Kapitel 27

"Ich vereinsame hier noch komplett!", jammerte Robyn mir die Ohren voll und langsam konnte ich es nicht mehr hören.

"Adrian ist erst zwei Tage weg, Robyn. Ich bin mir sicher, dass du es überleben wirst. Erinner' dich an Argentinien. Oder an Rom. Da war er viel länger weg. Jetzt weißt du wenigstens, dass er bald wieder zu dir zurück kommt und ihr schreibt doch außerdem in jeder freien Minute", versuchte ich ihr gut zuzureden, wie ich das schon die letzte halbe Stunde tat.

Nebenbei hatte ich meine Wohnung aufgeräumt, Staub gewischt und mir inzwischen eine Tasse Kaffee gemacht. Telefonieren und nebenbei nichts tun, hatte ich noch nie sonderlich gut gekonnt.

"Jede Sekunde ohne ihn fühlt sich wie eine Stunde an", beklagte Robyn sich weiter und ich wusste, dass sie das buchstäblich meinte.

Ich brachte es trotzdem nicht übers Herz, wirklich genervt zu sein, weil ich einfach zu gut wusste, wie es sich anfühlte, hals über Kopf verliebt zu sein. Außerdem war sie meine beste Freundin und ich sah es somit fast als meine Pflicht, ihr brav zuzuhören und ihr gut zuzusprechen.

Solange sie mir nicht zu sehr auf den Keks ging, verstand sich.

"Ich treffe mich morgen mit Em und David. Hast du Lust mitzukommen?", fragte ich sie, weil ich wusste, dass ihr ein Abend außerhalb ganz gut tun würde. Außerdem hatte sie Em und David schon mal kurz gesehen, als sie mich an der Uni abgeholt hatte. Ich hatte keine Zweifel, dass sich alle gut verstehen würden und Em und David hätten bestimmt auch nichts dagegen, wenn ich Robyn spontan mitbrachte.

"Was macht ihr denn?" Robyns Laune schien schlagartig besser und die Neugier in ihrer Stimme war nicht zu überhören. Schmunzelnd dachte ich, dass Robyn und ich uns einfach schon echt lange und damit fast in- und auswendig kannten.

"Erst Kino und dann noch ins Pub oder so." Ich nahm einen Schluck von meinem Kaffee und warf einen klitzekleinen, sehnsüchtigen Blick zu meinem Laptop, der neben mir auf der Couch lag und förmlich danach schrie, angemacht und benutzt zu werden. Auf Facebook gab es doch immer was zu sehen. Oder auf Pinterest. Oder eine Serie.

Ich verdrängte den Gedanken, dass ich in knapp zwei Wochen schon meine Bachelorarbeit abgeben musste und ich noch ein gutes Stück Arbeit vor mir hatte. Wieso konnte ich mich nur so verdammt schwer motivieren, wenn es um bestimmte Dinge ging?

Außerdem wollte ich so gerne heute noch ein wenig schaffen, weil Fabio mich für den Nachmittag ins Bella Casa beordert hatte. Er wollte mir etwas zeigen und mit mir sprechen.

Dass ich alleine beim Gedanken schon ein flaues Gefühl in der Bauchgegend bekam, verhieß nichts Gutes. Ich hatte so Angst, dass er mich feuern würde, weil er es sich nicht mehr leisten konnte, mich als Kellnerin zu beschäftigen. Und da ich als letztes angetreten war...

Ich verwarf den Gedanken und wartete auf Robyns Antwort. "Okay, ich komme mit. Ein wenig Ablenkung schadet wahrscheinlich nicht."

"Ganz recht", lächelte ich und machte doch schon einmal meinen Laptop an.

"Schreib mir, wann und wo, ich werde da sein."

"Okay, abgemacht. Wir hören uns!"

Wir verabschiedeten uns und ich widmete mich gleich meinem Computer, dessen Tastatur geduldig darauf wartete, von mir zerschmettert zu werden.

