||9|| Die Sache mit den Freundschaften

Eine dreiviertel Stunde später saß ich neben Niall im Auto und starrte aus dem Fenster. Es war ein echt komisches Gefühl, ohne Charly mit ihren Freund unterwegs zu sein, dabei wollten wir ihre Erinnerungen doch auffrischen. Ich verstand einfach nicht, warum sie am Vortag von der Idee noch total begeistert sein konnte und am Tag danach den Tag ganz anderes plante.

"Soll ich wieder umdrehen?", hörte ich Niall fragen. Ich runzelte die Stirn, er hatte doch mit Sicherheit vorher auch schon etwas gefragt... "Mhm?", Fragend sah ich ihn an. "Ob ich umdrehen soll? Du siehst aus als würdest du dich total unwohl fühlen.", wiederholte er nochmal. Ich schüttele den Kopf. "Nein, nein, schon gut." Er hielt an einer roten Ampel und musterte mich. "Das war überhaupt nicht überzeugend.", ließ er mich wissen.

Ich zuckte mit den Schultern. "Ich hätte einfach viel lieber Charly dabei. Meine alte Charly." "Die Jungs beißen nicht. Ich übrigens auch nicht.", erwiderte er etwas scherzend. "Das meinte ich auch überhaupt nicht.", gab ich von mir und hatte eigentlich die Hoffnung, er würde nun nicht weiter Fragen, aber da hatte ich die Rechnung ohne Niall gemacht. "Sondern?" Einen Moment schwieg ich. "Sagen wir es mal so, ich habe es eigentlich nicht so mir Charlys Freunden.", erklärte ich ihm, nachdem ich überlegt hatte, wie ich es genau formulieren sollte. "Wir beide hatten doch noch überhaupt nicht viel miteinander zu tun und die Ju...." - "Ich mein weder dich noch die Jungs. Charly hatte vor dir auch schon mal eine andere Clique. Ich mein das einfach im Allgemeinen", unterbrach ich ihn. "Und mit denen kamst du nicht zurecht?" Ich seufzte wiederholt. "Ja so kann man das auch sagen."

Die Ampel sparg auf Grün um und Niall konnte endlich weiter fahren. "Wie muss ich mir das vorstellen, dass du nicht mit ihnen zurecht kamst?", wollte der Freund meiner Schwester von mir wissen. "Charly und ich haben uns schon immer nahe gestanden. Wir haben immer alles zusammen gemacht und bis zu einem bestimmt Punkt haben wir auch ein und die selbe Clique geteilt.", fing ich an zu erzählen. "Was ist passiert?" "Charly hat ihrem ersten Freund kennen gelernt. So einen blöden Sportfutzi mit einem Freundeskreis hinter sich, die geglaubt haben sie seien die ober coolen. Frag mich nicht, was Charly an den fande, aber es war so.", erklärte ich ihn. "Okay, und weiter?" "Meine Schwester und ich sind vom Wesen her total unterschiedlich. Während Charls total Modebewusst ist, achte ich nicht explizit darauf was wo zusammen passt, ich nutze die Zeit lieber bevor wir abhauen um noch ein Buch zu lesen. Charly ist, oder zu mindest war, selbstbewusst und nimmt keinen Blatt vor dem Mund, während ich, vielleicht nicht mehr alles, aber dennoch meistens alles einfach so hinnehme.", fasste ich zusammen und schaue kurz zu Niall rüber. "Warte, verstehe ich das richtig? Du bist nicht mit ihnen klar gekommen, weil du und Charly unterschiedlich seid?" Ich schüttelte den Kopf, auch wenn er es wahrscheinlich nur im Augenwinkel wahr genommen hat. "Nein, sie sind nicht mit mir klar gekommen, weil ich unscheinbar und so überhaupt nicht Charly war. Sie haben einfach vergleiche gezogen, die manchmal ziemlich weit unter der Gürtellinie waren. Sie haben mich einfach nicht so akzeptieren wollen, wie ich bin.", erklärte ich ihm. "Scheiße, dass tut mir echt Leid. Ich mein, klar wir hatten bisher auch nocht ganz so viel miteinander zu tun, was ich wirklich schade finde, aber glaub mir einfach, dass weder ich noch die anderen drei vergleiche zwischen Charly und dir ziehen werden. Immerhin ist es doch ganz gut, dass ihr verschieden seid, obwohl ihr doch offensichtlich so gleich seid.", erwiderte er. "Wart.", verbesserte ich ihm und bekam ein Fragendes "Mhm?" als Antwort. "Wir waren offensichtlich so gleich. Seit dem Unfall ist so einiges anders.", gab ich von mir. "Nein das glaube ich dir nicht.", widersprach er mir. "Glaub was du willst und halte mich meinet wegen auch für total bescheuert, wenn ich dir sage das ich so manchmal das Gefühl habe als sei meine eigene Schwester eine Total fremde für mich.", entgegnete ich traurig. "Ich kann es mir einerseits gut vorstellen, immerhin geht es mir nicht anders, aber andererseits habt ihr beide so eine vertraute Art miteinander umzugehen, noch immer, dass ich mir das irgendwie schwer vorstellen kann.", bemerkte er. Ich zuckte mit den Schultern. "Vielleicht wirken wir vertraut, vielleicht sind wir das sogar auf einer Seite, aber manchmal trübt der Schein auch.", erwiderte ich.

