Kapitel 7 - Caiden
Lesenacht Teil 1
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Amanda Davies verschwand so schnell mit eingezogenem Kopf und hängenden Schultern aus dem Raum, als hätte ich ihr eine Ohrfeige verpasst. Etwas in mir zog sich unangenehm zusammen.
„Waren wir nicht ungerecht?", fragte ich Daniel, ohne den Blick von der Doppeltür abzuwenden. Obwohl sie schon längst den Raum verlassen hatte, hatte ich noch immer ihr Gesicht so deutlich vor Augen, als würde sie noch immer höchst persönlich vor mir stehen.
„Wieso? Sie gehört zur Klatschpresse."
Ich blinzelte und richtete meine Aufmerksamkeit auf Daniel. An dem, was er sagte, war etwas Wahres dran. Und trotzdem hatte ich ein komisches Gefühl, dass ich nicht bestimmen konnte. Warum fühlte ich mich schuldig, nur weil ich meine Identität vor einer Regenbogen-Reporterin geschützt hatte?
Immer mal wieder hatte ich mich heute gefragt, wie die Frau, die den Senator als Unterstützer der Maffia geoutet hatte, aussah, doch es gab kein einziges Bild von ihr im Internet. Ich hatte gedacht,nach dem heutigen Telefonat nie wieder von ihr zu hören. Doch sie hier in diesem verdammt engen, blutroten Kleid, mit aufwendig hochgesteckten Haaren zu sehen, hatte mich kurz aus der Bahn geworfen. Alle meine Warnsirenen im Kopf hatten Alarm geschlagen. Was hätte ich also tun sollen, außer die Distanz zwischen uns so groß wie möglich zu halten?
„Vergiss sie, Caiden. Du wirst sie eh nie wiedersehen und wenn sie herausfindet, dass wir sie belogen haben, was sollte schon passieren?"
„Sie könnte meinen Namen oder TiWo in Verruf bringen?", schlug ich vor, bereute es aber gleich wieder. Es fühlte sich falsch an, was vollkommen absurd war.
Daniel schnaubte. „Okay. Eins zu null für dich." Ich seufzte nur. Mir war klar, dass ich das einzig Richtige getan hatte. Irgendwas störte mich aber trotzdem. mein Blick ging noch einmal kurz zu der Tür, durch die Amanda verschwunden war.
„Sei froh, dass ich dir den Tipp gegeben habe. Hätte Sie mir ihre Visitenkarte nicht gegeben, hätte das nach hinten losgehen können." Daniel schien kein Problem mit unserem Verhalten zu haben, warum sollte ich mir also Sorgen machen?
„Ja, nur dieses Mal beherrschte die Frau die Gebärdensprache. Und sie wollte mich nicht anmachen."
„Ja und wenn schon. Das ist hier anzunehmen. Wir sind hier zwar nicht in einem Club, aber sie wollte ein Interview von dir."
Ich schüttelte den Kopf, während ich mir ein Schmunzeln nun doch nicht verkneifen konnte. Es war unsere Masche, mit der entweder Daniel mir zu verstehen gab, dass ich mich stumm stellen sollte oder ich ihm zeigte, dass ich bereits einen auf stumm gemacht hatte. Ein einfaches Schnipsen gegen das rechte Ohrläppchen hielt mir, wenn nötig, die Frauen vom Leib. Immerhin erbarmte sich Daniel dann ihrer und umsorgte sie mit der Aufmerksamkeit, die sie bei mir nicht bekommen würden. Wenn es eines gab, dass ich abstoßend fand, dann waren es billige Anmachen für schnellen Sex. Das war der zu... intim.
Daniel deutete mit dem Kopf Richtung Bühne, wo die dunkelhaarige Veranstalterin stand und mich zu sich winkte. Erneut sah ich noch einmal zu der Tür und hoffte fast, dass Amanda Davies doch noch einmal zurückkommen würde. Das tat sie nicht.
Ich drehte mich um und ging zu der Bühne. Unterwegs wurden wir von einigen Gästen, die schon angekommen waren, angehalten. Sie gratulierten mir immer wieder und beteuerten, sich zu freuen, dass nun ich Vorsitzender der Stiftung war. Den meisten glaubte ich es. Anderen hingegen nicht. Im letzten Monat hatte sich die Stiftung regelrecht in zwei Teile gespalten. Wobei mich der Großteil der Menschen unterstützte.
