Kapitel 54

Schon um halb acht trafen Fabio und ich uns am nächsten Morgen im Restaurant, um uns einen Überblick zu verschaffen. Auf dem Weg hierher hatte Fabio mit Damian telefoniert und ihn gebeten, eine Stellenanzeige für unsere Facebookseite anzufertigen. Außerdem würden wir auch noch in der lokalen Zeitung eine kleine Annonce schalten und auf unserer Website einen Banner einfügen, dass wir auf Kellner-Suche waren. Neue Kellner anheuern und sich einen Überblick über die Finanzen zu verschaffen – das waren die beiden Hauptaufgaben.

"Fabio, ich habe absolut keine Ahnung vom Rechnungswesen", sagte ich, als wir den Computer im Büro hochgefahren hatten und dabei waren, uns in die Bank einzuloggen.

"Ich auch nicht. Mir geht es in erster Linie darum, ob alle Rechnungen gezahlt wurden", erklärte er und schaute sich einen Stapel Papiere auf dem Tisch an. Auf manchen war ein "gezahlt am" gefolgt von einem Datum gekritzelt, andere waren einfach ausgedruckt und in eine Klarsichthülle gelegt worden.

"Und was werden sonst meine Aufgaben?" Ich fühlte mich der Aufgabe als Geschäftsführerin sowas von gar nicht gewachsen. Ich hatte keine Ahnung, was alles in dem Job erwartet wurde.

Fabio legte die Papiere bei Seite und drehte sich zu mir. Gab mir die Aufmerksamkeit, die Zeit und die Ruhe, die ich gerade so verdammt brauchte.

"Also, deine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass der tägliche Betrieb einwandfrei abläuft. Du kümmerst dich um die Reservierungen, um den Zustand des Restaurants, darum, ob wir Kerzen, Servietten und Rechnungspapier auf Lager haben und so weiter. Du fährst mit der Uniform in die Reinigung und..." Fabio stockte. "Francesca hat sich eigentlich auch um eure Gehälter gesorgt. Also die Abrechnung und die Auszahlung."

Ich schluckte. "Ich habe keine Ahnung, wie man sowas macht", sagte ich fast panisch.

"Wir schaffen das schon irgendwie, Ceil! Der letzte Monat ist ja gerade erst rum. Die nächsten Wochen musst du also nur das Trinkgeld verteilen."

In dem Moment klingelte Fabios Handy und Damian war dran. Fabio legte das Telefon zwischen uns auf den Tisch.

"Hey, Damian, du bist auf Lautsprecher, Ceil ist auch hier."

"Hey, Ceil!", begrüßte er mich, sprach aber dann gleich weiter. "Also, ich war grad bei Hayley, weil ich ihr schnell sagen wollte, dass ich die nächste halbe Stunde was anderes mache, als für Desmonds zu arbeiten und habe ihr eure Situation erklärt, ich hoffe, das ist okay. Auf jeden Fall hat sie vorgeschlagen, dass ihr Bruder Connor mal vorbeischaut. Er ist Buchhalter in einer riesigen Firma und könnte sich fürs Erste um die Buchführung, Rechnungszahlung und die Gehälter kümmern."

Fabio und ich sahen uns an, als hätte Damian gerade unsere Gebete erhört.

"Das... Das wäre einmalig", sagte Fabio und wir konnten uns nur zu lebhaft vorstellen, wie Damian gerade selbstsicher grinste.

"Super, ich gebe dir gleich seine Nummer. Und sobald ich die Stellenanzeige fertig habe, schicke ich sie dir, genauso wie den Banner und die Annonce, wenn sie okay sind, dann poste ich sie sofort auf Facebook und dann wird euer Telefon heute hoffentlich nicht mehr still stehen."

"Deine Aufgabe", formte Fabio mit seinen Lippen an mich und ich fügte den Punkt "den nächsten Kellner einstellen" zu meiner geistigen To-Do-Liste.

"Klingt super", sagte er dann aber laut zu Damian. "Vielen Dank, dass du so schnell einspringst und hilfst!"

"Mach ich doch gerne. Es ist schließlich immer von Vorteil, wenn man bei anderen Leuten was gut hat", lachte er. "Aber dann schnapp dir mal Zettel und Stift und ruf Connor an", meinte Damian dann, bevor er schon die Zahlen runter ratterte, die Fabio schnell auf irgendeinen Zettel kritzelte. Daneben schrieb er "Connor". Allein, dass wir diesen Kontakt hatten, beruhigte mich schon ein wenig. Vielleicht konnte er mir ja das eine oder andere zeigen, damit ich nicht ganz ins kalte Wasser geschmissen wurde.

Gab es vielleicht Tutorials auf Youtube, wie man eine gute Geschäftsführerin wurde?

"Super, danke. Ich ruf ihn gleich an", hörte ich Fabio sagen, bevor wir uns verabschiedeten und Fabio auflegte und gleich die neue Nummer eintippte.

