Durchgefallen
„Ich brauche noch etwas mehr Zucker" rief sie Tom auf der anderen Seite der Küche zu. Er griff mit klebrigen Teig Fingern nach der Verpackung und reichte ihr sie. Sie waren gerade dabei, Keks teig vorzubereiten, bevor Sebastian nach Hause kam. Lebkuchen Cookies und Mandel Zimt Sterne. Natürlich die Rezepte von Daphne. Tom war ganz begeistert wie gut der Teig schmeckte. Es schmeckte ihm sogar so gut, dass er nicht bemerkte wie er die gesamte Hälfte des Teiges naschte, während er völlig vertieft in das Gespräch mit Dalia war. Erst als sie mit dem Ausstechen fertig war, ging sie zu ihm rüber, und wollte seine Kekse begutachten. Tom presste die Lippen schuldig aufeinander und prustete plötzlich vor Lachen los. „Sorry, Dal" erklang mitten in seinem Gelächter. „Gut gemacht Tom!" sie stemmte ihre mehligen Hände in die Hüften und lies ihre Blicke über das Desaster des übrig gebliebenen Teiges schweifen. „Würdest du bitte den Rest davon..." sie machte eine abfällige Fingerbewegung über den Tatort und grinste, „...ausstechen und auf das Backblech verteilen? Ich mache in der Zwischenzeit einen neuen Teig." Sie holte eine weitere Schüssel aus dem Schrank und richtete sich alle Zutaten in ihre Nähe. Tom kicherte immer noch vor sich hin, weswegen Sie sich ruckartig umdrehte und ihn mit zusammengekniffenen Augen ansah. Den Finger auf ihn gerichtet: „Ich hab dich im Auge, junger Mann!" Sie wollte bedrohlich klingen, ihre Stimme versagte aber auf halber Strecke wodurch sie sich räuspern musste und ihr Auftritt nun völlig in die Hose ging.
Sie genießten ihren gemeinsam Nachmittag und waren gerade dabei das Massaker in der Küche zu beseitigen, als sie ein Paar Schlüssel sich im Schloss drehen hörte und ihr Herz einen kleinen Sprung machte. Noch mit einem Handtuch in der Hand lief sie aufgeregt auf die Haustür zu und öffnete sie mit einem Ruck. Sebastian stand noch immer mit den Schlüsseln in der Hand da, und blickte in ein paar tief braune, funkelnde Augen. Sie gab ihm noch nicht einmal die Chance einen Fuß in sein Haus zu setzen, als sie ihre Arme um ihn schlug und ihre Lippen fest gegen seine drückte.
Sie küssten sich intensiv und vergaßen die Welt um sich herum. Als sich ein ungeduldiger Tom hinter ihnen räusperte, lies sie von ihm ab und trat einen Schritt zurück um ihn herein zu lassen. Er stellte seinen Koffer ab und begrüßte Tom bevor er seine Arme wieder um seine Dalia hatte. Er vergrub sein Gesicht in ihre Haare und atmete tief ein um ihren Duft einzuziehen. „Ich habe dich so vermisst" flüsterte er und drückte sie noch näher an sich. „Und ich dich erst, Baby" erwiderte Sie und küsste sein Gesicht. Tom hatte genug und ging Augen rollend wieder in die Küche um nach den Keksen zu schauen. „Falls die Turteltauben da drüber dann irgendwann mal fertig sein sollten, wäre es nett mal über die Kekse zu schauen. Ich weiß nämlich echt nicht wann die fertig sind." „Kekse?" fragte Sebastian mit großen Augen. „Wir haben heute Kekse gebacken. Extra für dich, Liebling." Sie strahlte über das ganze Gesicht wenn sie in seins sah. "Aber wir sind noch nicht ganz fertig geworden. Wieso verräumst du nicht ersteinmal deinen Koffer und kommst dann runter?" Sie wollte ihm keine halb fertigen Kekse vorlegen. "Dann spring ich noch schnell unter die Dusche, okay?" Er drückte ihr einen Kuss auf die Schläfe und flüsterte ihr ins Ohr: "Ich hätte nichts gegen etwas Gesellschaft.." Sie lächelte und nickte bestätigend. "Ich kann dir gerne Tom hoch schicken" antwortete sie frech und lachte vor sich hin. Er gab ihr einen Klaps auf den Po und verabschiedete sich mit einem "Das war dann ein Nein", nach oben.