Kurz nach der Testamentseröffnung hatte es in mehr als einem Meeting sehr hitzige Diskussionen gegeben. Immer mal wieder war mir der Gedanke gekommen, dass ich vielleicht einfach den Posten doch abgeben sollte. Dann erinnerte ich mich aber wieder daran, dass es Rogers Wunsch gewesen war. Und ich hatte nicht vor den guten Herren zu enttäuschen. Außerdem... wenn der Vorstand gewollt hätte, hätte er sicherlich Einspruch einlegen können, denn ein Testament konnte die Regeln und Gesetze innerhalb einer Stiftung nun einmal nicht außer Kraft setzen. Es hatten alle offiziell zugestimmt, somit war meine Entscheidung richtig gewesen.
Wir kamen bei der Veranstalterin an und zum wiederholten Mal warf ich einen Blick zu der Tür, sie öffnete sich, und es traten nur ein paar Menschen ein, deren Gesichter ich erkannte, wenngleich mir auch keine Namen einfallen wollten. Amanda Davies Gesicht war jedoch nicht dabei. Und das war irgendwie enttäuschend. Ich schüttelte den Kopf, um dieses seltsame Gefühl, etwas verloren zu haben, loszuwerden. Mit wenig Erfolg. Denn diese braunen Augen und dunkelroten Lippen geisterten noch immer durch meinen Kopf. Doch es wurde Zeit, dass wir diese Veranstaltung hinter uns brachten.
Ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf die Veranstalterin, wir redeten noch einmal kurz über den Ablauf, meine Rede und dem Rest des Programms. Ich hörte nur mit einem Ohr zu. Zum einen, weil ich aus Erfahrung wusste, dass ich mich auf sie verlassen konnte. Zum anderen, weil Amanda Davies letzter trauriger Blick noch immer in meinem Gedächtnis präsent war und mich verfolgte. Traurige braune Augen.
Eine gute halbe Stunde und viele Glückwunschs-Bekundungen später, trat ich schließlich auf die Bühne, um die Veranstaltung offiziell zu beginnen. Etwas nervös und doch sicher, das Richtige zu tun, richtete ich meine Krawatte und die Manschettenknöpfe noch einmal. Dann trat ich hinter das Rednerpult und richtete das Mikrofon.
„Guten Abend und herzlich willkommen!" Laut hallte meine Stimme durch den Saal wider. Unzählige Menschen sahen mich erwartungsvoll an, während ich die Grußformel auch in der Gebärdensprache wiederholte. Eine Kollegin hatte mir angeboten, für mich die Rede in die Gebärdensprache zu übersetzen, doch das konnte ich auch gut allein. Sie war wie eine zweite Muttersprache für mich, bin ich doch von klein auf mit ihr aufgewachsen.
Ich schluckte, bevor ich weitersprach. „Ich möchte Ihnen für Ihr Erscheinen danken und ebenso für das Vertrauen, dass Sie in mich haben, TiWo weiterhin im Sinne seiner Grundsätze weiterzuleiten. Eine lange Zeit habe ich darüber nachgedacht, wie ich in Rogers Fußstapfen treten kann. Wie ich ihn ersetzen kann, doch ich bin zu dem Schluss gekommen, dass das nicht einfach so geht. TiWo war Rogers Lebenswerk. Und er hatte seinen eignen Humor und Führungsstil. Über 20 Jahre lang hat er Sponsoren akquiriert, Spenden selbst gesammelt und mehr als einmal ist er bei Sitzungen regelrecht aus der Haut gefahren." Vereinzeltes Lachen war zu hören. Ja, viele wussten, was Roger für ein Mann gewesen ist. „Dennoch glaube ich fest daran, dass TiWo sich weiterentwickeln kann, dass wir mehr Programme fördern und ins Leben rufen können. Es ist Rogers Visionen zu verdanken, dass wir heute die Möglichkeit haben, eine Wahl treffen zu können. Meine Damen und Herren, um TiWo und Rogers Willen, lassen Sie uns die Stiftung zusammen schützen, um Menschen zu helfen. Lassen Sie uns freundlich und offen den Menschen entgegentreten und ihnen eine helfende Hand entgegenstrecken. Zusammen mit Rogers Forschungsinstitut, dass seine Tochter Samantha leitet, können wir viel erreichen. Lassen Sie uns den Weg also zusammen gehen. Unseren eigenen Weg. Und ich verspreche Ihnen, wir werden die Welt ein wenig besser machen. Denn vergessen Sie nicht unseren Leitsatz: Freundlichkeit ist eine Sprache die taube Menschen hören und stumme Menschen sprechen können. Das ist der Klang der Welt - der Timbre der Welt. Vielen Dank!"
Meine Künste, eine Rede zu halten, beschränkten sich auf das Geringste, doch ich hoffte, dass der Beifall nicht nur aus Pflichtgefühl einsetzte. Bevor ich die Bühne verließ, verbeugte ich mich noch ein letztes Mal vor den Anwesenden. Auf der ersten Stufe blieb ich stehen, drehte mich noch einmal um und trat an das Mikrofon.
