Kapitel 32

Geheimnisvoll lächelnd beugte er sich zu mir und hielt meinen Blick fest, bis er von dem Tuch unterbrochen wurde. Er knotete das Tuch fest und schon war meine Welt in Dunkelheit getaucht.

"Okay, du siehst wirklich nichts mehr." Wahrscheinlich hatte er gerade wie wild vor meinem Gesicht rumgefuchtelt, wie es Thomas Gottschalk immer bei "Wetten, dass..." mit seinen Wettkandidaten gemacht hatte.

Ich war überrascht und viel zu neugierig, was Fabio vorhatte, um mir das Tuch gleich wieder vom Kopf zu ziehen.

"Also dann, Mund auf." Wie ferngesteuert gehorchte ich Fabio, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, dass er mir etwas geben könnte, das mir nicht schmeckte.

Fabio steckte mir ein Häppchen in den Mund und seine Finger streiften leicht meine Lippen, was mir eine sofortige Ganzkörpergänsehaut bescherte. Dadurch, dass ich nichts sehen konnte, waren mein Geschmacks- und Tastsinn so geschärft, dass ich das Gefühl hatte, alles überdeutlich wahrzunehmen.

Fabios Berührung, das Geschmackserlebnis in meinem Mund – alles in mir kribbelte.

"Gott, ist das gut", schwärmte ich, als ich langsam kaute und mir den Geschmack auf der Zunge zergehen ließ.

"Was schmeckst du?"

Ich überlegte kurz und konzentrierte mich genau darauf, was für Nuancen ich schmeckte.

"Frischkäse... Schnittlauch... Zitronenraspeln... und... Blaubeere?"

"Ceil, Ceil, Ceil... Deine Geschmacksknospen sind ja richtig gut." Das Lächeln, das ich in Fabios Stimme hörte und das Kompliment, ließen mich erröten. "Hier, trink einen Schluck." Er führte meine Hand zum Weinglas und vorsichtig nahm ich einen Schluck, sehr darauf bedacht, mir nicht den ganzen Wein übers Gesicht zu kippen. Es war unglaublich, wie unsicher man sich plötzlich fühlte, wenn man nichts mehr sehen konnte.

Fabio nahm mir das Glas ab und stellte es mit einem leisen 'Klick' wieder auf dem Tisch ab.

"Mund auf", kam dann wieder die Anweisung und ich gehorchte brav, schon mehr als gespannt darauf, was er als nächstes für mich parat hatte.

Das nächste Häppchen war ein bisschen schwieriger.

"Lachs und Safrangelée? Und... Da ist noch etwas... Ein Hauch von Karotte?"

"Ich seh' schon, ich muss es dir schwieriger machen." Wieder drückte er mir das Weinglas in die Hand, von dem ich einen Schluck nahm, bevor ich es ihm wieder zurück gab. Ich setzte mich gemütlich im Schneidersitz hin, sodass ich ihm gegenüber saß und öffnete ohne Aufforderung den Mund.

Mein Magen war bereit für das nächste Häppchen.

Fabios leises Lachen sandte einen Schauer über meinen Körper. Warum nur konnte ich mich seiner Wirkung auf mich nicht entziehen?

Als er das nächste Häppchen in meinem Mund verschwinden ließ, streiften seine Finger für den Bruchteil einer Sekunde hauchzart über meine Wange. Es war fast wie ein Windhauch und schon war ich mir nicht mehr sicher, ob ich die Berührung tatsächlich gespürt hatte.

Ein wenig aus dem Konzept gebracht, hätte ich beinahe vergessen, zu kauen.

"Das ist wieder Fisch, aber...ich weiß nicht welcher", musste ich gestehen. "Aber da ist Lavendel und Rosmarin mit dabei."

"Es ist Schwertfisch", löste Fabio das Rätsel auf. "Du bist echt unglaublich. Die ganzen Kräuter und mehr oder weniger unnormalen Zusammensetzungen schmeckst du ohne Probleme."

Die Bewunderung in Fabios Stimme war nicht zu überhören und ich musste einfach grinsen.

"Okay, vielleicht fällt dir was leichtes ja irgendwie schwerer." Ich öffnete automatisch den Mund und kurz darauf hatte Fabio mich schon wieder gefüttert.

Ich kaute und starb einen kleinen Tod. Wie konnte er nur so leckere Sachen herzaubern?

"Das ist ein gefüllter Champignon", fing ich an. "Gebraten."

"Genau. Aber gefüllt mit was?"

"Bacon. Definitiv Bacon." Bacon würde ich überall in allen Variationen erkennen. Ohne Zweifel.

"Und?"

"Hmm... Ich glaube, das ist Petersilie."

"Du glaubst?", hakte Fabio nach.

"Nein, ich bin mir sicher", grinste ich jetzt selbstbewusst. Fabio seufzte amüsiert. Vier zu Null für mich.

