23. Türchen

von TrulyMadlyKathy

Winterzauber

Genervt schlägt Harry seinen Laptop zu. Sein Nacken ist verspannt und seine Augen brennen. Wie lange saß er nun schon hier? Vier Stunden, vielleicht waren es fünf gewesen. Er blickt durch das leicht beschlagene Fenster. Draußen ist es dunkel geworden. Kleine Schneeflocken fallen vom Himmel, die gegenüberliegende Straßen Laterne taucht die ganze Straße in ein goldenes Licht. Eine dünne Schneedecke überzieht den Boden, die Baume, die Autos.

Für einen kurzen Moment ist Harry gefesselt von der Magie. Der erste Schnee. Und das kurz vor Weihnachten. Eigentlich liebt er diese Zeit. Mit einer Tasse Punsch über Weihnachtsmärkte zu schlendern oder seine Wohnung zu dekorieren, Lichterketten und Kerzen. Plätzchen backen während er Weihnachtslieder hört und dann mit einer kuscheligen Decke kitschige Filme ansehen, wenn die ganze Wohnung nach Weihnachten riecht. Der Dezember ist mit Abstand Harrys liebste Zeit im Jahr. Nur dieses Jahr war er noch nicht so richtig in Stimmung gekommen. Seine Masterarbeit frisst einfach zu viel Zeit und Nerven, da bleibt nicht viel übrig für romantische Winterstimmungen.

Aber heute war Samstag und Harry hatte seine Wohnung viel zu lange nicht mehr verlassen. Bevor er es sich zweimal überlegen kann, steht er, dick eingepackt in seinen grünen Schal, vor dem Haus im Schnee. Er legt seinen Kopf in den Nacken. Zarte Schneeflocken fallen auf sein Gesicht und schmelzen. Voller kindlicher Euphorie versucht er, einige mit seiner Zunge zu fangen. Es ist Jahre her, dass er das zum letzten Mal gemacht hat. Lächelnd macht er sich auf den Weg zu seinem Lieblingspark. Kein Auto ist unterwegs und nur wenige Fußspuren sind vor Harry auf dem Weg zu sehen.

Er überquert die Straße und betritt den Park. Es ist still. Diese besondere Art von Stille, Harry ist jedes Jahr aufs Neue fasziniert davon wie etwas so simples wie Schnee es vermag, eine Stadt wie London zum Schweigen zu bringen. Nur der Schnee knirscht unter seien Füssen. Er atmet tief ein, die kalte Luft ist angenehm in seinen Lungen. Er ist ein gutes Stück gegangen, als ihn plötzlich etwas am Rücken trifft. Er dreht sich um und meint, ein kleines, weißes Fellbündel durch den Schnee auf sich zurasen zu sehen. Als der kleine Hund beim ihm ankommt beißt er auf ein Stöcken, dass zu Harry Füssen liegt und springt an ihm hoch.

Harry bückt sich. „Du bist ja ein ganz ein Süßer!" begrüßt er den kleinen Wirbelwind und krault ihm die Ohren. Er zieht etwas an dem Stock, den der Hund noch immer zwischen den Zähnen halt und sofort steigt dieser auf das Spiel ein. Er knurrt und stemmt seine winzigen Pfoten in den Schnee.

„Tut mir so leid, ich wollte dich nicht treffen. Geht es dir gut?" fragt plötzlich eine Stimme. Harry blickt auf. Vor ihm steht ein junger Mann, etwas in seinem Alter, und keucht.

„Keine Ursache, ich habe es fast nicht gemerkt. Und außerdem habe ich Bekanntschaft mit deinem Hund gemacht, dass macht aller wieder gut." lacht Harry.

„Was machst du bloß für Sachen, Wolke!" schimpft der Mann mit dem Hund. Er wendet sich wieder Harry zu.

„War trotzdem nicht meine Absicht. Normalerweise würde ich sie nicht ohne Leine laufen lassen, ich dachte nur, außer uns wäre keiner mehr unterwegs." Harry richtet sich auf und blickt den Mann zum ersten Mal richtig an. Er trägt einen schwarzen Mantel. Der Kragen ist aufgestellt und umrahmt sein zartes Gesicht, das Schwarz bildet einen starken Kontrast zu dem leuchtenden blau seiner Augen. Harry reißt seinen Blick los.

„Den ersten Schnee lasse ich mir doch nicht entgehen!" erwidert er „Das ist die schönste Stimmung im ganzen Jahr."

„Absolut. Vor allem im Dezember. Ich bin übrigens Louis." Der junge Mann hält ihm die Hand hin. Harry ergreift sie. „Harry." Er blickt Louis in die Augen und lächelt. Louis ist ein ganzes Stück kleiner als er. In seinen Haaren haben sich einige Schneeflocken verfangen. Wie gerne Harry eine davon nehmen würde, nur um sich zu vergewissern ob Louis Haare genauso weich sind wie sie aussehen.

Plötzlich fährt Louis herum „Scheiße! Wo ist der Hund denn schon wieder hin?" Er pfeift mit zwei Fingern zwischen den Lippen.

