Kapitel 9
Und das letzte Kapitel für heute ;)
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"Okay, Freitag der 8. ab 17 Uhr. Wer kann?", fragte Francesca in die Runde und ich hob meine Hand, genauso wie auch Lorenzo.
"Perfetto", nickte unsere Geschäftsführerin und schrieb unsere Namen in den Schichtplan, während ich die Schicht in meinen persönlichen Kalender eintrug.
"Samstag ab 10?", fragte sie dann und so ging es weiter, bis die Kellnerschichten des kommenden Monats verteilt waren.
Die ganze Truppe, außer das Küchenpersonal, war im Mitarbeiterraum des Bella Casa versammelt, um das monatliche Wie-läuft-es-und-was-können-wir-besser-machen-Meeting abzuhalten. Fabio war natürlich auch da und er saß schön deutlich direkt gegenüber von mir.
Ich versuchte, so gut es ging, ihn kein einziges Mal anzusehen.
"So, weiß sonst jemand jetzt schon, dass bestimmte Wochen im Laufe des Sommers problematisch werden?", fragte sie und Lorenzo hob sogleich seine Hand.
"Ich habe in vier Wochen meine Prüfungen, da bin ich nicht ansprechbar."
Francesca nickte und machte sich eine Notiz. Dann hob ich meine Hand.
"Ceil?"
"Ich muss in knapp fünf Wochen meine Bachelor-Arbeit abgeben. Da melde ich mich auch die Woche vorher ab."
Ich wusste, dass ich die Woche vor der Bachelor-Arbeit für absolut nichts anderes mehr Zeit und den Kopf haben würde. Da konnte ich gleich klarstellen, dass sie da nicht auf mich zählen sollten. Und wieder spürte ich dieses konstante schlechte Gewissen, weil ich noch nicht so viel geschrieben hatte, wie ich eigentlich sollte.
Während Francesca nickte und weiter notierte, bemerkte ich aus dem Augenwinkel, wie Fabio mich ansah. Er fragte sich bestimmt, ob ich noch Kunstgeschichte studierte. Vielleicht wunderte es ihn sogar, dass seine leicht dümmliche Ex-Freundin nicht schon längst aufgegeben hatte.
"Du studierst auch? Wieso hast du nichts gesagt?", flüsterte mir Lorenzo, der neben mir saß, zu und ich drehte meinen Kopf, um ihn anzusehen.
"Naja, war einfach nicht so interessant, wie dein Medizinstudium", grinste ich. Als ich mich wieder zu Francesca wandte, streifte mein Blick den von Fabio, der mich noch nachdenklich musterte. Dieser Blickkontakt, so kurz er auch war, war Schuld daran, dass meine Wangen verräterisch zu glühen begannen.
Francesca brachte noch einige Informationen, dann überließ sie das Wort Fabio. Er räusperte sich einmal und sah auf seine Hände, die verschränkt auf dem Tisch lagen. Ich betrachtete kurz seine muskulösen Unterarme, die er auch lässig auf dem Tisch platziert hatte. Mein Blick glitt weiter zu seinen Oberarmen, seinen breiten Schultern, seinem Schlüsselbein.
Als ich sein Kinn erreichte, senkte ich wieder den Blick und wartete darauf, dass er anfing zu reden.
"Ich möchte mich bei euch gerne bedanken", sagte er dann und langsam hob ich doch wieder meinen Kopf. Er lächelte in die Runde. Ehrlich, offen, herzlich.
"Es läuft wirklich prima, die Startschwierigkeiten haben sich in Grenzen gehalten und ihr kämpft wirklich darum, dass unsere Gäste ein einmaliges Erlebnis bei uns bekommen. Das sagt Francesca zumindest", schmunzelte er und die anderen lachten leicht. "Aber ich vertraue voll und ganz ihrer Einschätzung. Deswegen, danke."
Ich versuchte Fabio mit einem neutralen Ausdruck anzusehen, aber jedes Mal, wenn es den Anschein hatte, dass er als nächstes mich anschauen wollte, wandte ich den Blick weg.
"Dieses Restaurant hier bedeutet die Welt für mich", sprach er leise weiter. "Es ist mein ganzer Stolz. Ich habe viel Zeit, Geld und viele Kräfte hineingesteckt. Und deswegen hoffe ich natürlich, dass es auch lange bestehen wird. Meine Kinder sollen es irgendwann erben", lächelte er jetzt breit. "So wie es sich für ein richtiges italienisches Restaurant gehört."
Bei seinen Worten schluckte ich. Vor drei Jahren hatte ich noch – naiv wie ich war – gedacht, dass ich ihm einmal diese Kinder schenken würde.
Wie dumm ich doch damals war. Mit achtzehn Jahren schon zu denken, man hätte den Mann fürs Leben gefunden. Für Robyn hatte es vielleicht geklappt, aber wie hatte ich je denken können, dass ich selber in diese Kategorie gehörte?
"Und, wann kommen denn diese Kinder?", fragte Antonia zu meiner Linken und alle lachten. Paolo rief etwas auf Italienisch, was allem Anschein nach ziemlich anzüglich gewesen war, denn die anderen lachten noch lauter, wackelten mit den Augenbrauen, warfen weitere Bemerkungen ein und Fabio fuhr sich ein wenig überfordert durch die Haare.
Grace und ich warfen uns einen Blick zu. Vielleicht sollten wir mal Italienisch lernen, um hier in dieser Truppe nicht ganz ausgeschlossen zu werden.
Fabio bemerkte anscheinend, dass wir ein wenig außen vor standen, denn er beorderte seine italienische Fraktion zur Ruhe.
