[85] I feel it's too good to be true

3. Juni 2019

Den Sand unter den nackten Füßen, Hailees Hand in meiner, das Rauschen der Wellen in den Ohren und dazu das Lachen meiner Freunde. Nie hätte ich geglaubt, dass das Glück mir einen solchen Abend parat halten würde.
Die ganze Fahrt über war die Vorfreude immer weiter angestiegen und jetzt wo ich vor mir das offene Meer sehen konnte, schien ich erst richtig zu realisieren, dass die Vorstellung sich in die Realität umgewandelt hatte.

„Schön, was?", fragte Harry auf einmal und lief samt seiner Gitarre neben uns her.
Hailee und ich nickten, während wir uns immer mehr den Wellen näherten.
Der Strand war bis auf ein paar vereinzelte Schwimmer verlassen und die Sonne tauchte alles in ein warmes Abendrot.
Noch ein paar Schritte stapften wir durch den abgekühlten Sand, dann kamen wir an einer ruhigen Stelle, nahe der hohen Felsen, zum Stehen. Louis hatte recht behalten: Norwegen war wirklich ein schönes Land. Nicht so wie Irland vielleicht, aber doch ähnlich.

Zusätzlich zu der Gitarre, hatten wir uns noch Snacks und Handtücher mit gebracht, mit welchen wir uns nun niederließen.
Mit den Blick zum Meer gerichtet saßen wir eine ganze Weile einfach so da. Mein Arm lag um Hailee, die ebenfalls ihre Sandalen auszog und nur noch in ihrem Sommerkleid dasaß. Ihre Sonnenbrille hatte sie lässig in ihre Haare gesteckt, obwohl die Sonne durch diese Uhrzeit so abgeschwächt war, dass sie sie eigentlich erst gar nicht hätte mit nehmen müssen.

„Und?", fragte Louis da, der hinter Eleanor saß und seine Hände auf ihren Bauch gelegt hatte. „Habe ich zu viel versprochen?"
Ich schüttete sofort den Kopf, stellte meine Hände hinter mir in den Sand ab und richtete meinen Blick genießerisch gen Himmel.
Nicht einmal zehn Minuten waren vergangen und schon berauschte dieser Ort einen mit Entspannung.

„So, wer kommt denn jetzt mit ins Wasser?", fragte Liam auf einmal nach und sah von einem zum anderen, ehe er sich sein Shirt über den Kopf zog. Das war mal wieder typisch für ihn.
Kaum war man angekommen und hatte sich niedergelassen, sprang er schon wieder auf, um etwas zu erleben.
„Ich", antwortete Aiden verspätet und erhob sich schwungvoll. Bald landete auch sein Shirt im Sand. Harry wäre nicht Harry, wenn er es nicht genommen, gefaltet und neben sich abgelegt hätte.

„Aiden?", fragte Liam auf einmal nach. „Hast du dir deswegen das Tattoo stechen lassen? Wegen deiner Familie?"
Liams Stimme klang so vorsichtig, als könnte sie durch ihren Klang etwas zerbrechen.
Ich wandte mich an Aiden und sah zu seinem Oberarm, auf welchen man den Vogel und den Wegweiser ausmachen konnte.
„Ja", stimmte er Liam leise zu. „Der Wegweiser steht für neue Wege und freie Entscheidungen und der Vogel und die Feder für die Unabhängigkeit und das Entwurzeln. Aber zum Teil habe ich euch die Bedeutung ja schon erklärt"

Kurze Zeit wurde unser Schweigen nur von dem Rauschen der Wellen unterbrochen. „Das ist wirklich mutig", sagte Liam da ernst. Aiden lächelte still, doch schien ihm mit diesem Ausdruck danken zu wollen.
Dann sahen die beiden uns erneut erwartungsvoll an. „Wollt ihr etwa hier nur herumgammeln?", fragte Liam vorwurfsvoll nach und stemmte seine Hände in die Hüften.
„Du verstehst nichts davon einfach mal die Landschaft zu genießen und dazusitzen. Hast du dir dahinten denn überhaupt schon die Felsen richtig angeschaut oder die untergehende Sonne, die sich im Wasser spiegelt", entgegnete Eleanor mit dem selben vorwurfsvollen Unterton.

