Kapitel 37
"Also, wo fangen wir an?" Em stand mit verschränkten Armen da und starrte das Unigebäude an, vor dem wir standen. David hatte eine Hand vor die Augen gehalten, um nicht von der Sonne geblendet zu werden, während er wie Em das Gebäude vor uns ansah.
Auch ich betrachtete den kunstvollen Klotz vor uns als wäre er ein Weltmysterium.
"Ich würde vorschlagen, dass wir mit den Schwarzen Brettern anfangen und dann mal weitersehen."
"Okidoki!"
Mit den Flyern, Tesafilm und einer Schachtel Stecknadeln bewaffnet, verließen wir die Sommerhitze und marschierten ins kühle Innere. Der Marmor des Bodens strahlte eine verhältnismäßig erfrischende Kühle aus.
"Wie viele willst du aufhängen?", fragte Em über ihre Schulter, als sie schon das erste Schwarze Brett erreicht hatte.
"Wie wäre es, wenn wir ganz unten einfach von links nach rechts so viele dranhängen wie möglich? Also einfach nur in einem Eck festpinnen, dann hängen die schräg nach unten und man kann sogar eins davon abreißen und es mitnehmen, anstatt das wir nur ein Exemplar aufhängen, die Leute lesen und vergessen es sofort wieder?", schlug David vor und ich nickte begeistert.
"Perfekt!"
Wir machten uns sofort ans Werk und begaben uns gleich darauf schon zum nächsten Schwarzen Brett. Auf dem Weg legten wir verstreut kleine Häufchen von den Flyern auf Arbeitstische oder Couchtische in den Warte- und Lernbereichen.
Einige andere Studenten warfen uns neugierige Blicke zu und ich sah schon ein oder zwei Leute, die sich einen Flyer schnappten und neugierig lasen.
"Das ist echt eine geniale Idee", murmelte David neben mir, während er auf die Werbung in seiner Hand guckte. "Hättet ihr das nicht schon früher machen können? Dann hätten Em und ich nicht ein Vermögen dafür ausgeben müssen, dich und deinen heißen Chef zu stalken."
"Ja, im Ernst. Das war ja schon fast voll die Ausbeutung!", regte Em sich auf der anderen Seite von mir auf.
"Ihr hättet es auch einfach lassen können", grinste ich und zuckte mit den Schultern. "Aber ihr wolltet unbedingt. Also beschwert euch nicht."
"Du weißt, dass wenn man die Möglichkeit dafür hat, dann muss man sich einfach ein bisschen beschweren", lächelte Em und ich musste lachen. Sie sprach sich selber aus der Seele. Denn immer, wirklich IMMER, wenn ihr irgendetwas nicht passte, beschwerte sie sich, um daraus irgendeinen Vorteil zu erhalten.
Wenn sie erst einmal anfing, verschwand man lieber ganz schnell bis ans Ende der Welt, denn meistens artete ihr übertriebenes Gerechtigkeitsempfinden als Verbraucher komplett und total aus und wurde nicht nur für sie selber, sondern auch für ihre Begleiter mehr als peinlich.
Nur schien Em das nie selber zu raffen.
"Also, wo noch?", meinte David aber dann und sah sich suchend um. Wir hatten wirklich überall Flyer verteilt. Alle Tische, die irgendwie und irgendwo in den Gängen standen, waren damit belegt. Auch alle Schwarzen Bretter hatten wir uns vorgeknöpft. Sogar in der Auslage im Auditorium, hatten wir welche hinterlegt.
"Oh, ich habe eine Idee", grinste ich plötzlich. "Das wollte ich schon immer machen."
Ich ging vor zur Treppe, die nach unten führte. Wir waren im Obergeschoss und als ich am Geländer vorbeispäte, bekam ich von der Höhe kurz einen Anflug von Atemnot.
"Meint ihr, die trudeln bis ganz nach unten, wenn man sie sie von hier oben fallen lässt?", fragte ich die anderen, die mittlerweile verstanden hatten, was ich vorhatte.
"Das werden wir gleich sehen", antwortete David mit einem breiten Grinsen. Wir fächerten die restlichen Handzettel noch ein wenig auf, damit sie möglichst schön flattern würden, verteilten uns dann ein wenig mehr, sahen uns noch einmal verbündend in die Augen und ließen die Zettel dann einfach fallen.
Neugierig wie kleine Kinder, ob unser genialer Plan aufgehen würde, sahen wir den Zetteln dabei zu, wie sie sich zerstreuten und langsam nach unten flatterten. Es sah vielleicht nicht ganz so gut aus, wie in Filmen, aber es war doch schon ziemlich cool und ich freute mich wie eine Schneekönigin, dass alles so gut klappte.
Bald würden alle von Fabios Restaurant wissen und von dem neuen Konzept. Die Menschen würden seine Bude einrennen, Fabio könnte sich vor Kundschaft kaum noch retten, er könnte das Restaurant behalten und er wäre glücklich.
Ein warmes Gefühl durchlief mich, als mir mit einem Schlag bewusst wurde, wie sehr mir Fabios Glück noch immer am Herzen lag.
Ich hatte die vage Ahnung, dass sich daran nie etwas ändern würde, egal wie sehr ich mich auch anstrengte.
