Kapitel 2
Bevor ich mich auf den Weg zu Robyn machte, legte ich einen kurzen Stopp ein, um Pralinen und Chips zu kaufen. Wenn gefeiert wurde, dann schon richtig.
Als ich vor Robyns Tür stand, warf ich einen kurzen Blick auf die andere Hälfte des Hauses, in der ich über all die Jahre hinweg so viel Zeit verbracht hatte. Jetzt wohnten in der andern Hälfte nur noch Robyns Eltern und sie war einfach nur auf die andere Seite zu Adrian gezogen, als es mit den beiden richtig ernst wurde.
Ich musst immer noch darüber schmunzeln, wie skeptisch ich anfangs Adrian gegenüber eingestellt gewesen war. Nicht, dass ich ihn nicht mochte, aber er war immerhin acht Jahre älter als Robyn und ich dachte, er wäre nur eine Schwärmerei für sie. Immerhin waren wir beide gerade erst achtzehn Jahre alt, hatten das ganze Leben noch vor uns.
Aber die beiden hatten sich nicht beirren lassen und waren nun seit drei Jahren glücklich zusammen.
Und ich freute mich für die beiden von ganzem Herzen.
Lächelnd klingelte ich und wartete darauf, dass die Tür stürmisch von meiner Freundin aufgerissen wurde.
Ich musste nur ein paar Sekunden warten, bis meine Erwartungen erfüllt wurden.
"Da bist du ja endlich!", begrüßte mich Robyn und zog mich an meinem Ärmel nach drinnen, bevor sie mich in ihre Arme schloss. Ich drückte ihr daraufhin den Knabbervorrat in die Arme und zog meine Schuhe aus.
"Komm rein, die Swimming Pools stehen schon bereit", grinste Robyn und ich konnte es ihr nur gleich tun. Wie könnte ich nicht, wenn ich gleich meinen Lieblingscocktail zu trinken bekam? Den Robyns Mann sogar hervorragend mixen konnte.
Im Wohnzimmer standen die hellblauen Cocktails schon bereit und mir entwich ein glücklicher Seufzer.
"Hey! Du freust dich ja fast mehr, den Cocktail zu sehen als mich!", beschwerte sich Robyn, musste aber dabei grinsen.
Ich schnappte mir einfach frech einen der Cocktails und probierte einen kleinen Schluck. Einfach göttlich!
"Alles, was ess- und trinkbar ist, geht vor", antwortete ich ebenfalls grinsend und Robyn schien zu überlegen.
"Gut, das lasse ich gelten." Lachend nahm sie sich den anderen Cocktail und wir ließen uns gerade auf die Couch fallen, als Adrian den Kopf zur Tür reinsteckte.
"Hey, Ceil! Bleibst du zum Essen? Ich schmeiße den Grill an."
"Klar, gerne!" Zu Essen konnte man doch nicht Nein sagen, oder?
"Dachte ich mir schon", antwortete Adrian grinsend und war schon wieder verschwunden.
"Also, jetzt schieß endlich los!", drängte Robyn und schlürfte dann weiter an ihrem Swimming Pool. Immerhin gute vier Jahre tranken wir das Zeug jetzt schon ziemlich regelmäßig, aber uns wurde dieser Cocktail noch nie über. Immer, wenn wir uns vornahmen, mal etwas anderes auszuprobieren, entschieden wir uns dann doch immer wieder für Altbewährtes. Schlimme Geschichte, das mit den Gewohnheiten.
"Ich hatte heute wieder ein Vorstellungsgespräch", begann ich.
"Das in dem neuen italienischen Lokal?"
"Genau da. Und ich hab den Job!", platzte ich gleich raus, ohne lang um den heißen Brei herumzureden.
"Jaaaaa! Das ist fantastisch, Ceil! Ich freu' mich so für dich! Darauf gibt's später gleich noch eine Runde", verkündete sie, obwohl wir gerade einmal drei Schlucke von unserem jetzigen Cocktail getrunken hatten.
"Ich hab's auch kaum glauben können. Francesca, die Geschäftsführerin, bei der ich das Vorstellungsgespräch hatte, und ich waren sofort auf einer Wellenlänge. Ich glaube echt, dass mir die Arbeit dort richtig Spaß machen wird." Ich war gerade rundum glücklich und zufrieden. Mein Leben schien doch wieder in geordnete Bahnen zu kommen.
"Das wird bestimmt super. Du kommst doch eh mit jedem klar", zwinkerte mir Robyn zu und spielte damit auf meine offene, quirlige Art an. Sie hatte Recht, wirklich Probleme im Umgang mit Menschen hatte ich noch nie gehabt. Aber bei manchen Menschen spürte man eben diese ganz besondere Chemie. So wie bei Robyn und mir.
"Aber... Also..." Robyn druckste ein wenig herum, aber ich wusste genau, was sie fragen wollte.
"Es ist okay, Robyn. Ich kann ja nicht für den Rest meines Lebens jedes italienische Lokal meiden. Und stell dir mal vor, wie viel gutes Essen ich da verpassen würde", fügte ich lachend hinzu, um die plötzlich bisschen gedrückte Stimmung wieder aufzuhellen.
