Kapitel 29

Lest die Info zum Schluss :D
_________________________________

Ich stand gerade hinter der Bar und zählte das abendliche Trinkgeld, als Paolo zu mir kam und zwei schmutzige Gläser abstellte.

"Na, wie viel ist es heute?", fragte er und ich hob einen Finger, um ihn zum Warten zu bringen, während ich noch im Kopf weiterzählte. Wenn ich erst einmal rauskam, konnte ich gleich wieder von vorne anfangen.

"Nicht so viel", sagte ich dann und schrieb den Betrag in das dafür vorgesehene Heft. Das bare Trinkgeld hielt sich tatsächlich immer in Grenzen, da die meisten Kunden per Karte zahlten und dort einen Aufschlag eintippten.

Paolo sah mir über die Schulter zu und wiegte dann den Kopf hin und her. "Ist okay", lächelte er und begann dann die Gläser abzuwaschen. Wir hatten den ganzen Abend zusammen Schicht gehabt, doch erst jetzt fanden wir die Zeit, uns ein wenig zu unterhalten.

"Multitasking ist nicht so deine Stärke, oder?", ärgerte er mich dann und ich musste Schmunzeln.

"Nicht, wenn Zahlen eine Rolle spielen", gab ich ehrlich zu und gähnte dann müde.

Es war zum Glück nicht so viel los gewesen, wie bei meiner letzten Schicht, denn das hätte ich wahrscheinlich nicht überlebt. Aber für Rumchillen war absolut auch keine Zeit gewesen.

Als ich meinen Blick durch das Restaurant schweifen ließ, seufzte ich lautlos. Da wir noch bis Schluss ziemlich viele Gäste gehabt hatten, wartete jetzt noch mindestens eine Stunde Aufräumen auf uns. Und ich konnte kaum auf den Füßen stehen.

In dem Moment kam Fabio zu uns und machte im Gehen eine Flasche Wein auf. Sowas konnten Italiener anscheinend problemlos.

"Chef, was bringst du uns?", fragte Paolo ihn lächelnd und nickte zur Flasche.

"Ein Barolo, Jahrgang 2008, neu eingekauft. Wenn hier alles wieder glänzt, dann gönnen wir uns ein Glas", antwortete er und stellte die geöffnete Flasche auf den Tresen, den Korken warf er in eine große Glasvase, die an der Wand stand und zur Hälfte mit Korken gefüllt war. Hätte ich versucht, ihn aus zwei Metern Entfernung da rein zu befördern, hätten wir den Korken nachher wahrscheinlich auf der Terrasse suchen müssen.

Aber Fabio konnte alles.

"Und deswegen machst du den Wein jetzt schon auf?", fragte ich ihn verständnislos. Als sein Blick auf meinen traf, durchfuhr mich die altbekannte Hitze. Es war echt nicht fair, dass er diese Wirkung auf mich hatte.

"Der Wein muss atmen, damit die Duft- und Geschmacksnuancen sich entfalten können", erklärte er mir. "Ich weiß, dass du so ungeduldig bist, dass du jede Flasche gleich nach dem Öffnen trinkst, aber die meisten Flaschen sollten einige Zeit vor dem Genießen geöffnet werden."

Aha.

"Davon habe ich schon mal gehört", grinste ich und fühlte mich leicht doof. Ich trank Wein, weil er mir schmeckte. Sonst wusste ich so gut wie gar nichts über das 'rote Gold'.

"Falls du hier eine Chance als Kellnerin haben willst, sollte Fabio dich vielleicht mal auf einen Weinkurs für Anfänger schicken", neckte Paolo mich und stellte die fertig abgewaschenen Gläser an ihren Platz.

"Ich kann weißen von rotem Wein unterscheiden. Ich dachte, das reicht für das Niveau hier im Haus?", witzelte ich zurück und brachte Paolo zum Lachen.

"Nicht so vorlaut, junge Dame." Fabio stand plötzlich ziemlich nah neben mir und lächelte mich mit seinen Augen an. "Falls du zwei Minuten hast, will ich dir schnell was zeigen", sagte er dann ruhig und wartete.