"Das wird noch dauern", meinte er dann als Antwort auf Antonias Frage und schien absolut nicht mehr darüber reden zu wollen. Stattdessen berichtete er von vier neuen Gerichten, die ab nächstem Monat auch auf die Speisekarte kommen würden. Allem Anschein nach hatte er noch unendliche Ideen, die er in seiner Küche ausprobieren wollte.
Als nach einer knappen Stunde sämtliche Themen durch waren, wurde das Meeting aufgehoben und ratternd wurden die Stühle nach hinten geschoben. Das Restaurant öffnete in einer Stunde und jetzt musste wieder gearbeitet werden.
Da ich gleich Schicht hatte, blieb ich im Mitarbeiterraum und begab mich zu meinem Schrank, während die anderen nach und nach den Raum verließen. So schnell wie möglich, zog ich mich um und ich hatte gerade meine Bluse zugeknöpft, als Lorenzo um die Schrankreihe trat und zu seinem Schrank ging.
"Ceil, wir rocken heute die Bude!", grinste er überschwänglich und ich musste kurz lachen. So einen Satz mit so derbem, italienischen Akzent zu hören, war einfach witzig. Er lächelte mich an, bevor er dann einfach ungeniert sein Shirt über den Kopf zog und sein Hemd aus dem Schrank holte.
Okaaay... Ein wenig peinlich berührt räusperte ich mich, dann machte ich meinen Schrank zu und warf ihm noch ein "Auf jeden!" zu, bevor ich ging.
Vor lauter schnell-von-Lorenzo-und-seinem-nackten-Oberkörper-wegkommen, schubste ich die Tür ein wenig heftiger als beabsichtigt auf und sie knallte einfach mal volle Kanne gegen Fabio. Klar, gegen wen auch sonst?
"Entschuldige", murmelte ich und wollte mich schon an ihm vorbei drücken, aber Fabios leises Lachen hielt mich auf.
"Ceil, wie sie leibt und lebt", meinte er schmunzelnd und für einen kurzen Augenblick schien diese alte Vertrautheit zwischen uns zu bestehen.
Bis mir die Realität wieder bewusst wurde und ich mich einfach mit einem knappen Nicken abwenden wollte.
"Wie geht es Robyn?", fragte er und ich drehte mich gezwungenermaßen um.
"Warum fragst du sie das nicht selber?", gab ich eher müde als schnippisch zurück. Konnte er den Kontakt zwischen uns nicht einfach auf das absolute Minimum beschränken? Merkte er denn nicht, dass ich versuchte, ihm so gut wie möglich aus dem Weg zu gehen? Auch wenn ich natürlich versuchen wollte, so normal wie möglich mit ihm umzugehen, so wollte ich trotzdem nicht mehr als nötig mit ihm reden.
Also natürlich irgendwie schon. Aber halt auch nicht.
"Ceil, können wir nicht bitte normal miteinander umgehen?", fragte er dann fast schon ein wenig verzweifelt. "Wir waren einmal sehr gut befreundet und jetzt arbeiten wir sogar zusammen." Bittend sah er mich an.
"Wir waren eben nicht 'nur' befreundet", gab ich bitter zurück und wandte meinen Blick ab. Wieso konnte ich damit einfach nicht abschließen? Aber dann rief ich mir wieder ins Bewusstsein, dass ich mich nicht unterkriegen lassen wollte und hob den Blick, um Fabio anzusehen.
"Robyn geht es sehr gut. Adrian und sie sind ein tolles Paar. Du solltest dich wirklich mal bei ihr melden, sie würde sich freuen", fügte ich hinzu. Ich konnte und wollte einer Freundschaft zwischen den beiden nicht im Weg stehen, das wäre nicht fair von mir und ginge mich auch nichts an. "Aber Fabio?", sprach ich weiter und er hob fragend eine Augenbraue. "Wir beide arbeiten inzwischen nur noch miteinander."
Ich ließ meine Worte kurz wirken und sie schienen ihn tatsächlich zu treffen. Aber dann straffte er die Schultern und nickte knapp. Er schien meine Entscheidung zu respektieren.
Mit leicht zitternden Händen wandte ich mich wieder ab und lief zur Bar. Was machte Lorenzo eigentlich so lange in der Umkleide? Hatte er unser Gespräch vielleicht sogar mitgehört?
Kurz wurde mir siedend heiß, bis ich realisierte, was ich da eigentlich gerade getan hatte: Ich hatte Fabio endgültig die Freundschaft gekündigt.
Nicht, dass davon noch allzu viel vorhanden gewesen wäre, aber ich hatte ihm gerade auch jeden Weg zu Versöhnung verbaut.
Ich war auf der einen Seite stolz auf mich, dass ich endlich einen sauberen Schnitt gemacht hatte und wir nun beide wussten, woran wir waren, aber andererseits fühlte ich mich absolut miserabel. Hundeelend.
Ich wollte ja eigentlich gerne mit ihm befreundet sein. Aber dazu war ich noch nicht bereit. Obwohl ich ihn damals hatte gehen lassen, fühlte ich mich so abserviert. Weggeworfen. Verworfen. Abgeschoben. Und dass Fabio sich seit seiner Rückkehr nicht bei mir gemeldet hatte, verstärkte dieses Gefühl.
Falls Fabio und ich wieder befreundet sein sollten, musste ich erst einmal selber meine eigene Unzulänglichkeit überwinden.
Und das konnte dauern.
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Harte Worte... Wie würdet ihr in Ceils Situation reagieren?
Wir hoffen, euch hat die Lesenacht gefallen - auch wenns ein kleines Chaos mit den Updatezeiten gab (sorry dafür, mein Fehler xD)
Danke, dass ihr alle wieder mit dabei gewesen seid!! :***
Tyskerfie & HeyGuys77
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