Robyn ging zum Glück auf mein Geplänkel mit ein. "Hast Recht, aber pass auf, dass du da nicht plötzlich zehn Kilo zunimmst, weil du so viel Pasta frisst!"
"Wenn es lecker schmeckt, wären die zehn Kilo mir das wert", scherzte ich. Ich gehörte eh zu der eher abgemagerten Sorte, ein paar Kilo mehr auf den Rippen würden schon nicht schaden. Damals, als Fabio mich verlassen hatte, nahm ich gleich einmal sechs Kilo ab und die waren seitdem nicht wirklich dran gekommen.
"Wann fängst du an?"
"Diese Woche noch. Ich gehe morgen noch einmal vorbei, um meinen Vertrag abzugeben und dann kriege ich hoffentlich schon meine erste Schicht."
"Das ist so aufregend!", freute Robyn sich für mich. "Hast du schon andere Kellner oder den Koch kennen gelernt?"
"Nein, noch nicht. Aber das geschieht ja vielleicht auch morgen."
"Wetten, der Koch ist ein richtiger italienischer Charmeur, der dir im Nu den Kopf verdreht", kicherte Robyn und trank weiter von ihrem Cocktail. Beim Gedanken schmunzelte ich.
"Ich denke, ich habe genug von italienischen Charmeuren."
"Ceil, es wird an der Zeit, dass du Fabio ein für alle mal abhakst", sagte Robyn jetzt mitfühlend und tätschelte meinen Arm. "Er ist vor drei Jahren nach Italien gezogen und wann hast du das letzte Mal von ihm gehört? Das ist über zwei Jahre her. Du stehst dir selber und deinem eigenen Glück im Weg, wenn du nicht für etwas Neues bereit bist."
Nachdenklich ließ ich den Blick durch das Wohnzimmer schweifen. Robyn konnte das locker sagen, sie hatte ihr Glück schließlich schon gefunden.
Aber irgendwie hatte sie auch Recht. Ich konnte Fabio nicht mein ganzes Leben lang hinterher trauern. Was, wenn mir Mr. Right sehr bald über den Weg lief, nur schnallte ich das nicht, weil ich an meinem Jugendfreund hing, der mich höchstwahrscheinlich vergessen hatte?
Ich meine, wir waren im Sommer vor drei Jahren gerade einmal zwei Monate zusammen gewesen. Was konnte es ihm schon bedeuten? Was konnte ich ihm nach all der Zeit schon bedeuten?
Robyn hatte vollkommen Recht, ich vergeudete meine Zeit, mein Leben, meine Gefühle an einer Erinnerung.
"Du hast Recht", sagte ich deshalb mit fester Stimme. "Ich werde mir morgen Früh die Nägel lackieren, meine Haare extra schick machen, mich mehr als sonst schminken und dann angle ich mir den italienischen Koch!", sagte ich so selbstbewusst wie möglich.
Robyn guckte mich kurz erstaunt an, dann brach sie in Gelächter aus. "Hoffentlich ist das kein alter Sack, dann solltest du dir das vielleicht noch einmal überlegen!"
Als auch mir auffiel, dass ich einfach davon ausgegangen war, dass unser Koch heiß wäre, musste auch ich lachen.
"Egal!" Ich machte eine wegwerfende Handbewegung. "Mich schick machen und somit jede Menge Selbstvertrauen tanken, kann ich trotzdem."
___
Am nächsten Tag machte ich mich auf den selben Weg, den ich auch gestern schon beschritten hatte: Erst ab in die U-Bahn, ein paar Stationen fahren und dann die letzten Meter zu Fuß zum Restaurant. Da mir heute keine Nervosität in die Quere kam, hatte ich die Gelegenheit das wunderschöne Frühlingswetter zu genießen. Die Sonnenstrahlen prickelten auf meiner Haut und ich konnte sogar mit einem kurzärmligen Top und ohne Jacke nach draußen, ohne frieren zu müssen.
Das Restaurant lag zentral und machte auch von außen schon was her. Das "Bella Casa" sah edel, aber trotzdem nicht protzig aus. Definitiv ein Laden, in den man einfach mal aus Neugier hineinsehen würde.
Und ich würde da sogar arbeiten, dachte ich stolz, bevor ich durch die schon offene Tür trat.
Dabei versuchte ich, das "Bella" im Restaurantnamen so gut es ging, zu ignorieren. Fabio hatte mich immer so genannt und obwohl ich wusste, dass das ein ziemlich benutztes italienisches Wort war, stach es mir immer noch ein wenig ins Herz.
"Ah, Celia, schön dich wieder zu sehen!" Francesca war gerade dabei, einige Weingläser zu polieren, um die Tische für den Mittag zu decken.
"Das kann ich nur zurückgeben. Und bitte nenn' mich Ceil." Ich überreichte Francesca meinen unterschriebenen Vertrag, um gleich einmal klarzustellen, dass ich das hier wollte.