"Okay, nächstes."

Diesmal kaute ich länger. "Ähm... Butterteig."

Fabio lachte leise. "Ja. Und mit was ist der Butterteig gefüllt?"

"Ich weiß es nicht", gestand ich. "Ich meine Parmesan schmecken zu können, aber das andere kann ich nicht identifizieren."

"Sehr gut. Geriebener Parmesan. Untergerührt in Ricotta. Und dazu noch... feingehackter, gebratener Spitzkohl."

"Gebratener Spitzkohl? Wow, ich wusste nicht, dass das so lecker schmeckt."

"Ich könnte das tagaus, tagein essen", sagte Fabio und ich musste wieder lächeln. In der Schule hatte er alles, was auch nur ansatzweise mit Kohl zu tun hatte, abgrundtief gehasst.

"Hier, trink was", sagte er dann und griff nach meiner Hand, um sie zum Weinglas zu führen, das er mir hinhielt. Die Berührung entfachte ein Feuer in meinem Innern und ich hoffte, dass er nicht bemerkte, wie meine Hände zitterten.

Ich trank langsam einen Schluck und seufzte dann zufrieden. "Wieso machen wir das hier?", fragte ich ihn dann. Wollte er mir nur eine Freude bereiten? Oder steckte mehr dahinter?

"Naja, ich überlege, die Häppchen hier auf unsere Karte zu setzen. Als Appetizer oder als Snack für die Gäste, die eigentlich nur kommen, um ein Glas Wein oder einen Spritz zu trinken."

Ich nickte. Sehr gute Idee.

"Und da du vom Restaurant die mit den besten Geschmacksnerven bist – mal abgesehen von mir – bist du mein Versuchskaninchen."

Ich sah das einfach mal als Kompliment.

"Und außerdem habe ich dich endlich mal für mich alleine", fügte er noch leise hinzu. Plötzlich verspürte ich das Bedürfnis, das Tuch von meinem Kopf zu reißen, um Fabio ansehen zu können.

Doch ich blieb ruhig. Fabio nahm mir das Glas wieder aus der Hand und räusperte sich.

"Okay, bereit für das nächste?"

Ich nickte. Wusste nicht, was ich sonst sagen sollte. Und wartete auf das nächste Häppchen.

"Mund auf", wies Fabio mich an und schon fand ein wahres Feuerwerk in meinem Mund statt. Das hier war ein Dessert-Häppchen des Himmels.

"Erdbeere, Schokolade, irgendeine Creme...", murmelte ich und wünschte mir, dass Fabio noch zwanzig von denen vorbereitet hatte.

"Genau, eine Schoko-Erdbeere, die mit einer Creme aus Mascarpone, Vanille, einem Hauch Lakritze und ein wenig geriebener Limettenschale gefüllt ist."

"Das ist wirklich himmlisch", schwärmte ich. Im Ernst, ich war hellauf begeistert.

"So, trink noch was", sagte er dann und griff nach meiner Hand. Er reichte mir das Weinglas und abermals nahm ich einen Schluck. Obwohl ich zeitgleich gegessen hatte, spürte ich die Auswirkungen des Alkohols in meinem Blut. Wo ich vorher noch unendlich müde gewesen war, herrschte jetzt ein freudiges Kribbeln.

Was vielleicht nicht nur am Alkohol lag.

Als Fabio mir das Glas wieder wegnahm, behielt er meine Hand in seiner, stellte mit der anderen das Glas auf den Tisch.

Ich ließ es geschehen, genoss den Körperkontakt, die Vertrautheit in dieser Geste. Ließ seine Wirkung auf mich entfalten.

"Bereit für das letzte?", fragte Fabio dann leise und ich nickte, während ich leicht vor Vorfreude grinste.

Und dann spürte ich plötzlich seine Lippen auf meinen. Zärtlich. Liebevoll. Ergreifend.

Die Zeit stand still, meine Gedanken standen still, mein Herz stand still, nur um mit voller Kraft wieder anzufangen, wie verrückt zu schlagen.

Meine Sinne waren geschärft wie noch nie, als ich langsam, fast ungläubig, den Kuss erwiderte.

Vorsichtig legte Fabio seine Hand in meinen Nacken. Die Wärme seiner Berührung breitete sich auf meinem ganzen Körper aus.

Wohlig seufzend zog ich mir das Tuch von den Augen und hielt dann kurz inne. Für den Bruchteil einer Sekunde lösten wir uns voneinander und sahen uns an.

Dann drückte ich wieder meinen Mund auf seinen, er hob mich hoch und zog mich zu sich, ich setzte mich rittlings auf seinen Schoß und verstärkte den Kuss.

Tausend Emotionen flossen durch meinen Körper, als ich meine Arme um ihn schlang und seiner Zunge Einlass gewährte. Seine starken Arme hielten meine Taille umschlossen, doch plötzlich fuhr er mit seiner Hand meine Seite entlang nach unten. Er striff über meinen Oberschenkel, während ich versuchte, den Abstand zwischen uns zu minimieren.