"Wann findet die Hochzeit nochmal statt?" fragte Tom neugierig als sie wieder in die Küche lief. "Wir haben noch kein Datum festgelegt. Ich bin doch noch immer verheiratet..." sie seufzte bei dem Gedanken. Sie zählte bereits die Tage bis zur Scheidung. Es waren genau genommen noch 74 Tage bis zu ihrem Termin mit dem Scheidungsanwalt. Da John und Sie eine Wohnung gekauft hatten, musste er sie ausbezahlen. Sie hoffte auf eine ruhige und harmonische Verhandlung. Einen weiteren Rosenkrieg würde sie sicherlich nicht gebrauchen. "Achso stimmt. Sorry fürs Fragen, wollte dich nicht daran erinnern." Tom wirkte verunsichert. Entspannte sich aber schnell als sie in Dalias lächelndes Gesicht sah. "Wie sieht es mit dir aus Tom? Schon jemanden kennen gelernt? Irgendwelche heimliche Treffen von denen ich wissen sollte?" Ihre Augen waren bei der Frage zusammen gekniffen. Sie liebte es ihn auszuquetschen. Er wurde immer sofort nervös wenn man ihn ganz bestimmt ansah. Er kratzte sich verdächtig am Hinterkopf. Bevor er sprach räusperte sich. Er vermied plötzlich Blickkontakt und sah verräterisch in den Backofen. "Oh mein Gott... Tom?" Sie verschränkte die Arme vor der Brust und tippte sich mit dem Zeigefinger auf ihren Oberarm. "Was verheimlichst du mir?" Er lachte. Seine Nervosität konnte er überhaupt nicht überspielen. Pluspunkt für Dalia. Er war wirklich einfach zu durchschauen. "Wie heißt sie?"Er antwortete ihr nicht sondern wich ihren Fragen mit Gegenfragen aus. "Komm schon. Wie heißt sie Tom?" Noch immer versuchte er ihr keine Aufmerksamkeit zu schenken. Dalia ging näher auf ihn zu. Sie wartete seine Reaktion ab. Er räusperte sich wieder. Seine Atmung beschleunigte sich. Dalia stand nur noch wenige zentimeter von Tom entfernt und grinste. "Du weißt hoffentlich dass ich nicht so schnell locker lasse, oder Tom?" Er schüttelte seinen Kopf und wandte den Blick von ihr ab. "Ich kann den ganzen Tag so weiter machen..." Schließlich seufzte er geschlagen. Er legte seine Hände auf ihre Schultern. "Du bist eine echte Nervensäge, weißt du das?" Dalia zuckte wenig begeistert mit den Achseln. "Hmm, habe ich hier und da schon einmal gehört.." Beide lachten. "Also, wer ist sie?" Tom sträubte sich aber noch etwas. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich. Irgendwas stimmte nicht. "Tom?" fragte Dalia nun sichtlich beunruhigt. "Du musst mir versprechen nicht sauer zu sein, okay?" Seine Sätze so zu beginnen war nie ein gutes Zeichen. "Spucks schon aus.." Nun war auch Dalia nervös.
"Ich.. treffe mich ab und zu noch mit Joyce." Seine Lippen waren wieder fest aufeinander gepresst. Als ob er bereuen würde, was er gerade über die Lippen gebracht hatte. Sie brauchte einen Moment der Verarbeitung. Plötzlich lachte sie laut auf und schüttelte ihren Kopf. "Ich dachte gerade du hättest Joyce gesagt..." Toms Gesichtsausdruck war aber im Vergleich zu ihrem, tod ernst. Als sie sich etwas beruhigt hatte und einen schuldigen Tom sah, der nervös seine Hände knetete, fiel ihr sämtliche Farbe vom Gesicht. "Das kann nicht dein Ernst sein." "Ich konnte dir nichts sagen, weil ich es selbst noch nicht ganz verstehe. Aber irgendetwas ist zwischen uns. Ich wollte dich nicht beunruhigen, Dal." "Wieso triffst du dich noch mit ihr?" fragte sie völlig entsetzt. Sie wollte es nicht wahr haben was er gerade zu ihr gesagt hatte. "Sie hatte mich angerufen und wollte einfach nur reden. Sie hat geweint am Telefon und von eurem Streit erzählt. Dann haben wir uns getroffen und nur geredet. Sie hat jemanden gebraucht, Dalia." "Und wieso redet sie dann nicht mit ihrer besseren Hälfte? Wieso muss sie dich dafür ausnutzen?" Sie war enttäuscht und verletzt. Versuchte Joyce ihr jetzt auch noch Tom zu nehmen? War es denn nicht schon schlimm genug was passiert ist? "Das hat sie. Mehrmals sogar. Aber sobald dein Name auftauchte, hat er die Flucht ergriffen." Sie nickte und hob eine Augenbraue hoch. Als ob sie das nicht vorhergesagt hatte. Aber niemand wollte auf sie hören. "Und wie oft trifft ihr euch?" Tom setzte sich an die Theke und verschränkte die Arme schützend vor seiner Brust. "Ein paar mal in der Woche... seit einem Monat." Er klang traurig darüber. Dalia versuchte ihre Gefühle über Joyce weg zu atmen und sich auf Tom einzulassen. Irgendetwas bedrückte ihn. "Und wie sehen eure treffen so aus?" Sie hatte sich ihm gegenüber gesetzt und eine etwas entspanntere Körperhaltung eingenommen. Er sollte sehen, das er mit ihr über alles sprechen konnte. So wie sie auch mit ihm. "Mal gehen wir spazieren, mal treffen wir uns in einem Café und manchmal, wenn Michael nicht zu Hause ist.." Urgh. Dalias Magen machte sich bei dem Namen bemerkbar. "..naja.." Er wollte nicht ganz mit der Sprache rausrücken. Schämte er sich etwa? "Schlaft ihr miteinander?" Er seufzte und nickte nur stumm. Dalia biss sich, für Tom unmerkbar, auf die Zunge um ihren Ärger Platz zu schaffen. Sie verarbeitete sämtliche Informationen in ihrem Kopf. Die Stille war für Tom unaushaltbar. Er rutschte nervös auf seinem Stuhl umher. "Was denkst du?" fragte er unsicher und starrte sie an. Dalia wandte ihren eisernen Blick von der Arbeitsplatte nicht ab. Sie schüttelte nur langsam den Kopf. "Bitte sag etwas.." bettelte er. "Was möchtest du von mir hören?" Berechtigte Frage. Wenn er hören wollte wie toll und richtig sie das fand, dann war er definitiv bei der falschen Adresse. Wenn er aber die bittere Wahrheit von einer echten Freundin hören wollte, dann war er genau richtig.
