[72] Changes into something red

Mit zittrigen Fingern strich ich mein Hemd glatt und atmete die erfrischende Mailuft ein. Es blieb mir noch eine viertel Stunde bis zu unserem Treffen, doch hatte ich es keine Sekunde länger in meinen eigenen vier Wänden ausgehalten. Obwohl unsere letzte Begegnung noch nicht allzu lange her war, lagen aus meinen Augen Jahre dazwischen.

Unruhig trat ich von einem Fuß auf den anderen, während ich vor dem Eingang des noblen Restaurant stand. Bis jetzt waren noch keine Menschenmassen oder Fans aufgetaucht, dennoch wusste ich nicht, wie lange ich noch ungesehen bleiben würde, hier am Eingang eines solchen Aufmerksamkeit erregenden Gebäudes.
Gerade als ich mit den Gedanken spielte schon einmal rein zu gehen und den reservierten Platz einzunehmen, hielt ein Auto am Straßenrand.

Die Glasscheiben waren abgedunkelt und zogen sofort meine Blicke auf sich.
Das musste Hailee mit einem Bodyguard sein. Und tatsächlich trat im nächsten Moment ein Mann aus dem Auto, der als solcher einzuordnen war. Schwungvoll öffnete er die Tür und gewährte der hinten sitzenden Person das Aussteigen.

Erst sah ich nur zwei hohe Schuhe, die auf den Bürgersteig traten, darauf folgte das rote Kleid.
Es erinnerte mich an jenen Tag in Paris, an den ich eigentlich nie wieder zurückzudenken wollte.
Vermutlich hatte Hailee dutzende solcher Kleider in ihrem begehbaren Kleiderschrank. Zumal ihr die Farbe Rot ausgesprochen gut stand. Vor allem in Kombination mit ihren dunklen Locken.

Ein Lächeln legte sich über meine Lippen, als Hailee ihre Handtasche in beide Hände nahm und ihren Blick zu mir herüber schweifen ließ.
„Du siehst wunderschön aus“, hauchte ich leise, ohne zu wissen, ob dieser Satz ihre Ohren erreichte. Sie redete kurz mit ihren Bodyguard, dann kam sie langsam auf mich zu gelaufen.

„Madame“, grinste ich und verbeugte mich vor ihr, was sie augenblicklich auflachen ließ. „Das ist aber nicht das richtige Outfit für einen solchen Abend“, meinte ich vorwurfsvoll und deutete auf ihre Lederjacke, die sie über dem Kleid trug.
Sie strich sich eine Locke aus dem Gesicht, welche sich aus ihrem hochgesteckten Haaren gelöst hatte und sah skeptisch auf meine Füße. „Das gebe ich nur zurück“
Ich folgte ihren Blick zu meinen ausgelatschten und dreckigen Schuhen. Diese schienen tatsächlich nicht zu dem Rest meiner Kleidung zu passen.

Ich zuckte unschuldig mit den Schultern und ließ mein Blick über ihr Gesicht gleiten.
Wie schon so oft verlor ich mich in ihren tiefen, braunen Augen, welche ein reines Meer aus Gedanken waren.
Gedanken, welche ich nach all den Jahren noch immer nicht zu hundert Prozent einschätzen konnte.

„Na dann“, meinte ich schließlich und löste mich von dem Anblick. Ich lief zum Eingang und öffnete die schwere Glastür. Augenblicklich kam mir eine warme Luft entgegen. Leises Geschirrgeklapper und Stimmen wehten ebenfalls zu mir herüber. Es schien, als wäre ich soeben in eine andere Welt getreten. Alle wirkten ruhig und zufrieden, doch fehlte es hier eindeutig an guter Stimmung.

„Wenn ich bitten darf“, meinte ich schließlich grinsend, trat einen Schritt zurück und hielt Hailee die Tür auf, sodass sie sich ebenfalls ein Bild von diesem Ort machen konnte.
„Schick“, meinte sie leise und ließ ihren Blick von den verzierten Tischen, zu den Kronleuchtern und schließlich zu der Wendeltreppe gleiten, welche sich in den zweiten Stock empor schlängelte.

