Kapitel 29 - Caiden

Wir liefen weiter durch die dunklen Gänge, bestaunten die verschiedensten Fische und neckten uns immer wieder. Das Date mit Amanda lief hervorragend, denn wir hatten Spaß und verstanden uns wirklich gut. Nachdem wir eine Weile weitere kleine Becken gesehen hatten, in denen sich manchmal Süßwasser und manchmal Salzwasserfische befanden, kamen wir in einen helleren Teil. Und plötzlich sah ich mich einer riesigen Horde Pinguine gegenüber.

Ich machte große Augen und  hörte Amanda neben mir auch verblüfft nach Luft schnappen. Einen Moment musterte ich die Tiere, ehe Amanda an meinem Ärmel zupfte. „Wusstest du, dass sie hier Pinguine haben?", fragte sie. Ich schüttelte den Kopf. „Ich hatte keine Ahnung." Amanda sah wieder zu den Pinguinen, die wie die Fische hinter einer dicken Glasscheibe von den Besuchern getrennt waren. Ein paar schwammen im Wasser. Die meisten von ihnen standen jedoch auf den weißen Steinen oder watschelten umher. Immer wieder wurde mein Blick von Amanda angezogen, wie schon die letzte Stunde, weil es einfach nur schön war, ihr dabei zuzusehen, wie sie sich über die Tiere freute. Auch jetzt schien sie von den Pinguinen sehr begeistert zu sein.

Sie sehen aus wie kleine Butler", sagte Amanda und lachte dabei. Ich schmunzelte, warf kurz einen Blick zu den gefederten Tieren und nickte. Sie hatte recht. „Ob sich die Kleidung eines Butlers damals an dem Gefieder von Pinguinen orientiert hat?", fragte ich im Spaß. Amanda zog auf einmal die Stirn kraus und schien über meine Frage nachzudenken. Dann zog sie ihr Smartphone aus der Hosentasche und tippte kurz darauf etwas ein. Als sie wieder aufsah, blickte ich sie nur fragend an. „Ich habe mir deine Vermutung aufgeschrieben und werde mal recherchieren."

Machst du das immer so?", fragte ich. „Wenn du etwas nicht weißt, herausfinden, ob es wirklich so ist."

Ich habe in meinem Journalistik Studium gelernt keine Vermutungen anzustellen. Das ist zum einen unseriös und kann zu falschen Annahmen führen. Aber eigentlich will ich nur mal herausfinden, was das Internet dazu zu sagen hat, da wir sicherlich nicht die ersten sind, die diesen Vergleich gezogen haben." Ich nickte. „Aber stell dir mal vor, wie niedlich ein Pinguin in so einer Butler-Uniform aussehen würde. Das wäre kein Spaß für das Tier, darum würde ich sowas nie machen, aber niedlich würde es trotzdem aussehen." Amanda lachte und ich lächelte zurück. Dann trat sie näher an das Glas und legte eine Hand daran, während ein Pinguin direkt vorbeischwamm.

Wie konnte sie nur so perfekt sein? So neugierig, offen, tierlieb, intelligent und mit klaren Überzeugungen. Wie konnte es sein, dass noch kein Mann sich Amanda geschnappt hatte? Wie ich mitbekommen habe, hat sie in letzter Zeit keinen an sich herangelassen durch die Scheidung ihrer Eltern aber auf dem College muss sie doch von so einigen umworben worden sein. Plötzlich rumorte es in meinem Magen. Der Gedanke gefiel mir nicht. Amanda und ein anderer Mann? Schnell schüttelte ich den Kopf und konzentrierte mich wieder auf das Hier und Jetzt... und die ganzen Pinguine.

Nachdem wir die Pinguine hinter uns gelassen hatten, liefen wir weiter, kamen erneut an mehreren Fischen und Haien vorbei und landeten schließlich im letzten Bereich vom SeaLife. Sie Gänge wurden noch dunkler und plötzlich waren wir umgeben von den verschiedensten Arten an Quallen, die man sich vorstellen konnte. Erneut verblüfft blieb ich stehen. Amanda tat es mir gleich.

Ich hatte Quallen immer nur als labbrige Tiere in Erinnerung, aber so wie sie sich Unterwasser bewegen..."

Amanda nickte und trat wie viele Male heute schon an die Glasfront heran und betrachtete die Meerestiere eine Weile. Irgendwann begann sie zu leise zu sprechen. Ich stand ein Stück hinter ihr und konnte Amandas Gesicht im Spiegelbild der Glasscheibe sehen. „Es wirkt fast schon majestätisch. Fast, als würden sie schweben und die langen, dünnen Tentakel scheinen wie Bänder oder Schleier im Wasser zu liegen. Sie wirken, als wären sie von einer anderen Welt."

Dort stand sie. Wunderschön und lächelnd vor dieser imposanten Wasserfront voller bunt schimmernder Quallen und betrachtete sie mit solch einem ruhigen und ehrfürchtigen Blick, als sähe sie etwas, was sonst keiner sehen konnte. Amanda wirkte in diesem Augenblick so bildhübsch und bezaubernd, dass sich wohl jeder Mann in sie verliebt hätte. Ich war mir zumindest sicher, auf dem besten Weg dahin zu sein.