Wieder stellte er auf laut und kurz darauf hörte ich dann wohl Connors Stimme.

"Morrison, hallo, was kann ich für Sie tun?", meldete er sich und ich merkte, wie Fabio kurz zögerte. Wahrscheinlich überlegte er, ob er ihn duzen oder siezen sollte.

"Hallo, Fabio Tromentano mein Name. Ich habe Ihre Nummer von Damian Mahone, er meinte, Sie könnten uns vielleicht helfen."

"Ah ja, hi, Hayley hat mir vorhin schon geschrieben, dass du dich demnächst meldest", wurde Connor sofort locker. "Dann schieß mal los, wobei kann ich helfen?"

Fabio schilderte kurz die Situation und dann war es still in der Leitung.

"Puh, das klingt ja mächtig nach Stress. Aber klar, ich kann mir das gerne mal anschauen. In etwa zwei Stunden kann ich meine Mittagspause nehmen, dann könnte ich bei euch vorbei schauen, ich bin ja eh nicht so weit weg", schlug er dann vor und Fabio und mir fiel sichtlich ein Stein vom Herzen.

"Das wäre perfekt!", meinte Fabio und fügte dann hinzu: "Das Mittagessen bekommst du hier aufs Haus."

"Na, da beeil ich mich doch gleich noch mehr", lachte Connor. "Also dann, bis nachher", verabschiedete er sich und hatte kurz darauf aufgelegt.

"Okay, dann lass uns mal die Rechnungen durchgehen und checken, welche noch offen sind und dann einen Plan erstellen, bis wann sie gezahlt werden müssen", übernahm Fabio wieder das Ruder und ich war froh drum. Ich hätte sonst wahrscheinlich gar nicht gewusst, wo ich anfangen sollte.

"Du nimmst die Rechnungen und ich checke im Konto, was schon gebucht ist und trage den Rest in eine Exceltabelle, die wir dann sortieren können."

Die nächste halbe Stunde ackerten wir uns durch die Rechnungen der letzten paar Wochen. Viele waren zum Glück schon bezahlt und auch als bezahlt markiert, da war Francesca also wirklich ordentlich gewesen und alle in der Klarsichthülle, die noch nicht bezahlt waren, standen jetzt fein säuberlich mit den Daten, an denen sie überwiesen werden mussten, in der Liste, damit ich den Überblick nicht verlor.

Immer wieder klingelte währenddessen das Telefon und ich musste mich wirklich konzentrieren, um bei den ganzen angeforderten Reservierungen nichts durcheinander zu bringen.

Um zwanzig vor neun ungefähr trat Paolo seine Schicht an. Ich holte gerade zwei Tassen Kaffee für Fabio und mich, als er durch die Tür schritt. Er sah fertig aus. Fertig mit der Welt.

"Hey", begrüßte ich ihn und lächelte sanft. Er kam um den Tresen der Bar herum und schloss mich wortlos in seine Arme. Ich erwiderte seine Umarmung, obwohl ich nicht wusste, wofür sie war.

"Danke, dass wir auf dich zählen können", murmelte er, trat dann einen Schritt zurück und musterte mich. "Und danke, dass du Fabio wieder zu einer lebenden Person gemacht hast."

"Zu einer... was?"

"Wie du weißt, habe ich Fabio in Italien kennengelernt. Und mal abgesehen von diesem Schlamassel hier, habe ich Fabio in all den Jahren nicht so glücklich erlebt wie jetzt", flüsterte er, als wäre das unser kleines Geheimnis.

Gerührt und auch ein wenig stolz, begann ich zu grinsen. Ich war selber glücklich.

Paolos Blick glitt zu den zwei Tassen vor mir.

"Ihr trinkt Kaffee? Ich bräuchte da eher einen Limoncello", lächelte er müde. "In zwanzig Minuten wird die online Ausgabe der 'World of Food' aktualisiert." Bei seinen letzten Worten zog sich mein Bauch schmerzhaft zusammen.

Verdammt, die Bewertung des Kritikers hatte ich komplett vergessen!

"Falls du einen Limoncello holst, dann bring mir auch einen", sagte ich deswegen.

"Aber sag, wie schaut der Plan heute aus?" Paolo verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich seitlich an die Arbeitsplatte.

"Fabio und ich versuchen uns gerade einen Überblick zu verschaffen. Heute Vormittag kommt ein Buchhalter, der uns mit den Finanzen ein wenig unter die Arme greift und außerdem wollen wir noch eine Inventur vom Vorratsraum neben dem Büro machen. Also Servietten, Kerzen, Schürzen und so."

Alleine beim Gedanken wurde ich schon von Müdigkeit übermannt.

"Kommt Lorenzo heute?" 

