Kapitel 7

Uuund wir starten mit der Lesenacht! Viel Spaß mit dem ersten Kapitel! :)
______________________

"Aaah, so lässt es sich leben", seufzte David glücklich, als wir uns auf der Bank in der Sonne fallen ließen. Ich saß zwischen ihm und Emma und alle drei legten wir den Kopf in den Nacken, schlossen die Augen und ließen uns wärmen.

"Die Pause war auch angebracht", murmelte Emma und sprach dabei meinen Gedanken aus. Wir hatten soeben die langweiligste Vorlesung aller Zeiten hinter uns.

"Hier könnte ich ewig bleiben", meinte ich und genoss es, mich von der Sonne bescheinen zu lassen. Das Vogelgezwitscher um uns herum kündigte verheißungsvoll den kommenden Sommer an.

"Geht aber nicht, musst du heute nicht arbeiten?" David war Realist. Und das war manchmal wirklich zu viel des Guten.

Wie jetzt. Ich wollte einfach in der Sonne sitzen und mein Leben genießen. Nicht an die Arbeit denken müssen. Deswegen gab ich nur ein gequältes "Mhm" von mir.

Vier Tage waren seit meiner letzten Schicht vergangen. Wo ich Fabio oben ohne in der Umkleide getroffen hatte. Wo er mich einfach stehen gelassen hatte.

"Ich dachte, dir gefällt deine neue Arbeitsstelle?", fragte Emma ein wenig verwundert. Die beiden wussten nichts von Fabio. Weder von unserer gemeinsamen Geschichte, noch, dass er mein heißer Chef war.

"Tut sie auch", gab ich deswegen nur kurz angebunden von mir, ohne die Augen zu öffnen. Im Moment wusste ich noch nicht genau, ob und wie viel ich ihnen von meiner Situation erzählen sollte. Ich wusste ja selbst noch nicht genau, wie meine Situation eigentlich war.

Aber andererseits war ich mir auch todsicher, dass die beiden sich gerade einen Blick zuwarfen und jede Sekunde weiter nachhaken würden.

"Aber?", kam da auch schon die unvermeidliche Frage.

Ich seufzte, öffnete die Augen und setzte mich ein wenig auf. Beide sahen mich gespannt an.

"Mein Chef ist mein Ex", erklärte ich und beide verzogen das Gesicht.

"Ernsthaft jetzt? Das ist ja mies... Habt ihr euch wenigstens im Guten getrennt?", fragte Emma mitfühlend.

"Das ist alles ein bisschen komplizierter." Ich blieb vage, wollte eigentlich nicht mehr sagen. Wollte nicht darüber reden. Aber irgendwie wollte ich auch alles am liebsten noch einmal bis ins kleinste Detail durchkauen.

Warum wusste ich nie, was ich wollte?

Ich konnte mich also nicht ganz entscheiden, ob ich wollte, dass die beiden nachfragten oder mich in Ruhe ließen.

Aber sie machten weder noch. Stattdessen verbündeten sie sich gegen mich.

"Dann müssen wir dich heute Abend ja doch mal besuchen kommen. Vielleicht erhaschen wir ja einen Blick auf deinen geheimnisvollen Ex", meinte David augenbrauenwackelnd. Ich riss die Augen in Entsetzen auf. Daran hatte ich überhaupt nicht gedacht!

"Eine fantastische Idee! Also ich hab heute Abend noch nichts vor", stieg Emma gleich fröhlich mit ein und ich wusste nicht, was ich sagen sollte.

Ich konnte meine beiden Freunde ja schlecht komplett davon abhalten, mich jemals in dem Restaurant zu besuchen. Aber hätten sie mich doch lieber dann gleich am ersten Abend besucht, dann hätten wir diesen Zirkus schon hinter uns gehabt!

"Ich weiß gar nicht, ob er heute Abend da ist. Und wenn, wüsstet ihr ja überhaupt nicht, wer er ist", gab ich ein bisschen trotzig von mir. Eine typische Reaktion für mich, wenn ich mit einer Situation so überhaupt nicht klar kam. Aber die beiden kannten mich ja inzwischen und ließen sich davon überhaupt nicht beeindrucken.