Er zog seine Augenbraue hoch, was wohl ein Nein bedeuten sollte, ehe er zusammen mit Aiden loslief und mit jeder weiteren Entfernung kleiner erschien.
„Willst du deinem Freund nicht hinterher?", fragte Louis an Harry gewandt, der gedankenverloren in die Wellen schaute.
„Alles klar bei dir?" Sein bester Freund sah ihn misstrauisch an.
„Was?", fragte Harry nach, während er zusammenzuckte. „Ja... Es ist alles klar" Ein Lächeln zierte seine Lippen, welches sich sofort auf meine übertrug.

Einige Zeit sahen wir nur den beiden Gestalten, alias Liam und Aiden, dabei zu wie sie gemeinsam im Meer verschwanden und ein bisschen weiter hinaus schwammen.
Irgendwann schien Louis ebenfalls die Schnauze voll vom Herumsitzen zu haben und überzeugte Harry ebenfalls mit zukommen.
„Hailee, kommst du auch mit?", fragte Eleanor, die sich ebenfalls erhob. Mit ihrem Bikini sah man nur noch deutlicher, dass sie zwei Menschen bei sich trug. Zwei winzig kleine Menschen.

„Mal schauen, wie kalt es ist", meinte meine Freundin nur dezent überzeugt und brachte mich damit zum Schmunzeln.
„Niall, willst du nicht auch aufstehen?", fragte Hailee nach und streckte mir die Hand entgegen, um mich ebenfalls auf die Beine zu ziehen. Doch ich schüttelte nur leicht den Kopf und rührte mich nicht. Aus irgendeinem Grund schien ich wie am Boden festgeklebt zu sein.

„Einen Moment noch", hauchte ich so leise, dass es wenn überhaupt nur zu Hailee durchgedrungen war. Man konnte vieles von ihr behaupten, aber nicht dass sie keine Menschenkenntnis besaß. Vielleicht lag es aber auch an unserer langen Freundschaft, dass sie mich so gut kannte.
Denn anstatt einen Kommentar zu machen oder mich bemüht auf die Beine zu ziehen, ließ sie mich mit einem leichten Lächeln sitzen und schloss sich Harry, Louis und Eleanor an.

Sie sahen in der untergehenden Sonne so aus wie auf einen dieser Strandbildern, die man im Internet fand und als Hintergrundbild nahm, obwohl man diesen Moment nie in dieser Form erlebt hatte.
Ich hörte ihr Lachen zu mir herüberwehen und kaum standen sie mit den Füßen im Wasser, vermischte es sich mit Hailees Kreischen.
Ich schmunzelte und das, obwohl es hier oben niemand sehen konnte.

Denn in diesem Moment war ich einfach nur glücklich. Ein warmes Kribbeln machte sich in meiner Bauchgegend breit. So fühlte es sich an, wenn alles plötzlich vollkommen war.
Dieses Gefühl hatte ich schon einmal gehabt, vor langer Zeit. Doch dann war plötzlich alles ganz anders gewesen. Denn dann kam Flicker und ich hatte das Gefühl niemals wieder lachen zu können. Und dieser Gedanke hatte mich lange Zeit begleitet.
So lange, dass er sich in mein Herz eingebrannt hatte. Doch jetzt war er nichts weiter als eine Narbe, die einen nicht daran hinderte neues zu erleben.

Noch immer lächelnd sah ich aus der Ferne zu meinen Freunden, Bandkollegen und Brüdern. Und zu ihr. Der Frau, die seit so langer Zeit der wichtigste Mensch auf dieser Welt war.
Plötzlich löste sich einer der Schatten von unten und kam durch den Sand zu mir herauf gelaufen. Der Körperbau machte ihn unverwechselbar. Liam. Am ganzen Körper von Wassertropfen übersät, erreichte er mich und wickelte sich sein Handtuch um die Hüfte, ehe er sich neben mir niederließ.

„Warum sitzt du denn hier so Mutterseelen alleine?", fragte er da nach und sah mich von der Seite fragend an. Von seinen Haaren tropfte Meereswasser, welches seine Schläfe herunterlief.
„Ich weiß nicht...", murmelte ich wahrheitsgemäß.
„Ist alles gut?" Liam legte seine Stirn in Falten und wirkte nun fast besorgt.
„Ja", hauchte ich leise und beobachtete weiterhin die anderen. Wobei ich grinsend feststellte, dass Hailee die einzige war, die noch immer nur bis zum Fußknöchel im Wasser stand und sich die Arme un den Körper schlang.