Ich wusste, dass Hailee noch früher als ich den Nebeneffekt des Berühmtseins erfahren hatte. Während ich noch in Mullingar gelebt hatte und in einfachen Verhältnissen aufgewachsen war, war sie schon in ihre Karriere gestürzt und hatte den damit verbundenen Luxus frühzeitig kennen gelernt.
Am Anfang hatte ich geglaubt, ihr aus diesen Gründen als bester Freund nicht zu genügen. Wie sich später herausgestellt hatte, hatte sie dasselbe auch über mich gedacht. Berühmt zu sein war schon eine verrückte Sache.

Ich wurde aus den Gedanken gerissen, als plötzlich ein Mann vor uns auftauchte. Seine Kleidung glich der einer Uniform, in der er noch kleiner wirkte als ohnehin schon und sein Lächeln war so freundlich, das man sich sofort Willkommen fühlte.
Bevor ich auch nur blinzeln konnte, hatte er Hailee bereits ihre Lederjacke abgenommen und sie an die Garderobe gehängt. Sie viel zwischen Jacketts und Mänteln ziemlich auf, was mich sofort zum Lachen brachte. Doch fasste ich mich schnell wieder, da ich schwören könnte, damit Blicke auf mich zu ziehen.

„Wenn ich Sie bitten darf mir die Treppe hinauf zu folgen. Ihr Tisch befindet sich wie gewünscht in einer ruhigen Ecke mit Stadtblick“
Der Mann nickte uns leicht zu und begleitete uns anschließend nach oben. Aus irgendeinem Grund fühlte ich mich mit jeder Stufe noch mehr fehl am Platz.
Ein Blick in Hailees Richtung reichte aus, um zu wissen, dass es ihr genauso erging.

Hier oben war es leerer als unten, sodass der Raum noch größer wirkte. Es war nicht das erste Mal, dass ich in einem solchen Restaurant war. Doch im Gegensatz zu der Atmosphäre in einem Irish Pub war die Stimmung hier irgendwie kalt und angespannt.
Bevor ich mich weiter umsehen konnte, kamen wir vor dem besagten Tisch zum Stehen.

Der Fremde nickte bedächtig und schien zu warten, bis wir Platz nahmen.
„Miss Steinfeld“, meinte ich mit einem übertriebenen Anstand. Beinahe wäre ich aus der Rolle gefallen und hätte ein Lachanfall bekommen, doch riss ich mich zusammen und fand langsam, aber sicher gefallen hieran.
„Wenn Sie nun Platz nehmen möchten“ Mit diesen Worten schob ich ihren Stuhl ein Stück zurück.

Ich sah ihr an, dass sie ebenfalls gegen ein Lachanfall ankämpfte, während sie sich auf den gepolsterten Stuhl niederließ. Anschließend setze ich mich gegenüber von ihr an den Tisch und ließ mit hochgezogener Augenbraue mein Blick über die mindesten hundert Besteckteile wandern, welche in allen Größen und Variationen vor mir verteilt waren. Man sah die weiße Tischdecke vor lauter Besteck kaum.

Nachdem wir eine Speisekarte bekommen hatten und die weiße Kerze zwischen uns angezündet worden war, ließ der Mann uns alleine.
Kaum war er die Treppe nach unten gelaufen, umfing Hailee und mich ein Schweigen. Kurz musterte ich sie, wie sie sich nach allen Richtungen umsah und den Raum erkundete, dann schienen wir die Rollen zu wechseln, da ich nun den Part des Umschauens übernahm und sie mich bemüht unauffällig ansah. Ich fühlte mich nicht ganz wohl dabei, sodass ich automatisch nach der Speisekarte griff. Hailee machte es mir nach und war schon bald in ihrer eigenen Karte vertieft.

Aus den meisten Gerichten konnte ich mir keinen Reim machen, da ich von vielen Namen noch nichts gehört hatte.
Da reiste man schon um die ganze Welt und hatte die Möglichkeit vieles neues auszuprobieren und man kannte trotzdem nur Klassiker.
Liam hätte mir wohl Antworten auf meine Fragen geben können. Schließlich war er es gewesen, der vor vielen Jahren mit Froschschenkeln und Schnecken angekommen war.