"Okay, Ceil, danke." Warm lächelte sie mich an. "Hast du Zeit? Dann zeige ich dir das Lokal und du kriegst gleich einmal deine Uniform."
"Klingt super!" Obwohl ich, wie gestern, keinen einzigen anderen Mitarbeiter getroffen hatte, fühlte ich mich so selbstbewusst wie lange nicht mehr. Ob das wirklich nur an meinem dunkelroten Nagellack und meinem perfekten Lidstrich lag, wusste ich nicht genau, aber es gefiel mir.
Francesca erzählte mir, wie viele Tische im Lokal waren, wie die Nummern angeordnet waren, wie viele Kellner für die jeweiligen Schichten eingeplant wurden und wie das mit den Bestellungen lief. Ich würde die erste Zeit nie alleine im Lokal sein, also würde es immer jemanden geben, den ich um Hilfe bitten könnte.
In dem Moment betrat ein ziemlich gutaussehender Mann das Lokal. Er hatte eine schwarze Hose und ein weißes Hemd mit dem Logo des Bella Casa an, was mich daraus schließen ließ, dass er hier arbeitete.
"Ciao, Paolo!", rief Francesca ihm zu und lächelnd kam er zu uns.
"Buongiorno", begrüßte er mich mit einem charmanten Glitzern in den Augen und ich musste unwillkürlich an mein Gespräch mit Robyn gestern denken.
"Hallo", versuchte ich so neutral wie möglich zu erwidern, ohne mich gleich von seiner Aura einnehmen zu lassen.
"Das ist Celia, genannt Ceil, unsere neue Kellnerin", erklärte Francesca ihm. "Und das ist Paolo, mit dem du noch viel zu tun haben wirst. Er ist unser Oberkellner – direkt aus Italien importiert."
Lächelnd sah ich wieder zu ihm und musste mir eingestehen, dass ich einfach immer noch eine Schwäche für südländische Männer hatte. Diese dunklen, glänzenden Haare, der dunkle Teint, der Charme, der Akzent...
"Ich freue mich auf unsere Zusammenarbeit", sagte er und zeigte strahlend weiße Zähne, als er mich wieder anlächelte. Er war vielleicht Ende zwanzig, aber naja, ich war wirklich nicht gut im Alter raten.
Dann nickte er noch Francesca zu und verzog sich in den hinteren Teil des Lokals, wo sich der Mitarbeiterraum befand.
Ich erfuhr, dass es noch drei andere Kellner gab. Antonia, Lorenzo und als einzige Nicht-Italienerin Grace.
"Wir haben zwei Köche und drei Helfer in der Küche. Unser Chefkoch ist jeden Tag hier, die anderen wechseln sich ab." Ich folgte ihr in die Küche, in dem schon reger Trubel herrschte, obwohl es noch Vormittag war. Aber die ersten Gäste kamen um die Mittagszeit, da musste alles vorbereitet sein.
"Leute, das ist Ceil!", rief Francesca einfach in den Raum und die zwei Köche, die heute da waren, drehten ihre Köpfe zu mir und nickten freundlich.
"Unser Koch Marco und unser Helfer Alessandro, genannt Sandro. Unser Chefkoch ist noch am Markt, um die besten Zutaten zu sichern und für morgen Bestellungen abzugeben", erklärte sie und ich merkte schon, dass sie den Chefkoch sehr respektierte.
Wir gingen wieder in das kleine Büro, in dem ich gestern schon gesessen hatte, und Francesca suchte mir einen Stapel weißer Blusen mit Restaurantlogo in meiner Größe raus, die sie mir in die Hand drückte.
"Schwarze Hose, schwarze Schuhe und diese Bluse. So ist unser Dresscode."
Ich nickte. Dann zeigte sie mir im Mitarbeiterraum, wo ich meine Sachen aufbewahren konnte. Der eine Teil des Raumes bestand aus einem länglichen Tisch, an dem Paolo gerade saß und einen Kaffee trank, der andere, durch eine Reihe von Schließfächern abgetrennt, aus einer Art Umkleide. Ich bekam den Schlüssel des letzten freien Schließfaches und hängte meine Blusen dort auf.
"So, wann kannst du anfangen? Morgen Abend schon?"
Am liebsten würde ich ja sofort anfangen, doch leider hatte ich noch eine Vorlesung in der Uni.
"Morgen Abend klingt perfekt!", sagte ich deshalb und merkte, wie die Vorfreude sich in mir breit machte.
"Perfetto, dann sei um halb fünf hier, dann kriegst du kurz eine Einweisung in die Speisekarte und ich zeige dir den Weinkeller."
Ich nickte eifrig. "Ich freue mich!"
Und das tat ich wirklich. Irgendwie fühlte es sich so an, als würde mein Leben endlich in die richtige Richtung gehen.
Endlich.
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Und weil's grad so Spaß macht, dachten wir uns, wir posten heute gleich noch ein Kapitel ;)
Wir wünschen euch einen schönen Start in die Woche! <3
Tyskerfie & HeyGuys77
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