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Zwei Jahre zuvor waren an einem späten Abend in Hogwarts zwei Professoren auf dem Weg zum Schulleiterbüro.
"Du hast mir gar nicht gesagt, dass Hermine Granger bei uns ein Praktikum machen wird."
"Das ist ein Witz, oder? Du drückst dich vor jeder Konferenz im Lehrerzimmer. Ich hatte es dort erwähnt", antwortete Minerva. Sie blieb vor dem Wasserspeier stehen und gähnte mit der Hand vor dem Mund. "... Severus, es ist schon spät. Ich würde jetzt wirklich gerne ins Bett gehen und mir deine Beschwerden über den heutigen Tag morgen anhören."
"Ja, das hättest du gerne. Ich will zwei Stunden meiner Zeit zurück", knurrte Severus schlecht gelaunt.
"Worum geht es hier gerade? Ich glaube nicht, dass ich dir folgen kann", überlegte Minerva angestrengt.
"Es geht um Hermine, unsere neue Praktikantin. Sie hat sich auf meinen Platz gesetzt und ich musste neben Schnarchnase Mallory sitzen", lamentierte Severus unkooperativ.
"Aber bitte, Severus, Mallory ist doch keine Schnarchnase", stellte Minerva richtig.
Severus hob herausfordernd eine Augenbraue. "Geschichte der Zauberei ist zum Einschlafen langweilig. Es wird nicht interesssanter, wenn du solche Leute einstellst, um sie zu unterrichten."
Minerva legte Zeige- und Mittelfinger an die Schläfen und massierte sie. "Ich mag es nicht, dass du so über deine Kollegen sprichst. Mallory ist ein höflicher, älterer Herr. Er kommt mit allen gut klar. Das gleiche gilt für Hermine. Sie tut ihr Bestes, um sich einzugewöhnen. Du hingegen beschwerst dich alle zwei Tage über ein neues Problem. Du benimmst dich albern", betonte sie.
"Sie ist Praktikantin. Wie schwer kann sie es da schon haben", ätzte Severus unbeeindruckt.
Minerva schloss kurz die Augen. Müde sah sie Severus wieder an. "Gibt es außer der Sitzordnung beim Abendessen noch etwas, worüber du dich aufregen willst? Wenn nicht, dann nimm dir die Zeit und arrangiere dich mit Hermine. Mallory ist dir zu langweilig, dann setz dich nächstes Mal neben sie. Das ist zu unser aller Bestem. Sie hat sich sehr spritzig mit Rolanda unterhalten, was dir auch mal gut täte. Sie ist noch nicht lange da, aber sie bringt bereits jetzt frischen Wind in unser Lehrerzimmer. Außerdem ist es an der Zeit, dass ihr euch aussprecht. Sie kommt zu jedem Treffen des Ordens im Grimmauldplatz, wohingegen du jedes Mal eine andere Ausrede hast, um nicht hinzugehen."
"Vielleicht weil ich keine Lust darauf habe, ihr oder Potter dem Helden zu erklären, wie ich überlebt habe, nachdem sie mich für tot gehalten haben", spuckte er aufmüpfig.
Minerva seufzte tief. "Wärst du nicht so eine Diva, würde ich jetzt lachen. Du hast die Geschichte schon tausendmal erzählt. Und du liebst es, wenn die Leute sich um deine Aufmerksamkeit reißen."
"Na gut. Vielleicht mache ich das. Vielleicht setze ich mich neben sie und erzähle meine divenhafte Geschichte", sagte Severus drohend.
Minerva winkte lässig mit der Hand. "Ja, tu das. Ich gehe jetzt ins Bett."
Auch das löste das Problem nicht. Hermine versuchte zuerst höflich, dem schneidenden Tonfall ihres Kollegen mit Nachsicht zu begegnen. Mehr und mehr jedoch stand sie kurz vor der Explosion. Eines Tages hatte sich die Situation so aufgeschaukelt, dass Hermine ihre Fingernägel in die Innenseiten ihrer Hände drückte, bis sie fast blutig waren.
"Sieh sich einer die Arbeiten meiner Abschlussklasse an. Alles ruiniert", schnauzte Severus.
"Es tut mir sehr leid. Das war ein Versehen", setzte Hermine entschuldigend an. Sie hatte die vorbeifliegenden Thestrale sehen wollen und dafür das Fenster des Lehrerzimmers geöffnet. Doch ein Windhauch brachte plötzlich eine Ladung Regen mit herein und durchtränkte die Arbeiten auf dem Tisch. Damit hatte Hermine buchstäblich für frischen Wind gesorgt.
"Wenn Sie das nächste Mal das Fenster öffnen, vergewissern Sie sich, dass draußen kein Sturm ist", unterbrach Severus sie belehrend.
Hermine war es unangenehm, dass sie so von ihm angeschnautz wurde wie ein unfähiger Lehrling. Sie ballte die Hände und ihre Fingernägel bohrten sich fest in ihre Haut. "Haben Sie noch mehr an mir auszusetzen oder reicht das für heute?"
"Nun, für den Moment, aber ganz bestimmt nicht für lange", sagte Severus hochnäsig.
"Ja, geben Sie's mir. Angeblich war ich dafür verantwortlich, dass Bobby Billings den Kessel zur Explosion gebracht hat."
