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"Ich für meinen Teil liebe irgendwas an dir. Ich weiß nur nicht, was und warum, aber ich weiß, auf welche Art".
Mehr Worte brauchte es nicht. "Das kam eigentlich nicht überraschend", erwiderte ich kühl.

"Das freut mich. Ich habe hinbekommen, es dir klarzumachen, ohne mir einen Regenbogen auf die Stirn zu tätowieren. Obwohl ich das auch gerne machen würde".
"Du brauchst keinen. Du bist doch selbst ein Regenbogen, Lilith".

Sie kratzte sich am Kinn, dann ging ihr ein Licht auf. Ich sah es an dem Schillern in ihren Augen, das mit gebrechlichen Fingern mein Herz berührte. "Du hast ja recht! Bist du auch einer? Mit allen Farben?", raunte sie, die Neugier in ihrer Stimme überschlug sich.

Ich bastelte mir eine Antwort zusammen, die jedoch nur ein Bruchteil von dem wurde, was sie sein sollte.
"Ich bin vieles und nichts zugleich. Du bist mehr. Mehr, als ich mir überhaupt vorstellen kann".

Jemand hatte mal gesagt, Poesie sei die Worte unserer Seele. Wenn wir sie aussprächen, ginge ihre Wirkung verloren. Möglicherweise war Lilith der einzige Mensch, der die Worte in den Mund nehmen konnte, die durch seinen Kopf spukten- und der Wind trug sie nicht hinfort.

"Regenbögen passen nicht in Raster. Deshalb leuchten wir am Himmel, wenn Hoffnung und Leere aufeinandertreffen. Wir sind ein blasses Abbild einer Welt, die die meisten sich nicht vorstellen können. Sie ist wild, bunt und versteckt hinter Fassaden aus Großzügigkeit. Wir sind Erinnerungen, die Kinderaugen zum Strahlen bringen, Sagen über Friede und Reichtum, für die sich keiner traut zu kämpfen. Wir sind die Freiheit, die wir selbst nicht haben".

Lilith war erneut in ihrem Meer aus Konfrontation und Kreation versunken, ich ließ mich auf den Wolken treiben, die sie erschuf.
"Regenbögen machen Strukturen kaputt, Hierarchien und immer gleichbleibende Raster. Manchmal auch sich selbst".

Wieder saßen wir schweigend nebeneinander und gossen das Gesprochene zu einer säuerlich schmeckenden Tablette. Wir balancierten sie auf unseren Zungen, nahmen die Substanz in uns auf, ließen ihre Wirkung durch unser Blut rauschen. Wir überlegten immer und immer wieder, ob das eine gute Idee oder pure Selbstzerstörung war und kamen schließlich zu dem Entschluss, dass uns das egal war.

Es war kein unangenehmes Schweigen. Vielmehr fühlte es sich an, als hätten wir eine Sternschnuppe gesehen und wünschten uns nun etwas. Im Stillen, rangen Hände, die vor Sehnsucht zitterten. Ganz nach dem Motto Gemeinsam einsam.

'Das ist immer unser Motto'.

"Weißt du, warum ich jetzt so bin?", flüsterte sie, den Blick in die Ferne gerichtet.
Ich legte unwissend den Kopf schief.
"Warum ich verschwommen und schwerelos an der Todeszone treibe, zu weit weg vom richtigen Leben, um zu erinnern, wie es sich anfühlt?"

Ich fuhr zusammen und knirschte mit den Zähnen.
"Schau mich nicht so böse an. Warum fühlst du dich immer angegriffen, wenn ich meine Situation schildere?", erwiderte sie mit hochgezogenen Schultern.
Ich schluckte alles hinunter, was ich hätte sagen können. Was ich eigentlich sagen wollte, doch was es nicht über meine Lippen schaffte.

Denn es wäre Poesie, vermischt mit einem monströsen Klumpen Furcht, der mir den Sauerstoff zum Atmen raubte. Jedes Mal, wenn ich die Falten sah, die ihre wehmütige Lebensfreude unterstrichen, ihre Augen, deren Iriden heller glitzerten als jeder Sternenhimmel. In ihnen hatte ich schon dutzende Sternschnuppen gesehen, und sie ließen keinen Umweg zu, keine Maskerade.