„Schon krass, wie schnell sich alles ändert", sprach Liam meinen Gedanken aus. „Und noch dazu zum Positiven"
„Du bist aber schon noch Single, oder?", zog ich ihn auf und warf ihm kurze Seitenblicke zu.
Liam verdrehte die Augen. „Wer hat denn bitte festgelegt, dass Single sein negativ und eine Beziehung haben positiv ist?"
Wo er recht hatte, hatte ich recht. Da ich nichts dagegen einzuwenden hatte, beließ ich es bei einem zustimmenden „Mhm".

„Du Niall, ich habe dir doch gesagt, dass ich mit Bear wegfahren möchte", meinte er da auf einmal und war so schnell von einem Thema zum anderem gesprungen, dass ich kaum hinterher kam.
„Ich habe mit Cheryl geredet und sie hätte nichts dagegen. Ich dachte, dass es am besten nächstes Jahr im Frühjahr wäre. Bevor wir anfangen an unserem sechsten Album zu arbeiten"
Die Betonung, die er auf „sechstes Album" legte, ließ ein vorfreudiges Grinsen in meinem Gesicht erscheinen. Es klang auf eine Weise ganz fremd und doch als wären nie Zweifel da gewesen das Fremde zum Vertrauten zu machen.

„Ich denke, dass wird dir gut tun. Und sicherlich ist es für dich und Bear beide schön mal mehr Zeit zusammen zu verbringen", antwortete ich ihm etwas verspätet.
Liam lächelte. „Ich denke auch... Es hat ja auch lange genug gedauert, dass es endlich besser wird. Ich war kurz davor schon wieder durchzudrehen"
Langsam erlosch sein Lächeln und das Strahlen in seinen braunen Augen. Ich spürte, wie ihn Erinnerungen aufsuchten. Erinnerungen, von denen er vermutlich nichts mehr wissen wollte.

„Das Leben kann schon echt hart sein. Es ist nicht fair, dass du Sophia loslassen musstest, dass du deinen besten Freund verloren hast und jetzt schon wieder den Kürzeren ziehen musstest. Das alles ist alles andere als fair. Und nach den ganzen Verlusten ist es eigentlich kein Wunder, dass du am Verzweifeln bist und dass du Angst davor hast deine Kontrolle abzugeben und wieder verletzlich zu sein.
Aber ich verspreche dir, dass es da jemanden geben wird, bei dem diese Befürchtungen grundlos sind. Und bis dahin kannst du stolz sein, dass du so viel Selbstbewusstsein und Selbstreflexion entwickelt hast. Lass dir das nicht durch alte Unsicherheiten kaputt machen"

Kurz herrschte Stille. Ich stocherte im Sand herum und ließ ihn anschließend auf meine nackten Füße rieseln.
Da noch immer keine Antwort kam, wurde ich so langsam verunsichert und drehte leicht den Kopf zur Seite. Hatte ich etwas falsches gesagt?
Liams Augen trafen auf meine. Eine Weile sahen wir uns einfach nur an und hingen jeder unseren eigenen Gedanken nach.

Schließlich vernahm ich von ihm ein leises „Danke", das viel mehr zu sein schien, als ein einziges Wort.
Ich beließ es bei einem leichten Nicken, dann umfüllte uns für eine Weile ein angenehmes Schweigen.
„Und bei dir und Hailee scheint ja auch alles gut zu sein", sagte Liam auf einmal und ließ mich aufschauen.
„Jaa", stimmte ich ihm sofort zu. „Hat ja auch lange genug gedauert..."

„Hermine und Ron haben auch ein paar Bücher gebraucht, um zu verstehen, dass sie mehr als Freunde sind", sagte Liam grinsend.
„Du bist so ein Nerd!", stieß ich fassungslos aus und konnte mich nicht daran hindern über meinen Kumpel den Kopf zu schütteln. Liam hob unschuldig die Hände. Ein Weile lachten wir unbeschwert, während die Stimmen der anderen leise zu uns herüberwehten.

„Entschuldigst du mich kurz?", fragte ich schließlich nach, befreite meine Füße von dem Sand und erhob mich umständlich. Schnell streifte ich ebenfalls mein T-Shirt aus. „Ich habe noch etwas zu erledigen"
Obwohl Liam etwas verwirrt wirkte, nickte er und ließ mich ziehen. Mit einem verschmitzten Grinsen lief ich auf Hailee zu, die es noch immer nicht in das scheinbar ziemlich kalte Meer geschafft hatte.

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