[64] But love is never ever simple

Ich hatte die Zeit vollkommen aus den Augen verloren. Doch hatte ich keine große Motivation auf meinen Handy abzuchecken, wie lange wir schon unterwegs waren. Ich wollte die Zeit einfach genießen. Ganz egal was war und ganz egal was noch alles kommen würde.

Irgendwann ließen wir den Weg hinter uns und liefen Querfeld ein durch den Wald. Unsere Schuhe wurden von Mal zu Mal dreckiger, doch das störte uns nicht im Geringsten.

Ich hatte das Gefühl, dass ich diese Seite von Hailee lange nicht mehr miterlebt hatte.
Die Seite, mit der man mit ihr Pferde stehlen konnte und die ich über alles liebte.
Durch die ganzen Auftritte, Interviews und dem ganzen Stress verlor man sich schnell aus den Augen.

Und ich war mir sehr sicher, dass Hailee damit ebenfalls Probleme hatte. Man durfte eben nie vergessen, wer man war. Und das war oftmals ziemlich schwer. Vor allen dann, wenn so viele Leute einen kannten und jeder sich ein neues Ich von einem schuf.

Gerade als ich erneut etwas sagen wollte, blieb Hailee plötzlich stehen und zeigte zu einem Hochsitz. „Sieh mal, Niall"
Ich folgte ihrem Blick zu dem Stelzen hohen Turm, welcher zwischen den Bäumen versteckt lag. Bevor ich etwas sagen konnte, zog mich Hailee bereits hinter sich her und sah zu ihm auf.

„Das nenne ich eine gute Sitzmöglichkeit mit gutem Ausblick", meinte sie da und sah mich auffordernd an. Ich jedoch deutete streng auf das Schild. Es hing an dem morschen Stufen und hatte die Aufschrift: Betreten verboten!

„Du bist manchmal ein richtiger Langweiler", schmunzelte Hailee und machte sich bereits auf den Weg zu der Leiter, welche aussah, als würde sie keine dreißig Kilo aushalten.
„Nicht das das Ding einkracht und du dich verletzt!", rief ich alarmiert und holte sie schnelles Schrittes auf.

„Willst du damit sagen, dass ich fett bin?" Hailee hob ironisch eine Augenbraue hoch und griff nach der höchsten Sprosse, die sie erreichen konnte.
Mit einem unguten Gefühl beobachtete ich, wie sie elegant die Leiter empor stieg und gekonnt dem Schild umging.

„Willst du nicht auch hoch kommen?", fragte sie, nachdem sie sich auf die Plattform gezogen hatte und die Füße auf der Seite, welche keine Holzwand besaß, herunter baumeln ließ.
Seufzend löste ich mich aus meiner Starre, sah mich noch einmal hektisch um und kletterte schließlich nach oben. Noch immer nervös ließ ich mich neben sie nieder, ließ die Beine ebenfalls in die Tiefe herunter hängen und stützte beide Hände hinter meinen Rücken auf der harten Holzplatte ab.

Tatsächlich hatte man von hier oben einen guten Überblick über den Wald. Es sah alles ruhig und friedlich aus. Selbst die Vögel schienen hier viel lauter und deutlicher zu zwitschern.

„Hierher zu kommen war eine echt gute Idee. Ich war lange nicht mehr der Natur so nah", riss mich Hailee aus den Gedanken und schien nun in ihre eigenen zu versinken.
Sie richtete ihren Kopf zum Himmel und schloss für einen Moment die Augen. Ich begutachtete ihr Profil.
Ihre Locken hingen ihr verspielt über die Schulter und ihr Lächeln löste etwas in mir aus, das nicht in Worte zu fassen war. Jedes Mal aufs Neue raubte ihre natürliche Schönheit mir den Atem.

Erschrocken wandte ich mich von ihr ab und atmete tief durch. Ich durfte jetzt nicht schon wieder die Kontrolle verlieren. Gerade jetzt, wo alles so einfach war.

„Ich habe dich auch vermisst", sprach ich plötzlich die selben Worte wie gestern aus. Mit dem Unterschied, dass Hailee nicht schlief und sie nicht nur ihr Unterbewusstsein erreichten.

Langsam wandte Hailee ihren Blick von den Baumkronen ab und widmete sich wieder mir zu.
„Ich bin froh, dass wir so offen reden können, obwohl ich... Na ja", sie brach ab und sah an mir vorbei in den Wald. Ich forderte sie auf weiter zu sprechen, indem ich schwieg.

Und tatsächlich machte sie erneut den Mund auf: „Ich habe wohl den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen" Sie lachte leise.
Doch dieses Mal konnte ich nicht mit lachen. Mein Magen zog sich zusammen. Mühsam versuchte ich die Wut zu verdrängen. Ich wollte nicht daran denken, wie sie mich zurück gestoßen hatte.

„Niall" Schlagartig wurde Hailee wieder ernst. Sie kannte mich einfach zu gut. „Ich wollte nicht..."
Doch was sie nicht wollte, erfuhr ich nicht mehr, da im nächsten Moment ein Bellen durch die Baumreihen hallte.

Es war laut und klang aus irgendeinem Grund gefährlich. Erschrocken zuckte Hailee zusammen und sah mich hilfesuchend an.
Als wenn das nicht schon genug gewesen wäre, hörten wir kurze Zeit später eine laute Stimme rufen: „Hey! Wer ist da?"