Unsere Lippen, unsere Zungen spielten miteinander. Ich ließ mich fallen. Unwiderruflich und bedingungslos.

Zittrig atmete ich seinen Duft ein, spürte seine weichen Lippen auf meiner Haut, die sich langsam meinen Kiefer entlang zu meiner Halsbeuge bewegten.

Wie lange hatte ich mich nach dieser Form der Zuneigung gesehnt? Wie oft hatte ich nachts davon geträumt und mir gewünscht, nur EIN Mal wieder seine weichen Lippen auf meinen zu spüren?

Ich fuhr mit meiner Hand durch seine Haare und zog ihn wieder zu mir, sodass wir unsere Lippen vereinen konnten.

"Ceil", hauchte er atemlos, bevor er mich leidenschaftlich und fordernd küsste und ich ohne zu überlegen seinen Gefühlsausbruch erwiderte.

Ich ließ meinen jahrelang aufgebauten Schutzwall zu Boden fallen und öffnete mich für Fabio.

Spürte ihn, schmeckte ihn, behielt ihn so nah bei mir wie möglich.

"Ceil, bella", raunte er mir wieder zu. "La mia bella."

Er legte seine Hand an meine Wange, küsste mich mit so viel Leidenschaft und Begierde, dass mir ganz schwindlig wurde.

Langsam griff er nach dem unteren Saum meines T-Shirts und hob ihn leicht an, um seine Hand auf meine nackte Haut zu legen. Seine Hand ging auf Wanderschaft, streifte über die empfindliche Haut an meinem Bauch, dann über meinen Rücken und hinterließ eine brennende Spur, wo immer er mich berührte. Völlig benommen ließ ich ihn machen. Mein Körper stellte auf Autopilot, fand die gleichen Vorgänge wie vor drei Jahren noch, als hätten wir uns gestern das letzte Mal geküsst.

Ich spürte, wie Fabio langsam mein T-Shirt nach oben schob und es gleich seinen Weg über meinen Kopf auf den Fußboden finden würde, als die Türklingel uns unterbrach und uns wieder in die Realität katapultierte.

Erschrocken sah ich in Fabios braune Augen, die mich leicht überrascht, leicht zärtlich, leicht fragend ansahen.

Auf einmal wurde mir bewusst, wo ich war. Was ich tat.

Wie unüberlegt das alles war.

Völlig perplex sprang ich förmlich von Fabios Schoß, zog mein T-Shirt wieder zurecht, schämte mich für mein billiges Benehmen, ignorierte Fabios Blicke auf meinem Körper, seinen verwirrten Gesichtsausdruck.

"Ich... muss los", stotterte ich und nahm meine Tasche, als Fabio nach meiner Hand griff.

"Ceil..."

"Ich kann jetzt nicht", fertigte ich ihn ab.

"Ceil, warte!"

Fabio stand auf und ging mir nach, als ich zu seiner Tür hechtete.

"Du solltest deinem Besuch die Tür öffnen", sagte ich, als wäre das der Grund für meinen plötzlichen Abgang.

"Ceil!"

Ich lief so schnell ich konnte die Treppe hinunter und traf im ersten Stock auf Damian, der gut gelaunt und vor sich hin pfeifend scheinbar ohne Probleme die Treppen hoch kam.

"Hey, Ceil! Das passt ja perfekt, ich habe die ersten Entwürfe für die Flyer dabei!", begrüßte er mich, sah mich dann aber ein wenig verwundert an. "Alles okay?"

"Ja, ich... Ich kann grad nicht, tut mir leid!", rief ich ihm über die Schulter zu, als ich weiter stolperte.

Gott, was musste ich nur für einen Eindruck machen!

Verdammt, was war eigentlich in mich gefahren!

Ich war gerade erst dabei, zu akzeptieren, dass ich immernoch Gefühle für ihn hatte. Da konnte ich doch nicht so über ihn herfallen!

Was hatte ich mir dabei gedacht? Was hatte ER sich dabei gedacht? Hatte er das bewusst geplant? War ich einfach naiv darauf reingefallen?

Ich atmete tief ein, als ich an die frische Luft trat, spürte noch die Erregung in mir und gleichzeitig komplette Verwirrtheit.

Über mir hörte ich Fabio, der nach mir rief, doch ich ging unbeirrt weiter. Versuchte, mein gebrochenes Herz und meinen gebrochenen Stolz hinter mir zu lassen.

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Da war der Kuuuuss <3 Auch wenn der Ausgang suboptimal war xD

Tyskerfie & HeyGuys77

PS: Die Anmeldephase beim Wettbewerb ist jetzt vorbei - alle Infos folgen morgen (bzw später xD) in dem Buch zum Wettbewerb auf ElizaHartBooks :)

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