"Ähm, okay?"

Ich legte den Umschlag mit dem Trinkgeld in ein dafür vorgesehenes Fach und folgte dann Fabio in die Küche, wo Marco und Sandro noch am Putzen waren. Ein Teller stand jedoch noch auf der Arbeitsfläche.

"Wow", hauchte ich, als ich das Kunstwerk vor mir betrachtete. Das 'Tag- und Nacht'-Gericht.

"Ich habe es ein bisschen umgewandelt, aber ich denke jetzt ist es so, wie es sein soll", grinste Fabio und reichte mir eine Gabel. "Probier", forderte er mich dann auf. Und das ließ ich mir definitiv nicht zwei Mal sagen.

Das Pangasiusfilet war zusammengerollt und dann senkrecht auf den Ascheboden gestellt worden. Nur die untere Hälfte war schwarz gefärbt, doch nach oben hin wurde der Fisch heller und heller. Darauf stapelten sich zwei Schichten Gelee, eine gelb, die andere grün. Verziert war das Ganze noch mit einem Kräuteröl und essbaren Blumen.

"Woraus bestehen die Schichten?", fragte ich, doch Fabio zwinkerte mir nur zu.

"Finde es heraus."

Ich trennte mit meiner Gabel ein Stück vom Fisch und vom Gelee ab, überprüfte, ob auch genug Lauchasche drauf war und dann probierte ich.

Oh. Mein. Gott.

Ich hatte das Gefühl, dass die Zeit still stand, während ich mir das Essen auf der Zunge zergehen ließ.

"Mmmh", raunte ich genüsslich. "Die gelbe Schicht ist Zitrone", sagte ich dann und Fabio nickte. "Und die grüne... Ist das Oregano?"

"Sehr gut!", lobte er mich und ich spürte sofort, wie ich rote Wangen bekam.

"Im Olivenöl habe ich ein wenig Knoblauch und natürlich Salz und Pfeffer untergemischt", erzählte er weiter, nahm mir die Gabel aus der Hand und nahm selber etwas vom Gericht. Marco und Sandro wuselten um uns herum, doch ich bemerkte sie gar nicht. Ich hatte nur Augen für Fabio.

Und dann musste ich daran denken, was Robyn und Em mir gestern im Pub gesagt hatten. Dass Fabio mich bestimmt nicht abweisen würde, wenn ich ihn so richtig hart anmachte.

Doch so ein Benehmen passte einfach nicht zu mir – nicht mehr zumindest – und deswegen verwarf ich den Gedanken sofort.

Trotzdem fragte ich mich, ob er diese konstante Spannung zwischen uns auch spürte oder ob ich mir alles nur einbildete.

"Ich will noch was", sagte ich stattdessen und klaute ihm wieder die Gabel aus der Hand. Wobei unsere Finger sich berührten. Natürlich.

"Es fehlt nur noch der Name, dann kommt das Gericht auf die Karte."

Ich überlegte. "Wie wäre es einfach mit 'Tag und Nacht' auf Italienisch?", schlug ich vor. Das passte doch einfach am besten.

"Giorno e notte?"

Wieso war Italienisch eine so verdammt heiße Sprache? Oder lag es nur daran, dass die Wörter aus Fabios Mund kamen?

Ich wusste es nicht, doch ich musste mich gewaltig am Riemen reißen, um nicht einfach loszusabbern.

"Oder 'Leben'?"

"Vita?"

Ich könnte ihm ewig alles Mögliche vorschlagen, nur um sein Italienisch zu hören.

"'Der Beginn'!"

Fabio sah mich fragend an.

"Der Beginn eines neues Tages, eines neuen Lebens. Ein Neustart nach der Dunkelheit." Sobald ich meine Ausführung beendet hatte, wurde ich nervös. War ich einfach nur doof? War meine Idee nicht eigentlich komplett bescheuert? Poesie war nie meine Stärke gewesen und jetzt tat ich so, als hätte ich voll das kreative Gehirn.