Niall schwieg daraufhin. Irgendwie hatte ich das Gefühl, er verstand mich kaum, weswegen ich es einfach noch ein wenig genauer versuche. "Heute zum Beispiel: Ich habe ihr gestern erzählt, dass Jonas und ich uns getrennt haben. Natürlich war ich es die nicht drüber reden wollte, aber noch gestern Abend, als du schon weg warst und bevor wir ins Bett sind, meinte sie, dass wir mich heute schon auf andere Gedanken bringen, dass sie sich sicher ist, dass wir das gemeinsam schaffen.", erklärte ich ihm und hole kurz Luft. "Und dann hat sie sich doch entschieden, etwas anderes zu machen. Versteh mich nicht falsch, ich gönne ihr definitiv, dass sie unter Leute kommt, aber sie hätte es auch an einem anderen Tag machen können.", setzte ich nach. "Kennst du diese Freundin eigentlich?", wollte Niall von mir wissen. "Kennen ist definitiv übertrieben. Die beiden haben sich im Krankenhaus, ich glaube durch die Therapie, kennengelernt. Ich habe sie mal gesehen, mich auch kurz mit ihr unterhalten, aber ich würde nicht behaupten, dass ich sie kenne.", gab ich von mir. "Vielleicht solltest du versuchen es einfach nicht alt so eng zu sehen. Sie braucht es vielleicht einfach grade. Ich mein den Austausch mit einer gleichgesinnten.", versuchte Niall seine Freundin in Schutz zu nehmen. Ich verstand nicht wirklich, warum es ihm so überhaupt nicht zu stören schien. "Ja natürlich, aber halt mich für egoistisch, ich hätte grade auch liebend gerne eine gleichgesinnte. Jemand bei dem ich all meinen Frust ablassen kann. Der mir zu hört. Nicht nur was Sachen im Bezug auf Charly und ihren Unfall angeht, ich habe manchmal so viele Dinge im Kopf, die ich einfach nicht loswerden kann.", erwiderte ich.

Ich schaute weiter aus dem Fenster und musste feststellen, dass wir schon fast da waren. Ich höre Niall seufzen. "Ich habe dir schon oft angeboten, mich einfach anzurufen und mit mir zu reden.", erinnerte der Sänger mich. "Ich weiß. Allerdings denke ich, dass du selber eine Menge Dinge im Kopf hast und dich viel mehr darum kümmern solltest, dass du es mit Charly wieder auf der Reihe bekommst.", entgegnete ich. "Trotzdem kannst du gerne zu mir kommen oder mich anrufen, wenn du jemanden zum reden brauchst.", versicherte er mir nun noch einmal. Ich gab noch ein leises Okay von mir, auch wenn ich mir ziemlich sicher war, dass ich dieses Angebot niemals wirklich annehmen würde.

"Warum habt ihr euch denn getrennt? Also du und Jonas?", wollte Niall plötzlich von mir wissen und sorgte mit dieser Frage für ein genervtes stöhnen meinerseits. "Bitte, Frag besser nicht." "Habt ihr euch gestritten?", hakte er nach ohne auf meine Bitte Einzugehen. "Auch." "Nun lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen. Habt ihr euch wegen Charly gestritten? Weil du soviel Zeit im Krankenhaus verbracht hast?", bohrte er weiter nach. Warum interessierte es ihn denn so sehr? "Wenn du ihn Fragst, wird er dir diese Frage sicherlich mit Ja beantworten." "Ich Frage aber dich und nicht ihn." Ich zuckte mit den Schultern. "Es gab einfach eine Menge Faktoren, die zusammen gespielt haben.", redete ich mich nun raus. "Wow, dass sagt mir jetzt genauso viel, wie grade." "Ich will einfach nicht drüber reden.", gab ich von mir und hoffe, dass er es nun endlich einfach akzeptiert. „Manchmal hilft reden."
„Manchmal hilft es aber auch, die ganze Sache einfach zu vergessen. Nicht drüber zu reden und einfach Gras über die Sache wachsen zu lassen. Genau aus diesem Grund, wollte ich heute einfach mal die Couch daten." Er bog in die Straße ein, die nicht mehr so weit von dem Feld weg war, wo wir uns mit den anderen Jungs treffen wollten.

