₀₆₇

Ich liege im Bett und wälze mich unruhig hin und her. Meine Gedanken finden keine Ruhe und auch nach mehreren Stunden ist es mir nicht möglich einzuschlafen.

Noch immer denke ich an den Kuss und was es jetzt zu bedeuten hat. Erwidert er meine Gefühle? Aber bin ich überhaupt bereit dafür?

Aber auch um seinen Vorschlag, eine Petition zu starten, drehen sich meine Gedanken. Ich bin von sich aus kein Mensch, der viel wagt. Aber vielleicht hat Jurij recht und ich sollte es zumindest versuchen.
Natürlich will ich meine Erinnerungen zurück. Ich fühle mich machtlos ohne sie. Weil ich nicht mehr weiß, wer ich bin.

Meine Verwirrung hält bis spät in der Nacht inne, auch wenn ich versuche die Gedanken zu verdrängen. Ich bin unheimlich müde, aber der Schlaf will nicht kommen.

Ächzend stehe ich auf und laufe zu dem kleinen Bad, dass ich mir mit Erin teile. Im Spiegel starre ich mir entgegen, verschlafene Augen, müder Blick. Ich spritze mir Wasser ins Gesicht und trockne es mit einem Handtuch ab und trinke etwas.
Als ich fertig bin gehe ich zurück in mein Zimmer, in dem ich als erstes das Fenster öffne. Hier ist es viel zu stickig und mit der Hitze kann ich nicht einschlafen.

Dann lehne ich mich in die Nacht heraus und reibe meine Augen. Ich bin so müde, aber noch immer rasen die Gedanken in meinem Kopf.

Sobald meine Finger am Fensterbrett anfangen taub zu werden, schließe ich das Fenster und krieche unter meine Bettdecke. Diesmal gleite ich schnell in einen traumlosen Schlaf.

Ich wache auf, weil mir ungeheuer heiß ist und strample meine Decke weg. Vor Schweiß klebt mein Laken und ich springe aus dem Bett, um das ekelhafte Gefühl wegzubekommen.
Ein schmerzhaftes Stechen zieht durch meinen Kopf und ich renne ans Fenster, um mich abzukühlen. Zum Glück ist es Winter, die sommerliche Hitze könnte ich jetzt nicht anhalten. Stattdessen weht der kalte Wind in mein Zimmer und macht es mir halbwegs erträglich.

Trotzdem fühle ich mich elend. Schwarze Punkte tanzen vor meinen Augen, als ich die Treppe zu schnell heruntergehe und unten ist die Heizung eingeschaltet, was einen erneuten Hitzeschub in mir auslöst.
"Anastasia, wie siehst du denn aus", ruft Mom entsetzt und springt auf.
"Mir geht es nicht so gut", krächze ich.
"Das sehe ich, schnell wieder ins Bett mit dir. Ich ruf bei der Schule an."

Mom bringt mich noch nach oben, wo ich mich ohne Decke ins Bett lege. Mir ist so heiß.
Mein Schlafanzug ist vom unruhigen Schlaf zerknittert, ich nehme mein Handy zur Hand und schildere Jurij schnell die Situation per Text.

Eine Weile lang liege ich nur da, hänge meinen Gedanken nach und fühle mich elendig.
Zwischendurch kommt Mom hoch und fragt, ob sie da bleiben soll. Ich schüttele den Kopf, sie soll ruhig zur Arbeit gehen. Alleine komme ich besser klar, ich werde bestimmt noch einmal Schlafen.

Die Müdigkeit sitzt tief in meinen Knochen, aber das ekelhafte Gefühl, schmutzig zu sein, treibt mich an, zu duschen.
Danach ziehe ich nur ein weites T-Shirt an und gehe die Treppen hinunter.

Nach einer Schale Müsli lege ich mich auf das Sofa und rolle mich zusammen. Nach der kalten Dusche geht es mir besser, in meinen wenigen Klamotten ist mir jetzt sogar kalt, weswegen ich mich in eine Decke einwickle und eine andere als Kopfkissen benutze.
Die Stille im Haus tut mir gut und ich schlafe schnell ein.

