Kapitel 50
Gut gelaunt machte ich mich auf den Weg zu meinen Eltern. Ich hatte heute mein Gehalt auf dem Konto und den beiden sofort etwas überwiesen, damit sie wenigstens das Auto reparieren lassen konnten und das Geld für die Waschmaschine würden wir auch noch irgendwie zusammenkratzen. Bis dahin musste der Waschsalon um die Ecke herhalten oder ich könnte bei mir ein bisschen waschen.
Während ich die Sonne genoss, dachte ich an das Date gestern Abend mit Fabio.
Es war einfach unfassbar, wie gut wir uns wieder verstanden. Fast so, als hätte es die drei Jahre dazwischen nicht gegeben.
Langsam war ich soweit, wirklich damit abzuschließen. Es war okay für mich. Die letzten Jahre waren nun einmal so gelaufen, daran konnte ich nichts mehr ändern. Fabio hatte falsche Entscheidungen getroffen, aber ich ebenso und damit mussten wir jetzt leben und einfach das Beste daraus machen.
Dafür war es nun umso schöner, dass Fabio uns echt so viel Zeit gab, damit wir uns wieder annähern konnten. Das Kribbeln stieg dadurch fast ins Unermessliche und machte die Situation dadurch doppelt so schön.
Auch wenn ich mich teilweise kaum zurückhalten konnte und mich einfach nur an Fabio kuscheln und ihn küssen wollte.
Aber gut, das musste warten und das war gut so.
In unserer Situation war es echt das Beste, nicht zu überstürzen.
Das Haus meiner Eltern kam in Sicht und schon freute ich mich auf ihre Gesichter, wenn ich ihnen sagen würde, dass ich ihnen unter die Arme greifen konnte. Sie würden es natürlich erst mal nicht annehmen wollen, es dann aber doch nehmen und sagen, dass sie es mir zurückzahle würden.
Ich kannte doch meine Eltern.
Als ich klingelte hörte ich die vertraute Glocke und kurz darauf öffnete meine Mama die Tür.
"Ceil, gut, dass du endlich da bist. Der Kaffee ist schon fertig", verkündete Mama, während sie mich in eine kurze Umarmung zog und mich dann mit nach drinnen zog.
Warum sagten das alle? Ich war doch fast pünktlich? Ich meine, fünfzehn Minuten später, war doch jetzt wirklich kein Problem?
"Ich hab nur eine Tram verpasst", versuchte ich mich rauszureden. Und ich war eventuell so in Gedanken, dass ich danach nicht ganz so zügig gelaufen war.
"Ja ja, mein Schatz, alles gut. Der Kaffee wird auch erst seit fünf Minuten warm gehalten", meinte meine Mama mit einem Zwinkern. Und um mir ein schlechtes Gewissen einreden. So frech! Aber trotzdem musste ich grinsen. Mütter kannten eben ihre Kinder.
"Papa ist wahrscheinlich im Garten?"
"Ja, er pflanzt gerade ein paar Fexer ein. Frag mich nur nicht, welche jetzt schon wieder. Aber du kannst ihn jetzt zum Kaffee holen."
Grinsend lief ich nach draußen.
"Hallo, Papa", begrüßte ich ihn. "Mama hat den Kaffee fertig, du kannst kommen."
"Sofort! Nur noch kurz die Fexer wässern", plapperte er vor sich hin, mehr zu sich selbst als zu mir.
Ein paar Minuten später hatte Papa dann endlich saubere Hände und durfte sich mit an den Tisch setzen.
Noch während Mama den Kaffee einschenkte, platzte ich mit der Neuigkeit raus, weil ich es einfach nicht mehr länger aushielt.
"Ihr könnt das Auto reparieren lassen, ich habe euch vorhin das Geld dafür überwiesen." Strahlend sah ich die beiden an.
"Wo hast du auf einmal das Geld her? Du hast doch nicht wirklich angefangen, deine Sachen zu verkaufen?", fragte Mama empört.
"Nein, kein Sorge. Ich habe nur ein paar Schichten mehr gearbeitet letzten Monat, weil eine Kellnerin ausgefallen ist, also habe ich jetzt fast das doppelte Gehalt bekommen", erklärte ich.
"Aber Ceil, das können wir doch nicht annehmen." Mama sah zu Papa, als suche sie Unterstützung. Innerlich schmunzelte ich, da ich genau damit gerechnet hatte.