„Shit", entfuhr es mir. Ruckartig zeigte ich auf einen Mann, welcher sich dicht gefolgt von seinem Hund durch die Sträucher kämpfte. „Das ist der Förster"

Das Bellen des Jagdhundes wurde immer lauter. Schnell machte ich Hailee Platz, damit sie als erste den Hochsitz verlassen konnte.
Nachdem sie fast am Boden angekommen war, machte ich mich ebenfalls auf den Weg nach unten.

„Das Betreten des Hochstuhles ist für Besucher untersagt", hörte ich irgendwoher die Stimme des Försters zu uns herüber wehen. Dicht gefolgt von dem Bellen seines Hundes, der mit hoher Geschwindigkeit auf uns zu lief.

„Bringe dich schnell in Sicherheit, lass mich zurück und bitte sag den Kindern, wie sehr ich sie liebe", witzelte ich, während wir den Jagdturm umgingen. Erst nachdem ich den Witz ausgesprochen hatte, wurde mir dessen Inhalt bewusst, und ich wurde schlagartig rot.
Doch Hailee grinste mich nur frech an und rief: „Spinner!"

Im nächsten Moment ertönte ein weiteres Bellen. Gleichzeitig drehten wir unsere Köpfe.
Der fremde Hund hatte uns anscheinend im Visier, da er zielstrebig auf uns zu lief, während sein Herrchen ein Stück weit hinter ihm her kraxelte.

Ohne länger nachzudenken, schloss ich meine Hand um die von Hailee und rannte los. In hoher Geschwindigkeit folgte sie mir.
Hand in Hand jagten wir an den Bäumen vorbei, während hinter uns noch immer das bedrohliche Bellen und Hecheln zu hören war.

Ich wusste, dass Hailee ungern ihre Angst zugab. Doch ihre schwitzige Hand sprach Bände. Ich umklammerte sie noch fester und beschleunigte mein Tempo.
Bald schon ging mir die Luft aus und Seitenstechen machten sich bemerkbar. Vielleicht sollte ich doch mal öfter trainieren, sowie Liam und Louis.

Die Bäume wurden immer dichter. Ich wusste nicht wann oder wie es passiert war, aber irgendwann hatten wir den Hund abgehängt. Kein Bellen und keine Stimme waren mehr zuhören.
Doch wir hörten nicht auf weiter zu laufen.
Zumindest solange, bis ich mich mit dem Fuß an einer Wurzel verhakte und der Länge nach hinflog.

Bevor ich Hailees Hand loslassen und sie so vor dem Sturz bewahren konnte, zog ich sie unsanft neben mich auf die Erde.
Noch immer mit hohen Puls und klopfendem Herzen blieb ich einen Moment liegen und beruhigte meinen Atem. Hailee machte es mir nach. Da drehten wir uns zeitgleich zueinander um, sahen uns in die Augen und prusteten los.

„Man, das hat sich angefühlt wie in einem Buch!", konnte ich plötzlich Hailees Worte aus ihrem Lachen entnehmen.
„Manchmal fühlt sich mein ganzes Leben wie ein Buch an", entgegnete ich da und grinste sie schief von der Seite an, während sich ein Stein in meinen Rücken bohrte.

„Oder wie die Fans sagen würden", fügte ich hinzu und konnte meinen Blick nicht von Hailee nehmen. „Eine Fanfiction"

„Wusstest du das es schon länger Fanfiction über uns gibt?, fragte Hailee auf einmal nach und winkelte ihr eines Bein an.
„Das ist gruselig", murmelte ich gedankenverloren und spürte tatsächlich eine Gänsehaut über meinen Rücken jagen. Vielleicht lag es aber auch daran, dass ich mitten im Wald auf der Erde neben Hailee lag.

„Ich habe mal eine gelesen und...", fing sie an, brach jedoch ab, da ich sie verstört ansah.
„Guck nicht so! Als ob du nicht auch mal eine gelesen hättest", grinste sie und stieß mir sanft in die Seite.
Ich zuckte nur mit den Schultern und betrachtete sie stumm. Mein Blick wanderte von ihren Augen zu ihren Lippen.

„Darf ich dich mal was fragen?", fragte sie schließlich nach und stützte sich auf den Ellenbogen ab.
Dies bereute sie kurze Zeit später wieder, da genau an der Stelle ein Stein gelegen hatte. Hailee verzog schmerzvoll ihr Gesicht, setzte sich auf und wartete auf eine Antwort.
„Was?", hakte ich also nach und legte den Kopf zurück auf die Erde. Heute sollte ich dringend duschen.

„Du sagst ja, dass dein Leben dir vorkommt wie ein Buch", fing Hailee an und schabte unruhig mit einem kleinen Zweig auf den Boden.
„Gibt es in dieser Geschichte ein Happyend für uns?"
Überrascht sah ich sie an und dachte eine Weile über diese Frage nach. Doch mehr als ein 'Ich habe keine Ahnung' konnte ich nicht dazu sagen.

„Und was denkst du?", hakte ich schließlich nach und sah Hailee fragend an. Es dauerte eine Weile, bis sie zögerlich von sich gab: „Ich weiß es auch nicht..."

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