"Sie haben ihm den Tipp mit der Beifußwurzel gegeben."
"Der Tipp war korrekt. Ich habe den Trank früher selbst gebraut."
"Das war im alten Lehrbuch so. Im neuen wurden die Zutaten geändert und Beifuß und Affodill passen nicht mehr zum Rest, was beim Brauvorgang eine gefährliche Gärung hervorruft." Severus grinste fies. "Die werden sich freuen, wenn sie den Test wiederholen müssen."
Er verließ den Raum und Hermine schlug mit der Hand gegen ihre Stirn.
"Nimm es dir nicht so zu Herzen", sagte Neville tröstend, der als einziger Anwesender Zeuge des blöden Vorfalls gewesen war. "Das mit dem Fenster passiert allen. Die Luftströmung ist auf dieser Seite des Schlosses besonders heftig."
"Das war dumm von mir. Ich wollte nur die Thestrale sehen. Im Ministerium ist alles so steif, aber hier gibt es jeden Tag ein neues Wunder."
"Du vermisst Hogwarts", stellte Neville fest und zog den Zauberstab, um gemeinsam mit ihr noch etwas von den Arbeiten zu retten.
Hermine nickte. "Hogwarts ja. Severus nein."
"Du gewöhnst dich an ihn. Im meinem ersten Halbjahr hat er mir vorgeworfen, ich hätte einem begabten Sucher von Slytherin empfohlen, Wachbleibkraut zu nehmen, um seine Leistungsfähigkeit im Quidditch zu steigern. Aber der Junge war nicht begabt. Er hat was von meinen Kräutern geklaut und beschissen. Er hat den Sargnagel für sein letztes Spiel selbst zugemacht."
"Das ist tragisch. Der dumme Bengel war bestimmt sein Lieblingsschüler", sagte Hermine entsetzt.
"Das war er. Er hatte charakterliche Ähnlichkeiten mit Malfoy, nur sein Aussehen war ganz anders. Severus trauert um ihn, aber er lässt es nicht raus. Er frisst es in sich rein."
"Wie alles andere." Sie klopfte Neville auf die Schulter. "Danke. Du kannst den Zauberstab wegstecken. Das mit den Arbeiten wird nichts mehr."
"Willst du vielleicht später noch ein bisschen raus? Es sieht aus, als würde der Sturm nachlassen. Wir könnten nach Hogsmeade und was trinken gehen."
"Keine schlechte Idee. Ein Tapetenwechsel kann auch der Beginn einer neuen Herausforderung sein. Ich habe vorhin ohne nachzudenken das Fenster aufgemacht und Severus verärgert. Das passiert mir nicht wieder. Seit meiner Trennung von Ron bin ich nicht mehr die Alte. Wir waren Kinder, sind zusammen aufgewachsen und sind immer noch die besten Freunde. Aber wir können nicht zusammen sein. Er bringt mich zur Weißglut. Vielleicht finde ich in Hogsmeade etwas Ablenkung. Und ein oder zwei Butterbier haben noch niemandem geschadet. Ich muss mir das nochmal alles durch den Kopf gehen lassen. Irgendwie will ich nicht glauben, dass Severus so ein Idiot ist und jeden absichtlich vergrault."
Neville schüttelte den Kopf. "Er findet immer was, wenn er will. Sogar bei dir, obwohl du sonst nie Fehler machst."
Der Abend mit Neville wurde lustig. Hermine trank ihr Butterbier und plauderte mit ihm über alles, was ihnen einfiel. Zum krönenden Abschluss genehmigte sie sich noch einen Brandy. Auf dem Rückweg hakte sie sich bei Neville ein, bis sie kichernd und bester Laune Hogwarts erreichten.
"Das war der schönste Abend, den ich seit Monaten hatte. Danke, Nev."
Sie gab ihm einen freundschaftlichen Kuss auf die Wange und verabschiedete sich winkend. Inzwischen waren durch den Spaziergang an der frischen Luft die Nachwirkungen des Brandy verflogen. Vergnügt lächelnd lief sie zu ihrem Zimmer.
"Könnten Sie nächstes Mal weniger lärmend nach Hause kommen?"
Hermine blieb erschrocken stehen. In einer dunklen Ecke regte sich die Person. Ein langer Umgang, fettige schwarze Haare und eine blasse, große Nase. "Merlin, Severus. Könnten Sie mich nächstes Mal nicht so erschrecken?"
Er schnarrte schadenfroh. "Ich hoffe, Sie sind nüchtern. Eine Praktikantin sollte den Schülern ein Vorbild sein."
"Die Schüler schlafen schon. Pech für Sie. Haben Sie die ganze Zeit darauf gewartet, dass ich zurückkomme, nur um mir das zu sagen?", fragte Hermine verkniffen. Ihr war im Laufe des Abends der Gedanke gekommen, dass sie lieber auf Konfrontation gehen wollte, als sich von ihm anschnauzen zu lassen. Neville hatte eindeutig Recht. Severus fand an jedem etwas auszusetzen, wenn er wollte. "Ich nehme alles Gute, das ich über Sie gesagt habe, zurück. Sie schaffen es wirklich, einen netten Jungen wie Neville fertig zu machen. Aber mich kriegen Sie nicht klein. Da können Sie Gift drauf nehmen."
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