"Deine Mutter hat Recht, du hast hart dafür gearbeitet, dann gönn' dir jetzt auch was davon", blies Papa ins selbe Horn.
"Ihr habt auch euer Leben lang hart gearbeitet und mich durchgefüttert. Ihr braucht gar nicht zu diskutieren anfangen, weil ich meine Meinung eh nicht wieder ändere", fügte ich hinzu, bevor Mama noch etwas sagen konnte.
Kurz war es still, Mama und Papa sahen sich an, bevor sich endlich ein zaghaftes Lächeln auf ihren Gesichtern ausbreitete.
"Ceil, das ist wirklich lieb von dir. Vielen Dank! Aber du bekommst das Geld wieder zurück!"
Wusste ich es doch. Ich kannte meine Eltern eben auch zu gut.
Das Problem war nur, dass sie mich genauso gut, wenn nicht besser, kannten und nachdem wir den Kaffee getrunken und den Kuchen gegessen hatten, fragte meine Mama, wieso ich denn die ganze Zeit so strahlte.
"Was? Ich strahle doch nicht?", log ich – ziemlich schlecht wohlgemerkt und sah in die Tiefen meiner leeren Kaffeetasse.
"Doch, irgendwas ist los, was du uns nicht sagen möchtest", beharrte Mama.
"Ich weiß wirklich nicht, was du meinst." Mit meinem Finger sammelte ich noch einige Krümel von meinem Teller auf.
"Es ist wegen Fabio, oder?", meldete Papa sich zu Wort und ich vermied es, ihn anzusehen. Ich wusste, dass sie es nicht sofort gutheißen würden, dass Fabio und ich uns wieder näher kamen.
"Ceil?" Mama sah mich besorgt an, weil ich kein Wort sagte.
"Seid ihr wieder zusammen?" Mein Vater redete selten um den heißen Brei herum. Das hatte zwar in meinen Teenagejahren oft zu ziemlich peinlichen Situationen geführt, wenn er mich zum Beispiel über Verhütung und Liebeskummer belehrt hatte, aber im Grunde war es befreiend, dass wir so offen und ehrlich miteinander umgehen konnten.
"Nein, sind wir nicht."
Stille.
"Aber?"
Ich seufzte. "Wir... wir lernen uns wieder besser kennen", gestand ich.
Wieder Stille.
"Ist das eine gute Idee?", hakte Papa behutsam nach und ich schloss für einen Moment die Augen.
"Ja", sagte ich dann mit fester Stimme und fing seinen Blick auf. "Ich meine, ihr habt es ja selber gesagt, ich strahle. Er... macht mich glücklich. Und es läuft gut. Es ist gut, so wie es momentan zwischen uns ist." Alleine beim Gedanken an Fabio musste ich grinsen, spürte, wie meine Wangen zu glühen anfingen und wie meine Augen verträumt strahlten. Ich konnte meine Gefühle und meine Zuversicht nicht verbergen.
Mama seufzte bekümmert, Papa überlegte. Dann lächelte er zart. "Nun gut, ihr seid beide auch älter geworden. Und ich bin mir sicher, dass er dich nie absichtlich verletzt hat."
"Wir hätten beide so einiges anders machen können", stimmte ich zu und merkte, wie die Anspannung von mir abfiel.
"Wann nimmst du ihn denn dann mit zu uns?", fragte Mama jetzt und das war ihre Art zu sagen, dass es okay war. Ich lächelte sie dankbar an.
"Mal sehen, wann es reinpasst."
Irgendwie lief alles gerade wirklich gut.
Vielleicht zu gut.
___
Am Abend schwebte ich wie auf Wolken zu meiner nächsten Schicht im Bella Casa. Irgendwann demnächst sollte Fabio sich aber doch mal nach einer neuen Kellnerin umsehen. Auch wenn ich über die zusätzlichen Schichten mehr als froh war, hatte ich doch nicht ewig Semesterferien und danach könnte ich Grace Platz nicht mehr ersetzen, weil ich dann noch meinen Master machen würde.
Ich musste gestehen, dass ich eigentlich keine wirkliche Lust hatte, nochmal zwei Jahre weiter zu studieren. Aber irgendwie wusste ich auch nicht so wirklich, was ich sonst machen sollte.
Als ich rein kam, begrüßte mich schon Francesca. Manchmal hatte ich echt das Gefühl, die Frau wohnte in diesem Restaurant.
"Hallo Ceil, stell dich heute auf einen stressigen Abend ein, wir haben gerade noch eine kurzfristige große Reservierung rein bekommen", kam sie gleich ohne Umschweife auf den Punkt.
