Kapitel 35
Den ganzen Abend lang versuchte ich mich so gut wie möglich zu konzentrieren und Fabio aus meinen Gedanken zu verbannen. Ich machte einen extra großen Bogen um die Küche, so gut es mir eben möglich war.
Und trotzdem spürte ich Fabios Lippen auf meinen. Seine Hände auf meiner Haut. Seine Wärme auf meinem Körper. Jede einzelne verdammte Sekunde dieses Abends.
Ich widerstand nur mühsam dem Drang, in die Küche zu stürmen, Fabio in die Abstellkammer zu zerren und ihn um den Verstand zu küssen.
Ich sehnte mich nach ihm, so intensiv, wie ich es schon eine ganze Weile nicht mehr verspürt hatte.
Aber gleichzeitig hatte ich Angst, eine so tiefsitzende Angst, die noch von vor drei Jahren her rührte und die ich nicht einfach so ohne Weiteres abstellen konnte.
So sehr ich mich von ihm angezogen fühlte, so stark sträubte sich auch alles in mir, ihn wieder so nah an mich heran zu lassen, wie ich es ihm schon einmal gestattet hatte. Mit dem niederschmetterndem Erfolg, dass ich ihn nach nur ein paar mickrigen Wochen wieder verloren hatte.
"Ceil? Hast du kurz Zeit?" Erschrocken fuhr ich herum und blickte in Fabios schiefes, unsicheres Lächeln. "Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken."
"Kein Problem, ich war nur in Gedanken." Das Restaurant hatte sich geleert, nur noch zwei Tische waren mit Pärchen besetzt, die noch das letzte Glas Wein genossen, bevor sie sich auf den Weg nach Hause machen würden. Gemeinsam.
"Paolo? Du kümmerst dich?", delegierte Fabio und entband mich damit erst mal von meinen Aufgaben. Ich folgte ihm in das kleine Büro. Mir war unbehaglich zumute, aber ich versuchte, mich selbst damit zu beruhigen, dass ich mir einredete, dass das hier rein geschäftlich war. Ich musste in meinem Kopf einen Unterschied zwischen Fabio, meinem Chef und Fabio, meinem Ex-Freund machen. Das eine durfte mit dem anderen nichts zu tun haben, sonst würde ich noch komplett ausflippen.
"Setz dich", bot mir Fabio einen der Stühle an, die vor dem Schreibtisch standen und setzte sich selbst auf den zweiten, bevor er zwei Zettel vom Tisch nahm und sie mir in die Hand drückte.
Stumm sah ich sie mir an, mir deutlich bewusst, dass Fabio mich die ganze Zeit aufmerksam musterte.
"Kannst du bitte aufhören, mich anzustarren?", bat ich ihn leise, ohne meinen Blick von den Handzetteln zu nehmen.
Ich vernahm ein leises Seufzen, aber Fabio kam meinem Wunsch nach und ich konzentrierte mich wieder auf Damians Entwürfe.
Die Handzettel waren beide stilvoll, ohne jedoch zu edel zu wirken. Das würde Studenten wahrscheinlich eher abschrecken.
"Ich finde beide sehr gut", meinte ich schließlich, weil ich mich ehrlich nicht für einen von beiden entscheiden konnte.
"Du meinst also, dass beide Studenten ansprechen würden?", hakte Fabio nach und ich nickte. Noch immer hatte ich ihn nicht angesehen, konzentrierte mich weiterhin auf die Zettel in meiner Hand, um nicht zu riskieren, mich von ihm wieder vollends aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen, in das ich mich gerade mühevoll manövriert hatte.
"Dann sage ich Damian, dass wir beide drucken lassen", entschied er kurzerhand.
Da die Sache somit für mich erledigt war, stand ich auf und wollte schon gehen, als mich Fabios Stimme zurück hielt.
"Wegen gestern...", begann er und ohne dass ich es wollte, traten mir Tränen in die Augen. Warum tat das hier auch so unendlich weh?
"Du hättest das nicht tun dürfen. Du hättest mich nicht küssen dürfen", brachte ich mühsam beherrscht hervor und drehte mich zu ihm um, um ihn das erste Mal richtig anzusehen. Mir war klar, dass er alle meine Gefühle in meinen Augen ablesen konnte. Wut. Trauer. Verwirrung. Schmerz. Sehnsucht.
Vielleicht wollte ich genau das. Ich wollte, dass er sah, was er angerichtet hatte. Was er mir antat.
Er sollte endlich verstehen, was er damals zerstört hatte. Wie er mich zerstört hatte.
"Ceil..."