"Ich möchte wissen was du darüber denkst." "Die Wahrheit?" fragte sie nach. Das letzte was sie wollte, war seine Gefühle zu verletzen. Er nickte. Dalia versuchte ihm, möglichst schön verpackt, ihre Meinung zu sagen. "Ich finde es nicht richtig. Aber auch nicht Fair. Du weißt was mit ihr passiert ist und wie sie zu dieser Spezies Mann steht, den sie ihren Freund nennt. Du weißt was sie mir damit angetan hat. Ich möchte nicht, das sie dich ausnutzt, nur um das zu bekommen was sie will. Ich bin nicht begeistert und unterstütze das nicht. Falls aber deine Gefühle etwas anderes sagen..." Sie biss sich erneut auf die Zunge. Sie würde das sicherlich bereuen, ihren nächsten Satz gesagt zu haben. "...dann bin ich für dich da und versuche dich, so weit es geht, zu unterstützen." Er nickte verständnisvoll. "Natürlich weiß ich, was alles passiert ist. Und ich weiß auch, das ich es dir schon viel vorher hätte erzählen müssen. Und aufgarkeinen Fall unterstütze ich Michael. Das könnte ich dir niemals antun." Er holte tief Luft bevor er weiter sprach. "Aber meine Gefühle für sie waren von Anfang an echt und intensiv. Ich habe sie nie vergessen und bin nie wirklich darüber hinweg gekommen. Ich habe wirklich versucht mein Herz zu ignorieren. Aber das könnte jetzt eine zweite Chance für uns sein. Sie ist nicht glücklich mit ihm, Dalia. Es kann sehr gut sein, dass sie sich eventuell von ihm trennt." Ihr Brustkorb brannte. Sich mit dieser Situation zu aklimatisieren, war überhaupt nicht einfach. "Bitte hab nicht zu große Hoffnungen in Joyce. Sie hat schon immer viel geredet. Ihre Taten sahen aber meist anders aus." Er schüttelte energisch den Kopf. "Dieses mal ist es anders. Ich glaube wirklich das es funktionieren könnte. Wir müssen ihr eine Chance geben!" "Wir? Tom, für mich gibt es leider kein Wir mehr. Joyce hat unsere gesamte Beziehung aufs Spiel gesetzt. Sie hat sich, ohne mit der Wimper zu zucken, für ihn entschieden anstatt für mich. Wenn das nicht alles über eine Freundschaft aussagt, dann weiß ich auch nicht weiter. Für mich macht es wirklich keinen Sinn mehr." Sie war von sich selbst überrascht, wie ruhig und erwachsen sie gerade gesprochen hatte. Und mit jedem einzelnen, ausgesprochenen Satz, schließ sie mit der Situation ab. Sie war sich davor noch nicht sicher, wie sie weiter damit umgehen sollte. Aber das Gespräch mit Tom bewies ihr, wie sehr sie sich von ihr entfernt hatte, und auch nicht mehr das Bedürfnis spürte, ihre Bindung weiter aufrecht zu erhalten. Sie hatte mit Joyce abgeschlossen. Sie war endgültig fertig mit ihr.
Tom sah traurig aus. Als ob er selbst gerade einen Freund verloren hätte. "Ich möchte nicht, das du am Ende verletzt wirst. Egal von wem." Sie legte behutsam ihre Hand auf seine. "Heißt das...ihr seit keine Freundinnen mehr?" Aus seinem Mund war es irgendwie schwerer zu ertragen. Es klang hart, aber es war die Wahrheit. Manchmal musste man sich von Freundschaften entfernen, um selbst daran zu wachsen. "Ich hätte es mir auch anders gewünscht, aber so ist es nun mal." Joyce hatte genug Chancen in ihrem Leben bekommen. Dies war ihre letzte. Leider durchgefallen.
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