„Und was gefunden?“, fragte Hailee auf einmal nach, da sie meinen irritierten Gesichtsausdruck scheinbar durchschaut hatte.
Ich schüttelte den Kopf und sah sie mit einem schiefen Grinsen an. „Und du?“ Nun schüttelte sie den Kopf, wodurch wir beide lachen mussten.
Nachdem wir die Karte zum zweiten Mal studiert hatten, meinte ich schließlich: „Hummer mit Kartoffeln, Sauce und Zitronenscheiben“

„Nee“, rief Hailee und sah mich schockiert an. Ein paar Tische weiter saß ein älteres Ehepaar, das uns nun finster ansah, ehe es zurück in ihr Gespräch versank. „Wenn wir schon mal hier sind“, meinte ich dennoch und blätterte zu den Getränken weiter.
„Müssen wir auch mal etwas wagen“
Noch immer schien Hailee kein bisschen angetan von dieser Idee zu sein. Gerade als sie den Mund aufmachen wollte, hörte ich auf einmal ein leises Klingeln.

Es brauchte einige Zeit, bis ich realisierte, dass es mein Handy war. Daraufhin schien die Laune des Ehepaars noch mehr gesunken zu sein.
Schnell wich ich ihren Blicken aus und griff in meine Hosentasche nach meinem Handy. Verwirrt stellte ich fest, dass es Louis war. Das war ja mal wieder typisch für ihn.

„Entschuldigst du mich kurz?“, fragte ich da an Hailee gewandt nach und warf ihr einen entschuldigenden Blick zu.
„Klar“ Sie bedeutete mir aufzustehen, doch wirkte etwas verwundert.

Mit schnellen Schritten lief ich zur Treppe. In diesem Moment fiel mir der Gang auf, welcher zu den Toiletten führte.
Mit großer Wahrscheinlichkeit war ich dort am ungestörtesten.
So lief ich den nach Parfüm riechenden Gang hinunter und nahm den Anruf auf halber Strecke entgegen.
„Was gibt es denn so wichtiges? Ich bin auf einem Date!“, erklärte ich in leiser Lautstärke und öffnete die Tür zu den Herrentoiletten. Ich fand mich in einen großen Raum wieder, der haargenau zu dem Rest des Hauses passte.

„Ach ja! Das hatte ich vollkommen vergessen!“, durchbrach Louis da die Stille. „Es ist aber echt wichtig!“
Ich seufzte und lehnte mich an eines der Wachbecken zurück, als Zeichen, dass er weitersprechen sollte.
„Hast du etwas von Harry gehört?“, ertönte da Louis' Stimme, die mich hellhörig werden ließ.

„Nein, habe ich nicht“ Ich spürte, wie meine Besorgnis noch weiter anstieg. Schnell erzählte ich, wie ich ihn nicht erreichen konnte und fügte am Ende vorsichtshalber noch meine Begründung mit Aiden hinzu.
Sicherlich wollte Harry die letzten Tage mit seinem Freund ohne Medieneinfluss in vollen Zügen genießen. Das würde zumindest zu ihm passen.

„Ich hoffe mal, dass du recht behältst. Wir schreiben noch mal... Ach und viel Spaß noch auf deinem Date“, Louis musste sein zweideutiges Grinsen aufgesetzt haben. Ich verdrehte die Augen, verabschiedete mich schnell und verstaute das Handy zurück in meine Hosentasche. Einige Zeit stand ich vor dem Spiegel mit Goldrahmen und sah gedankenverloren meinem eigenen Spiegelbild entgegen.

Erst als mir Bewusst wurde, dass ich soeben Hailee alleine an dem Tisch sitzen gelassen hatte, machte ich mich schnell zurück auf den Weg zu ihr.
Ich war so in Gedanke gewesen, dass ich beinahe in einen Mann mit feinen Anzug und glänzenden Schuhen gelaufen wäre, der soeben die Toilette betreten hatte.
Er musterte mich durchdringend und blieb mit seinen abschätzigen Blick schließlich an meinen Schuhen hängen. Sofort wurde mein Blick finsterer.

„Die sind aus Irland und ich werde sie ganz sicher nicht wegschmeißen, nur weil sie etwas älter sind!“ Mit diesen Worten stolzierte ich gehobenen Hauptes an ihm vorbei zur Tür.
Ob man es glaubte oder nicht: Mein Date wartete schon auf mich.

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