"Nein, Fabio. Einfach nein." Er brauchte mir jetzt nicht mit irgendwelchen Ausflüchten und Ausreden kommen. Die ganze Situation kostete mich all meine Energie und ich fühlte mich wieder einmal so unfassbar müde und ausgelaugt.
Fabio stand langsam auf und griff nach meiner Hand. Ein angenehmes Kribbeln kroch meinen Arm hinauf. "Ceil, hör mir zu. Ich weiß, was du denkst. Dass ich jetzt mit irgendeiner Ausrede daherkomme. Einer flachen Entschuldigung. Aber ich will mich nicht entschuldigen", flüsterte er dann. "Nicht für den Kuss. Nicht dafür, dass du mich so nah an dich herangelassen hast."
Stumm blickte ich zu ihm auf, versuchte zu kapieren, was er sagte. Versuchte zu ignorieren, dass ich mich so sehr zu ihm hingezogen fühlte, dass ich kaum wusste, was ich mit mir anstellen sollte. Sein Körper, so nah an meinem, seine Augen, überall auf meinem Körper... Das war alles zu viel.
"Der Kuss tut mir nicht leid", sagte er wieder. "Aber es tut mir leid, dass es dir jetzt wegen mir schlecht geht. Das wollte ich nie. Ich wollte einfach..." Er brach ab und senkte den Blick. Ich bemerkte, wie schnell sein Herz in seiner Brust schlug.
Und da wusste ich, dass es ihm wie mir ging. Dass er etwas fühlte, dass er sich nicht erklären konnte. Vielleicht auch nicht wollte, aus Angst vor der Einsicht.
"Fabio, was wird das hier?", fragte ich leise und wischte mir eine Träne von der Wange. "Du hast wohl kaum vor zu fragen, ob ich wieder deine Freundin sein will. Also was wird das hier?"
Es war an der Zeit, die Wahrheit zu sagen. Keine Worte dazwischen zu legen. Sich nicht vor der Realität zu drücken.
Doch Fabio sah mich nur wortlos an. Hielt meine Hand fest und versuchte in den Abgrund meiner Seele zu blicken.
Ich zuckte aufgebend mit den Schultern. "Siehst du? Du kannst es mir nicht einmal einfach sagen."
"Ich kann mich kaum zurückhalten, Ceil", hauchte er jedoch und überrascht sah ich ihn an. Bemerkte erst jetzt die zitternde Spannung, die von ihm ausging, als er meine Lippen ansah. "Ich versuche mich hier zu beherrschen, da kann ich mich nicht auch aufs Reden konzentrieren."
Mit pochendem Herzen biss ich mir in die Lippe. Ich wollte ihn fragen, wieso er sich zurückhielt, doch ich schluckte einmal schwer, fuhr mir mit der Hand durch die Haare und versuchte stark zu bleiben. Ich atmete tief durch.
"Ich glaube... Ich glaube, dass es für uns einfach schwer ist, uns normal zu verhalten", versuchte ich dann mit zitternder Stimme die Lage zu beschreiben. "Es ist zu natürlich für uns, einfach in alte Verhaltensmuster zu verfallen. Wir können beide damit nicht umgehen. Es ist noch zu normal irgendwie, obwohl so viel Zeit vergangen ist, und deswegen..." Ich stockte, als Fabio mir näher kam. Hinter mir die Tür, vor mir er. Das Büro kam mir auf einmal so klein vor, ich fühlte mich eingeengt. Meine Brust hob und senkte sich schnell, als ich wie benebelt einfach da stand und Fabio ansah.
„Deswegen...", hauchte ich wieder, doch konnte den Satz erneut nicht zu Ende bringen.
„Und deswegen solltest du wahrscheinlich jetzt lieber gehen", sprach Fabio dann leise den Satz zu Ende und atmete tief durch. Seine Worte jagten mir ein Messer durchs Herz, doch ich wusste, dass er Recht hatte.
Es war am Besten so.
Ich nickte langsam, musste wieder die Tränen unterdrücken und sah dann nach unten. Ich atmete Fabios Duft ein letztes Mal ein, dann trat er einen Schritt nach hinten, sodass ich die Tür öffnen und das Büro verlassen konnte.
Wirklich was geklärt hatten wir eigentlich auch nicht, dachte ich, als ich versuchte, mich wieder einigermaßen zu sammeln.
Trotzdem hatte ich das befreiende Gefühl, dass wir tatsächlich einen kleinen Schritt weiter gekommen waren.
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Und das Gefühl zählt ja schon mal, oder? ;)
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Tyskerfie & HeyGuys77
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