"Inizio", murmelte Fabio und lächelte dann. "Das gefällt mir. Das ist echt gut!"

Inizio... Das klang irgendwie so geheimnisvoll. Und schön. Auch mir gefiel es.

"Aber willst du wirklich nicht, dass dein Name irgendwie darin vorkommt?", hakte er jetzt nach und ich sah an seinen Augen, dass er mich ärgerte. Ich nickte lächelnd.

"Schade, 'Jörgines Traum' hätte auf der Speisekarte so gut ausgesehen", flüsterte er mir zu und mein Herzschlag setzte aus. Einmal, wegen der plötzlichen Nähe zu ihm, und zum anderen...

"Woher...", stammelte ich und hoffte, dass die anderen nichts von dem hier mitbekamen.

"Meinst du, ich schaue mir nicht die Papiere meiner Angestellten an?" So zufrieden, wie er gerade aussah, wusste ich einfach, dass er sich auf diesen Moment hier gefreut hatte. Er wusste von meinem Zweitnamen. Seit ich hier arbeitete. Und ich hatte gedacht, nein gehofft, dass ich den bis zum Rest meines Lebens verheimlichen konnte!

"Ich Andrea, du Jörgine... Ich denke wir sind quitt", grinste er böse. Ich konnte nur doof zu ihm hoch gucken, während ich wahrscheinlich rot wie eine Tomate war.

Als sein Blick jedoch zu meinen Lippen wanderte, verschwanden meine Überraschung und mein Schamgefühl. Zurück blieb diese abartig, unnormal starke Anziehungskraft. Das unsichtbare Knistern zwischen uns. Diese statische Ladung, die unsere Aura umgab.

"Chef, wir sind hier fertig", meinte Marco aber plötzlich und ich wurde wieder in die Gegenwart katapultiert.

"Bleibt ihr noch für ein Glas Wein da?", fragte Fabio sie, als hätten wir gerade nicht diesen Moment gehabt, und trat einen Schritt zur Seite.

"Ich sollte lieber nach Hause. Sonst kastriert mich meine Frau noch", meinte Marco und verzog das Gesicht. Er war vor einem dreiviertel Jahr Vater geworden und die Tochter schrie und weinte sich jeden Abend in den Schlaf. Da Marco aber abends kaum zu Hause war, stand seine Frau mit dem Balg alleine da. Und zu allem Übel hatten sie gerade herausgefunden, dass sie wieder schwanger war.

Ein nonstop weinendes Kind und eine schwangere Furie.

Ich hätte Marco eine ganze Flasche Wein gegönnt.

"Ich bleibe gerne", sagte Sandro und zog seine Schürze aus. Der Koch und sein Gehilfe verließen die Küche und dann waren wir plötzlich wieder alleine.

Fabio stand mit verschränkten Armen an den Tisch gelehnt da und beobachtete mich. Ich schlug den Blick nieder.

"Okay, also... Ich sollte Paolo mit dem Abräumen helfen", stammelte ich und flüchtete aus der Küche, um Fabios Nähe, seinen Blicken und seinem Einfluss zu entfliehen. Diese verdammte Anziehungskraft verbunden mit meinen Gefühlen für ihn... Das war eine tödliche Kombination, der ich nicht gewachsen war.

__________________________

Tyskerfie und ich haben uns überlegt, dass es doch eigentlich ziemlich cool wäre, wenn wir auch mal einen Wettbewerb veranstalten - so lernen wir euch und eure Bücher gleich ein bisschen besser kennen :D

Hättet ihr Interesse an sowas? Sollen wir das machen?

Wenn der Wettbewerb stattfindet, dann auf unserem neuen Account ElizaHartBooks - ihr könnt also gern schon mal folgen, wenn ihr wollt :)

Alle weiteren Informationen folgen dann noch - also checkt unser Profil ;)

Bis bald!
Tyskerfie & HeyGuys77

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top