„Ich kann dir gerne Suchen helfen. Also wenn du magst" bietet Harry an. Der junge Mann fasziniert ihn und er hat nicht dagegen noch etwas länger von seinem Schreibtisch getrennt zu sein. Louis lacht. Sein Lachen ist tief und etwas rau und lässt Harry einen Schauer über den Rücken laufen. „Du musst denken ich wäre der schlechteste Hunde- Vater überhaupt. Zweimal verloren innerhalb von einer Viertelstunde. Aber wäre echt toll, wenn du helfen könntest"

Langsam laufen die beiden den Pfoten Abdrücken im Schnee hinterher, immer wieder rufen sie, doch nichts rührt sich. „Wolke gehört eigentlich meiner Schwester, wenn ich sie verliere bringt meine Schwester mich um!" Louis fährt sich mit beiden Händen durch die Haare.

Harry legt eine Hand auf Louis Arm. Erspürt die Wärme wie ein Kribbeln durch den Mantel. „Hey, tief einatmen! Wir werden es doch wohl schaffen, einen Handtaschen Hund zu finden! Wie müssen uns nur etwas beeilen, bevor ihre Spuren zugeschneit werden."

Einmal durch den ganzen Park laufen die beiden, bis zu der Straße aus der Harry vorhin gekommen ist. Louis pfeift wieder, und siehe da, aus der Ferne hören sie ein leises Winseln. Sie folgen dem Geräusch. Aus einem Hauseingang springt plötzlich ein weißer Schneeball. Wolke! Louis bückt sich sofort und nimmt sie in dem Arm. „Du machst Sachen! was fällt dir nur ein, mir einen solchen Schrecken einzujagen!" Aber er lächelt und ist sichtlich froh die kleine Ausreißerin wieder gefunden zu haben.

Er steht auf und sieht Harry an. „Danke! Echt, ohne dir hätte ich wahrscheinlich einen Nervenzusammenbruch bekommen." - „Naja, übertreiben müssen wir es nicht gleich." lacht Harry „Du hättest sie sicher auch ohne mir gefunden."

„Aber es wäre nicht so schön gewesen." lächelt Louis und blickt Harry in die Augen.

„Möchtest du vielleicht noch eine Tasse Tee zum Aufwärmen trinken?" Louis Blick hat ihm Mut geschenkt. „Ich wohne gleich dahinten."

„Gerne!" strahl Louis ihn an.

Als Harry seine Wohnungstür aufstößt und das Licht anschalten bereut er es fast Louis mitgenommen zu haben. Das Chaos greift ihn förmlich an. „Versuch einfach die Unordnung hier zu ignorieren. Ich schreibe gerade meine Masterarbeit, deswegen komme ich nicht wirklich zu irgendwas."

Louis lacht nur. „Wenn du das Unordnung nennst, willst du gar nicht wissen wie es bei mir aussieht." „Dann ist ja gut." meint Harry erleichtert. „Geh gerne schon mal ins Wohnzimmer, ich komme gleich."

Harry kommt mit zwei dampfenden Teetassen ins Wohnzimmer und sieht Louis vor seinem Regal mit Schallplatten sitzen. Grinsend dreht dieser sich um, er hält The Stranger in der Hand.

„Das ist eine Erstausgabe!" - „Schau rein."

„Du hast eine signierte Erstausgabe von Billy Joel und es mir nicht erzählt??"

„Ich habe sie in einem Second- Hand Laden gefunden, echte Glücksgriff. Hätte der Besitzer gewusst was das ist wäre sie sicher unerschwinglich gewesen"

Louis schüttelt unglaubwürdig den Kopf. „Wahnsinn. Könne wir sie hören?" „Sicher" nickt Harry und legt die Platte auf. Dann setzt er sich neben Louis auf die Couch. „Welche Platten hast du mir noch verschwiegen?"

Als Vienna anfängst zu spielen, steht Louis auf. „Eines meiner absoluten Lieblingslieder." meint er und fängt an zu tanzen. Harry bleibt sitzen und sieht ihm zu. Ein Lächeln schleicht sich auf ein Gesicht. Der ganze Abend fühlt sich so unreal an, so fern von seinem Alltag. Erst schneit es und dann findet er plötzlich einen jungen Mann der sein Herz schneller schlagen lässt. Es ist, als würden die beiden sich schon ewig kennen. Dabei sind es vielleicht drei Stunden gewesen. Der Abend fühlt sich so natürlich an mit Louis. So ungezwungen.

Beim Chorus fängt Louis an mitzusingen. Selbst singen kann er. Theatralisch lehnt er sich zurück „Vienna waits for youu!"

Lachend kommt er auf Harry zu und hält ihm seine Hand hin. Harrys steht auf, nimmt Louis Hand und verschränkt ihr Finger. Langsam schwingen sie im Takt.

Louis legt eine Hand in Harrys Nacken. Harrys Hand wandert zu Louis' Taille. Seine Augen funkeln. Harry lächelt. Was Louis zum Lächeln bringt. Seine Lippen sind fein und geschwungen. Als wären sie mit einem einzigen Pinselstrich gemalt. Harrys wandert über Louis Rücken hinauf bis er sein Gesicht umfasst. Der letzte Ton des Liedes verklingt. Er schließt seine Augen und zieht Louis zu sich heran. Sanft legt er seine Lippen auf die des Kleineren. Louis geht einige Schritte rückwärts, ehe er auf die Couch fällt und ihre Lippen sich voneinander lösen. Ein breites Grinsen macht sich auf seinem Gesicht breit. Er fährt mit beiden Händen durch Harrys schulterlangen Haare. Der Blick zwischen ihnen ist so intensiv, er lässt ihnen kaum Luft zum Atmen. Stürmisch treffen sich ihre Lippen, voneinander angezogen wie Magnete, und vereinigen sich zu einem gefühlsvollen Kuss.

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