Als er, Charly und ich das erste Mal eher zufällig dort gelandet sind und einen der wenigen Nachmittage zu dritt verbracht haben, sind wir eine gefühlte Ewigkeit durch den blöden Wald gelaufen, bloß um diese nicht unauffindbare Waldhütte zu suchen - als wir letztendlich bei dem Rapsfeld gelandet sind und überlegt haben, wie wir nun wieder zum Parkplatz kommen, ohne uns zu verlaufen ist uns aufgefallen, dass es direkt gegenüber liegt. Wir sind als überhaupt nicht weit gelaufen, obwohl wir Stunden unterwegs waren.

„Soll ich wieder umdrehen?", wollte er von mir wissen. „Nein quatsch. Wir sind ja gleich schon da. Was glaubst du wie es aussieht, wenn du deine Freunde auf den letzten Drücker anrufst, um ihnen mitzuteilen, dass wir doch nicht kommen.", antwortete ich ihn und lehnte mein Kopf erneut an die Fensterscheibe. „Glaub mir, die würden die Sache gar nicht so übel nehmen. Allerdings freuen sie sich, dich endlich kennen zu lernen." Ziemlich skeptisch schielte ich zu ihm rüber. „Ach ja? Wieso?" Er zuckte mit den Schultern und hielt am Straßenrand an, um mich anzusehen. „Na du bist Charlys Schwester." „Natürlich." Welchen Grund sollte es auch sonst geben? „Nein, so meinte ich es nicht. Schau du bist nun mal Charlys Schwester und ein wichtiger Teil ihres Lebens, da ist doch klar, dass man dich auch kennenlernen will. Ich versuche es schon länger und die Jungs liegen deiner Schwester auch schon eine halbe Ewigkeit in die Ohren, dass sie dich doch endlich mal mitbringen soll.", erklärte er mir und beantwortete meiner Meinung nach noch immer nicht die Frage, nach dem Wieso.

„Was ist mit deinen Freunden? Kennt Charly diese? Ich weiß, dass sie Jonas nicht sonderlich Leiden kann.... Oder konnte, aber ich habe nie eine Freundin oder sonst wem, bei euch gesehen?", wollte er von mir wissen. Ich zuckte mit den Schultern. Irgendwie war mir diese Frage äußerst unangenehm gewesen. Im Gegensatz zu meiner Schwester, gab es bei mir keine beste Freundin oder gute Freunde die hinter mir standen. Das sah ich ja, als sich niemand nach der Trennung von Jonas meldete. „Ich glaube den einen oder anderen hat sie mal gesehen, aber es ist jetzt auch nicht so, dass es irgendwo eine beste oder sehr enge Freundin oder so gibt. Jonas und ich haben ein paar gemeinsame Freunde, aber bei ihnen ist es auch nicht anders als bei Charlys Freunde - ich werde einfach bloß akzeptiert.", ließ ich ihn wissen. Ziemlich überrascht und etwas mitleidig schaute er mich an. „Es stört mich nicht, wirklich. Ich bin bisher auch gut alleine zurecht gekommen - immerhin habe ich Charly.", setzte ich nach und rieb meine schwitzigen Hände an meiner Hose. Warum war ich denn plötzlich so nervös? „Und jetzt wo Charls nicht gut zurecht ist? Wer ist da für dich da?", hakte er nach. Ich zuckte wieder mit den Schultern. „Ich komm schon zurecht.", gab ich leise von mir. „Du hast aber im Hinterkopf, dass du mich anrufen kannst, wenn du mit jemanden reden willst?" Ich war mir ziemlich sicher, dass ich dieses Angebot niemals annehmen würde. Niall war Charlys Freund und sollte sich meiner Meinung nach viel lieber um meine Schwester kümmern. Dennoch nickte ich und signalisierte ihm mit einem mageren "Klar", dass ich verstand, verschwieg allerdings gleichzeitig, dass ich niemals vorhatte auf diese freundschaftliche Geste einzugehen. Eine weitere Diskussion, wollte ich einfach aus dem Weg gehen. Zu dem Zeitpunkt wusste ich allerdings noch nicht, dass wir beide in nächster Zeit mehr zusammen unternehmen würden wie mir lieb war.