"Ach, ich wette, den erkennen wir schon, auch wenn du uns nicht mehr sagen willst", grinste David und zwinkerte mir zu, während Emma vor sich hin kicherte.

Stöhnend schloss ich wieder die Augen und ergab mich meinem Schicksal.

"Wehe ihr blamiert mich!", murmelte ich und schüttelte den Kopf. Dann grinste ich. "Ihr werdet ihn eh nicht zu Gesicht bekommen, egal ob er da ist oder nicht", ärgerte ich sie und merkte, wie die Erleichterung sich in mir breit machte.

"Wieso denn nicht?", hakte David interessiert nach.

"Weil er unser Koch ist." Mein siegessicheres Grinsen wurde breiter und breiter.

"Mann", stöhnte Emma und verdrehte die Augen. "Gibt es einen Tisch in der Nähe von der Küche?" Ich liebte es, wenn sie mit den Augenbrauen wackelte, wie jetzt gerade. Emma war von Natur aus ein wirklich fröhlicher Mensch, durch und durch positiv. Sie hatte wunderschöne lange, blonde Haare und wenn ich sie so betrachtete, vermisste ich manchmal meine alten, hellen Haare. Obwohl das alles andere als natürlich ausgesehen hatte.

"Das wäre zu auffällig", bemerkte ich.

"Mann... Wie heißt er? Sieht er gut aus?", fragte sie jetzt stattdessen und obwohl ich es nicht wollte, lächelte ich.

"Das ist doch eh unwesentlich." Im Grunde wusste ich, dass es nichts bringen würde, zu versuchen, mich heraus zu reden.

"Für uns nicht! Jetzt sag schon!" Emma war gar nicht mehr zu beruhigen. David hielt sich eher zurück, aber gut. Er war auch ein Kerl. Er war nicht so Gossip-süchtig wie Emma.

"Er heißt Fabio, er ist Italiener, ja, er sieht gut aus und er war die letzten drei Jahre in Italien. Deswegen haben wir damals – direkt nach dem Abi – Schluss gemacht. Er hat jetzt sein eigenes Restaurant und ich arbeite als seine Kellnerin, weil ich in meinem Leben im Gegensatz zu ihm noch ziemlich am Anfang stehe", fasste ich zusammen und mied es, ihnen in die Augen zu sehen. Die Erinnerung schmerzte einfach doch noch zu sehr.

So einfach ließ sich mein Leben also in ein paar Worten zusammenfassen.

____

Wieso ließ diese verdammte Nervosität einfach nicht nach?

Es war nicht so, dass ich komplett am Ausflippen war, so wie an meinem ersten Abend als Kellnerin in Fabios Lokal, aber ich hatte trotzdem eine gewisse Grundnervosität in mir, die ich einfach ums Verrecken nicht abstellen konnte.

Mein Magen war ein wenig flau und außer einem Kaffee, hatte ich einfach nichts runterbekommen, bevor ich zu meiner Schicht aufbrechen musste.

Und dann kam noch dazu, dass Emma und David definitiv später noch vorbeischauen würden. Wieso hatte ich meine große Klappe nicht einfach halten können?

Aber da musste ich jetzt durch.

Ich setzte ein Lächeln auf und betrat das Restaurant. Wie schon die letzten Male, kam mir gleich Francesca entgegen und begrüßte mich mit ihrem sympathischen Lächeln.

"Ciao, Ceil!"

Sie arbeitete auch echt immer, oder?

"Hey, Francesca. Viel los?", fragte ich, als ich mich ihr näherte.

"Die Reservierungen halten sich in Grenzen, aber da das Wetter so gut ist, kommen bestimmt viele spontan vorbei", lächelte sie zuversichtlich.

"Hoffentlich", zwinkerte ich und begab mich nach hinten, um mich umzuziehen. Als ich den Mitarbeiterraum betrat, musste ich unwillkürlich an das letzte Mal denken. Doch heute war der Raum leer.

Schnell zog ich mich um, damit mir keine Zeit blieb, zu viel zu grübeln. Dann betrat ich wieder das Restaurant, als in dem Moment drei neue Gäste eintraten.