"Ja, er kommt und hilft bei der Abendschicht." Paolo und ich müssten den ganzen Tag arbeiten. Und das nicht nur heute, sondern auch die ganzen nächsten Tage, bis wir neue Kellner eingestellt hatten.

"Gebt Bescheid, wenn ihr mit der Inventur anfangt, ich helfe solange Sandro und Marco in der Küche. Die müssten gleich kommen und die Lieferung vom Markt annehmen."

Ich nickte Paolo dankbar zu, schnappte mir die zwei Tassen und ging damit zurück ins Büro zu Fabio, der hochkonzentriert abwechselnd auf den Computerbildschirm und die Unterlagen vor ihm sah.

"Hier." 

Ich stellte seine Tasse vor ihm und setzte mich in meinen Stuhl, lehnte mich zurück und schloss kurz die Augen. Fabio nahm meine Hand, während er mit der anderen weiter tippte.

"Es ist gleich neun Uhr", sagte ich leise, behielt die Augen geschlossen. Ich spürte, wie Fabio in der Bewegung innehielt.

"Shit, das hatte ich ganz vergessen."

"Ich auch. Paolo hat mich gerade daran erinnert."

Die bedrückende Stille zwischen uns wurde von dem Geräusch einer einkommenden Mail unterbrochen. Ich öffnete erst das eine, dann das andere Auge und starrte auf den Bildschirm.

"Von Damian, die Stellenangebote", erklärte Fabio und klickte auf den Anhang. Gemeinsam betrachteten wir die graphischen Ausführungen.

"Das ist perfekt. Damian ist echt ein Genie."

"Sag ihm das aber nicht", grinste Fabio. "Was meinst du? Er soll einfach gleich alles online stellen und das Stellenangebot auch gleich an die Zeitung schicken, oder?"

"Ja, je früher, desto besser. Lange halten wir das mit nur drei Kellnern nicht aus."

Fabio nickte zustimmend und tippte schnell eine Antwort an Damian. Dann atmete er tief durch und widmete sich seiner Tasse Kaffee.

"Vielleicht hätten wir bis nach neun Uhr warten sollen", murmelte er daraufhin. "Falls die Kritik dafür sorgt, dass hier keine Kunden mehr kommen, brauchen wir auch keine neuen Kellner."

"Hey, jetzt sei mal nicht so pessimistisch", tadelte ich Fabio. Wenn er schon so negativ dachte, musste er wirklich ausgelaugt sein. Normalerweise sprühte er immer so vor positiver Energie.

"Die Frage ist eigentlich nur, wie schlimm Jacques das Gericht schildert." Fabio fuhr sich übers Gesicht und lehnte sich dann in seinem Stuhl zurück.

"Der Kritiker heißt Jacques?", fragte ich aber schmunzelnd, statt auf die Bewertung einzugehen.

"Ja, Jacques Morel." Fabio guckte mich an. "Er ist Franzose. Was ist los?" Er zuckte mit den Achseln.

"Nichts, es... Es ist nur ein verdammtes Klischee", lächelte ich und brachte auch Fabio damit zum Grinsen. Wir sahen uns in die Augen, schwiegen gemeinsam im Einklang. Vorsichtig hob ich meine Hand und fuhr Fabio einmal durch seine Haare.

"Ceil, ich..."

"Es ist soweit!", platzte Paolo ins Büro, hob entschuldigend die Hand, als er meine verwuschelt in Fabios Haaren sah, quetschte sich aber dennoch in den kleinen Raum und zeigte auf den Computer.

"Ich will euch ungerne unterbrechen, aber es ist soweit. Die Artikel werden in einer Minute online gestellt und ich will mit dem Kapitän erhobenen Hauptes untergehen."

Fabio prustete los. "Hast du dir gestern Titanic reingezogen oder was? Soll ich dich ab jetzt Rose nennen?" Während er kopfschüttelnd die online Ausgabe der 'World of Food' in das Suchfeld seines Browsers gab, summte er leise "My heart will go on" vor sich hin, was mich zum Lachen und Paolo zum Schmunzeln brachte.

Mit angehaltenem Atem warteten wir die Suchergebnisse ab.

Und sie war noch nicht online.

Toll.

Einmal, wenn man auf etwas wartete, dann kam es verspätet. Natürlich.

Fabio ging auf die Website der 'World of Food' und dort in den Reiter der Online-Ausgaben.

Zwei Minuten nach neun.

Fabio aktualisierte die Seite und schon prangte an oberster Stelle die neueste Ausgabe.

"Moment, ich muss mich erst anmelden, sonst kannst du nur eine Leseprobe ansehen", meine Paolo, bevor er auf der Tastatur herumtippte und dann die Ausgabe anklickte.

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Connor is back ;)

Tyskerfie & HeyGuys77

PS: Habt ihr schon unser neues Eliza-Hart-Logo auf unseren Covern bemerkt? :D

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