____

Gute zwei Stunden, viereinhalb Seiten und drei Kaffee später machte ich mich auf den Weg ins Bella Casa. Ich war ausgelaugt, vom Koffein gleichzeitig überdreht und ein klein wenig zittrig, weil ich nicht wusste, was mich gleich erwarten würde, wenn ich Fabio gegenüber stand.

Als ich die Tür öffnete, herrschte schon quirliges Gewusel, aber es war bei Weitem noch nicht so viel los wie abends immer. Vielleicht müsste man die Mittagskarte auch noch mehr bewerben...

Ich speicherte den Gedanken ab, grüßte Paolo und Grace, die gerade Schicht hatten und lief zielstrebig in die Küche, in der ich Fabio vermutete.

Aber er war nicht da. Nur Marco und Sandro standen an den Herden und zauberten kunstvolle Gerichte.

"Hey, ihr beiden! Wisst ihr, wo Fabio ist?", fragte ich.

"Er wartet im Büro auf dich", antwortete mir Marco mit einem kurzen Lächeln, bevor er sich gleich wieder den drei Töpfen und Pfannen vor sich zuwandte.

"Danke!"

Ohne anzuklopfen, öffnete ich schwungvoll die Tür.

"Also, was gibt's?", meinte ich übertrieben fröhlich, um meine Nervosität zu überspielen und stutzte überrascht, als ich neben Fabio noch eine weitere Person in dem Raum sitzen sah.

"Oh, hallo Damian!"

"Hi, Ceil, schön dich wiederzusehen." Grinsend stand Damian auf und zog mich in eine kurze Umarmung.

"Wie geht es dir? Immer noch verliebt und verlobt?", fragte ich ihn breit lächelnd.

"Naja...", sagte Damian aber ganz bedrückt und geschockt riss ich die Augen auf.

"Oh mein Gott, Damian, das tut mir so leid...", stammelte ich entsetzt und schlug meine Hand vor den Mund.

"Beruhig dich, Ceil", lachte Damian und auch Fabio begann loszuprusten. "Das war nur Spaß, ich lass meine Blair doch nicht einfach so gehen. Vor allem nicht, nachdem ich für den Antrag so einen Aufstand gemacht habe", grinste er verschmitzt.

Erleichtert und genervt zugleich schlug ich ihn ganz fest auf den Arm. "Mach. Das. Nie. Wieder!", sagte ich, musste dann aber selber lachen. "Oh Gott, ich dachte schon..." Mein Herz pochte wie wild in meiner Brust, als ich versuchte, mich von diesem Schock zu erholen.

"Sorry, das war nicht ganz fair", lächelte Damian, war aber sichtlich vergnügt. "Aber im Ernst, was war das auch für eine doofe Frage? Natürlich bin ich noch verlobt! Als ob ich nicht wüsste, wie man verlobt ist. Oder als ob jemand überhaupt je die hirnrissige Idee kriegen würde, eine Verlobung mit mir zu lösen, pff..."

Ich musste über Damians Selbstverliebtheit so sehr lachen, dass mir fast schon die Tränen kamen. "Auweia, das halte ich nicht aus", sagte ich und fuhr mir übers Gesicht. "Sagt mir lieber, was hier los ist."

"Also, Ceil", fing Fabio an und zeigte auf den Stuhl neben Damian, auf den ich mich hinsetzte. Selber saß er hinter dem Schreibtisch und lächelte mich an.

"Ich habe über deine Idee letzte Woche nachgedacht und ich will es gerne versuchen", fing er an. Ich wusste sofort, welche Idee er meinte. Die Küche eine Stunde länger aufzubehalten, um Lebensmittel für reduzierte Preise zu verwenden, die sonst weggeschmissen werden würden.

"Damian arbeitet bei einem Verlag im Marketingbereich und hat dementsprechend ziemlich viel Erfahrung. Außerdem arbeitet er nebenbei als Freelancer und ich habe ihn für diesen Job geködert. Ich will, dass er Flyer erstellt und ähnliches, die du in der Uni verteilen kannst", präsentierte er mir seine Idee und ich nickte. Das klang echt super.

