Kapitel 51 - Amanda
„Spannt die Bluse nicht ein wenig über meinen Brüsten?", fragte ich Victoria, die hinter mir stand und ihr Werk vor dem großen Wandspiegel begutachtete.
„Ach was. Die Bluse betont deine Brüste, aber durch den Schluppenkragen mit dem Bindeband, kaschiert sie gleichzeitig auch etwas. Du trägst normalerweise eher schlichte Kleidung. Schickt aber schlicht. Daher kommt es dir nur gerade so vor. Für das Kennenlernen deiner zukünftigen Schwiegereltern ist diese Bluse perfekt. Champagnerfarben mit goldenen Schlüsseln gemustert. Deine schwarze Jeans sorgt dafür, dass du nicht overdressed bist. Vertrau mir. Ich habe nicht nur ein Händchen für Website-Design, sondern auch für Kleidung."
Gut gelaunt zwinkerte mir Victoria zu. Ergeben seufzte ich, denn sie hatte wahrscheinlich recht. Ich machte mir nur zu viele Gedanken. Es war wirklich klug von Caiden gewesen, mir erst gestern von dem Treffen mit seinen Eltern zu erzählen. So hatte ich keine Zeit gehabt, mich vollends wahnsinnig zu machen. Dabei kannte ich Caidens Vater ja schon. Ich hoffte nur, dass er den Verkupplungsversuch bei unserem Treffen mehr oder weniger ernst gemeint hatte und das nicht nur ein Scherz gewesen ist.
„Jetzt entspann dich, Amanda. Sie werden dich mögen. Außerdem hast du wahrscheinlich schon deswegen ein Stein bei ihnen im Brett, weil du die Gebärdensprache beherrschst und einen Pflegefall als beste Freundin hast."
Ich runzelte unwillig die Stirn und sah Victoria mit finsterem Blick an. „Hör auf, so einen Blödsinn von dir zu geben. Du bist kein Pflegefall, sondern kommst auch wunderbar ohne mich zurecht. Wie du gerade bemerkt hast, habe ich deine Hilfe gebraucht. Wer ist jetzt also hier der Pflegefall von uns beiden, hm?" Victoria wusste, dass ich es nicht leiden konnte, wenn sie sich selbst so schlecht machte, aber es war eine Angewohnheit, die ich ihr bisher noch nicht hatte abgewöhnen können.
„Okay. Eins zu null für dich." Victoria gab mir einen Kuss auf die Wange. „Jetzt schlüpf schnell noch in deine hübschen Pumps und dann ab mit dir nach unten. Caiden ist bestimmt jeden Moment da."
Zufrieden, wenigstens diese Schlacht gewonnen zu haben, nickte ich und zog die schwarzen Pumps an. Dann schnappte ich mir meine Handtasche sowie den Beutel mit den Geschenken und verließ die Wohnung. Ich warf Victoria einen Luftkuss zu, bevor die Tür ins Schloss fiel, was sie mit einer gespielten Verbeugung beantwortete. Es war schon bizarr, dass mich Victoria vor ein paar Wochen für eine High Society Veranstaltung gestylt hatte. Und heute lernte ich offiziell die Eltern des Mannes kennen, um den sich das ganze Event gedreht hatte.
Unten angekommen sah ich mich um, doch Caiden war noch nicht da. Das gab mir einen Moment, um tief durchzuatmen. Victoria hatte recht. Was sollte schon schiefgehen? Charlie war ein wunderbarer Mann und so viel, wie er von seiner Frau erzählt hatte, musste auch sie eine umwerfende Person sein.
Bevor meine Gedanken weiter Karussell fahren konnten, hielt Caidens Ford Mondeo an der Straße. Ich setzte mich sofort in Bewegung und glitt kurz darauf auf den Beifahrersitz.
„Hallo, schöne Frau." Caiden beugte sich zu mir und gab mir einen Kuss. Ein angenehmes Kribbeln bereitete sich direkt in meiner Magengegend aus. Es waren eindeutig die kleinen Gesten, die den Tag versüßten.
„Hi", erwiderte ich etwas atemlos, was zum einen an meiner Aufregung lag, zum anderen aber auch daran wie sehr es mich Tag für Tag mitnahm, dass dieser Mann mich an seiner Seite haben wollte. Mein Herz schien vor Glück nur so überzuquellen.
Neugierig warf er einen Blick auf meinen Beutel. „Was ist da drin?"
„Geschenke für deine Eltern", erklärte ich, während ich mich anschnallte.
„Geschenke? Amanda, das hättest du nicht tun müssen."
„Ich wollte es aber tun. Es geht mir nicht nur darum, einen guten Eindruck bei deinen Eltern zu hinterlassen. Charlie hat mir nicht nur viel von sich, sondern auch von deiner Mum erzählt."