Ein paar der Handzettel waren ins Treppenhaus geflattert, die meisten lagen nun unten auf dem Boden, waren zum Teil direkt auf den Studenten gelandet und wurden schon fleißig gelesen.
"Ich würde mal sagen: Mission 'Rettet das Bella Casa', Schritt eins ist erledigt." Übermütig klatschte Em in die Hände. Bevor sie vor guter Laune noch zum Hüpfen anfangen würde, nickte ich.
"Ich würde sagen, das schreit doch danach, dass Fabio uns einen ausgibt, oder?" Ein kleiner Aperol Spritz oder ein Hugo würde bei Fabio mit Sicherheit dafür rausspringen, dass wir ihn unterstützt hatten. Und ich könnte ihm gleich von unserem Erfolg erzählen. Vielleicht würde er sogar demnächst gleich wieder so eine Aktion starten wollen, um in Erinnerung zu bleiben, wenn diese hier gut funktionierte. Aber das würde er bestimmt erst mal mit Damian besprechen, der hatte da immerhin einen größeren Erfahrungsschatz, was sinnvoll wäre, um weiter Werbung zu machen.
"Das ist ja wohl das Mindeste, was er tun kann", näselte David gespielt arrogant und brachte uns damit zum Lachen. Manchmal war er einfach ein Witzbold.
Gemeinsam machte wir uns auf den Weg zum Bella Casa. Es war gerade nicht allzu viel los. Die meisten Gäste vom Mittagessen waren schon gegangen und die Gäste fürs Abendessen würden erst noch kommen. Nur vereinzelt saßen ein paar Menschen da und genossen einen Aperitif oder einen Kaffee.
Ich lief zielstrebig auf die Küche zu. Em und David folgten mir ein wenig verhalten, immerhin war es nicht gewöhnlich, dass Gäste einfach so in die Küche eines Restaurants stiefelten.
Ich steckte den Kopf kurz durch die Tür, aber Fabio war gerade nicht da. Also war er wahrscheinlich im Büro.
"Kommt mit", forderte ich Em und David kurz über die Schulter auf, bevor ich kurz klopfte und dann die Tür zu dem kleinen Büro öffnete, in dem Fabio tatsächlich gerade saß. Als wir den Raum betraten, hob er den Kopf von irgendwelchen Papieren, die er gerade studiert hatte.
"Die Spezialeinheit meldet sich zurück", meinte ich lächelnd. "Das sind Em und David", stellte ich dann meine beiden Freunde vor, als sie hinter mir den Raum betraten.
Als Fabio sie sah, trat Erkennen in seine Augen und dann huschten sie kurz amüsiert zu mir.
Mein Lächeln gefror, als mir siedend heiß einfiel, dass Em und David keineswegs mehr Unbekannte für Fabio waren. Jetzt konnte er wahrscheinlich Eins und Eins zusammenzählen und würde genau wissen, weshalb die beiden hier gewesen waren und extra nach ihm verlangt hatten.
Wie peinlich war das denn?
Ich konnte spüren, wie mir die Röte ins Gesichte stieg.
Mist, Mist, Mist. Warum hatte ich nicht früher daran gedacht?
Aber jetzt war es eindeutig zu spät. Fabio begrüßte die beiden schon.
"Hey, schön euch wieder zu sehen! Vielen Dank, dass ihr geholfen habt!", bedankte er sich bei den beiden. "Und was für ein Gefühl habt ihr bei der Aktion?", fragte er dann mehr an mich gewandt.
"Die Leute lesen schon fleißig. Wir haben die Handzettel überall verteilt, wo es möglich war", erstattete ich Bericht und lächelte ein klein wenig stolz. So ganz unschuldig war ich an der Idee ja nicht. Und bisher schien alles gut zu klappen.
"Perfekt! Dann schauen wir mal, wie viele die nächsten Tage so kommen und ob sich das rum spricht." Fabio strahlte mich an, ich wurde – wenn irgend möglich - noch knallroter in der Birne und dann wandte er sich wieder an Em und David.
"Darf ich euch noch auf was einladen? Ein Aperitif, Kaffee, ein Stück Kuchen?", fragte Fabio und sah die beiden abwartend an.
"Da sagen wir nicht Nein." David grinste wieder breit und bekam von Em dafür einen kleinen Klaps gegen die Schulter, aber Fabio lachte nur.
"Dann sucht euch doch schon mal einen Platz und sagt Paolo dann einfach, was ihr möchtet."
"Danke, das ist echt nett von dir", bedankte sich Em artig, bevor sie David nach draußen schubste. Ich wollte ebenfalls gehen, als mich Fabios Stimme zurückhielt.
"Das sind also deine Freunde." Er lehnte lässig an seinem Schreibtisch, hatte seine Arme vor der Brust verschränkt und sah mich unendlich amüsiert, spöttisch und provokant an. "Freut mich, dass ihnen mein Essen so gut geschmeckt hat", fügte er noch mit einem Zwinkern hinzu, bevor er sich leicht von dem Schreibtisch abstieß und sich wieder hinsetzte.
Ich nutzte die Gelegenheit, um schnell zu verschwinden.
Sagen musste ich dazu ja nun wirklich nichts mehr, denn es war klar, dass er genau wusste, weshalb Em und David hier gewesen waren.
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Da ist das kleine Theater wohl aufgeflogen xD
Schönen Sonntag euch allen! :*
Tyskerfie & HeyGuys77
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