„Und nun lassen Sie uns den heutigen Abend genießen!" Ich lächelte noch einmal in die Menge. Während der letzten Veranstaltung hatte ich zwischen diesen Menschen gesessen und Roger zugehört. Bei jeder Rede habe ich mich wie ein kleiner Junge gefühlt und zu Roger aufgesehen.
Erleichtert verließ ich nun die Bühne und ich begab mich zu meinem Tisch. Abgesehen von meinem Platz waren noch zwei weitere frei. Samantha und Maximilian waren nicht gekommen. Es störte mich nicht. Was mich ärgerte, war die Tatsache, dass sie mich so offenkundig nicht akzeptierten. Schon allein dadurch hatte ich mehrere Menschen in langwierigen Gesprächen überzeugen und ihnen nur das Beste versichern müssen.
Seufzend ließ ich mich auf meinen Stuhl fallen. Daniel klopfte mir kommentarlos auf die Schulter und grinste mich breit an. Das war seine Art zu sagen: „Gut gemacht und Kopf hoch, sonst fällt dein Krönchen". Seine Wortwahl nicht meine. Ich nickte ihm dankbar zu und widmete mich dann dem Essen, dass genau in diesem Moment vor mir auf den leeren Teller gestellt wurde.
Das Essen war gut. Zu teuer, aber gut. Ich war erleichtert, dass es den anderen Gästen zu schmecken schien. Es wäre meine Aufgabe gewesen, mich mit der Veranstalterin abzusprechen, aber ich hatte mich soweit aus den Vorbereitungen rausgehalten, wie nur möglich. Die Überzeugungsarbeit, die ich den vergangenen Monat bei einigen anderen Vorstandsmitgliedern hatte leisten müssen, hatte genug Zeit in Anspruch genommen. Allem in allem war es ein gelungener Abend. Eine Band betrat nach dem Essen die Bühne und unterhielt die Gäste. Sie spielten sehr bassstarke Musik, um auch die Gäste, die nicht hören können, zu unterhalten.
Ich sprach mit ein paar Kollegen, mit denen ich vor meiner Beförderung eng zusammengearbeitet hatte. Sie traten mir nicht anders gegenüber, nur weil ich nun eine andere Berufsbezeichnung hatte. Dafür war ich ihnen sehr dankbar. Irgendwann wurde die Musik lauter und schneller und einige fingen an zu tanzen.
Das war mein Stichwort, um mich zurückziehen zu können. Es gab immer diesen einen Punkt bei einer Feier, an dem es kaum einem auffiel, wenn jemand vorzeitig die Veranstaltung verließ. Ich gab Daniel, der gerade mit einer Frau tanzte, ein Zeichen. Er nickte mir nur kurz zu, ehe ich den großen Saal verließ.
Sobald die Tür hinter mir ins Schloss fiel, umfing mich Stille. Einzig der Bass ließ den Boden noch etwas erzittern. Ich sah nach links und rechts, doch es war niemand zu sehen. Also entschied ich mich spontan, in den Innenhof zu gehen.
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Hallo zusammen und willkommen zur heutigen Lesenacht!
Ich freue mich auf den heutigen Abend. Nach der kurzen aber super stressigen Arbeitswoche, bin ich froh, mich nun wieder mal etwas mehr mit meiner Geschichte zu befassen!
Ich möchte euch noch kurz eine Info geben. Wer meine früheren Bücher gelesen hat, kennt die ungefähre Länge meiner Kapitel. Das waren immer so ca. 2.000 Wörter. Da ich dieses Buch aus 2 Perspektiven schreibe, kommt es vor, dass ich kürzere Kapitel, so wie dieses mit knapp 1.700 Wörtern hochladen muss. Ich schreibe meine Geschichte nicht bei Wattpad sondern in Word vor und dabei achte ich nicht darauf, wie viele Wörter ich aus welcher Perspektive schreibe. In den letzten Büchern (mit nur einer Sichtweise) war das kein Problem, jetzt aber durch den Sichtwechsel zwischen Amanda und Caiden, ist das eine andere Sache. Daher bitte ich euch, es mir nicht über zu nehmen, wenn die Kapitel mal etwas kürzer ausfallen.
Wir sehen uns in eine Stunde wieder!
Ciao!
C.N.
P.S. Dieser Perspektiven-Wechsel ist verdammt anstregend! Hätte ich vorher nicht gedacht, ist aber so. Trotzdem hoffe ich, dass euch diese Art auch gefällt. :)
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