„Nun fahr schon weiter, wir sind so schon sicherlich spät dran.", forderte ich ihn auf, woraufhin Niall den Wagen wieder startete und nach einen kurzen Blick nach rechts wieder losfuhr. „Seid ich mit deiner Schwester zusammen bin, komme ich ständig zu allem zu spät. Deswegen erwarten die anderen uns sicherlich nicht so früh.", gab er etwas belustigt von sich und brachte auch mich zum schmunzeln. „Ja pünktlich war Charls noch nie, außer wenn es in die Schule ging, da konnte sie nie schnell genug fertig werden.", bemerkte ich und sah den Freund meiner Schwester nun auch schmunzeln. „Ja sie hatte mal erzählt, dass sie eine Zeit lang geglaubt hatte, wenn sie schnell und früh im Unterricht sei, sei sie auch genauso schnell wieder daheim.", erzählte er mir. „Ja genau, dabei ist es Totaler Humbug, aber in solchen Dingen war Charly immer etwas Blauäugig.", gab ich von mir und fühlte mich direkt schlecht, weil ich schlecht über meine Schwester sprach. „Ja da gebe ich dir absolut recht, aber es hat auch etwas liebenswertes Ansich." Zustimmend nickte ich. „Das auf jeden Fall. Falls es dich aber beruhigt, Charls hat immer versucht bei euren Verabredungen einigermaßen Pünktlich fertig zu werden.", versicherte ich ihm. „Irgendwie ist das schwer zu glauben. Immerhin war sie nicht einmal fertig, als ich bei euch aufgeschlagen bin." Ich zuckte nur mit den Schultern und konnte mir ein erneutes Grinsen nicht verkneifen. „Ich habe dir schon mal gesagt, dass du ihr eine frühere Zeit sagen sollst, damit ihr einigermaßen Pünktlich weg kommt.", erinnerte ich ihn. „Ja ich weiß, aber ich hatte immer das Gefühl, sie zu hinter gehen.", verriet er mir. Ich verdrehte die Augen und musste ein wenig lachen. Das war doch typisch Kerl. „Lach mich nicht aus.", forderte er und grinste dabei selber ein wenig. „Tu ich nicht." „Tust du wohl und soll ich dir noch etwas sagen? Ich habe es schon getan. Und dreimal darfst du raten, wer es nicht rechtzeitig geschafft hat fertig zu werden." Kurz überlegte ich, während Niall auf dem Parkplatz fuhr und und Rückwärts in die Parklücke fuhr. Als er den Motor aus machte sah er mich Fragen an. „Sei mir nicht böse, aber ich vermute mal ganz stark du." Tatsächlich nickte er. „Richtig, während ich deiner Schwester zwar eine andere Zeit genannt habe, habe ich mir die richtige Zeit aufgeschrieben." Ich verkniff mir ein Lachen. „Na komm schon, du wärst nicht die erste die mich deswegen auslacht und hoch nehmen würde." Ich schüttelte den Kopf. „Nein, weißt du mir ist das auch schon mal passiert. Bei unserem Abschlussball. Ich habe Charly immer und immer wieder gesagt, dass wir um halb fünf abgeholt werden und ich selber war um viertel nach fünf noch nicht fertig, weil ich mir immer und immer wieder gesagt, habe ich muss erst anfangen mich fertig zu machen, wenn Charls fast fertig ist, dass sie nun aber auch bei weitem länger braucht, daran habe ich nicht einmal gedacht. Erst als die anderen vor unserer Tür standen ging mir ein Licht auf.", erzählte ich ihm. „Ehrlich? Und trotzdem hast du mir geraten es zu probieren?", hakte er, während ich mich abschnallte. Ich zuckte mit den Schultern und öffnete die Tür. „Ich habe ja nicht gewusst, dass du genauso blöd bist wie ich.", gab ich von mir und stieg aus.

Zu dem Zeitpunkt war ich mir noch nicht mal ansatzweise bewusst, dass es nicht die erste Gemeinsamkeit bleibt, die uns verbindet.

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