Francesca hatte den Laden wirklich fantastisch im Griff.
"Geht klar!"
Gut gelaunt ging ich zum Mitarbeiterraum, wo ich auf Lorenzo traf, den ich ablöste, und der sich soeben ein Shirt über den Kopf zog.
"Da bist du ja endlich", grinst er und richtete sich im kleinen Spiegel am Ende der Schrankreihe seine Haare, obwohl sie wie immer perfekt saßen.
"Hat es hier jemand eilig?", lachte ich und sperrte meinen Spind auf.
"Nicht mehr als üblich. Aber ich bin vom Arbeiten müde und ich will noch das gute Wetter genießen. Die Semesterferien halten ja nicht ewig."
Genau meine Worte. Obwohl sie fast gerade eben erst angefangen hatten, wollte man am liebsten jede Sekunde auskosten, bevor der Stress wieder anfing.
"Freust du dich eigentlich auf das nächste Semester?", fragte ich ihn und zog mein Top aus, nachdem ich mich versichert hatte, dass Lorenzo nicht zu mir sah. Ich konnte mir vorstellen, dass das Medizinstudium um einiges anspruchsvoller war als mein Kunstgeschichtenstudium.
"Ja, falls ich meine Prüfung bestanden habe, bin ich im zweiten Abschnitt, wo ich endlich meine Praktika machen kann." Während er sprach, ging er wieder zu seinem Schrank und holte seine Sonnenbrille und sein Handy heraus, das er sogleich in seine Hosentasche gleiten ließ.
"Das klingt echt sau interessant. Wo machst du dein Praktikum?"
"Im Krankenhaus. Zwei Monate. Und dann kommt wieder ein Unterrichtsblock."
"Zwei Monate... Oh, kannst du dann überhaupt hier arbeiten?"
Lorenzo schnitt eine Grimasse. "Nope, dafür werde ich keine Zeit haben. Ihr müsst irgendwie ohne mich klar kommen, scusi. Aber das müsstet ihr schon schaffen", zwinkerte er, nahm seine Jacke und schloss sein Schließfach. "Schönen Abend, Ceil. Ciao!"
Ich winkte Lorenzo hinterher und zog dann die Augenbrauen zusammen. Verdammt. Wenn er in wenigen Wochen auch für einige Zeit weg war – zeitgleich mit meinem Studienbeginn – bräuchten wir wirklich dringend einen neuen Kellner. Vielleicht sollte ich Fabio später noch einmal darauf ansprechen.
Fertig umgezogen beeilte ich mich wieder ins Restaurant zu kommen, empfing gleich vier Gäste, die keine Reservierung hatten und brachte sie noch auf der eh schon überfüllten Terrasse unter.
"Ciao, Ceil!" Antonia ging an mir vorbei ins Restaurant und lächelte mir zu, doch ich wollte sie am liebsten nur anspucken. Wenn sie wirklich so verlogen und hinterhältig war, wie ich befürchtete, konnte sie sich ihr Lächeln sonst wo hin stecken.
Am liebsten würde ich ja gar keine Schichten mit ihr haben, doch Francesca hatte sie heute außerplanmäßig ins Bella Casa gerufen, weil ein Abend voller Trubel bevorstand. Und solange sie ihre Arbeit gut machte, musste ich wohl oder übel mit ihr klar kommen.
Obwohl es mich fast magnetisch zur Küche zog, hatte ich einfach keine Zeit, um bei Fabio vorbeizuschauen. Ich hatte mehr zu tun als gut war und ich konnte nur erahnen, wie es dann wohl in der Küche bei ihm aussah.
Gerade eben führte Antonia einen Mann mit ergrautem Haar und dem größten Bierbauch, den ich je gesehen hatte, zu einem Tisch. Auf dem Weg kreuzten sich unsere Blicke und ein leichtes Schmunzeln umspielte ihre Lippen. Der Herr war breiter als sie hoch und auch sie fand das ziemlich amüsant.
Ich seufzte innerlich. Bildete ich mir das mit Antonia nur ein? Sie war doch eigentlich echt nett und lustig. Sie würde mir doch nie absichtlich in den Rücken fallen, oder?
Aber mehr Zeit, um mir darüber Gedanken zu machen, hatte ich nicht, denn die Bestellung für einen Vierertisch wartete darauf, serviert zu werden.
Ich würde es einfach machen, wie mit Fabio abgesprochen und sie ein wenig im Auge behalten.