"Manchmal kommt es mir so vor, als wölltest du mich provozieren", antwortete ich knapp. 'Das ist nicht deine größte Befürchtung, Riley. Das ist nur ein unbedeutend winziger Tropfen in einem riesigen Fass'.
"Warum sollte ich?"

Lilith strich einen Zwirbel glatt, den ihr lockiger Schopf an der Stirn geformt hatte. Die wirren Strähnchen tanzten ihr wortwörtlich auf der Nase herum.
"Warum sollte ich versuchen, dir ein schlechtes Gewissen zu machen? Du hast bereits eins, ein echt ausgeprägtes. Allerdings hindert es dich eher daran, Dinge zu verändern, statt dich voran zu treiben".

"Schon wieder", stöhnte ich und sie klopfte mir kichernd auf die Schulter.
"Sorry. Das war wirklich nicht so gemeint", beteuerte Lilith. "Mein Ziel ist es schlicht und ergreifend, meinen Gedankenstrudel- vielleicht auch Weisheit genannt- auf dich loszulassen. Irgendwem muss ich es erzählen, sonst verheddert er sich in meinem Kopf. Wie du deine Erkenntnisse nutzt, ist deine Entscheidung. Falls du welche davonträgst".

Ich kratzte mich am Hals. Zögernd sagte ich: "Ja, das tue ich. Erzähl mir alles, was du zu erzählen hast".
Sie schaute mich erschrocken an. "Das ist viel zu viel! Wo soll ich anfangen?"
"Nicht immer neu anfangen. Bei dem weitermachen, das du schon begonnen hast, das noch unvollständig ist".
Sie nickte mir anerkennend zu, was in meiner Brust einen Hauch Euphorie aufwallen ließ, die sogleich wieder verblasste. Wie ein flüchtiger Schatten. "Das, meine Liebe, war durchaus philosophisch. Darüber sollte ich in der Tat nachdenken".

Lilith kramte in den Regalen ihres Kopfes, bis sie wiederfand, worüber sie sprechen konnte.
"Regenbögen sind Hoffnungsbringer", wisperte sie, "Wenn man ihren Wert erkennt. Sie müssen genauso ihren eigenen Wert erkennen, um nicht kaputt zu gehen. Sonst sind sie... sonst sind wir nur noch Nebel in den strikten Schwarz-Weiß-Mustern der Normen. Unsichtbar wie eh und je".

Sie unterbrach sich und atmete tief durch wie ich, wenn ich mich vor den Nachrichten auf ein schwieriges Thema einstellte. Neulich ging es um eine Studie, die mich hinter der Kamera daran zweifeln ließ, ob die Menschen jemals aufhören würden, Regenbögen mit Schwarz und Weiß übermalen zu wollen.
"Ich habe zu spät gelernt, dass Farben nichts Schlimmes sind, sondern man stolz auf sie sein darf. Dass ich nicht in dieses Bild passen kann, dass ich unperfekt bin, dass mich das menschlich macht. Zu spät, ich bereue es".

Mit ihren Händen beschrieb Lilith einen Bogen in der Luft, was mich an ein Spongebob-Meme erinnerte. So, wie ich sie einschätzte, kannte sie alle Spongebob-Memes, die es je an die Öffentlichkeit geschafft haben.

"Damals... Ich will wollte nie ein Regenbogen sein".
"Ich will es immer noch nicht". Ein Sturm rumorte in meinem Bauch. Die Wahrheit war ein scharfer Splitter, der in einer weinenden Brust steckte. Nicht einmal in der virtuellen Realität konnte ich ihr entkommen.

Sie nahm meine Hand. Wärme explodierte in meinen Wangen, unsere Herzen schlugen in einem rhythmischen Beat. Zu einem Lied, das ich nicht kannte, dessen Titel ich nie erfahren würde, doch das ich mit voller Begeisterung auf mich wirken ließ. Denn es war magisch, wenn auch nur für wenige Minuten.
"Oh, Riley. Für Freiheit müssen nicht nur Farben da sein, man muss sie auch sehen können".

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