Nachmittags beginne ich mich zu langweilen. Nach einer Mischung aus schlafen, nachdenken und essen geht es mir besser. Ich fühle mich immer noch etwas kränklich, aber lange nicht so sehr wie heute morgen. 

Ich frage Jurij, ob er vorbeikommen will unter dem Vorwand, dass ich eine Entscheidung getroffen habe, was den Versuch eine Petition zu starten betrifft. Das habe ich zwar noch nicht, Zweifel kreisen meine Motivation, es zu versuchen, ein. Aber ich kann mir nicht für immer Zeit lassen und bis Jurij hier ist - sofern er denn Zeit hat - kann ich es noch überdenken.

Ist es überhaupt üblich, sich so oft zu treffen? Ich kenne mich damit nicht aus, hoffe aber, dass Jurij sich nicht gezwungen sieht, sich mit mir zu treffen. In meiner ersten Freundschaft will ich nichts überstürzen. Hegt man solche Gefühle überhaupt gegenüber Freunden? Dass man rot wird, wenn man ein Kompliment bekommt? Dass man lächelt, wann immer man an die Person denkt?

Jurij antwortet mit einem Daumenhoch-Emoji, er wird also bald eintreffen. Erin ist glücklicherweise noch in ihrer Mittagsbetreuung, so gern ich sie auch habe, so kann sie einem auch schnell auf die Nerven gehen. Und meine Eltern arbeiten noch. 

Ich setze mich auf und gehe in die Küche, um uns eine heiße Schokolade zu machen. Einerseits will ich ihm etwas zurückgeben, nachdem er gestern eine zu meiner Beruhigung gemacht hat, auf der anderen Seite brauche ich etwas, um mich von meinen Gedanken abzulenken. Im Radio läuft Musik und ich wippe mit dem Fuß dazu, während die Milch kocht. 

Fünf Minuten später klingelt es und ich renne zur Tür, um Jurij aufzumachen. Zur Begrüßung zieht er mich in die Arme und ich führe ihn in die Küche, um den Kakao in zwei Tassen zu füllen.
"Und wie hast du dich entschieden?", fragt er neugierig.
"Ich bin dabei", sage ich aus einer Intuition heraus. Wäre das nicht der Fall, hätte ich nicht einmal einen Grund gehabt, ihn zu mir einzuladen.

"Finde ich cool", erwidert er und lächelt. Ich nicke, obwohl ich meine Entscheidung nicht nur leicht hinterfrage. Er bedankt sich, als ich ihm seine heiße Schokolade reiche und wir setzen uns an den Küchentisch.
"Wie war die Schule?", frage ich, um vorerst das Thema zu wechseln. 
"Ganz okay, wir haben einen Test in Mathe geschrieben."

Den habe ich dann wohl auch verpasst, Jurij und ich sind im gleichen Mathekurs. Mittlerweile frage ich mich wirklich, ob ich es noch schaffe, dass Schuljahr aufzuholen. 

Wir unterhalten uns noch eine Weile über die Schule, dann beginnt auf einmal mein Kopf zu dröhnen und ich atme tief durch.
"Alles gut? Ich habe noch gar nicht gefragt, wie es dir geht", fragt Jurij erschrocken.
"Vorhin gings mir besser."

"Komm, gehen wir nach oben, dann kannst du dich hinlegen", meint er und ich nicke dankbar. Er nimmt mir meine Tasse ab und geht hinter mir die Treppen hoch, für den Fall, dass ich umfalle.

Ich lege mich ins Bett und er setzt sich neben mich, betrachtet mich besorgt.
"Willst du ein bisschen schlafen und ich versuche solange, die Petition zu verfassen?", fragt er und ich stimme mit einem Lächeln zu. 

Meine Augen fallen beinahe direkt zu, aber kurz hatte ich mir eingebildet meine Beine nicht mehr zu spüren.

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