem schelmischen Grinsen an.
„Du und ich im Mädchenklo, huh?"
Giselle machte auf dem Absatz kehrt und schloss sich so schnell wie möglich in einer Kabine ein. „Nein!", brüllte sie ihn durch die Kabinentür an. „Nein, nicht auch noch du!"
,,Hey, so schlimm bin ich doch gar nicht."
,,Nein, gar nicht", fauchte Giselle und setzte sich mit verschränkten Armen auf den Klodeckel. ,,Woher wusstest du eigentlich, dass ich hier bin?"
,,Wusste ich nicht. Ich hatte hier eine heiße Verabredung mit Anastasia, klang verlockend. War nur ein Spaß", fügte er rasch hinzu, als Giselle ein angewidertes Geräusch ausstieß.
,,Fray hat mich belagert und gemeint, wegen mir würdest du dir auf dem Klo die Augen ausheulen und ich solle mich vergraben gehen, weil ich dich mit meiner Anwesenheit vergewaltige. Seine Worte, nicht meine."
Giselle stöhnte auf. Hatte sie sich nicht vorhin noch als einen guten Menschen gesehen? Das passte gar nicht zu den blutrünstigen Gedanken, die ihr jetzt durch den Kopf strichen.
,,Du heulst dir aber nicht wirklich wegen mir die Augen aus, oder?"
Giselle stand auf, riss die Tür auf und starrte ihn wütend an. Diese bescheuerten grünen Augen. Potthässlich.
,,Sehe ich etwa so aus?!"
Alexander lachte leise. ,,Du siehst aus als würdest du entweder platzen von dem Verlangen, über mich herzufallen, oder von dem Verlangen, mich zu vergewaltigen."
Giselle schnaubte, warf ihm einen Todesblick zu und stürmte an ihm vorbei zum Waschbecken, wo sie sich ziemlich aggressiv das Gesicht wusch. Alexander stand da und sah ihr schweigend zu.
,,Was ist?", fauchte sie nach einer Weile und sah in ihm Spiegel an. Ein Kaugummi klebte genau auf dem linken Auge von Spiegel-Alec.
Ob der auch so dämlich grinsen würde, würde das Kaugummi in seinem echten Auge kleben? Zum bestimmt zehnten Mal an diesem Tag fragte sie sich, ob sie ein ernsthaftes Gewalt-Problem hatte.
,,Du siehst ziemlich gereizt aus. Warum?"
Wütend funkelte Giselle ihn an. ,,Warum?! Ist das dein Ernst?"
,,Sonst würde ich dich nicht fragen."
Sie atmete zittrig durch, um sich nicht sofort umzudrehen und Alec mit bloßen Händen zu ermorden.
„Falls es dir nicht aufgefallen ist, werde ich gerade von einem nervigen Typen auf der Mädchentoilette belästigt. Vorher musste ich mich mit meiner Kindheits-Feindin und einem Sticker und Kristalle sammelnden, verknallten Jungen herumschlagen. Dazu sind auch noch meine Freunde nicht da und ich habe nichts zu Mittag gegessen, als ein Nutella-Brötchen!"
Unbeabsichtigt war ihre Stimme immer lauter geworden, sodass sie die letzten Worte besonders aggressiv schrie.
„Woah, Woah. Calm down."
„Ich geb dir gleich calm down, du widerwärtiger, nerviger, egoistischer Schlappschwanz!", fauchte Giselle und klammerte sich fest ans Waschbecken.
Schlag ihn nicht, Giselle. Schlag ihn nicht. Schlag ihn nicht.
Böse guckte sie den Spiegel-Alec an. Diese beschissenen blonden Locken.
Schlag ihn bloß nicht.
„Also bin ich jetzt ein Schlappschwanz?"
Schlag. Ihn. Nicht.
„Das hast du aber nicht von mir gedacht, als du mit mir geschlafen hast."
Schlag ihn.
Giselle wusste nicht genau, wie, aber gut fünf Sekunden später lagen sie beide auf dem schmutzigen Toilettenboden, fest verschlungen. Nachdem ihre Faust direkt unter seinem Kinn gelandet und ihre andere Hand seine Haare gepackt hatten, waren sie gestürzt. Alexander hielt fluchend ihre Arme und Beine so fest, dass sie nicht um sich treten und schlagen konnte.
„Lass mich los, du mieser Schleimbeutel! Du Dumpftorte! Du... du...", knurrte Giselle und wehrte sich nach Leibeskräften, doch sie konnte sich kaum zwei Zentimeter bewegen. Sein schwerer Körper drückte ihr beinahe die Luft ab, seine Beine hielten ihre, seine Hände hatten ihre Arme festgenagelt.
„Lass. Mich. Los."
„Damit du mir wieder einen Kinnhaken verpasst? Nein danke."
„Alexander."
„Giselle."
„Oh mein Gott."
Ihre Köpfe wandten sich schlagartig zur Tür um. Chelsea stand im Türrahmen. In der linken Hand hielt sie einen Drink, in der rechten ihr Handy. Ihr Mund stand offen und ihre Augen waren weit aufgerissen, als sie Giselle und Alexander so auf dem Boden liegen sah.