"Hallo, willkommen im Bella Casa. Was kann ich für Sie tun?", fragte ich und lächelte zuvorkommend.

"Einen Tisch für drei, bitte. Und wenn es geht, draußen auf der Terrasse", lächelte der Mann freundlich.

"Aber natürlich." Ich schnappte mir drei Speisekarten und ging voraus auf die Veranda, führte sie zu einem freien Tisch und überreichte die Karten. Als ich wieder ins Innere trat, bemerkte ich Francescas Grinsen, das eindeutig an mich gerichtet war.

"Was ist?", fragte ich plötzlich unsicher.

"Nichts, ich... Es freut mich einfach, wie selbstsicher du schon agierst. Als wäre das hier dein Laden", grinste sie spitzbübisch.

Bevor ich etwas dagegen unternehmen konnte, stellte ich mir schon vor, wie ich mit Fabio verheiratet war und deswegen auch Teilinhaber dieses Restaurants wäre. Innerlich schlug ich mir gegen die Stirn und verbannte den Gedanken weit weit weit weit weit weg.

"Naja, irgendwie ist das hier ja unser aller Laden", versuchte ich zu erklären. Und das meinte ich auch so. Als Mitarbeiter im Restaurant war man mitverantwortlich dafür, wie das Erlebnis für die Kunden war und somit auch, was sie vom Restaurant hielten. Alles fiel auf das Restaurant zurück, in dem man arbeitete. Wenn man sich gut anstellte, passte man sozusagen auf das Restaurant auf. Und alle Angestellten waren an der Aufgabe beteiligt.

"Va bene. Die Einstellung gefällt mir", nickte Francesca anerkennend, als in dem Moment ein lautes Scheppern aus der Küche zu hören war. Erschrocken sahen wir beide zur Tür und ich wartete schon darauf, Fabio schimpfen und fluchen zu hören, doch es blieb still. Ein paar Sekunden. Dann brach ein Gelächter ohnegleichen aus und erleichtert atmete ich aus. Obwohl der Klang von Fabios Lachen eine Lawine an Gefühlen in mir auslöste. Er war heute Abend also da.

Fabio hatte sich in der Schule immer lauthals beschweren können, aber Probleme mit dem Temperament hatte er eigentlich nicht gehabt. Es wunderte mich, dass ich das gerade jetzt von ihm erwartet hatte, aber im Grunde zeigte es eigentlich nur das, was ich schon wusste: Im Endeffekt waren wir mittlerweile zu Fremden geworden. Obwohl noch so viel zwischen uns vertraut war und wir einander jahrelang gekannt haben – der dreijährige Abstand zu einander hatte etwas zerrissen.

Es war komisch. Diese Erkenntnis tat nicht ganz so weh, wie ich anfangs vermutet hatte. Ich fühlte mich fast ein bisschen erleichtert, dass ich mir eingestehen konnte, dass meine Zeit mit Fabio nun einfach vorbei war. Oder ich bildete mir das nur ein.

Trotz allem war ich ein wenig wehmütig, als ich meinen Blick einmal durch das Restaurant schweifen ließ, um zu sehen, ob alle Gäste zufrieden waren und ob alles ordentlich war und seinen Platz hatte.

Mein Blick blieb an der Küchentür hängen. Ich wusste, dass sich Fabio nur ein paar Meter entfernt befand und doch schien es mir, als wäre er am anderen Ende unserer Galaxie.

Schafften wir es noch nicht einmal mehr nett miteinander umzugehen, wenn wir offenbar schon keine Freunde mehr sein konnten?

Fabio war ein herzensguter Kerl und ich war stolz auf ihn. Stolz darauf, dass er seinen Traum verfolgt hatte, auch wenn ich dafür auf der Strecke geblieben war. Stolz darauf, was er schon geschafft hatte.

Ein kleines Lächeln schlich sich auf mein Gesicht. Als ich sah, dass die Gäste scheinbar auf einen Kellner warteten, machte ich mich auf den Weg und nahm mir vor, ab sofort so ordentlich und normal wie möglich mit Fabio umzugehen.

______________________

Nächstes Kapitel kommt um 19 Uhr ;)

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top