Caiden schwieg, weshalb ich ihn ansah, nachdem der Gurt eingerastet war. Er öffnete den Mund, als wollte er etwas sagen. Dabei bedachte er mich mit so einem zärtlichen Blick, dass mein Herz heftig in meiner Brust begann zu schlagen. Doch Caiden schloss den Mund wieder, beugte sich aber erneut zu mir und gab mir einen weiteren Kuss. An meinen Lippen flüsterte er: „Ich bin so ein verdammt großer Glückspilz, dass ich dich gefunden habe. Dass wir uns gefunden haben."
Prompt wurde ich rot, was Caiden nun jungenhaft grinsen ließ. Diesen Gesichtsausdruck behielt er bei, während er sich wieder in den Verkehr einfädelte.
„Fährt Daniel allein oder holen wir ihn noch ab?"
„Daniel ist groß, er kann schon selbst zum Haus meiner Eltern fahren." Caiden griff nach meiner Hand und legte unsere verschränkten Finger auf seinen Oberschenkel. „Ich möchte dich noch ein wenig für mich ganz allein haben."
Die Röte auf meinem Gesicht vertiefte sich ein wenig, doch gleichzeitig lächelte ich glücklich und drückte sanft Caidens Hand. Das war meine unbeholfene Art, um ihm zu zeigen, dass es mir genauso ging. Caiden verstand mich scheinbar ohne Worte, denn er lächelte mich kurz an, ehe er sich wieder auf die Straße konzentrierte.
Die Fahrt über schwiegen wir. Wir genossen die Ruhe und Anwesenheit des anderen. Es gefiel mir, den leisen Klängen des Radios zu lauschen und fast ununterbrochen Caidens Hand zu halten. Wann immer er den Gang wechseln musste, ließ er meine Hand kurz los. Nachdem ich die ersten Male daraufhin meine Hand zurückgezogen und er sie sich wieder geschnappt hatte, ließ ich sie auf meinem Schoß liegen, bis sich unsere Finger wieder miteinander verflochten. Zwischendurch hatte Caiden ein zufriedenes Brummen von sich gegeben, woraufhin ich kurz hatte auflachen müssen.
Nach einer Weile wurden die eng bebauten Straßen lichter und immer mehr grün schlich sich in die Umgebung. Ich bewunderte die Gegend. Leider war ich zu selten in den Randbezirken von London unterwegs, da sich mein Leben hauptsächlich in der Innenstadt abspielte. Aber ich genoss es, die kleinen Parks zu bewundern.
Irgendwann bog Caiden von der Hauptstraße ab und fuhr einen kurzen Schotterweg entlang. Dann wurden meine Augen groß. „Hier leben deine Eltern?", fragte ich fassungslos.
Caiden lachte. „Ich hatte mir gedacht, dass du das fragen würdest."
„Es sieht aus wie... wie..."
„Einem Jane Austen Roman entsprungen?", half Caiden mir auf die Sprünge. Mit großen Augen sah ich zu ihm und nickte.
„Nun, das könnte daran liegen, dass es 1812 erbaut wurde." Caiden ließ das Auto ausrollen und zog die Handbremse an, während ich das Haus vor mir musterte.
Es war klein, fast schon ein Cottage, aber einfach bezaubernd. Das Haus entsprach dem typischen gregorianischen Bauwesen und umfasste zwei Etagen. Die Eingangstür war hellblau angestrichen, mit einem halbrunden Oberlicht sowie einem kleinen hölzernen Vordach versehen, dass die zwei Stufen zum Eingang vor Regen schütze. Die einfache, flache Fassade bestand aus braunem Backstein und die großen symmetrischen Fenster waren mit einer Holzverkleidung versehen. Efeu rankte sich vom Boden um die komplette unterste Etage und verdeckte die Fassade.
„Es ist, als wäre ich in einem anderen Zeitaltern gelandet. Wieso hast du nie gesagt, dass du in so einem wundervollen Haus aufgewachsen bist?"
„Du hast nie gefragt", entgegnete er amüsiert. Caiden schnallte mich ab und zog mich zu sich. „Ich freue mich, dass es dir gefällt. Die besten Erinnerungen meiner Kindheit verbinde ich mit diesem Haus. Es ist seit Generationen in unserem Besitz. Sonst könnten wir uns das wahrscheinlich gar nicht leisten."
Ich schmiegte mein Gesicht an Caidens Brust. „Es ist traumhaft schön." Sanft strich Caiden über mein Haar. „Was sagst du, wollen wir uns das Haus mal von innen ansehen?" Erfreut sah ich auf. Caiden gab mir einen Kuss auf die Stirn, dann ließ er mich los und wir stiegen aus.
Weit kamen wir nicht, denn nach drei Schritten ging die Tür auf und eine Frau strahlte uns an. „Kleiner Tipp, das ist meine Mum", flüsterte Caiden. Ich stieß ihm gespielt verärgert meinen Ellenbogen in die Rippen, was er mit einem „Uff" quittierte. Als ob ich das nicht längst selbst erraten hätte.