Francesca, Paolo, Antonia und ich hatten alle Hände voll zu tun. Und wieder einmal wunderte es mich, dass wir bei so einem Trubel keinen Gewinn hatten.
"Ceil... Ceil!" Ich drehte mich zu Paolo um, der sich verschwörerisch zu mir beugte. "Der dicke Mann, den Antonia versorgt, ist der berüchtigtste Restaurantkritiker in der Stadt", hauchte er mir zu und wie automatisch wanderte mein Blick wieder zu ihm. Er saß alleine da und studierte die Speisekarte, obwohl er am Ende wahrscheinlich einfach darum bitten würde, dass der Koch ihm eine Improvisation zaubern sollte.
"Weiß Fabio davon?", fragte ich Paolo, dem die Spannung ins Gesicht geschrieben stand.
"Ja, Francesca hat es ihm vorher schon gesagt, als sie ihn erkannt hat. Hoffen wir mal, dass Fabio heute einen noch besseren Tag als sonst hat!"
Mit diesen Worten war Paolo auch schon wieder verschwunden. Ich schluckte einmal schwer. Wow. Der berüchtigtste Kritiker der Stadt.
Der heutige Abend könnte auf Fabios gesamte zukünftige Karriere einen immensen Einfluss haben.
Als er kurz darauf dann nicht einmal ein Überraschungsgericht bestellte, sondern das l'Inizio – das Pengasiusfiletgericht, das ich mit Fabio zusammen erfunden hatte – war es um meine Nerven geschehen. Aber Antonia schien komplett ruhig, als sie ihm Wein einschenkte. Entweder sie wusste so wie ich vorhin nicht, wer das war oder sie hatte einfach Nerven aus Stahl.
Ich hatte das Gefühl, dass die Zeit nur noch in Zeitlupe voranging. Wir schlichen umher, machten gute Miene zum bösen Spiel und warteten voller Spannung darauf, dass Antonia dem Fettsack das bedeutungsvollste Gericht des Abends servierte.
Francesca stand hinter der Bar und wusch schon seit vier Minuten das gleiche Glas ab, Paolo bediente einen Tisch, ohne jedoch den Blick vom Kritiker zu lassen und ich stand nur wenige Meter daneben, als Antonia endlich zur Küche marschierte, um den Teller abzuholen. Ich nahm die Bestellung der Gäste auf und ging zum Computer neben der Küche. Mit zitternden Fingern tippte ich die Gerichte ein, starrte auf den Bildschirm vor mir, als würde er mir verraten, wie der Abend und wie das Urteil des Kritikers ausgehen würde.
Ich erschrak, als Antonia plötzlich neben mir auftauchte und mir den Teller für den Herrn unter die Nase hielt. Ich hatte sie gar nicht gehört.
"Ceil, kannst du bitte dem Mann mit dem fetten Bauch an Tisch vierzehn den Teller bringen. Ich muss so dringend aufs Klo, ich mache mir gleich in die Hosen!"
Bevor ich reagieren konnte, hatte sie mir schon den Teller in die Hand gedrückt und ich sah nach unten auf das wunderschöne Gericht, das dampfend heiß auf dem Porzellan in meiner Hand lag.
Schnell ging ich damit los, sodass der Kritiker nicht zu lange warten musste. Paolo, der einige Tische weiter stand und ganze sieben Leute zu bedienen hatte, sah mit angestrengter Miene zu mir.
Jap, ich war genauso nervös wie er.
Kurz bevor ich beim Kritiker ankam, fing ich wieder Paolos Blick auf. Mit gefurchter Miene versuchte er mir etwas zu sagen, wurde jedoch von den Gästen am Tisch unterbrochen.
Was war denn jetzt schon wieder los?
Der Kritiker wurde auf mich aufmerksam und richtete sich ein wenig auf, während ich ihm charmant zulächelte.
"L'Inizio. Ich wünsche einen guten Appetit."
Ich setzte den wohlduftenden Teller vor dem Herrn auf den Tisch, erleichtert darüber, dass ich dabei sein Weinglas nicht umgeschmissen hatte, und wandte mich mit schnell klopfendem Herzen von ihm weg.
Doch als ich wieder zu Paolo sah, der schnellen Schrittes auf mich zukam, wusste ich, dass etwas ganz und gar nicht stimmte.
____________________
Okay, waaas ist hier schief gelaufen?
Tyskerfie & HeyGuys77
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top