"Es ist perfekt, dass wir quasi einen direkten Stützpunkt in der Uni haben, dann haben wir schon mal kaum Streuverlust", begann Damian gleich zu fachsimpeln. Streuverlust? Ich wollte schon nachfragen, aber Damian redete gleich weiter. "Abgesehen davon ist das Erstellen und Drucken von Handzetteln keine allzu kostspielige Angelegenheit. Zusätzlich platzieren wir einen Banner auf der Website mit dem neuen Angebot. Jeder, der das Restaurant über eine Suchmaschine sucht, sieht sofort das Studenten-Special. Plus: Keine zusätzlichen Kosten." Er hielt kurz Inne und schien zu überlegen. Sollte ich jetzt wegen dem Streuverlust fragen?

"Wir könnten den Banner hübsch am unteren Bildrand einblenden, so kann er auf jeder Seite eingeblendet werden, unabhängig davon, welche Seite zuerst aufgerufen wird", murmelte er vor sich hin und schien den kompletten Plan schon im Kopf zu haben.

"Dann werden wir das Angebot auch draußen auf der Tafel präsentieren, damit es jeder sieht, der vorbei läuft oder das Restaurant betritt", sagte er jetzt wieder lauter und strahlte uns an. "Und wenn das alles noch nichts bringt – aber das wird es – dann laufe ich persönlich mit einem Megafon durch die Straßen und erzähle es so jedem!" Unwillkürlich stellte ich mir diese Szenerie bildlich vor. Ich wechselte einen kurzen Blick mit Fabio, bevor wir beide laut losprusteten. Aber Damian grinste nur amüsiert.

"Dann hoffen wir mal für dich, dass deine Maßnahmen Erfolg haben", ärgerte Fabio ihn, aber Damian winkte nur lässig ab.

"Natürlich haben sie das. Hast du etwa kein Vertrauen in mich? Pff..." Wie immer war sich Damian seiner Sache einfach zu tausend Prozent sicher. Ich hatte so das Gefühl, dass ihm immer alles gelang, vielleicht sogar gerade wegen dieser überdimensional großen Portion Selbstbewusstsein, die er abbekommen hatte. Er strahlte so eine Selbstsicherheit aus, dass einfach alles klappen MUSSTE. Als wären die Dinge vorherbestimmt, um ihm einfach in den Schoß zu fallen.

"Ich werde auch nochmal mit Blair reden, ob sie eine zusätzliche Idee hat und mich dann nochmal melden."

"Oh, ich könnte auch im Uni-Forum etwas posten und ein paar der Handzettel an den Schwarzen Brettern befestigen", bot ich an. Einfach jeder schaute regelmäßig ins Uni-Forum und jeder lief regelmäßig an einem Schwarzen Brett vorbei.

"Perfekt, Ceil! Also dann, ihr beiden, ich mach mich mal an die Arbeit! Bis demnächst!" Damian hob zum Abschied die Hand.

"Mach's gut und Danke!", rief ihm Fabio hinterher.

"Mach's besser!", kam von Damian zurück und ich konnte das Lächeln auf seinem Gesicht hören. Was war er nur für eine verrückte Nudel.

"Ich würde sagen, wir haben einen Plan!" Fabio sah mich strahlend an. Sollte ich ihm jetzt sagen, dass ich von seinen Geldproblemen wusste?

Nein. Da war gerade zu viel Hoffnung in seinem Gesicht, um ihn jetzt an die unbequeme Wahrheit erinnern zu wollen.

"Sieht fast so aus", sagte ich deshalb nur mit einem Lächeln.

Und dann fiel mir ein, dass ich ganz vergessen hatte, Damian zu fragen, was eigentlich ein Streuverlust war. Dann musste wohl doch Google herhalten.

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Und endlich dürfen wir wieder updaten :D

Einen wunderschönen Sonntag euch :*

Tyskerfie & HeyGuys77

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