Mrs. O'Neill hatte kurze schwarze Haare und ein schmales Gesicht. Sie wirkte schlank und trug ein elegantes aber zugleich schlichtes schwarzes Kleid, dass ihren Körper perfekt umspielte. Ich fand Caidens braune Augen in ihrem Gesicht wieder, die jetzt erfreut funkelten.
„Ich habe übrigens nicht gesagt, dass du die Gebärdensprache sprichst", flüsterte er mir ins Ohr. Bevor ich auf diese Bemerkung reagieren konnte, kamen wir bei Caidens Mum an.
Ich klappte den Mund auf, sah dann zu Caiden und wieder zurück zu Mrs. O'Neill. Caiden schien von meiner Überforderung nichts zu merken, denn er sagte: „Mum, wie schön dich zu sehen." Er gab ihr einen Kuss auf die Wange und drückte sie für einen Moment an sich, dann trat er beiseite und deutete auf mich. „Das ist Amanda."
Mein Name riss mich aus meiner Starre. Zwar formte Caiden die Worte mit den Händen, aber er sprach sie gleichzeitig auch aus.
„Guten Tag Mrs. O'Neill. Ich freue mich wirklich sie kennenzulernen."
Mit großen Augen sah sie mich an. Dann wandte sie sich an Caiden zu. „Hast du ihr das gezeigt?"
Caiden schmunzelte und sah zu mir, was auch seine Mum veranlasste, zurück in meine Richtung zu schauen. „Nein, Mrs. O'Neill. Ich spreche seit Jahren die Gebärdensprache fließend." Wenn möglich wurden ihre Augen noch größer, ehe sie erfreut in die Hände klatschte und mich kurz darauf in eine stürmische Umarmung zog. Etwas überrumpelt erwiderte ich die Geste. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Caidens Grinsen breiter wurde.
„Es freut mich so sehr, dich kennenzulernen, Liebes. Bitte, nenn mich Lydia. Kommt rein, kommt rein. Das Essen ist fast fertig. Wir müssen nur noch auf Daniel warten."
Wir folgten Caidens Mum ins Hausinnere und wieder musste ich das Haus bewundern. Durch den großen Flur zogen sich dunkle Holzbalken, die den weißen Wänden einen eigenen Charme verliehen. Kombiniert wurde dieser mit den sehr modernen Möbeln aus Metall und Glas. Lydia drehte sich zu uns um und ich sagte: „Euer Haus ist einfach atemberaubend schön."
Lydia lächelte mich überglücklich an. „Es freut mich, dass es dir gefällt. Wir hegen und pflegen es, so gut wir können."
„Caiden erzählte mir, dass es seit mehreren Generationen eurer Familie gehört."
„Charlies Familie, ja."
Das überraschte mich. „Eine schottische Familie mit Landbesitz in Großbrittanien? Das ist sonderbar." Da war sie wieder. Die Journalistin in mir.
Lydia wandte sich an Caiden. „Sie ist nicht nur bildhübsch, sondern auch noch klug und aufmerksam." Zu mir sagte sie: „Ich bin eine geborene O'Neill. Mein Vater verlangte, wenn ich schon einen Engländer heiraten will, dann soll ich wenigstens meinen Namen behalten. Das war alles andere als üblich, aber Charlie hat es nicht gestört." Gut gelaunt zuckte sie mit ihren Schultern. Verwundert dachte ich an das Gespräch mit Charlie. Es stimmte, er hatte nie erwähnt, aus Schottland zu kommen. Mit großen Augen sah ich zu Caiden und formte leise die Worte: „Was hast du denn für eine spannende Familiengeschichte?"
„Was denn? Enttäuscht, dass ich dir das nicht bei unseren Interviews erzählt habe?" Ich schnappte nach Luft, aber Caiden verpasste mir einen kleinen Nasenstüber, hakte mich bei sich unter und folgte seiner Mum. „Kleiner Scherz. Pass auf, jetzt wird es spannend", flüsterte er, ehe wir in das Wohnzimmer traten.
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Hallo alle zusammen,
ich habe Neuigkeiten! Ich werde "Color of your Voice" nächste Woche Samstag (06.02.2021) abschließen. Keine Sorge: es wir nicht nur ein letztes Kapitel geben dafür ist noch viel zu viel ungeklärt), sondern eine ganze Lesenacht ab 18 Uhr. Stündlich werde ich dann die letzten Kapitel hochladen. Es sollten ca. noch 5 Kapitel folgen.
Danach ist die Geschichte fertig. Verrückte Welt! Im Nachwort kann ich euch dann vielleicht schon ein wenig was dazu sagen, was als nächstes ansteht oder meine Pläne sein werden.
Ich hoffe, ihr hattet genauso viel Spaß mit Amanda und Caiden wie ich. Und werdet die letzten Kapitel ebenso genießen.
Ciao!
C.N.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top