„Oh mein Gott." Sie wischte hektisch und blitzschnell auf dem Handy herum, welches ein verdächtiges Klicken hören ließ. Ohne, dass Giselle es plante, schoss ihr Knie in die Höhe und traf die Weichteile von Alexander Giant.
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„Sie wissen, warum Sie beide hier sind?"
Mit zusammengebissenen Zähnen sah Giselle Mr Abercrumbs, den Schulleiter, an. Alexander neben ihr saß zusammengekrümmt da, nicht vor Scham, sondern vor Schmerz, und presste seine Hände auf seinen Schoß. Mr Abercrumbs bemerkte dies und zog eine Augenbraue hoch, so wie Anastasia es vor einer halben Stunde getan hatte. Jedoch war seine buschig und beinahe mit der anderen zusammengewachsen, und nicht perfekt geformt und gepflegt.
„Ms Chelsea Wotch hat Sie gemeldet, weil Sie anscheinend in der Mädchentoilette... miteinander verkehrten. Ist das richtig?" Wieder lagen seine Augen auf Alexanders im Schoß verschränkte Hände. Dachte Mr Abercrumbs Alexander hätte einen...
„Nein, ist es nicht", murrte Giselle. „Was haben Sie dann getan?" Weder Alexander noch Giselle sagten etwas. War es nun besser, wenn ihr Schulleiter dachte, sie hätten es auf dem Klo getrieben, oder, dass Alexander ein psychopatischer Stalker und Giselle gewalttätig war? Sie biss sich auf die Unterlippe und aus dem Augenwinkel sah sie auch Alexander das Gesicht noch weiter verziehen.
„Ganz offensichtlich haben sie es da getrieben", schallte es ekelerregend aus der Ecke und Chelsea trat vor. „Sehen Sie?" Und sie hielt dem Direktor ihr Handy vor die Nase. Entrüstet schnappte sich Mr Abercrumbs das Handy, schaltete es aus und legte es in seine Schreibtischschublade.
„Ms Wotch, der Handy-Gebrauch ist verboten. Sie können sich das Handy später abholen, davon abgesehen, dass ich so etwas nicht sehen will. Sie können jetzt gehen."
Chelsea öffnete entrüstet ihren Mund, verschränkte die Arme vor der Brust und verließ betont mit dem Hintern wackelnd das Büro. Wieder einmal fragte sich Giselle, warum zum Himmel und zur Hölle sie mit solchen Schnepfen auf einer Schule war.
„Was Sie betrifft, Mr Giant und Ms Hellet, bin ich schwer enttäuscht. Sie werden sich heute zu zwei Stunden Nachsitzen im Klassenraum E03 einfinden. Ich erwarte, dass so etwas nie wieder vorkommt. Einen schönen Tag noch." Schweigend erhoben sich Alexander und Giselle und verließen das Büro.
„Das ist alles deine Schuld", fauchte Giselle, kaum war die Tür ins Schloss gefallen. „Du bist ja so krank, Alexander. Du tust so, als wäre ich das einzige Mädchen. Schnapp dir doch einfach Chelsea oder so. Die ist doch ganz scharf auf dich."
„Aber die will ich nicht. Ich wünsche mir dich."
„Das Leben ist kein Wunschkonzert."
„Das hast du mir schon mal gesagt."
„Du hörst zu? Na das ist ja mal interessant. Warum bist du dann noch hier."
„Weil ich dich will."
Frustriert blieb Giselle stehen, die Arme fest vor der Brust verschränkt. „Lass es einfach", sagte sie und verdrehte die Augen. Diese beiden Bewegungen hatte sie am heutigen Tag schon so oft ausgeführt, dass ihre Arme wohl bald verbogen und ihre Augen verdreht bleiben würden. Vielleicht würde Alec sie dann in Ruhe lassen.
Alexander trat nah an sie und sah sie tief aus seinen behinderten grünen Augen an. Dabei fiel ihm das blöde blonde Haar ins Gesicht und der widerliche Geruch, den er immer mit sich brachte, hüllte sie ein. Vanille und Zimt.
„Das kann ich nicht", hauchte er. „Ich will nur dich."
Seine Augen waren auf ihre Lippen gerichtet und auch sie sah kurz auf seine. Zartrosa und geschwungen. Wie hässlich. Genauso hässlich wie das Lächeln, das darauf lag und Grübchen in seiner ätzenden, glatten Haut erscheinen ließ. Er kam näher, sie konnte seinen Atem auf ihrer Oberlippe spüren.
„Alec", murmelte sie. „Du bist so lächerlich." Sie schenkte ihm ein bitteres Lächeln, trat zurück und tätschelte ihm die Schulter, als sie an ihm vorbeirauschte. „Wir sehen uns später beim Nachsitzen."
(Wortzahl: 2067)
Vielen Dank fürs Lesen! Ich hoffe, das Kapitel war nicht zu langweilig, aber solche Füller-Kapitel müssen sein, da ich nicht zu überstürzt zum eigentlichen Thema gehen möchte.
Wie hats euch gefallen? Lasst es mich gerne durch Kommentare oder Votes wissen!
Was denkt ihr von Chelsea?
Wen mögt ihr mehr, Alexander oder Fray?
Ich wünsche euch verfrüht ein schönes Wocheende! Bleibt gesund!
~Joy
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