Wie sollte es auch anders sein? Ihre Lippen waren weich und warm, ihre kastanienbraunen Augen funkelten, wann immer sie lächelte oder grinste. Und sie strahlten bei jedem einzelnen Lachen. Amanda war klug, aufmerksam, wissbegierig und kritisch, einfühlsam, voller Tatendrang und Überzeugungen. Sie gehörte zu den Menschen, die sagten, was sie dachten und fühlten. Vielleicht gab es Menschen, die sie nicht als Schönheit beschreiben würden, denn sie hatte weder wirklich symmetrische Gesichtszüge noch etwas Exotisches an sich. Aber es war ihre Ausstrahlung, die Amanda einen einzigartigen Glanz verlieh, die dafür sorgte, dass ich mich von ihr angezogen wurde, wie eine Motte vom Licht. Und wenn ich ganz ehrlich war, störte es mich nicht im Geringsten, so schnell so viel zu empfinden.

Ich war mir ziemlich sicher, dass wir beide eine wirklich große Chance hatten, zusammen glücklich zu werden. Denn ich würde alles für diese Frau tun, schoss es mir durch den Kopf. Wahrscheinlich war ich nicht auf dem besten Weg dahin, mich in sie zu verlieben. Es war schon längst geschehen. Wahrscheinlich schon auf der Gala von TiWo. Es war passiert, ohne dass ich es bemerkt habe.

Aber weil ich wusste, dass Amanda selbst ein ehrlicher Mensch war, wusste ich ebenso, dass sie diese Ehrlichkeit auch von ihren Mitmenschen erwartete. Es war ihr Beruf und ihre selbst auferlegte Aufgabe, ehrliche und echte Geschichten zu erzählen. Unsere hatte aber mit einer verdammt großen Lüge begonnen. Und obwohl ich mit Gewissheit sagen konnte, dass sie Caiden O'Neill nicht hasste, würde sie dennoch keine Luftsprünge machen, wenn sie die Wahrheit erfuhr. Es ging mir nicht darum, TiWo zu schützen. Ich hatte auch keine Bedenken, dass sie sich, nachdem sie die Wahrheit wusste, an TiWo oder mir rächen würde, aber ich fürchtete, sie dadurch von mir zu stoßen. Sie dadurch zu verlieren. Und wenn mir eine Sache in den letzten Stunden bewusst geworden ist, dann war es die Tatsache, dass ich Amanda Davies unter gar keinen Umständen verlieren wollte.

Aber was würde passieren, wenn sie Gefühle für den tauben Aden entwickeln würde, diese aber nicht für Caiden O'Neill übrighatte? Für sie war er wahrscheinlich nur ein launischer Vorsitzender einer Stiftung. Vielleicht mochte sie ihn nicht mal. Ich seufzte, weil ich mich in diese unglaublich dumme Situation gebracht habe, aus der ich kein Entkommen mehr wusste, ohne Amanda zu verletzten und sie damit zu verlieren.

Amanda sah zu mir. „Ist alles in Ordnung?" Schnell nickte ich und lächelte sie an, was mir nicht schwerfiel, aber Amanda erwiderte das Lächeln nicht. „Tut mir leid, wenn ich mich zu viel mit den Tieren beschäftigt und dir nicht so viel Aufmerksamkeit gegeben habe, wie ich es hätte tun sollen. Immerhin sind wir auf einem Date." Ich machte große Augen. Das dachte sie?

Amanda, glaubst du wirklich, dass es mich stört, wenn du voller Begeisterung bist? Ich hatte heute sehr viel Spaß und es kam mir nicht so vor, als hättest du mich zwischendurch links liegen lassen. Viel mehr hat es mir gefallen, dich zu beobachten während du bewundernd die Fische, Seepferdchen, Pinguine oder Quallen angesehen hast. Ich hatte das Gefühl, dich dadurch besser kennenzulernen. Dafür sollte ich dir danken."

Amanda schwieg eine Weile und sah mich an. Ich war der Meinung, Überraschung und Freude in ihren Augen zu sehen, war mir dessen aber nicht ganz sicher. Dann schließlich lächelte sie. „Danke Aden. Weißt du, ich bin kein aufregender Mensch, mache oft dieselben Dinge, sitze lieber Zuhause als auf Abenteuerreise zu gehen und kann auch keine superspannende Geschichte oder Familie vorweisen. Ich bin einfach nur ich."

Und genau dieses Ich finde ich sehr anziehend", unterbrach ich Amanda. Ich wollte nicht, dass sie so schlecht von sich dachte. „Ich hatte sehr viel Spaß und es war wirklich spannend die ganzen Fische zu sehen. Danke, dass du mich eingeladen hast."

Also hast du es gemocht?", fragte sie nochmal nach. Ich nickte. „Eindeutig, wobei ich eines trotzdem festhalten will."

Und was wäre?", fragte Amanda und sah mich erwartungsvoll an.

Fische sind mir gegrillt oder gegart immer noch am liebsten", wiederholte ich meine Aussage von vorhin. Amanda blinzelte mehrmals, ehe sie in schallendes Gelächter ausbrach, und sich an meinem Unterarm festhielt, damit sich sie nicht das Gleichgewicht verlor. Ich stützte sie und betrachtete sie schmunzelnd während Amanda sich Tränen aus den Augenwinkeln wischte und weiterhin lachen musste. Amanda war stark und wunderschön und dennoch sehr unsicher in manchen Dingen. Es war, als bräuchte sie manchmal die Bestätigung, dass sie gut genug war.

Für mich war sie mehr als gut genug. Ich würde ihr immer wieder diese Bestätigung geben. Das schwor ich mir.

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